Biografien & Erinnerungen
Mein Tagebuch - Von Überfliegern, einem Sandhügel und einer recht unglücklichen Landung

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"Warum das Sprichwort: "Sport ist Mord!" manchmal sogar fast der Wahrheit entsprechen kann"
Veröffentlicht am 28. November 2022, 18 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
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Über den Autor:

...ich bin Ines, geboren und aufgewachsen in der ehemaligen DDR, nach der Grenzöffnung und seit dem Auszug meiner 3 Kinder viel unterwegs, woraus sich auch mein spitz- und username vagabundinchen (vagabund + inchen) ergibt. Ich bin ein Typ, mit dem man Pferde stehlen kann (wenn ich das von mir selbst behaupten darf), meine Hobbys sind lesen, schreiben, Fahrrad fahren, wandern, angeln, zelten ...und alles, was Spaß macht. Ich mache ein paar Mal ...
Warum das Sprichwort: "Sport ist Mord!" manchmal sogar fast der Wahrheit entsprechen kann

Mein Tagebuch - Von Überfliegern, einem Sandhügel und einer recht unglücklichen Landung

Von Überfliegern, einem Sandhügel und einer recht unglücklichen Landung




oder:



Warum das Sprichwort: "Sport ist Mord!" manchmal fast der Wahrheit entsprechen kann.



Dass ich in meiner Freizeit als Kind viel durch die Natur gestromert bin, hab ich euch ja schon erzählt. Heute berichte ich euch von einem Nachmittag im Sommer 1974, also im zarten Alter von 12 Jahren. An jenem Tag war ich wieder einmal unterwegs, dieses Mal nicht, wie so oft mit Bobby, sondern seinem älteren Bruder Karsten. Der war ja in meiner Klasse und an diesem Tag waren die letzten beiden Stunden ausgefallen. Da wir keine Lust hatten, nach Hause zu gehen und uns vielleicht gleich an die

langweiligen Hausaufgaben setzen zu müssen, beschlossen wir, noch eine Weile auf den Kiebitzberg zu gehen. Also in diesem Zusammenhang von einem Berg zu sprechen, ist zwar etwas anmaßend, denn bei dem Kiebitzberg handelte es sich streng genommen nur um einen einst aufgeschütteten Sandhügel, der inzwischen von vielen Birken bewachsen war. Die kahle Hügelkuppe lag in etwa in Höhe der umliegend stehenden Baumkronen. Nur dass ihr eine ungefähre Vorstellung von der Größe des Kiebitzberges habt. Aber egal, für uns war der Kiebitzberg immer ein lohnender Platz zum Spielen.

Im Sommer tollten wir ihn hoch und runter, buddelten Löcher in den Sand und ließen uns den Hügel herunterkullern. Wir spielten Fange und Verstecke oder Cowboy und Indianer mit selbstgebauten Pfeil und Bogen und Gewehren aus abgebrochenen Ästen. Und im Winter sausten wir mit unseren Schlitten den Abhang hinunter und wurden viel zu oft von einem Baumstamm abrupt gestoppt, so dass wir kopfüber mit der Nase im Schnee landeten. Am Fuße des Kiebitzberges lag das damals neu gebaute Sportzentrum. Mit einer geräumigen Sporthalle und ebenso großer Freianlage daneben. An diesem

Tag war Tag der offenen Tür, eine Veranstaltung, bei der die einzelnen Sportvereine für die jeweilige Sportart und somit um neue Mitglieder warb. Neugierig schauten wir dort vorbei. Von der Tribüne aus verfolgen wir gespannt, wie der Judoverein sein Können vorzeigte. Karsten und ich fanden das total faszinierend, wie die sich gegenseitig auf die Matte warfen. So für das Herum-Bolzen waren wir in diesem Alter ja sowieso zu haben und meist war ich diejenige, die die Jungs aus meiner Klasse auf die Bretter schickte und/oder in den Schwitzkasten nahm. Denn was die Jungs mir an Größe

und Kraft voraus hatten, machte ich mit Kopf, Mut und Geschwindigkeit wett. Nachdem Karsten und ich genug von den Würfen gesehen hatten, krabbelten wir wieder auf den Kiebitzberg und alberten herum. Auf alle Fälle wollten wir uns im Judoverein anmelden. Die Papiere dazu hatten wir uns zuvor unten im Sportzentrum bei dem Verantwortlichen geholt. Nun mussten wir nur noch unsere Eltern davon überzeugen. Für mich wäre das nicht schwierig, denn meinem Papa war es wichtig, dass wir alles, was uns interessierte, auch ausprobieren durften. Erst einmal auf Probe und wenn wir weiterhin begeistert waren, auch

längerfristig. Und schließlich kostete der Beitrag in den einzelnen Vereinen ja nicht viel. Ich war also zuversichtlich. Übermütig probierten wir gleich einmal ein paar der Übungen aus, die wir eben erst gesehen hatten. Darunter auch den Schulterwurf, bei dem man den Gegner am Arm griff und den Rücken zudrehte, um ihn dann gekonnt über die eigene Schulter zu werfen. Dieser landete dann vor einem auf der Matte und musste sich geschlagen geben. So zumindest in der Theorie. Als Karsten mich jedoch, wie gesehen, mit Schwung über sich werfen wollte,

stolperte er und fiel. Was nicht schlimm war, weil ja der Boden aus losem Kies bestand. Ich jedoch, halb in der Drehung, landete genau mit der Schulter auf dem Hacken von seinem Schuh. Es gab einen kurzen Knacks und ein mächtiger Schmerz durchfuhr meinen ganzen Körper. Ich spürte sofort: Irgendwas war kaputt gegangen. Nun war uns die Lust zum Toben vergangen und wir machten uns auf den Heimweg. Genug für heute. Der Schmerz war inzwischen erträglich und konzentrierte sich auf meinen linken Schulterbereich. Er war jedoch so stark, dass Karsten meinen Ranzen trug.

Irgendwie plagte ihn auch das schlechte Gewissen. Später erzählte er mir, dass ich ziemlich blass ausgesehen hatte und er Angst bekam, dass ich erstens umkippen könnte und er zweitens Ärger zu Hause bekam. Obwohl er alleine dafür ja nichts konnte. Doch im Gegensatz zu meiner Familie war es in seiner noch üblich, körperlich gezüchtigt zu werden. Ohne großen Erfolg, wie sich mit den Jahren zeigte, denn einige Familienmitglieder, darunter auch Karsten kamen in den späteren Jahren immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt. Im Gegensatz zu meiner Schwester und mir. Prügelstrafe ist also nicht immer sinnvoll.

Aber zurück zu dem Tag im Jahr 1974, kurz vor den Sommerferien. Wir kehrten also mit hängenden Köpfen reumütig nach Hause zurück. Da ich meinen Schlüssel wieder einmal verlegt hatte, klingelte ich am Gartentor. Meine Mutter öffnete das Fenster im ersten Stock, schaute kurz und verärgert heraus, wurde blass und schloss das Fenster wieder, bevor sie die Treppe herunterkam und mir das Gartentor öffnete. Sie hatte sich für ihre Verhältnisse fein gemacht, denn sie trug ein Kleid und keine Kittelschürze darüber. Wie wir es gewohnt waren, wenn sie die Hausarbeit

erledigte. Später erzählte sie mir, dass sie weggehen wollte, als ich vor der Tür stand. Eigentlich wäre sie schon weg gewesen, war aber etwas spät dran. Als sie aber durch das Fenster schaute, wurde ihr schlagartig klar, dass es mit ihrem Termin oder ihrer Verabredung (was es war, hat sie nie verraten...) nichts werden würde. Denn da stand ich auf dem Bürgersteig und mein linker Arm hing nicht wie üblich an der Seite des Körpers, sondern vor meiner linken Brust herunter. Sie kam also an das Gartentor, nahm meinen Schulranzen in Empfang und sah

Karten mit einem bitterbösen vernichtenden Blick an, bevor sie mich vorsichtig am Schlafittchen packte und ins Haus zog. Die nächsten Stunden verbrachten wir in der Notaufnahme unseres Krankenhauses am anderen Ende von Kleinmachnow. Nach dem Röntgen stand fest, dass mein Schlüsselbein gebrochen war, eine echt unschöne Sache, kann ich euch sagen. Für die Untersuchung sollte ich den Pullover ausziehen, wozu ich natürlich nicht in der Lage war. Also entschloss sich der Arzt, das gute Stück einfach zu zerschneiden. Doch da hatte er nicht mit meiner Mutter gerechnet. Denn der

Pullover war selbstgestrickt und wenn er zerschnitten werden würde, wäre er unwiderruflich verloren gewesen. Ich meine, ich saß da mit total verschobener Schulter und hatte Schmerzen, die Ärzte wollten mich untersuchen und meine Mutter machte ein Gezeter wegen dem blöden Pullover. Typisch meine Mutter. Letztendlich bekam sie eine kleine Schere, mit deren Hilfe sie die Nähte auftrennen konnte. Eine Zeitverzögerung, auf die wie alle gerne verzichtet hätten. Ich weiß nicht, wie das heute ist, aber damals verpasste man den Patienten einen sogenannten Rucksackverband. Das war ein etwa Männerarm-dicker

Schlauch, der prall mit Watte gefüllt war und mittig im Genick angelegt wurde. Beide Enden wurden dann unter die Achseln geführt und anschließend auf dem Rücken wieder fest verknotet. Dadurch wurde erreicht, dass die Schultern nach hinten gezogen wurden. Und das Schlüsselbein an seine ursprüngliche Stelle bringen sollte, damit dieses wieder zusammenwachsen konnte. Die ganze Sache sah nicht nur unbequem aus, die war es auch, denn so musste ich die nächsten zwei Wochen (glaube ich) herumlaufen. Tag und Nacht. In der Schule nannte man mich die Bucklige und lachte mich aus. Aber ich war vom

Sport befreit, was auch mal toll war. Und das noch fast ein halbes Jahr aus. Blöd hingegen war, dass ich meine Schulter in dieser Zeit generell schonen musste. Mit den Jungs herumbalgen oder auf Bäume klettern fiel also auch erst einmal aus. Bei einer späteren Nachuntersuchung stellte sich heraus, dass der Knochen nicht wieder gerade zusammengewachsen war. Daher bekam ich einen Termin, um mir das Schlüsselbein noch einmal kontrolliert zu brechen und es mit dem Richten des Knochens noch einmal zu versuchen. Aber ich hatte mich geweigert, die Tortur wollte ich nicht noch einmal durchmachen. Mir war es

egal, dass der Knochen schief verheilt war. Er bildete wieder eine stabile und zuverlässige Verbindung zwischen Körper und Schulter und das genügte mir. Bewegen konnte ich den Arm auch ganz normal. Was will man mehr. Einziges Manko: Anstelle eines geraden Knochens sah man an der linken Schulter eine kleine Beule in der Mitte des Schlüsselbeines hervorstehen. Aber nicht doll. Also alles gut. Aber eines habe ich damals gelernt: Man sollte nicht immer gleich drauf los machen, wenn man etwas nicht gelernt hat.

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Über den Autor

vagabundinchen
...ich bin Ines, geboren und aufgewachsen in der ehemaligen DDR, nach der Grenzöffnung und seit dem Auszug meiner 3 Kinder viel unterwegs, woraus sich auch mein spitz- und username vagabundinchen (vagabund + inchen) ergibt. Ich bin ein Typ, mit dem man Pferde stehlen kann (wenn ich das von mir selbst behaupten darf), meine Hobbys sind lesen, schreiben, Fahrrad fahren, wandern, angeln, zelten ...und alles, was Spaß macht. Ich mache ein paar Mal in der Woche Linedance und probiere gerne mal was Neues aus. Freundschaften sind mir sehr wichtig. Wenn ihr mir schreiben wollt, dann traut euch ruhig. Ich beiße nicht.
Ansonsten viel Spaß beim Lesen...

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Annabel Hallo Ines, dass du dich noch an so vieles erinnern kannst - wundervoll. Ich lese deine Bücher gern und freue mich schon auf eine Fortsetzung. Hab einen schönen Tag, lieben Gruß, Annabel
Vor langer Zeit - Antworten
vagabundinchen Liebe Annabel
es freut mich, wenn dir meine kleine Geschichten gefallen. Leider habe ich inzwischen viel Zeit, da ich aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten kann und darf. Und da ich schon immer gerne geschrieben habe und mir sonst zu Hause die Decke auf den Kopf fällt, schreibe ich halt meine Erinnerungen nieder. Das heitert meinen Tag etwas auf und tut mir gut. Und ich freue mich, wenn auch ihr etwas Spaß habt.
Lieben Gruß aus Berlin
Ines
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Man, Du bist ja eine Vielschreiberin, ich komme gar nicht nach mit lesen.Na das ist aber nicht so gut ausgegangen, konnte den Schmerz fast noch nachfühlen.
Apropos Judo. Unser Sohn wollte mit 5 oder 6 Jahren auch Judo lernen, also kaufte ich ihm einen entsprechenden Anzug und wir gingen erst mal zum Schnuppern zu so einer Judostunde. Als er aber die ersten Jungs auf die Matte knallen sah, war seine Lust am Judo verflogen. Der Anzug liegt wohl seit 1980 immer noch ungenutzt auf dem Boden in einer Kommode rum. Muss ihn mal raussuchen und vlt. bei Ebay verscherbeln hihihi.

Liebe Grüße
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
vagabundinchen Liebe Bärbel
das kommt mir irgendwie bekannt vor. Mein Sohn litt laut Arzt an ADS oder ADHS (war damals gerade im Kommen und plötzlich hatten das ganz viele Kinder) und sollte Medikamente bekommen. Mit 6 Jahren. Ich war entschieden dagegen und habe ihn stattdessen zum Austoben zum Judo geschickt. Mit schicken steifen weißen Anzug und gelben viel zu langen Gürtel. Der Monatsbeitrag war echt heftig, weil das Sportzentrum damals neu aufgemacht hatte und sehr modern war. Und dann komm ich mal zu früh dahin und kriege mit, wie der Trainer meinen Sohn in die Ecke gesetzt hatte, weil er zu zappelig war und nicht richtig zugehört hatte. Das war natürlich nicht Sinn der Sache. Daher haben wir das auch schnell wieder beendet. Musste mein Sohn eben so draußen rumtoben. Und Medikamente wurden nie gebraucht. Haben wir auch so in den Griff bekommen.
Hab noch einen schönen Abend
Lieben Gruß
Ines
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Das hast Du richtig gemacht. Diese Pharmaindustrie will nicht vorrangig den Menschen helfen, sondern nur noch viiiiel Geld verdienen und so gibt es eben solche (neu erdachten) Krankheiten. Was diese Medikamente auf Dauer anrichten, kann kaum nachvollzogen werden.

Dir auch noch einen schönen Abend.
Liebe Grüße
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
vagabundinchen Liebe Bärbel,
ja, mich hat das auch stutzig gemacht, dass so plötzlich recht viele Kinder unter dieser Krankheit leiden sollten. Alleine drei weitere in der Klasse meines Sohnes innerhalb eines Schuljahres. Daher hatte ich den Verdacht, man hätte jetzt nur eine neue Erkrankung beziehungsweise eine bequeme Erklärung für bisher komisches Verhalten von Kindern gefunden.
Und ehe ich einem ja noch verhältnismäßig kleinen Kind verhaltensverändernde Medikamente gebe, versuche ich es doch mit Sport, um ihn auszupowern. Ist etwas anstrengender, aber hat ein ähnlich gutes Ergebnis. Wir sind jedenfalls gut damit gefahren.
Ich wünsche dir einen schönen Abend
Lieben Gruß
Ines
Vor langer Zeit - Antworten
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