Biografien & Erinnerungen
Mein Tagebuch - Von einem Pfaffendorf...

0
"Pferde können auch mal anders..."
Veröffentlicht am 21. November 2022, 20 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

...ich bin Ines, geboren und aufgewachsen in der ehemaligen DDR, nach der Grenzöffnung und seit dem Auszug meiner 3 Kinder viel unterwegs, woraus sich auch mein spitz- und username vagabundinchen (vagabund + inchen) ergibt. Ich bin ein Typ, mit dem man Pferde stehlen kann (wenn ich das von mir selbst behaupten darf), meine Hobbys sind lesen, schreiben, Fahrrad fahren, wandern, angeln, zelten ...und alles, was Spaß macht. Ich mache ein paar Mal ...
Pferde können auch mal anders...

Mein Tagebuch - Von einem Pfaffendorf...

Von einem Pfaffendorf, einem schwierigen Nadelöhr und der kleinen schmatzenden Bärbel




oder:




Pferde können auch mal anders



Auch auf die Gefahr hin, dass ich euch mit meinen Pferde-Geschichten auf die Nerven gehe, eine gibt es noch. Zugetragen hat sich das heutige Erlebnis, als ich 9 Jahre alt war. Wir waren damals im Sommerurlaub. In der Sächsischen Schweiz, genau genommen in der Nähe vom Königsstein. Ursprünglich wollten wir im Pfaffendorf, einem Ortsteil der Stadt Königsstein residieren. Aber es kam wohl irgendetwas dazwischen und so planten

meine Eltern kurzzeitig um. Was sich im Endeffekt als Glücksfall erwies. Jedenfalls was mich betraf. Denn es wurde einer meiner schönsten Urlaube meiner Kindheit. Denn unsere neue Ferienwohnung lag auf einem fast einzeln liegenden Gehöft, im Elbtal, inmitten von blühenden Wiesen, nur wenige Schritte entfernt vom Wasser und genau gegenüber der Burg Falkenstein. Neben unserer Ferienunterkunft gab es nur noch ein damals schon uralter Bauernhof, deren Bewohner ebenso alt zu sein schienen. Aber vielleicht war das auch nur mein Eindruck damals, denn mit 9 Jahren sind

ja alle Menschen ab dem mittleren Alter „uralt“. Der Bauer und seine Frau waren echt nett und luden uns ziemlich zu Beginn des Urlaubs ein, sie zu besuchen. Ich weiß noch, dass das Haus wirklich alt war und die Zimmerdecke so niedrig, dass mein Papa, der nun nicht sehr groß war, fast oben an stieß. Um durch die Türen zu kommen, musste er sich jedes Mal bücken. Die gute Stube war recht dunkel. Das kam daher, weil der Raum nur winzig kleine Fenster hatte. Das kannte ich so bisher noch nicht. Es gab selbstgebackenen Kuchen und

Kaffee. Für uns Kinder natürlich Kakao. Hm, beides lecker. Anschließend nahm uns der Bauer mit in den Stall. Der war genauso alt, klein und dunkel wie das Wohnhaus. Nur hier sah es noch etwas gruseliger aus, da es von Fliegen wimmelte und nicht wenige Spinnweben von der schmutzigen Decke herabhingen. Meine Schwester, die brave Tina, blieb abrupt an der Stalltür stehen. Sie hielt sich mit den Worten: „Ih, das stinkt!“ die Nase zu und rannte angewidert davon. Der verdutzte Bauer und seine Frau haben sie nie wieder gesehen. Jedenfalls nicht aus der

Nähe. Ich hingegen hörte nur ein Muhen und war sofort fasziniert. Im Stall standen eine Handvoll Kühe, die noch mit Hand gemolken wurden und momentan lautstark nach Futter verlangten. Natürlich half ich dem Bauern, das frisch gemähte Gras in die Krippe zu verteilen. Soweit ich es in meinem Alter konnte. Von da an war ich jeden Tag auf dem Bauernhof und verbrachte mehr Zeit dort, als mit meiner Familie. Das Highlight des Urlaubs war die Geburt eines winzig kleinen Kälbchens, bei der ich dabei sein durfte. Von Anfang

an. Ich fand es so süß, als es endlich, noch ganz nass, wackelig auf seinen vier Beinen stand und von Mama mit seiner extrem rauen Zunge abgeschlabbert wurde. So intensiv, dass es gleich wieder umfiel. Da ich dem Bauern zur Hand gegangen war, durfte ich dem Kälbchen am nächsten Tag einen Namen geben. Ich fand Bärbel passend und so gab es in den folgenden Jahren eine Milchkuh mit Namen Bärbel in der Sächsischen Schweiz. Einmal durfte ich sogar einen ganzen Tag durchgehend bei dem Bauern bleiben. Als nämlich meine Schwester Zahnschmerzen bekam und meine Eltern fast den ganzen

Tag in der Stadt verbrachten. Wie langweilig. Ich durfte in der Zwischenzeit mit dem Bauern in seinem Pferdewagen auf das Feld fahren und Heu wenden, welches in der Sonne zum Trocknen ausgebreitet war. Ich durfte bei der Stallarbeit helfen und unternahm die ersten Melkversuche. Mit kläglichem Erfolg. Und das bisschen Milch, was den Weg in den Eimer fand, floss dann noch in den Kuhmist, weil die Kuh von meinen Versuchen wahrscheinlich die Schnauze voll hatte und den Eimer kurzerhand umtrat. Also übernahm der Bauer lachend wieder das Melken. Und die Milch schmeckte soooo lecker! Frisch aus dem Euter, noch warm und richtig sahnig!

Für meine Arbeit auf dem Bauernhof wurden wir auch immer gut entlohnt, mit frischen Eiern und Gemüse der Saison. Und eingewecktem Obst, Marmelade und so weiter. Für die ganze Familie und den gesamten Urlaub über. So war das Frühstück und Abendessen während dieser Zeit fast immer umsonst. Natürlich war ich in diesem Urlaub nicht nur auf dem Bauernhof, obwohl ich nichts lieber gemacht hätte. Nein, meine Familie unternahm auch viel zusammen. Wir besuchten die Burg Königstein (wenn man schon mal in der Nähe ist)

und auch das berühmte Nadelöhr. Ein Wanderweg, der ziemlich schwierig ist für uns an einer steilen Leiter im Fels endete. Teilweise waren das nur so Stufen aus Metall, die in die Wand übereinander eingeschlagen waren. Die musste man hochklettern. Immer schön einer nach dem anderen. Aber irgendwie war überhaupt kein Ende abzusehen. Und da merkte ich das erste Mal, dass ich irgendwie nicht schwindelfrei war. Mitten in der Wand ging plötzlich nichts mehr. Ich konnte weder vorwärts noch zurück klettern und hing da so wie erstarrt fest. Meine Mutter, die direkt hinter beziehungsweise unter mir musste mir echt lange zureden. Irgendwann ging

es dann langsam wieder rückwärts, also abwärts. Komisch, wo ich doch zu Hause auf jeden noch so hohen Baum klettere und das auch noch cool finde, wenn der im Wind schwingt! Aber hier bei festen Trittstangen im Fels ging nichts mehr. Eigenartig! Aber ich verbrachte meine Zeit sowieso viel lieber auf dem Bauernhof, um bei den Tieren zu sein und bei der Stallarbeit zu helfen. Oder die Hühner zu füttern. Oder die Kaninchen zu streicheln. Fast am Ende unseres Urlaubs kam es dann noch zu einem ernsthaften Zwischenfall, der für den Bauern nicht

gut ausging. Zum Glück passierte das Unglück am Abend. Meine Schwester und ich standen gerade unter der Dusche, als wir durch das offene Fenster draußen ein Poltern, Krachen und laute Schreie hörten. Erschrocken schlüpften wir aus der Dusche und trockneten uns hektisch ab. Wir wollten nachschauen gehen, was passiert war, aber meine Mutter ließ uns nicht aus der Wohnung. Mein Papa war nirgends zu sehen. Doch was war passiert? Am nächsten Tag beim Frühstück erzählte es unser Papa. Der Bauer war mit seinem Pferdegespann unterwegs. Er hatte Holz gefahren und nun mit leerem Wagen wieder auf dem

Rückweg. In einer Kurve begegnete ihn dann überraschend ein laut knatterndes Motorrad und brauste an ihm und den Pferden vorbei. Viel zu schnell und viel zu dicht. Natürlich gingen die beiden Tiere durch, obwohl sie in der Regel straßensicher unterwegs waren. Durch den plötzlichen Schub fiel der Bauer rücklings auf seinen Hänger und war auch nicht mehr in der Lage, auf den Kutschbock zurück zu klettern. Um die Zügel zu fassen und die Pferde wieder unter Kontrolle kriegen zu können. Denn der Wagen hopste und schleuderte durch die im vollen Galopp rennenden Pferde.

Zum Glück steuerten sie den nahegelegenen Heimathof an und brausten erst an unserer Ferienwohnung vorbei und dann blindlings auf den Hof. Erst eine etwa 1 m niedrige Ziegelmauer, die von Brennnesseln umrahmt waren und von den ängstlichen Pferden übersprungen wurden, stoppte dann das Gespann endgültig. Beide Pferde kamen mit den Schrecken davon und wenigen Kratzern an den Beinen. Anders der Bauer. Zwei Tage durfte ich nicht zu Besuch kommen. Danach sah ich ihn das erste Mal wieder,

als er sich humpelnd zum Stall bewegte. Sein gesamter Körper, so weit zu sehen war, war übersät mit Kratzern und Schrammen, die alle gelb angepinselt waren. Wahrscheinlich Jod, denke ich mal. Außerdem sah ich überall tiefrote bis blau/grüne Flecken. Ein Arm lag in der Schlaufe und der arme Bauer mühte sich ziemlich bei der wenigen Arbeit ab, die er selbst machen konnte. Im Stall half während dieser Zeit ein Nachbar aus. Außer diesen sichtbaren Verletzungen hatte er wohl noch mehrere angebrochene Rippen und Prellungen an Armen und Beinen. Alles in Allem hatte er wahrscheinlich aber noch Glück gehabt, das hätte auch ganz anders

ausgehen können. Auch wenn er den Pferden keine Schuld gab und die ja auch nichts dafür konnten, hatte ich seit jener Zeit doch mehr Respekt vor diesen Tieren. So schön und majestätisch sie auch waren, sie konnten, wie ich nun erlebt hatte, auch ganz anders. Zum Glück war es damals schon so spät und ich nicht mit auf dem Wagen, als das passierte. Wer weiß, wie das ausgegangen wäre. Ein paar Tage später fuhren wir wieder nach Hause. Der Urlaub war zu Ende. Schade. Ich hoffte, dass der Bauer schnell wieder auf die Beine kam und

noch lange auf seinem schönen alten Bauernhof wirtschaften konnte. Da das Gehöft schon so alt war und es keine Erben gab, blieb es bestimmt danach nicht mehr lange bestehen.

0

Hörbuch

Über den Autor

vagabundinchen
...ich bin Ines, geboren und aufgewachsen in der ehemaligen DDR, nach der Grenzöffnung und seit dem Auszug meiner 3 Kinder viel unterwegs, woraus sich auch mein spitz- und username vagabundinchen (vagabund + inchen) ergibt. Ich bin ein Typ, mit dem man Pferde stehlen kann (wenn ich das von mir selbst behaupten darf), meine Hobbys sind lesen, schreiben, Fahrrad fahren, wandern, angeln, zelten ...und alles, was Spaß macht. Ich mache ein paar Mal in der Woche Linedance und probiere gerne mal was Neues aus. Freundschaften sind mir sehr wichtig. Wenn ihr mir schreiben wollt, dann traut euch ruhig. Ich beiße nicht.
Ansonsten viel Spaß beim Lesen...

Leser-Statistik
3

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
Zeige mehr Kommentare
10
0
0
Senden

169806
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung