Biografien & Erinnerungen
Mein Tagebuch - Von großen Pferden und anhänglichen Ponys

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"Nicht Standard, aber schön anzusehen"
Veröffentlicht am 14. November 2022, 24 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
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Über den Autor:

...ich bin Ines, geboren und aufgewachsen in der ehemaligen DDR, nach der Grenzöffnung und seit dem Auszug meiner 3 Kinder viel unterwegs, woraus sich auch mein spitz- und username vagabundinchen (vagabund + inchen) ergibt. Ich bin ein Typ, mit dem man Pferde stehlen kann (wenn ich das von mir selbst behaupten darf), meine Hobbys sind lesen, schreiben, Fahrrad fahren, wandern, angeln, zelten ...und alles, was Spaß macht. Ich mache ein paar Mal ...
Nicht Standard, aber schön anzusehen

Mein Tagebuch - Von großen Pferden und anhänglichen Ponys

Von großen Pferden und anhänglichen Ponys





oder:




Nicht Standard, aber schön anzusehen!


Heute machen wir mal einen kleinen Quantensprung in meiner Lebenszeitlinie. Denn momentan fällt mir nichts mehr zu meinem Kleinkinderalter ein, was erzählenswert wäre. Aber... zwischen damals und heute liegt ja auch eine ganz schön lange Zeit. Mit diversen Erlebnissen. Und jetzt möchte ich über meine Erfahrungen mit Pferden berichten. Von Tieren war ich ja schon immer fasziniert. Und so natürlich auch von Pferden. Die Wände von meinem Kinderzimmer waren eine ganze Weile

zugepflastert mit großen Postern, auf denen verschiedene Pferderassen zu sehen waren, die ich als Mittelseite irgendeiner Jugendzeitschrift gefunden und gesammelt hatte. So wusste ich schon früh über die typischen Rassenunterschiede Bescheid. Irgendwelche Musikgruppen oder Sänger hatten in meinem Reich nie einen Platz an der Wand. Als ein Mädchen aus meiner Klasse erzählte, dass sie regelmäßig zum Reiten ging, bettelte ich so lange, bis sie mich eines Tages mitnahm. Um dorthin zu gelangen, mussten wir mit dem Bus fahren. Über mehrere Dörfer. Denn das

Gestüt lag etwas außerhalb von Großbeeren. Mit dem Bus, der damals bis zum Bahnhof Genshagener Heide fuhr, ließen wir uns von Kleinmachnow über Stahnsdorf und durch Großbeeren chauffieren, ehe wir an einer einsamen Haltestelle inmitten von Rieselfeldern ausstiegen. Den Rest ging es dann zu Fuß weiter. Doch es lohnte sich. Ich war begeistert von den Ställen und den majestätischen Tieren, deren Rücken meist oberhalb meines Kopfes lagen. Und dabei ich war damals schon ungefähr 10 Jahre alt! Obwohl ich dort niemanden kannte und auch nicht Mitglied des Reitvereins war, wurde ich gleich

freundlich aufgenommen. Mir wurde alles gezeigt und ich durfte sogar bei der Pflege (beim Pferde striegeln) helfen. Und natürlich beim Stallgang fegen. Ich war begeistert. Später am Tag verabschiedete ich mich mit dem festen Vorsatz, bald wieder zu kommen und einem Zettel in der Hosentasche, mit dem ich eine Mitgliedschaft beantragen konnte. Von da an war ich jeden Donnerstag am Nachmittag auf dem Gestüt. Es dauerte auch nicht lange, um meine Eltern zu überzeugen und mich anzumelden. Erstens hörte ich dann auf

zu nerven und zweitens kostete das nun auch nicht die Welt. Nicht so wie heute. Ich weiß noch, dass ich damals ein kleines Heftchen bekam und zu Beginn des Monats immer 2 DDR Mark mitbringen musste. Dafür bekam ich dann so eine Art Briefmarke im Wert des gezahlten Beitrages, die ich dann in die entsprechende Monatsspalte des Heftes einkleben durfte. Damit waren die Kosten für den laufenden Monat beglichen und ich konnte im vollen Umfang einmal wöchentlich am Reitunterricht teilnehmen. Pferdepflege und Stallreinigung natürlich inbegriffen. Und ehrlich gesagt, das Arbeiten im Stall bereitete mir sogar noch mehr Freude als

das Reiten. Deshalb auch später meine Berufswahl in der Landwirtschaft. Aber mehr dazu ein anderes Mal. Der Reitunterricht begann für alle Neulinge immer mit dem Voltigieren. Dabei hatten die Pferde keine Sättel auf, sondern nur einen Gurt mit zwei Griffen an der Oberseite. Das Tier wurde dann an einer langen Leine im Kreis geführt. Wahlweise im Schritt, Trab oder Galopp. Wer auf das Pferd wollte, hatte natürlich auch keine Steigbügel zur Verfügung. Oder einen Tritt neben dem Pferd. Der einzige Weg nach oben war das Rennen neben dem galoppierenden Pferd, immer

schön im Gleichschritt mit den Vorderbeinen des Tieres. Wenn man sich dann gleichzeitig an den Haltegriffen festhielt und im richtigen Moment kräftig vom Boden absprang, so wurde man automatisch durch dem Zug nach oben auf den Rücken katapultiert. Wenn man weiß, wie es geht, ist es gar nicht mal so schwer. Also damals zumindest, als ich noch ein Kind war. Stark, schnell und gelenkig. Heute wäre ich nicht mal in der Lage, mit so einem Gaul Schritt zu halten. :-) Anfangs hatte ich dennoch einige Schwierigkeiten, da meine Arme so kurz waren, dass ich kaum an einen der Griffe

heranreichte. Meist musste ich einen kleinen Hüpfer machen, um nach dem Griff zu fassen, mich danach ziemlich strecken, während ich gleichzeitig neben dem galoppieren Pferd her rannte und auch noch versuchte, meine Schrittfolge den Vorderfüßen des Tieres anzugleichen. Denn nur dann bekam man genug Schwung, um Aufsitzen zu können. Nach zwei bis drei Fehlversuchen hatte der Voltigierer meist ein Einsehen und hielt das Pferd an, um uns mit seinen Händen eine Art Räuberleiter als Steighilfe auf den Rücken zu helfen. Doch wie gesagt, je öfter ich das übte, desto besser funktionierte auch diese Technik bei mir. Und da ich ziemlich leicht war, musste

ich nicht einmal stark abspringen. Der Schwung beim Rennen reichte meist schon aus, um mich auf das ersehnte Ziel zu katapultieren. Uns wurde erklärt, dass das Voltigieren und das Reiten ohne Sattel wichtig sei, um ein Gefühl für das Pferd und seine Bewegungen zu bekommen. Um das Gleichgewicht zu stärken, gab es verschiedene Übungen, die wir auf Zuruf des Voltigierers hin ausführten. Anfangs recht einfache, zum Beispiel das gerade Sitzen und Loslassen der Griffe, später das Aufrichten und Hinknien, während die Arme eine seitliche Haltung annahmen. Und alles bei vollem Galopp,

immer im Kreis herum. Wer schon sicher auf dem Rücken saß, konnte auch schwierigere Übungen versuchen, vom Stehen alleine oder zu zweit bis hin zum Schulterstand. Vor dieser letzten Übung hatte ich mächtig Respekt, denn auch wenn sie auf dem still stehenden Pferd im Vorfeld gut zu absolvieren war, so bedurfte es beim Sprinten schon viel Mut, um die Schulter direkt hinter dem Gurt und dem Widerrist abzulegen und kopfüber mit den Beinen kerzengerade in der Luft sozusagen halb neben dem Pferd zu hängen. Beim Galopp hatten man so ganz schnell mal eine völlig andere Sichtweise beim Reiten.

Aber diese Übung war eben auch nur etwas für die Fortgeschrittenen unter uns. Hin und wieder gab es Veranstaltungen auf dem Gestüt. Dann kamen viele Besucher, meist auch die Eltern der neuen Reitschüler. Und natürlich wurde im Rahmen dieses Events auch vorgeführt, was die Kinder und Jugendlichen inzwischen gelernt hatten. Wofür die Eltern sozusagen die zwei Mark jeden Monat ausgegeben hatten. Ich war damals ungefähr 4 Monate dabei und trat mit einer kleinen Gruppe Gleichaltriger auf. Unser Pferd war ein

großer Schimmel, ein altes Tier, welcher hier auf dem Gestüt sein Gnadenbrot bekam und um im Training zu bleiben, hin und wieder für das Voltigieren hergenommen wurde. Im Vorfeld erklärte man uns, dass das Tier eine Besonderheit hatte. Es war sehr kitzelig, besonders auf dem Rücken, oberhalb der Hinterbeine. So obere Pobacken sozusagen. Wir Schüler wussten das und vermieden es während der Übungen tunlichst, ihn dort zu berühren. Warum, werdet ihr hier gleich erfahren... Endlich wurde unsere Gruppe aufgerufen und wir betraten den Übungsplatz. Natürlich schön geordnet, wie wir es

gelernt hatten. Zuerst der Voltigier Lehrer mit dem Pferd, dann wir nacheinander, nach Größe sortiert. Ich war natürlich fast am Ende der Schlange. Nur zwei ein paar Jahre jüngere Mädchen folgten mir noch. Wir stellten uns, wie geübt, nebeneinander in der Mitte des Platzes auf und verneigten uns in Richtung der Gäste, die hinter dem Holzgitter Aufstellung oder auf der Tribüne Platz genommen hatten. Wilder Applaus, besonders von den stolzen Eltern. Dann fingen wir an, unser Können vorzuführen. Ein Sprecher mit einem Mikrofon kommentierte die einzelnen

Übungen und wies zum Beispiel auf Besonderheiten des Pferdes oder des jeweiligen Reiters hin. Das machte mich zumindest noch nervöser, als ich sowieso schon war. Denn ich war ja noch nicht so lange dabei und oftmals klappten die Übungen noch nicht so richtig. Der Rücken war nicht gerade genug, die Arme in Seitenhaltung nicht waagerecht genug. Aber heute wollte ich alles richtig machen! Als mein Name dann aufgerufen wurde, lief ich wie immer zu Beginn des Voligierens in die Mitte des Kreises, wo unser Lehrer stand. Von dort aus näherte ich mich vorschriftsmäßig dem

galoppierenden Pferd immer an der Longe, der langen Leine, entlang. Der Schimmel war schon einige Runden gelaufen, da ich erst fast zum Ende der Aufführung an die Reihe kam. Daher schwitzte er schon mächtig und schnaubte mehrfach. Ich schielte während des Nebenher-Rennens auf die Vorderbeine und korrigierte meine Schrittfolge, fasste nach dem Haltegriff, stieß mich vom Boden ab und landete vorbildlich und genau nach Lehrbuch auf dem Rücken des Pferdes. Die Zuschauer applaudierten und auch der Sprecher lobte mich. Das spornte mich an und ich begann, meine Übungen zu zeigen. Denn nicht jeder meiner Mitstreiter hatte es

beim ersten Mal geschafft, aufzusitzen. Und die waren größer als ich. Ich ließ die Griffe los und hob die Arme in Seitenhaltung. Dachte sogar daran, den Rücken durchzudrücken. Applaus. Anschließend zog ich die Beine an und bereitete mich darauf vor, mich auf den schwankenden Rücken hinzuknien. Sobald man die richtige Position erreicht hatte, ließ man wieder die Griffe los und hob die Arme. Mindestens 10 Schritte im Galopp musste man diese Stellung halten, ehe man sich wieder anschickte, hinzusetzen. Auch das schaffte ich problemlos. Gerade, als ich wieder nach den Halterungen greifen wollte,

verrutsche jedoch mein rechter Fuß etwas und ich berührte den Hengst mit den Zehen genau an seiner empfindlichen Stelle. Im selben Moment machte er einen Riesensprung in die Höhe und keilte gleichzeitig kräftig nach hinten aus. Dann schoss er nach vorne davon. Ich, die sich immer noch aufrecht kniend, mit durchgedrückten Rücken und den Armen in Seitenhaltung oben auf dem Pferd befand, wurde durch den Hopser in die Luft geschleudert. Da der Schimmel ja nicht stehenblieb sondern im Gegenteil noch an Tempo zulegte, sauste er unter mir davon und ich landete, immer noch in der perfekten

knienden Übungshaltung hinter ihm im Sand. Das Ganze war so schnell passiert, dass ich überhaupt nicht reagieren konnte. Verletzt hatte ich mich zum Glück nicht, da der Sand ja von den vielen Rundgängen locker aufgeschichtet war. Aber natürlich war es mir ziemlich peinlich. Vor all dem Publikum, welches gut hörbar den Atem anhielt oder erschreckte Laute von sich gab. Ich wäre am liebsten direkt im Erdboden versunken. Doch der Sprecher rettete die Situation, indem er, nachdem ich mich mit hochrotem Kopf aufgerappelt hatte,

wie selbstverständlich verkündete, dass dieser Abgang zwar etwas ungewöhnlich sei, aber doch recht gekonnt aussah. Da die Haltung weiterhin tadellos war. Und das solle man mit erst einmal nachmachen. Also verneigte ich mich vor den Zuschauern und trat wieder in die Reihe meiner Mitstreiter. In der Folgezeit wurde noch häufiger von meinem ungewollten jedoch gekonnt aussehenden Abgang gesprochen. Ich hatte viele schöne Stunden auf dem Reiterhof und als viele Jahre später meine Tochter mich fragte, ob auch sie zum Reiten gehen dürfe, da stimmte ich natürlich zu. Auch wenn es inzwischen

nach der Grenzöffnung viel teurer geworden war. Doch schon kurze Zeit später verlor meine Tochter das Interesse wieder. Der Grund? Anders als zu meiner Zeit wurden hier die Kinder gleich auf irgendwelche Pferde unterschiedlicher Größe gesetzt, in einen Sattel. Und dann wurden die Tiere einfach auf dem Übungsplatz immer am Zaun entlang geritten, im langweiligen Schritt. Meine Tochter bekam als Neuling dann auch noch immer den Max zum Reiten. Ein kleines Pony, welches durch einen Unfall ein Auge verloren hatte. Daher war er sehr unsicher und lief immer einem anderen bestimmten Pony (seinem

Kumpel) hinterher, an dessen Hintern er sich mit seinem eingeschränkten Blickfeld orientieren konnte. Zudem war Max so klein, dass meine Tochter bei diesem „Reiten in Zeitlupe“ fast mit den Füßen den Boden berührte. So machte das Reiten natürlich keinen Spaß. Und nach ein paar langsamen Runden im Kreis war dann schon wieder alles vorbei. Und die Stallarbeit begann, die kurioserweise viel länger dauerte als der „Reitunterricht“. Und so war nach kurzer Zeit das Thema Reiten Geschichte. Was ich schade fand, aber auch verstand. So hätte mir der Umgang mit den Tieren auch keinen Spaß gemacht und ich hätte heute nichts zu erzählen gehabt.

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Hörbuch

Über den Autor

vagabundinchen
...ich bin Ines, geboren und aufgewachsen in der ehemaligen DDR, nach der Grenzöffnung und seit dem Auszug meiner 3 Kinder viel unterwegs, woraus sich auch mein spitz- und username vagabundinchen (vagabund + inchen) ergibt. Ich bin ein Typ, mit dem man Pferde stehlen kann (wenn ich das von mir selbst behaupten darf), meine Hobbys sind lesen, schreiben, Fahrrad fahren, wandern, angeln, zelten ...und alles, was Spaß macht. Ich mache ein paar Mal in der Woche Linedance und probiere gerne mal was Neues aus. Freundschaften sind mir sehr wichtig. Wenn ihr mir schreiben wollt, dann traut euch ruhig. Ich beiße nicht.
Ansonsten viel Spaß beim Lesen...

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baesta Da haben wir ja was gemeinsam, die Liebe zu den Pferden aber auch zu anderen Tieren. Nur gab es bei uns nicht die Möglichkeit, da es weit und breit keinen Reiterhof bei uns gab. Aber ich durfte, wenn wir mal (noch vor der Grenzschließung) bei meinem Onkel in Hannover waren, Pferde sehen und war da meist auch auf den Bauernhöfen zugange. Im Zo in Westberlin durfte ich sogar mal reiten, aber da war es, wie bei Deiner Tochter, immer nur im Kreis. Bei Deiner Erzählung kommen aber auch wieder Erinnerungen hoch. Muss mich mal wieder ans Schreiben machen.

Liebe Grüße ausm Arzgeberch
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
vagabundinchen Hallo Bärbel, danke für deinen lieben Kommentar, der mich sehr gefreut hat. Ja, solche Kindheitserinnerungen sind etwas Schönes. Und bevor ich sie vielleicht im höheren Alter vergesse, schreibe ich sie nun für meine Kinder nieder. Und so habe auch ich später immer wieder etwas zu lesen. :-)
Ich würde mich freuen, auch von deinen Erinnerungen zu lesen.
Habe noch einen schönen Abend
Lieben Gruß
Ines
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Hier ist schon mal etwas von mir: https://www.mystorys.de/b81566-Kinderbuecher-Weihnachten-im-Dreimaederlhaus.htm
Viel Spaß beim Lesen.
Liebe Grüße
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
vagabundinchen Da schaue ich doch gleich einmal vorbei. Danke dir für den Tipp
Lieben Gruß
Ines
Vor langer Zeit - Antworten
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