Von einem schönen Tag am Stausee und einem Drama mit glücklichem Ausgang
oder:
Warum Eltern auch am Hinterkopf Augen haben sollten
Wasser hatte schon immer eine magische Anziehungskraft für mich. Besonders als Kind. Egal ob flache Pfütze oder tiefer See. Doch zum Glück gingen unsere Begegnungen immer gut für mich aus. Dank einer großen Portion Glück. Hier ein paar Beispiele.
Als ich etwa 4 Jahre alt war, besuchte meine Familie mit mir die Saaletalsperre, oder genauer gesagt an der BleilochTalsperre. Dort gab es, jedenfalls zur damaligen Zeit, einen kleinen Badestrand, an dem wir einen sonnigen Nachmittag verbrachten. Wir
Geschwister spielten im flachen Wasser mit unseren Luftmatratzen und meine Eltern, na ja, die waren halt am Strand oder im Wasser. Ich weiß noch, dass mein Papa in seinem Leben sehr gern schwimmen ging und dabei auch weite Strecken zurücklegte. Vielleicht habe ich ja diese Affinität zum Wasser von ihm.
Jedenfalls bemerkten meine Eltern irgendwann, dass es so verdächtig still geworden war. Meine Schwester saß immer noch im Sand und spielte, brav wie immer. Aber ich war irgendwie verschwunden. Gleich darauf entdeckte mich meine Mutter. Aber zu ihrem großen Schrecken saß ich auf der
Luftmatratze und war bereits weit vom Ufer abgetrieben. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie sich meine Eltern da gefühlt haben müssen, jetzt, da ich selber drei Kinder groß gezogen habe. Das müssen bange und sich ewig hinziehende Minuten gewesen sein, bis mein Vater zu mir geschwommen war und mich mitsamt der Luftmatratze wieder an den Strand gezogen hatte. Und die ganze Zeit über redete er auf mich ein, dass ich ja still sitzen bleiben solle. Das weiß ich noch wie heute. Mein Papa im Wasser, nur sein Kopf ist zu sehen und er drehte sich ständig beim Schwimmen um zu mir, während er die Luftmatratze, auf der ich saß, vorsichtig neben sich her
zog.
Mein Ausflug ist noch mal gut gegangen. Zum Glück.
Ein anderes Mal, ungefähr 2 Jahre später und schon nach unserem Umzug nach Kleinmachnow, ging mein Papa mit uns Kindern in das Bosch-Becken. So hieß das, glaube ich. Jedenfalls war es ein Freibad, welches es heute leider nicht mehr gibt. Aber auch heute noch erinnere ich mich an fast alle Einzelheiten. Die grüne naturbelassene Wiese mit dem herunter getrampelten Gras (kein kurzgeschnittener Rasen wie heute üblich), die einfachen Umkleidekabinen aus Holz am hinteren Rande, die
Steinfliesen rund um das große Becken und das leicht grünliche Wasser.
Jedes Jahr zu einer bestimmten Zeit im Frühling, wenn überall die ersten Büsche anfangen zu blühen und ihren Duft verströmen, dann kommt diese Erinnerung an das alte Schwimmbecken am Rande von Kleinmachnow wieder auf. Wahrscheinlich standen auch dort die gleiche Art von Büschen.
Nachdem wir also dort angekommen waren und unsere Decke auf der Wiese ausgebreitet hatten, nahm mein Papa uns Kinder zuerst an die Hand und zeigte uns das Schwimmbecken. Er erklärte uns genau, dass der Teil hier vorne nur für
Schwimmer sei und da hinten der Einstieg und der Bereich für die Nichtschwimmer. Und dass wir unbedingt dort und somit hinter der Bojen-Absperrung bleiben müssen.
Ich hörte aber (den Aussagen meiner Mutter zufolge: „...wie immer...“) nur mit einem halben Ohr zu. Schließlich war das Wasser und die vielen planschenden Kinder zu faszinierend für mich. Kaum hatte mein Papa sich nur für eine halbe Minute umgedreht, um seine Brille auf die Decke zu legen, da marschierte ich auch schon schnurstracks auf die nächste Leiter zu, die am Beckenrand befestigt war und mit deren Hilfe man ins und aus
dem Becken klettern konnte. Selbstbewusst kletterte ich die ersten Stufen hinab, bis mir das Wasser bis an die Brust ging und machte dann einen Schritt nach hinten. Gleichzeitig ließ ich die Leiter los, da ich ja der Meinung war, das Schwimmbecken sei hier nicht so tief.
Augenblicklich versank ich und weiß noch heute, wie sich vor mir eine grüne Wand an Wasser auftat und die Geräusche verschwanden. Beziehungsweise ganz dumpf wurden. Eben genau so, wie man unter Wasser hört.
Inzwischen hatte sich mein Papa wieder
umgedreht und bemerkte mit Schrecken, dass er mich nirgends sehen konnte. Meine Schwester stand immer noch am selben Fleck und wartete brav, aber ich war spurlos verschwunden. Dafür sah mein Papa aber, wie plötzlich mehrere Menschen im Wasser in der Nähe der Leiter abtauchten, mich wieder an die Wasseroberfläche holten und zurück zur Leiter schoben. An die ich mich dann hustend festklammerte. Das ganze dauerte nur Bruchteile von Sekunden und dank der aufmerksamen Schwimmer war ja auch nicht wirklich was passiert. Hätte aber.
Mein Papa hob mich aus dem Wasser und
der Nachmittag war für mich gelaufen. Ins Wasser durfte ich nicht mehr. Einer meiner „Lebensretter“ meinte noch, ich sei so selbstverständlich ins tiefe Becken geklettert, dass er angenommen hatte, dass ich schwimmen konnte. Obwohl ich noch so klein und zierlich war.
Kurz danach brachte mir mein Papa das Schwimmen dann auch bei. Schwimmunterricht in der Schule gab es damals noch nicht. Und da ich hin und wieder in meiner Kindheit an Wadenkrämpfen litt, trainierte er mir auch gleich, wie ich mich im Wasser zu verhalten hatte, falls ich einen Krampf im Bein während des Schwimmens
bekam.
Luft holen, den großen Zeh greifen und daran ziehen, während ich mit der anderen Hand auf das Knie drückte und somit das Bein streckte.
Das sollte wohl helfen. Aber zum Glück musste ich es nie während eines Notfalls ausprobieren.