Knüppeldick!
Warnung!
Diese Geschichte ist in Ich-Form geschrieben. Nicht etwa, weil sie mit dem Autor korrespondiert! Die Ich-Form soll einfach die unerwartete Pointe verstärken. Das ist alles.
Sonne auf dem Balkon
Ich sitze auf dem Balkon, die Zeitung vor mir. Ein wunderschöner Frühlingstag. Die Sonne scheint warm hernieder, Kinder lärmen auf der Strasse. Hie und da ein Auto im Quartier.
Ich bin Rentner. Ich habe alle Zeit der Welt, werfe einen Blick auf die erste Zeitungsseite. Zwischendurch geht mein Blick wieder in die
Ferne, zu den Hügeln, zum blauen Himmel, mit feinen weissen Zirren durchsäumt.
Was habe ich es schön. Ich bin Rentner. Ein zufriedener Rentner. Selbstzufrieden. Sozusagen.
Die Zeitung
Was da alles so in der Zeitung steht! Dicke Ueberschrift, satter Lauftext. Ich stelle fest, dass auch eine seriöse Tageszeitung schon mit Schlagzeilen hantiert.
Knalleffekt in der Schlagzeile, nichts sagend meistens der Lauftext. So funktioniert das, also nichts Neues unter der Sonne.
Die Königshäuser haben wieder einmal
Probleme. Kann mir eigentlich egal sein. Ich bleibe ruhig. Alter bringt Weisheit, denke ich. Auch die Finanzkrise lässt mich kalt. Ich bin schon alt, brauch mich deswegen nicht mehr aufzuregen.
Der Skirennfahrer ist auf die Schnauze geflogen, ins Fangnetz. Hat dabei den Arm gebrochen. Gottlob nicht mehr. Ich bleibe cool. Die wollen ja das Risiko, sollen selber schauen, wie sie damit zu Rande kommen.
Die Rechtsextremen haben wieder zugeschlagen im Fussballstadion. Einige Verletzte, die Rädelsführer werden verhaftet. Der Vorsitzende des Fussballklubs jammert: Immer das selbe. Ich bin vorurteilsbeladen: Da
sieht man, jammern, aber getan wird nichts.
Ich sinniere
Das kann mir alles nichts anhaben: Ich bin alt, ich geniesse das restliche Leben, den Balkon, den Sonnenschein. Wunderbar. Alles geht an mir vorbei. Ich bin ausgeglichen. Ich bin erhaben über alles. Nichts kann mich umwerfen.
Kaffee
„Anna, bring mir einen Kaffe“, rufe ich in die Wohnung. „Gleich“, tönte es zurück. Zufrieden und wohlgefällig lehne ich mich zurück, eins mit der Welt.
„Hier, bitte“. Anna stellt den Kaffee hin. Ich
nehme einen Schluck. Das darf ja wohl nicht wahr sein.
„Was stellst du mir denn da für ein Gebräu hin? Das ist ja Abwaschwasser in reinster Form!“ Ich sehe rot. „So eine Jauche kannst du vergessen. Nicht mit mir, mit mir nicht!“
Ich schiesse aus meinem Stuhl hoch. Die Tasse klirrt, das Gebräu schwappt über auf den gepflegten Holztisch. „Sauf doch das Zeugs selber“, herrsche ich meine Frau an. Ich stürme an ihr vorbei auf den Flur, packe meinen Kittel und verlasse die Wohnung. Die Haustür knallt zu, ich bin draussen.
Aus dem Gleichgewicht
Ich kann nicht sagen was für ein Teufel mich geritten hat. Wutentbrannt stolpere ich auf dem Fussweg dem Fluss entlang. Sehe weder Wasser noch Landschaft noch Sonne. Ich bin aufgewühlt.
Irgendwie weiss ich, das etwas aus dem Ruder gelaufen ist. Doch was? Kann man wegen so einer Lappalie so aus dem Häuschen geraten? Wo ich doch vorher meinte, alles im Griff zu haben?
Vielleicht, sinniere ich, ist es gerade das! Man sollte sich nie allzu sicher sein, dass einem nie etwas passieren kann. Manchmal braucht es so wenig, und das Feuer ist im Dach.
Zurück auf Feld 1
Als mein Puls wieder auf einem normalen Niveau ist und ich mich beruhigt habe, weiss ich: Das musst du ausbügeln. So kannst du das nicht anstehen lassen!
Ich bin am Wendepunkt angelangt, sowohl im Kopf als auch auf dem Flusssträsschen. Nun geht es heimwärts, die Sache ins Lot zu bringen. Und wieder die alte Gelassenheit zu erlangen. Zumindest bis zum nächsten Mal.
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