Der Kellner meines Vaters
Eine weitere glückliche Kindheitserinnerung war der alljährliche Ferienaufenthalt im Bergdorf Adelboden. Allein die Fahrt mit Vaters DKW war ein halber Krimi. Er stolz auf sein Gefährt beteuerte immer wie toll er doch läuft. Wie gut sah er nicht all unsere Stossgebete auf dem Rücksitz, wenn der Motor wieder einmal gefährlich stockte.
Heil beim Haus unserer Ferienwohnung angekommen begrüßte uns das stets strahlende
Gesicht von Mathilde Dänzer. Oh wie war es immer heimelig bei ihr. Sie sang den ganzen Tag. Sie hatte einen guten Draht nach oben. Aber ohne Aufdringlichkeit. Vater machte sich stets ein Sport daraus die Wanderungen etwas sportlicher anzugehen als die Wegweiser verkündeten. Stand dort 2 Stunden 3 Minuten blieb er vor dem Wegweiser stehen und fragte uns drei Geschwister Martin, Stefan und mich in welcher Zeit wir es schaffen werden bis zum Gipfel. Und tatsächlich waren wir öfters mindestens 30 Minuten früher oben. Prustend mit roten Wangen
schmeckte uns die Cervelats an der Feuerstelle als hätten wir gerade ein 5Sternemenue im Hotel Palace in Gstaad. In Erinnerung rieche ich den Rauch des Feuers, höre es knistern und rieche den Duft der Cervelat. Schön war dann der Abstieg, bei welchem ich mich schon auf das Ritual freute kurz vor unserer Ferienwohnung. Dort nämlich beim "Stirnima" im Hotel Beau Site war Vaters Lieblingskellner. Chulio stand dann immer wie abgemacht vor der Terasse und rief: " Patrone, wie immer ?" und schon eilte er ins Haus, um meinem Vater ein Bier zu
holen. Vater saß dann da wie Marlon Brando kurz vor seinem nächsten Auftrag. Seine Familienbande überblickend und zufrieden grinsend. Chulio konnte uns alle um den Finger wickeln. Mir sagte er immer belissima. Und meiner Mutter bella donna. Wir fühlten uns geschmeichelt. So müde und zufrieden von der Wanderung kehrten wir schließlich zurück ins Ferienhaus.
Dort kochten wir etwas Feines. Assen draußen auf dem Balkon mit Blick auf das herrliche Bergpanorama. Bewacht vom
Bonderspitz, Lohner, Wildstrubel, Chuenisbärgli, Fitzer, Schwandfeldspitz und dem Hörnli. Singend, plaudernd und lachend ging der Tag zu Ende. Der Abschied nach drei Wochen Adelboden fiel mir immer schwer. Bittere Tränen weinte ich, als könne ich niemals wieder zurückkommen. Dass ich dann sogar noch mit unserem damals noch kleinen Benjamin in die Ferien fuhr. Er sogar noch unsere liebe Mathilde Dänzer kennen und lieben lernen durfte. Dafür bin ich von ganzem Herzen dankbar. In Erinnerung rieche ich noch das Holz des Ferienhauses,
höre ich das Kuhgebimmel und die Stimme von unserer Vermieterin Mathilde. Und wenn ich die Augen schliesse sehe ich meinen Vater und Chulio, welche längst nicht mehr hier auf Erden weilen. Ich höre Chulio rufen: " Morgen um die selbe Zeit Padrone, ich werde da sein." Und dann die donnernde Stimme meines Vater:" Chulio, aber wie immer das Bier wie ich es mag !"