Biografien & Erinnerungen
Der Urlaub - Schreibparty 98 - Erinnerungen

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"Manchmal erkennt man den Wert eines Augenblick erst dann, wenn er zur Erinnerung wird - T. S. Geisel"
Veröffentlicht am 15. Mai 2022, 10 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
© Umschlag Bildmaterial: Memory
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Über den Autor:

Meistens bin ich ruhig. Im wahren Leben habe ich einen Mann, zwei Töchter, eine Hand voll Enkelkinder, zwei Katzen und alle zusammen leben wir im Süden Deutschlands. Wenn ich nicht schreibe, fotografiere ich, denn Fotos sind für mich auch kleine Geschichten - wenn man sie lesen kann. Ansonsten bin ich optimistisch, (fast) immer gut drauf und stehe mit beiden Beinen fest im Leben. Ergänzung: Das wahre Leben gibt es nicht mehr. Ich musste ...
Manchmal erkennt man den Wert eines Augenblick erst dann, wenn er zur Erinnerung wird - T. S. Geisel

Der Urlaub - Schreibparty 98 - Erinnerungen

Der Urlaub


Schreibparty 98 – Erinnerungen Der Urlaub (bearbeitet)


Manchmal erkennt man den Wert

eines Augenblick erst dann,

wenn er zur Erinnerung wird (Theodor Seuss Geisel)


















Schnell hatten sie sich für den kleinen Tisch in der Ecke entschieden und auf den alten Barhockern Platz genommen. Ein schnelles Getränk, dann würden sie wie an jedem Abend zum Spaziergang am Strand aufbrechen. Ihre Hand liegt auf dem Tisch, von seiner bedeckt und wie so oft spielt er gedankenverloren mit ihrem Ring. Ein Gespräch entsteht nicht, längst ist alles gesagt und doch überhaupt nichts. Sie will nicht schon wieder daran denken, dass dies ihr letzter gemeinsamer Urlaub sein wird und lässt zur Ablenkung ihren Blick durch den Raum schweifen. Es ist ein merkwürdiges Durcheinander verschiedener Stile und Epochen.

Offensichtlich hat das Management des Hotels in der letzten Zeit häufig gewechselt. An den Wänden sind unauffällig, aber gut lesbar Sprüche und Gedanken von Goethe in verschiedenen Sprachen angebracht. Merkwürdig für eine Bar auf der Insel. Mit Goethes Aussagen steht sie schon lange auf Kriegsfuß, nur wenige gefallen ihr wirklich, wenn viele natürlich sehr wahrhaftig sind. „Des Menschen größtes Verdienst bleibt wohl, wenn er die Umstände soviel als möglich bestimmt und sich so wenig als möglich von ihnen bestimmen lässt.“, liest sie leise und schnaubt dabei traurig. Was tun, wenn einen die Umstände einfach wie ein Tsunami überrollen und handlungsunfähig machen? Nicht schon wieder daran denken!

Ihr Blick gleitet weiter, bleibt an einer Staffelei mit unzähligen schlechten Fotos hängen. Ein Inselfotograf versucht sein Geld mit minderwertigen Bildern zu machen. Von Farbenlehre hat der Mann offensichtlich nie etwas gehört, denn es ist fast eine Zumutung, die Aufnahmen anzuschauen. Zum Glück haben sie sich am Vortag nicht dazu überreden lassen. Ihre eigenen Fotos sind längst konserviert für die Zeit, wenn es nur noch diese Erinnerungen von ihnen geben wird. Der Gedanke fühlt sich unwahr an, schnell verdrängt sie ihn, ebenso wie die aufsteigenden Tränen, und liest konzentriert das Plakat neben dem Eingang. Eine Band hat hier im Stadion der Inselhauptstadt vor Monaten ein Konzert

gegeben. Niemand hielt es wohl für notwendig, das veraltete Plakat zu entfernen. Mehr gibt es nicht anzuschauen. Um diese Zeit sind nur wenige Plätze besetzt, die Musik hallt noch sehr leise aus den Lautsprechern. Erst jetzt bemerkt sie, dass seine Finger aufgehört haben, an ihrem Ring zu spielen. Ganz still liegt seine warme Hand beschützend auf ihrer. So wie es immer war, für immer sein sollte und doch nicht sein wird. Das Schicksal ist ein mieser Verräter. Als sie zu ihm aufschaut, folgt sie seinem entrückt lächelnden Blick aus dem Fenster. Es ist gerade noch hell genug, um von diesem Platz aus das blaue Meer zu sehen, den endlosen Horizont, an dem sich zu dieser Stunde fast farbgleich Himmel und Wasser

magisch verbinden. Ihr Meer! Der Inbegriff für Sehnsucht, Fernweh, Harmonie und Vertrauen. Im Gegensatz zum Glück, welches nur geliehen ist, ist das Meer verlässlich und beständig. Kein Wunder, dass sie es immer beide geliebt haben. Zeit zu gehen. Ohne ihre Hand aus seiner zu lösen, rutscht sie vom Hocker und zieht ihn mit sich. Ihr gemeinsames Ziel ist der Strand, die Einsamkeit zu später Stunde und ihr wortloses Verstehen. Alles was zählt ist die Nähe, ihre Verbundenheit, die so besonders ist. Sofort als sie erwacht, drängt der ziehende Schmerz der Erkenntnis in ihr Herz und macht augenblicklich das Atmen schwer. Sogleich weiß sie, dass der Urlaub nur eine Erinnerung

war, ein Traum, den es nie wieder für sie beide geben wird. Reglos bleibt sie liegen. Ihre Hand ist wie in jeder Nacht in seiner geborgen. Dankbar für diesen Moment spürt sie Wärme. © Memory (2016 / 2022)



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Über den Autor

Memory
Meistens bin ich ruhig.
Im wahren Leben habe ich einen Mann, zwei Töchter, eine Hand voll Enkelkinder, zwei Katzen und alle zusammen leben wir im Süden Deutschlands.
Wenn ich nicht schreibe, fotografiere ich, denn Fotos sind für mich auch kleine Geschichten - wenn man sie lesen kann.
Ansonsten bin ich optimistisch, (fast) immer gut drauf und stehe mit beiden Beinen fest im Leben.
Ergänzung:
Das wahre Leben gibt es nicht mehr. Ich musste meinen Mann, meine große Liebe, ziehen lassen. Seit dem steht die Welt still.

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Brubeckfan Liebe Sabine,
hier klemmte mein Groschen lange, bis ich drauf kam, die Trennung ist für beide nicht freiwillig. Aber bittersüß ist dieser Urlaub, ein letzter gemeinsamer Genuß und natürlich eine bleibende Erinnerung. Ich finde, die letzte Erinnerung ist die stärkste, ob nun gut oder böse.
Hier haben zwei das beste draus gemacht.
Viele Grüße,
Gerd
PS Und wie immer gut geschrieben ...
Vor langer Zeit - Antworten
Memory 
Danke dir, lieber Gerd.
Ja, im Nachhinein verstehe ich, dass die Geschichte verwirren kann. Gerade für Leser, die das Drumherum nicht kennen.
Und du hast Recht, diese Erinnerung ist eine der intensivsten geblieben.
Danke für deine Lesezeit und das extra PS-Lob.
Liebe Grüße
Sabine
Vor langer Zeit - Antworten
Enya2853 Liebe Sabine,
da ich ja den Hintergrund deiner Geschichte kenne, kann ich auch alles sehr gut nachempfinden, auch aus eigenem Erleben heraus, wie du weißt.
Wir dürfen dieses erinnerte Empfinden nicht unterdrücken, es darf lebendig in uns sein, weil es so wertvoll ist. Aber wir sollten unser Leben nicht davon beherrschen lassen.
Im Jetzt leben, neue Empfindungen zulassen (siehe dein Eingangszitat, das es ja auch ausdrückt.)
In deiner Geschichte durchwandert deine Protagonistin diese einzelnen Momente nochmals, sie sind wie auf ein Foto gebrannt und doch lebendig.
Sehr gut geschrieben und wunderschön die Schlusszeilen und die empfundene Dankbarkeit.
Liebe Grüße
Enya
Vor langer Zeit - Antworten
Memory 
Vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar, liebe Enya.
Du hast mit jedem Wort Recht. Am Ende ist es die Dankbarkeit die zählt.
Wünsche dir auch schöne Pfingsttage.
Ich habe Enkelbesuch und momentan warten wir auf das große Unwetter. Noch scheint die Sonne ...
Liebe Grüße auch hier noch einmal
Sabine
Vor langer Zeit - Antworten
welpenweste Auf Seite fünf sind mir die Tränen nicht ganz klar ersichtlich. Insgesamt: Eine tolle Umschreibung wie auch in einem Urlaubsparadies innere Emotion global sind. Ich meine nicht die Geographie, sondern die individuelle Emotionen.
günter
Vor langer Zeit - Antworten
Memory 
Danke Günter, dass du hier warst.
Sie weiß, dass der Urlaub der letzte sein wird und die Fotos die letzten Erinnerungen sein werden ...
Viele Grüße
Sabine
Vor langer Zeit - Antworten
schnief Eine wundervolle Erinnerung liebe Sabine und mir fehlen im Moment die Worte.
Liebe Grüße Manuela
Vor langer Zeit - Antworten
Memory 
Vielen Dank, liebe Manuela.
Wünsche dir einen schönen sonnigen Tag.
Lieben Gruß
Sabine
Vor langer Zeit - Antworten
PuckPucks Oh, liebe Sabine, wie wunderbar....Dass wir bei allem Schmerz die Möglichkeit haben, uns mit solchen Erinnerungen etwas zu trösten, ist schon unglaublich. Was wir Menschen alles können, aber leider nicht von jedem Menschen als Kraftquelle genutzt wird.....
Liebe Grüße
Judith
Vor langer Zeit - Antworten
Memory 
Liebe Judith,
danke, dass du hier warst.
Ja, du hast recht, jeder Mensch braucht Kraftquellen und nicht jeder findet die vermeindlich richtigen.
Erinnerungen können lähmen, können aber auch voran treiben, stimmts?
Lieben Gruß
Sabine
Vor langer Zeit - Antworten
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