Romane & Erzählungen
Ich sehe Dich ~ Teil 2 - Das Odium der Ewigkeit

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"Ich sehe Dich ~ Teil 2 - Das Odium der Ewigkeit "
Veröffentlicht am 29. April 2022, 584 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Über den Autor:

Aufgewachsen im KleinstĂ€dtischen Eisenach, waren BĂŒcher seit sie denken kann Teil ihres Lebens. Bereits als Kind las sie sich durch die Stadtbibliothek, wĂ€hrend ihre eigene standig anwuchs. Nach der Ausbildung zur Kinderpflegerin und der GrĂŒndung einer eigenen Großfamilie in Berlin fand sie schließlich, es ist an der Zeit, um die Leidenschaft zum Beruf zu machen. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Sprecherin, studierte Journalismus auf der ...
Ich sehe Dich ~ Teil 2 - Das Odium der Ewigkeit

Ich sehe Dich ~ Teil 2 - Das Odium der Ewigkeit

1.

Einen sicheren Freund erkennt man in einer unsicheren Lage. Marcus Tullius Cicero Daisy "Daisy, kommst du mal!" schallt es von nebenan. Ich bin gerade dabei im Badezimmer meine Kosmetiktasche fĂŒr Embley zu packen. "Was ist denn?", frage ich und stecke den Kopf durch die geöffnete

TĂŒr. "Du hast ja gar nichts zum anziehen.", echauffiert sich Anna und deutet mit dem Daumen hinter sich auf meinen geöffneten Kleiderschrank. "Das kann gar nicht sein.", antworte ich und trete nĂ€her. FĂŒr einen Moment beschleicht mich tatsĂ€chlich die Sorge, jemand hĂ€tte den gesamten Inhalt meines Schrankes geklaut. Erleichtert stelle ich fest, dass es nicht der Fall ist und beginne sofort Anna meine Klamotten, die bisher immer als stilvoll und passend empfunden wurden, anzupreisen. "Da ... da ist

doch ... beispielsweise das blaue Minikleid." Ich hebe den BĂŒgel mit besagtem Kleid von der Stange. "Oder die Marlenehose und die Bluse hier." Ich greife mir die Klamotten. Anna zieht die Augenbrauen hoch. Tippt anschließend mit den Worten "Langweilig. Langweilig, Langweilig." auf die Sachen und verschrĂ€nkt trotzig die Arme vor der Brust. "SĂŒĂŸe, du fĂ€hrst in die Flitterwochen. Soll dein Mann AlptrĂ€ume vor dem, was ihn in zwanzig Jahren erwartet kriegen?" Erschrocken schnappe ich nach Luft. "Also ... mein Mann weiß ganz

genau was ihn erwartet. Und nur damit du's weißt, er mag mich genau so wie ich bin.", bekrĂ€ftige ich und hoffe, damit nicht ganz falsch zu liegen. Anna grinst. "Ja, klar weiß er das. Er kennt dich ja auch schon ne Weile. Aber ..." Sie legt freundschaftlich einen Arm um mich, damit sie mich an sich drĂŒcken kann. "... du fliegst in die Flitterwochen," Letzteres betont sie mit einem anzĂŒglichen Zwinkern. "Eine crazy sexy und vor allem unvergessliche Zeit. Hoffentlich deine einzigen Flitterwochen." "Na, das hoffe ich auch!", bestĂ€tige

ich. "Eben. Stell dir vor! Nach der Hochzeit, du hast dich gerade umgezogen, um in die Flitterwochen aufzubrechen." Ich nicke. "Du schwebst die Treppe hinab und Dan fallen fast die Augen aus dem Kopf, weil du so heiß aussiehst, dass er sich kaum beherrschen kann dich nicht sofort flach zu legen.", schwĂ€rmt sie weiter und gestikuliert in der Luft herum. "Hm, vielleicht kann er damit warten bis wir unter uns sind." "Vielleicht, vielleicht auch nicht? Aber eines weiß ich ganz sicher

..." "Was denn?" "Das er sich denkt "Na toll, das kann ja heiter werden." wenn du da in deinen alten Klamotten aufkreuzt." erklĂ€rt sie und bekrĂ€ftigt das gesagte mit einem Augenrollen. "Daisy, du bist dann eine verheiratete Frau. Deine Garderobe braucht ganz unbedingt ein Upgrade!" "Meinst du?", frage ich verunsichert und lasse meinen Blick ĂŒber meine Kleidung wandern. "Bisher haben mir meine Klamotten eigentlich ganz gut

gefallen." "SĂŒĂŸe, sie sind auch toll! Aber eben nicht toll genug fĂŒr die Flitterwochen." Wieder diese Betonung. Dezent genervt verdrehe ich die Augen. "Vielen Dank auch, ich hab's begriffen. Und was jetzt?" Statt einer Antwort greift Anna sich ihr Smartphone und wĂ€hlt ohne mir mitzuteilen wen sie anruft eine Nummer. Ein Wort sagt sie in das GerĂ€t als der andere GesprĂ€chsteilnehmer abnimmt. "Notfall." Dann befiehlt sie noch, "Halbe Stunde Great Malborought

Street!" "Du willst zur Carnaby Street? Willst du allen Ernstes heute noch shoppen gehen?", stöhne ich und lasse mich auf das Bett fallen. Ich bin jetzt schon erschöpft, und dabei ist es erst Vormittag. Anna stopft ihr Handy in ihre Handtasche und zieht mich an den HĂ€nde wieder auf die FĂŒĂŸe. "Notfall. Daisy, lass das packen sein! Wir mĂŒssen dir Urlaubsklamotten kaufen." Na, wenigstens sagt sie nicht schon wieder Flitterwochen. "Und die finden wir dort?" "Wo, wenn nicht dort, SchĂ€tzchen?", erwidert sie lachend

und zieht mich aus meinem alten WG Zimmer. "Wen hast du da gerade angerufen? Freddy, stimmt's?" Sie nickt. "Klar doch. Und verrĂ€tst du mir jetzt endlich auch mal etwas?" "Was denn?"., stöhne ich und ahne schon um was es sich handelt. "Wohin soll's gehen?" "Das bleibt unser kleines sĂŒĂŸes Geheimnis?", grinse ich frech und gehe an ihr vorbei. John fĂ€hrt uns im Bentley bis zur Great Malborought Street wo Freddy bereits am Straßenrand auf

uns wartet. Beim aussteigen entlasse ich John mit den Worten, "Sie brauchen nicht zu warten, John. Fahren Sie heim. Sicherlich mĂŒssen Sie doch auch noch packen. FĂŒr den RĂŒckweg nehmen wir ein Taxi. Versprochen." "Miss, Mister Edwards besteht darauf ..." Ich unterbreche ihn. "Ich weiß, John. Aber ich sage Ihnen Sie dĂŒrfen fahren." Mit einem LĂ€cheln steige ich aus ehe er noch etwas erwidern kann. "Ihr SĂŒĂŸen!", jubelt Freddy und zieht uns in seine typische Umarmung als wir vor ihm auf dem

Gehweg stehen. "Meinst du er folgt uns trotzdem heimlich?", raunt Anna mir zu und deutet mit einem Nicken hinter sich auf den noch immer am Straßenrand stehenden Bentley. Ich zucke die Schultern. "Keine Ahnung. Aber mehr, als ihm frei zu geben, kann ich auch nicht tun." "Also ich hĂ€tte nichts dagegen von ihm verfolgt zu werden.", mischt Freddy sich ein und wirft John einen Handkuss zu als wir untergehakt am Wagen vorbei schlendern. "Freddy!", rufe ich ihn zur Ordnung. "Du bist

verlobt." "Verlobt, ja. Tod, nein.", grinst er frech. "Also, was suchen wir?", wechselt er das Thema. "Daisy braucht was fĂŒr den Flug, fĂŒr abends, fĂŒr den Strand, fĂŒr's Sightseeing und nicht zu vergessen, fĂŒr das Bett.", erklĂ€rt Anna statt meiner und zĂ€hlt es an den Fingern ab. "Ähm ...", melde ich mich, doch ich werde mit vier energisch dreinblickenden Augen zum schweigen gebracht. "SĂŒĂŸe, tut mir leid. Aber der Inhalt deines Kleiderschranks ist echt traurig!", erklĂ€rt meine beste Freundin und

bedenkt mich mit einem mitleidigen Blick. An Freddy gewandt fĂ€hrt sie fort, "Stell dir vor, Darling, sie wollte dieses uralte blaue Minikleid mitnehmen. Und eine Marlenehose." Freddy greift sich an den Hals als stĂŒnde er kurz vor'm Schlaganfall und reißt entsetzt die Augen auf. "Ist nicht dein Ernst?", kreischt er und ich weiß nicht recht ob er damit Anna oder mich meint. Verzweifelt sehe ich mich nach dem Bentley um. Ein wenig UnterstĂŒtzung wĂ€re jetzt schön. Doch der Wagen ist fort. Mir ist gar nicht aufgefallen, dass er an uns

vorbeigefahren ist. Als erstes von der großen Auswahl die diese Straße bietet steuern wir die markante Fassade von 'Liberty London' an. "Echt jetzt?", stöhne ich schon wieder. "Findet ihr nicht, dass das ein wenig zu teuer sein könnte?" "Quatsch!", grinst Anna. "Du bist die kĂŒnftige Countess." Das muss wohl als ErklĂ€rung genĂŒgen. Willig fĂŒge ich mich den beiden und lasse mich durch die von einem in dunkler Livree gekleideten Pförtner bewachte TĂŒr ziehen. Kaum eingetreten umfĂ€ngt uns

sofort der Charme und der Prunk des offen zur Schau getragenen Luxus. "Leute ... ich weiß nicht ...", wage ich einen erneuten Versuch den RĂŒckzug anzutreten. Doch ich stoße auf taube Ohren. Meine besten Freunde waren schon in den Tiefen des GeschĂ€fts verschwunden und begannen zu stöbern. "Daisy, los komm! Im Obergeschoss gibt's die Klamotten.", schreit Freddy beinahe und winkt mich zu sich zum Aufzug. Still in mich hinein jammernd gehe ich zu ihm. Anna wartet bereits in der Kabine und hĂ€lt sie uns auf. Gemeinsam

fahren wir in den ersten Stock wo sich die Damenabteilung befindet. Kaum das sich die AufzugstĂŒren geöffnet haben, muss ich zu meiner BestĂŒrzung feststellen, dass es mir hier ganz gut gefĂ€llt. Zwar trifft nicht jedes der bunten KleidungsstĂŒcke die hier auf den BĂŒgeln hĂ€ngen meinen Geschmack, doch einiges ist schon dabei. "Oh, sieh mal hier!", jubelt jemand. Es ist Anna, die mich zu sich winkt, gerade als ich mir einen StĂ€nder mit Blusen vornehmen will. "Sind die nicht wunderschön?" Ich betrachte die langen bunten Chiffonkleider und ĂŒberlege ob sie

sie fĂŒr sich oder fĂŒr mich schön findet. "Ähm ... ja klar, sie sind schön! Aber sind sie auch sexy?", entgegne ich zögernd und betaste den fließenden Stoff. "Der RĂŒckenausschnitt ist sexy." Sie nimmt einen der BĂŒgel und hĂ€lt ihn mir hin. Der RĂŒckenausschnitt war mir noch gar nicht aufgefallen. "Ja.", sage ich gedehnt. "Stimmt. Es ist wirklich sexy!" Anna meint schwĂ€rmerisch, "Ich sehe dich schon damit am Strand entlang flanieren." "Ähm ... Strand." Erstaunt hĂ€lt sie inne und sieht mich an. "Was denn? Gibt's da etwa

keinen Strand?" Fast wĂ€re ich drauf reingefallen und hĂ€tte ihr verraten, dass wir nach New York fliegen. Doch ich kann mich beherrschen. Außerdem fĂ€llt mir gerade noch rechtzeitig ein, dass es auch in New York einen Strand gibt. Oder zumindest in der NĂ€he der Stadt. "Doch klar gibt es den." Sie sieht mich an, als wĂŒrde sie mich durchschauen, murmelt dann aber, "Na also dann. Hier!" Sie drĂŒckt mir das Kleid an die Brust. UnwillkĂŒrlich spĂ€he ich nach der GrĂ¶ĂŸe. Es dĂŒrfte passen. Doch ehe ich mich in eine der

Umkleidekabinen verkrĂŒmeln darf werde ich von ihr weiter gezogen. "Damit hĂ€ttest du ein langes Kleid. Du brauchst auch noch ein sexy kurzes." "Ich dachte, sexy hĂ€tten wir abgehakt?" DafĂŒr ernte ich einen strafenden Blick. "Wie lange seit ihr weg?" "Vier Wochen. Wieso?" "Du willst nicht ernsthaft vier Wochen lang ein und dasselbe tragen.", stöhnt sie theatralisch. "Stell dir vor, dort gibt es auch KlamottenlĂ€den." "Ach wirklich?", hakt sie mit listigem Blick

nach. Doch ich falle schon wieder nicht herein und tue als ob mich ein Stapel Shirts brennend interessieren wĂŒrde. "Daisy.", werde ich zurĂŒck beordert. "Hier." Meine nervige beste Freundin wedelt mit einem schwarzen Etwas in der Luft herum. Zögernd gehe ich auf sie zu. "Das hier. Elegant und dennoch sexy. Dan wird die Spucke weg bleiben." Damit drĂŒckt sie mir auch diesen Fetzen in die Arme. Ich beschließe nichts mehr zu sagen und es stumm ĂŒber mich ergehen zu

lassen. Wir finden noch zwei enge Röhrenjeans, einige Shirts, eine weiße fast durchsichtige Bluse mit langen Ärmeln und sogar Hotpants. Normalerweise trage ich sowas nicht. Aber um ihnen eine Freude zu machen, drĂŒcke ich mal ein Auge zu. Freddy, der allein irgendwo im Laden umher gewandert war gesellt sich in genau dem richtigen Moment wieder zu uns, entdeckt unsere Errungenschaften und sagt, "Da hinten sind die Umkleiden." Seine Fingerzeig folgend gehen wir zu dritt in einen separaten Raum in

dessen Mitte eine rote Chaiselongue steht. Lasziv lĂ€sst er sich darauf nieder und wartet der Dinge, da da folgen werden. "Lasst sehen was ihr ausgesucht habt!", verkĂŒndet er huldvoll. Anna begleitet mich zu einer der Kabinen und hilft mir mich umzuziehen. Wie ein Model stolziere und drehe ich mich in dem runden Raum um Freddy und seine Chaiselongue herum. Er nickt anerkennend und pfeift sogar, als er mich in dem kleinen Schwarzen sieht anerkennend durch die ZĂ€hne. "Wow! Daisy, Darling, Danny wird

ausflippen." "Meinst du echt?", frage ich verunsichert und zupfe an mir herum. "Der Ruck ist etwas zu kurz, oder?" Freddy steht ruckartig auf und stellt sich hinter mich, um sich gemeinsam mit mir im Spiegel vor uns betrachten zu können. "Blödsinn! Was redest du denn da?", echauffiert er sich und zwickt mich neckend in die Seite. "Du bist dann in den Flitterwochen. Das bedeutet ..." Er hĂ€lt inne als er sieht, dass ich die Augen verdrehe. "... das bedeutet, dass du praktisch gar nichts anhaben dĂŒrftest, weil

ihr gar nicht aus dem Bett kommen dĂŒrftet.", klĂ€rt er mich ĂŒber die Gepflogenheiten frisch getrauten Paare auf. Weil er ja so gut ĂŒber dieses Thema bescheid weiß. Dennoch verdrehe ich noch einmal die Augen. "Okay, okay. Ich nehme es ja. Aber nur ..." Beide jubeln und klatschen sich ab. "... damit ihr endlich Ruhe gebt." "Das ist mir egal.", meint Freddy. "Hauptsache du lĂ€ufst nicht wie eine Vogelscheuche in deinen Flitterwochen herum. Das könnte ich mir nie verzeihen." "Na danke auch.", brumme ich und

schleiche zurĂŒck in die Kabine. Ich nehme auch die ĂŒbrigen KleidungsstĂŒcke und anschließend gehen wir geschlossen in die nĂ€chste Abteilung ĂŒber, wo es Schuhe und Handtaschen zu kaufen gibt. "Das muss ja alles zusammenpassen.", belehrt mich Anna mit wichtigtuerischer Miene. "Nicht das die, wo auch immer es sein wird ... " Bei diesen Worten dreht sie sich zu mir um und sieht mir tief in die Augen. "... denken, dass Londoner die schlecht angezogensten Leute auf Erden sind." Das wird ja immer besser. Bisher

war ich tatsĂ€chlich davon ausgegangen, dass mein Stil einigermaßen cool und vorzeigbar ist. Zur Antwort strecke ich ihr das es einer fĂŒnfjĂ€hrigen wĂŒrdig gewesen wĂ€re die Zunge raus. "Oh wow!", kreischt Freddy da plötzlich und zieht meine ganze Aufmerksamkeit auf sich. Wie von der Tarantel gestochen stĂŒrmt er auf einen Tisch mit hochhackigen Stilettos und Sandalen zu. Anna und ich sehen uns an und grinsen. "Freddy, voll in seinem Element." Wir folgen ihm und stellen uns

neben ihn an den Tisch. TatsÀchlich sehe die Schuhe cool aus, jedoch bezweifle ich, dass ich jemals sicher auf solch hohen Haken laufen könnte. Meine Vermutung muss ich laut ausgesprochen haben, denn ich ernte schon wieder einen missbilligenden Blick von Freddy. "Diese Schuhe trÀgt man nur, wenn man nicht zu laufen braucht." "Ja genau, oder wenn man gevögelt werden will.", ergÀnzt Anna. Nun bleibt mir die Spucke weg. "Ich kann nie wieder High Heels anschauen ohne an diesen Satz zu denken.", murmle ich.

"SĂŒĂŸe ..." Sie legt mir einen Arm um die Schulter. "... diese Schuhe sollen nur schön aussehen und dich gut aussehen lassen. Mehr nicht. Und du brauchst gar nicht so echauffiert zu schauen! Du kennst mich doch. Brain konnte nie genug von mir bekommen wenn ich so was an hatte. Er bestand darauf, dass ich sie beim Sex anbehielt." "Danke fĂŒr eine neue Episode Kopfkino.", brumme ich und stelle den Schuh zurĂŒck, den ich, ohne es zu bemerken, andĂ€chtig in die Hand genommen hatte. "Nix da!", verkĂŒndet sie und reißt

den Schuh an sich. "Die passen prima zu dem langen Kleid. Die nimmst du." "Hast du dir mal das Preisschild angesehen?", rufe ich entsetzt. "Die kosten 400 Pfund." Doch statt beeindruckt zu sein und sie wieder weg zu stellen, zuckt sie nur unbeeindruckt die Schultern und sagt etwas wie, "Man muss auch mal Opfer bringen." Anna rauscht mit dem Schuh ab um eine junge VerkĂ€uferin in Beschlag zu nehmen. Kurz darauf kehrt diese mit einem creme farbenen Karton aus den Tiefen des GeschĂ€ftes zurĂŒck. "Hier. Bitte sehr!", sagt sie

und reicht mir den Karton. "Wenn Sie sonst noch einen Wunsch haben, wenden Sie sich an mich!" Damit entfernt sie sich ein paar Schritte und bleibt abwartend an einer Wand im Hintergrund stehen. Sicher hat sie den Klamottenberg gesehen und wittert einen reichen Fang. Widerstrebend probiere ich die Schuhe in der richtigen GrĂ¶ĂŸe an und sie passen perfekt. Staunend, wie sie mir optisch schlanke Beine zaubern gehe ich ein paar Schritte auf dem hölzernen Parkett auf und ab und betrachte meine FĂŒĂŸe im bodentiefen Spiegel. "Sie sind

wirklich schön!", lobe ich leise. "Schön?", ruft Anna. "Wunderschön! Die nehmen wir!" Letzteres war an die VerkĂ€uferin gerichtet die sich in Habachtstellung bereit hĂ€lt. "Aber natĂŒrlich.", flötet sie. "Und noch ein flaches Paar.", mischt sich Freddy ein. "Sie braucht auch noch ein flaches Paar, falls sie wandern gehen oder so." "Wandern?", frage ich verwirrt. "Wo soll man denn in Ne..." Gerade noch rechtzeitig konnte ich mich selbst bremsen. "Ne?", hakt Anna nach. "Neuseeland?", versucht es

Freddy. "Neufundland?", meint Anna. Sie schĂŒttle lachend den Kopf. "Nepal?" Freddy und Anna klatschen sich lachend ab. "Ich sage nichts.", antworte ich nur lachend. "Schade. Aber sei's drum. Du brauchst flache Schuhe.", verkĂŒndet er und winkt lĂ€ssig ab. "Okay.", stimme ich zu damit dieses Schauspiel hier endlich ein Ende findet. TatsĂ€chlich finden wir ein Paar Ballerinas und sogar noch eine neue Handtasche fĂŒr mich. Alles hĂŒbsch aufeinander

abgestimmt." Übereinstimmend mit meinem Kontostand war allerdings nicht gerade die Rechnung die ich an der Kasse zu bezahlen hatte. "Aber sei's drum. Ich heirate nur einmal.", denke ich mir. Kaum aus der TĂŒr getreten pralle ich fast mit John zusammen der abwartend neben dem Eingang gestanden haben muss. Er macht einen Schritt zurĂŒck und streckt die Arme aus um mir meine Einkaufstaschen abzunehmen. "Aber was ... was machen Sie denn hier?", stammle ich verwundert. "Ich hatte Ihnen doch frei

gegeben." "Seien Sie froh, dass ich nicht brav gewesen bin. Sonst mĂŒssten Sie jetzt die Taschen mitschleppen.", grinst er frech. Zwar kann ich seine Augen unter der dunklen Sonnenbrille nicht sehen, doch ich weiß, dass sie gefĂ€hrlich sexy blitzen. "Das ist ja ..." "Wirklich sehr nett von Ihnen! Und so umsichtig.", fĂ€hrt mir Freddy dazwischen, zwinkert John aufreizend zu und reißt mir dabei die Taschen aus der Hand. Anschließend drĂŒckt er sie sofort John in die Arme und hakt sich bei

mir unter. "Ich muss schon sagen, Daisy Darling, dein Chauffeur ist Gold wert." Mit einem lasziven Zwinkern ĂŒber seine Schulter zieht er mich den Gehweg entlang weiter. "Was er jetzt wohl macht?", fragt Anna leise als sie uns eingeholt hat. "Na die Taschen ins Auto bringen.", meint Freddy. "Ja, aber danach." "Ich hoffe er fĂ€hrt endlich heim.", murmle ich leise. "Und ich wette er tut es nicht. Sicherlich folgt er uns unauffĂ€llig.", antwortet Freddy und sieht sich noch einmal nach John um. Ich tue es ihm nach, doch von meinem

Chauffeur oder dem Bentley ist nichts zu sehen. "Na, sicherlich macht er es nicht auffĂ€llig.", meint Anna. "Er scheint gut ausgebildet zu sein. Er ist unauffĂ€llig wie ein Spion. Oder habt ihr bemerkt, dass er uns zu Liberty gefolgt ist?" Das können wir nur verneinen. "Ja, er ist ein richtiger James Bond.", lacht mein bester Freund. "Sexy genug dafĂŒr ist er ja." "Hallo. Ihr redet da ĂŒber meinen Angestellten." Ich wedle mit der Hand in der Luft herum. "Genau so ist es, SĂŒĂŸe. Wo bitte schön steht denn geschrieben, dass

man seine Angestellten nicht heiß finden darf?", grinst Anna frech. "Wenn ich erst mal in Silsoe wohne, lasse ich mir einen Pool bauen, nur damit ich einen Poolboy einstellen kann. Den wĂŒrde ich dann persönlich aussuchen.", spinnt Freddy albern herum. "Oh cool! Dann komm ich auch vorbei und flirte mit ihm. Wer weiß was geht?", steigt Anna auf den Zug mit ein. "Sorry, SchĂ€tzchen. Er wird nur auf MĂ€nner stehen. Das wird ein Einstellungskriterium.", lacht Freddy schrill und wirft den Kopf zurĂŒck.

Anna zieht einen theatralischen Schmollmund. "Euch ist echt nicht mehr zu helfen.", stöhne ich und werfe die Arme in die Luft. "Hört auf solchen Blödsinn zu quatschen und sagt mir lieber was wir sonst noch einkaufen wollen? Was braucht, eurer Meinung nach, eine Braut sonst noch fĂŒr ihre Flitterwochen Garderobe?" "Sie hat Flitterwochen gesagt.", johlt Anna und hĂ€lt sich den Bauch vor Lachen. "Ha ha." "Sei nicht so verklemmt, Darling!",

befiehlt Freddy und hakt sich wieder bei mir unter. "Hast du schon einen Bikini?" "Ähm." "Und NachtwĂ€sche. Und wie steht es mit deiner UnterwĂ€sche?" "Fallst du damit meinst, ob ich welche besitze. Ja, in der Tat, ich habe eine ganze Schublade voll. Danke.", brumme ich beleidigt. "Quatsch. Ich meine was trĂ€gst du zur Hochzeit? Und die ... Tage danach?" Da hat sie gerade nochmal die Kurve gekriegt. "FĂŒr den Hochzeitstag selbst habe ich schon was. Das hat mir Sybill ausgesucht im BrautmodengeschĂ€ft.

Und ansonsten ..." "Hast du auch nur deine ganze alte WĂ€sche.", spricht sie aus was mir auf der Zunge liegt. "Du willst doch sicher Dan mit was Neuem ĂŒberraschen!" Ich nicke. "Okay. Du hast recht. ich brauche wirklich mal was Neues. Also zu einem Dessous GeschĂ€ft!" Arm in Arm gehen wir zum nĂ€chstbesten Dessous Laden der uns begegnet. Mehr oder weniger suchen die beiden fĂŒr mich das aus, was sie meinen was Dan um den Verstand bringen um mich wiederum mich selbst sexy fĂŒhlen

lĂ€sst. Auch in diesem Laden lasse ich einiges von meinem hart ersparten Geld. Beim Verlassen des GeschĂ€fts befĂŒrchte ich schon, wieder mit John zusammen zu prallen, doch diesmal ist er nicht da. Endlich hat er auf mich gehört und ist nach Hause zum packen gefahren. Fröhlich frage ich meine Freunde, ob sie noch Lust haben einfach so bummeln zu gehen. Sie hatten Lust und so schlenderten wir weiter durch das bunte und vor allem laute Treiben der Carnaby Street. In einem etwas abgehalfterten Laden

fĂŒr Merchandising erstehe ich noch zwei Bandshirts von den Ramones und Sting. "Was willst du denn damit?", ruft Freddy verĂ€chtlich als er mich mit den T-Shirts an der Kasse stehen sieht. "Zum schlafen." Ich zucke nichtsahnend mit den Schultern. "Bist du verrĂŒckt?", keucht er und beinahe rauft er sich die Haare. Gerade noch so besinnt er sich wo er sich befindet und reckt die HĂ€nde stattdessen wie zum beten ineinander verschlungen gen Himmel. "Nun mach nicht so ein Fass auf, Freddy. MĂ€dels tragen sowas eben

zum schlafen.", brumme ich und sehe mich verstohlen um. Sein Divenhafter Auftritt hat uns schon einige neugierige Blicke beschert. "Ja, kleine MĂ€dchen auf der High School. Aber doch keine verheiratete Frau.", brĂŒllt er beinahe und will mir die Shirts aus der Hand reizen. Doch ich halte sie eisern fest. "Siehst ein, Lloyd!", zische ich. "Ich kaufe sie und trage sie wann es mir passt." Beim Anblick seines entsetzen Gesichtsausdrucks fĂŒge ich beschwichtigend hinzu. "Aber ich verspreche dir, ich trage sie nicht auf der Hochzeitsreise."

Freddy nickt und dreht sich auf dem Absatz um um das GeschĂ€ft zu verlassen. Es wirkt ganz so, als könne er die Schmach solch einen Mist zu kaufen körperlich nicht ertragen. In einem kleinen Bistro bestellen wir uns ein verfrĂŒhtes Abendessen und lachen ĂŒber die miteinander verbrachte Zeit. Kaum das wir bezahlt und uns aufbruchbereit gemacht haben, steht John wieder neben dem kleinen runden Tisch und greift sich ohne zu fragen meine TĂŒten. "Hey.", schreie ich, weil ich denke

das ein Dieb sich an meinem Hab und Gut zu schaffen machen will. Als ich sehe das es er ist, habe ich tatsĂ€chlich den Eindruck, dass er mir stets unauffĂ€llig folgt. Ganz so wie ein Schatten. Oder ganz so wie ein Bodyguard. "Ich war noch in der NĂ€he.", meint er leichthin und zwinkert mir zu. "Und darĂŒber sind wir sehr froh!", flötet Freddy. Anna stimmt ihm nickend zu. "Der Wagen steht gleich um die Ecke.", verkĂŒndet John ohne auf Freddys AnzĂŒglichkeiten einzugehen. Wir folgen ihm und wieder einmal wundere ich mich,

wie er fertig bringt und in einer Stadt wie London stets einen Parkplatz groß genug das er meinen Bentley aufnehmen kann zu finden. "Und, wohin soll's nun gehen?", fragt John nachdem wir alle im Fond platz genommen haben. Fragend sehe ich meine Freunde an. "Keine Ahnung? Was meint ihr?" Freddy klatscht in die HĂ€nde. "Ich weiß was. Wie wĂ€re es, wenn wir einen vorgezogenen Junggesellenabschied machen?" "Eine Woche vorher?", staune ich. "Geht das denn?" "Gibt's dafĂŒr Regeln?", stellt er die Gegenfrage.

Die gab es wohl nicht, und so beschließen wir uns zuerst einmal ordentlich durchkneten zu lassen und dann tiefen entspannt in einen Club zu gehen. Freddy gibt John die Anweisung und ich ergĂ€nze um den Befehl, dass John nun aber wirklich Feierabend machen sollte. Doch er stellt sich, wieder einmal, stur und meint, "Mister Edwards besteht darauf, dass ich Sie ĂŒberall hinfahre wo Sie es wĂŒnschen." "Ja, aber ich kann doch nicht von Ihnen verlangen, dass Sie stundenlang vor einem Beautysalon

oder der Bar warten.", entgegne ich und greife mir mein Handy aus der Handtasche. Ich wĂŒrde Dan ein paar Takte erzĂ€hlen. So kann man mit einem Menschen doch nicht umspringen. Wir haben 2020 und nicht 1920. Es klingelt und kurz darauf nimmt er ab. Es ist laut. "Wo bist du?", ist daher die erste Frage die ich ihm stelle. "Im Pub. Wieso? Was gibt's, Darling?", entgegnet er gut gelaunt. "Im Pub? Hattest du frĂŒher Schluss?" "Jup. Es lief gut im Court. Ich hab gewonnen.", verkĂŒndet er

stolz. "Gratuliere.", murmle ich. "Und jetzt bist du im Pub deinen Erfolg feiern?" "So was in der Art." "Aha." "Ben ist bei mir. Wir trinken nur was. Wo bist du? Kommst du bald nach Hause?" "Ach so." Erleichtert stoße ich die unwillkĂŒrlich angehaltene Luft aus. "Nein, deswegen rufe ich ja an. Freddy, Anna und ich fahren jetzt ins Spa und nachher ebenfalls noch was trinken." "Cool! Viel Spaß!", lacht er und ich habe den Eindruck, dass er das

GesprĂ€ch beenden will. "Moment noch!", bitte ich daher rasch. "Ja?" "Es geht um John." Verstohlen werfe ich dem Fahrer einen Blick zu. Ob er lauscht? Allerdings ist es in dem begrenzten Raum eines Fahrzeugs nicht gerade leicht nicht zu lauschen. "Was ist mit ihm?", lacht Dan und pfeift plötzlich. Sie sie wirklich nur im Pub? Was fĂŒr einen Grund gibt es in einem Pub zum pfeifen? "Folgendes, ich schicke ihn andauernd nach Hause. Er muss doch auch packen fĂŒr die Reise.

Aber er geht einfach nicht.", empöre ich mich. "Gut so. Der Mann weiß eben wofĂŒr ich ihn bezahle." Das hilft mir kein bisschen weiter. "Dan, der Mann braucht doch auch seinen Feierabend." Freddy verdreht die Augen. "Wir können doch nicht von ihm verlangen wer weiß wie lange vor einem Laden herumzustehen und auf mich zu warten. Das geht doch nicht!" "Und warum nicht? Wenn es doch das ist wofĂŒr er bezahlt wird.", entgegnet er lapidar. "Na, weil man so nicht mit Menschen umspringt, Schatz."

Warum war er nur so stur? Dan scheint zu spĂŒren, dass er mir eine bessere ErklĂ€rung schuldig ist. Er senkt die Stimme und sagt, "Daisy, ich fĂŒhle mich wohler, wenn er in deiner NĂ€he ist. Dann bin ich beruhigter." "Aber er ist nur mein Fahrer. Klar war es vorhin praktisch ihn dabei zu haben. Wegen der Einkaufstaschen und so. Aber fĂŒr den RĂŒckweg heute Nacht kann ich mir doch auch ein Taxi nehmen.", wage ich zu widersprechen. "Kommt nicht in Frage.", erklĂ€rt er in einem Ton der keine Widerrede

duldet. "Warum nicht?", halte ich dagegen. "Weil ich dich dann beschĂŒtzt weiß." "Wenn es dir darum geht, dass ich nachts nicht allein in der Stadt herumlaufen soll. Anna und Freddy sind bei mir." "Toll. Eine zierliche BrĂŒnette und ein schwules Model. Die beiden können dich gut vor ModesĂŒnden aber nicht vor bösen Jungs beschĂŒtzen.", lacht Dan. Etwas gekrĂ€nkt ziehe ich einen Schmollmund. "Jetzt bist du beleidigt oder?", haucht Dan ins Telefon. "Sicherlich

ziehst du jetzt eine Schnute." Er atmet gerĂ€uschvoll aus. "Wie gern hĂ€tte ich es, dass du jetzt in meinen Armen liegst und ich dir den trotzigen Gesichtsausdruck weg kĂŒssen könnte!" Eine wohlige WĂ€rme breitet sich von meinem Bauch aus. "Komm nachher in den Club und ich lege extra fĂŒr dich noch einmal diesen Gesichtsausdruck auf.", hauche ich damit die anderen mich nicht hören können. "Ich hab einen anderen Vorschlag. Komm nach Hause und lass mich dir zeigen was ich so drauf habe damit du dich entspannst.", schlĂ€gt

er mit seiner sexy rauen Stimme vor. Oh ja. Ich will! "Das geht nicht. Du bist doch mit Ben unterwegs und ich mit meinen MĂ€dels." "Schade.", brummt er. "Nicht traurig sein! Bald hast du mich vier ganze Wochen allein fĂŒr dich.", flĂŒstere ich. "Und darauf freu ich mich schon!" Das anzĂŒgliche Grinsen kann ich förmlich vor mir sehen. "Okay.", sage ich und setze zu meinem Endschlag an, "Und John schicke ich jetzt gleich nach Hause. Nur damit du's weißt. Sehe ich ihn

nachher vor dem Club stehen, lass ich dich in der Hochzeitsnacht nicht ran." Mit diesen Worten lege ich auf, ehe er noch etwas erwidern kann. Eigentlich hĂ€tte ich gedacht, dass er sofort zurĂŒck ruft, doch mein Handy bleibt stumm. Stattdessen meldet ein anderes Smartphone irgendwo in Auto den Eingang einer Nachricht. Dan "Hey Kumpel, hast du Zeit um noch einen Absacker trinken zu gehen?", frage ich Ben der in seinem Zimmer an dem Schreibtisch sitzt und schon

wieder oder immer noch am arbeiten ist. Ich habe gute Laune. Vor Gericht hat meine Kanzlei heute einen wichtigen Fall gewonnen und ich bin damit die Kariereleiter ein gutes StĂŒck nach oben geklettert. Das und das ich in einer Woche heirate muss gefeiert werden.! Überrascht, als hĂ€tte ich ihn aus einer tiefen Trance gerissen sieht er auf und fragt, "Was?". Ich grinse, gehe in sein Zimmer und sage, "Ich hab gefragt ob du mit mir was trinken gehen willst?" "Eigentlich ..." Er deutet mit dem Daumen neben sich auf den

Zeichentisch. "Ich will ja nicht ewig da sitzen. Aber ..." Ich stelle mich neben ihn und sehe mir an, an was er gerade arbeitet. Ein begrĂŒntes Hochhaus. "... ich will gern sowas wie einen ... einen letzen Abend mit meinem Kumpel verbringen." "Letzter Abend?", hakt er verwundert nach. "Ich dachte du heiratest und stirbst nicht? Du hast doch keine unheilbare Krankheit oder?" "NatĂŒrlich nicht.", echauffiere ich mich. "Komm, schwing deinen Arsch hoch und geh mit mir ins Pub!", stöhne

ich. "Na gut. Bevor ich mich schlagen lasse. Aber wirklich nicht so lang. Ich muss das hier noch fertig kriegen." "Ist in Ordnung. Du kannst mir ja davon erzĂ€hlen! Dann höre ich wenigstens mal was anderes als ewige Hochzeitsthema.", lache ich und klopfe meinem Kumpel auf die Schulter. "Was denn, schon die Nase voll davon?", lacht nun auch er. "Quatsch. Aber es geht nur noch um Blumen, um Torten und die MenĂŒfolge. Dass interessiert mich

nicht." "Hoffentlich interessiert dich die Frau die du nÀchste Woche ehelichst noch!", brummt er. "Wie kannst du sowas sagen? Daisy ist mein ein und alles. Aber dieses ganze Tamtam. Das nervt!", stöhne ich und fahre mir mit der Hand durch das Haar. Unten im Erdgeschoss greifen wir uns die Jacken und verlassen das Haus. Ansonsten ist niemand zu Hause. Daisy und Anna sind mit Freddy unterwegs. Keine Ahnung was sie treiben? John hatte mir vorhin nur eine kurze SMS geschickt in der er mir mitgeteilt

hat, dass meine Frau in der Carnaby Street einkaufen geht. Feierabend. Dementsprechend voll war es im Pub. Dennoch schaffen wir es zwei leere PlĂ€tze an einem der Tische zu ergattern. Die beiden Kerle neben uns scheinen ebenfalls etwas feiern zu können, nach dem Grad ihrer Betrunkenheit zu urteilen. Kaum das ich mit zwei Bier und zwei Scotch vom Tresen zurĂŒck gekehrt bin klingelt mein Handy in der Hosentasche. Ich stelle die GlĂ€ser ab und setze mich. Es ist Daisy. "Wo bist du?", fragt sie

geradeheraus. "Im Pub. Wieso? Was gibt's, Darling?", frage ich gut gelaunt und beschließe ĂŒber die nicht erfolgte BegrĂŒĂŸung hinweg zu sehen. "Im Pub? Hattest du frĂŒher Schluss?" "Jup. Es lief gut im Court. Ich hab gewonnen.", verkĂŒnde ich mit einem gewissen Stolz in der Stimme. "Gratuliere.", murmelt sie. Was hat sie denn? Warum klingt sie so seltsam? "Und jetzt bist du im Pub deinen Erfolg feiern?" "So was in der Art.", entgegne ich vorsichtig. Eine Frau, besonders

eine in den Tagen vor der eigenen Hochzeit sind mit Samthandschuhen anzufassen. "Aha.", brummt sie beleidigt. Was hat sie denn? Mit einem Mal kommt mir der Gedanke, dass sie vermuten könnte, dass ich ihr fremd gehe wenn ich allein ins Pub gehe. "Ben ist bei mir. Wir trinken nur was. Wo bist du? Kommst du bald nach Hause?", sage ich um die Stimmung aufzulockern. "Ach so." Erleichtert atmet sie aus. TatsÀchlich, sie macht sich Sorgen ich könnte ihr fremd gehen. Etwas fröhlicher fÀhrt sie fort, "Nein, deswegen rufe ich ja an. Freddy,

Anna und ich fahren jetzt ins Spa und nachher ebenfalls noch was trinken." Das klingt doch nach einem tollen Abendprogramm. Ich hĂ€tte da zwar auch etwas anderes, aber ein zwangloser Abend mit Freunden wird sie entspannen. "Cool! Viel Spaß!", erwidere ich daher fröhlich. "Moment noch!", bitte ich daher rasch. "Ja?" Ben neben mir starrt auf das Display seines Handys. Ich lasse meinen Blick schweifen. "Es geht um John.", sagt Daisy in mein Ohr. "Was ist mit ihm?", frage ich

abwesend. An unserem Tisch schlendern zwei Blondinen vorbei. Ihre Körper können getrost als göttlich bezeichnet werden. Ein so genannter Gott in Weiß dĂŒrfte nachgeholfen haben. Einer der Kerle an unserem Tisch pfeift den beiden hinterher, was ihm ein LĂ€cheln und ein lasziv ĂŒber die Schulter geworfener Handkuss einbringt. Daisy stockt. Ich halte meine Hand schĂŒtzend ĂŒber den unteren Teil des Handys um sie von der GerĂ€uschkulisse abzuschirmen. "Folgendes, ich schicke ihn andauernd nach Hause. Er muss

doch auch packen fĂŒr die Reise. Aber er geht einfach nicht.", meckert Daisy. Oh man, hat sie eine Laune. Doch ich beschließe mir meine gute Laune nicht verderben zu lassen. "Gut so. Der Mann weiß eben wofĂŒr ich ihn bezahle.", lache ich und beglĂŒckwĂŒnsche mich erneut zu meinem Entschluss John Faber eingestellt zu haben. Der Mann weiß wie man den Job ausfĂŒhrt. Er ist loyal, konsequent und ehrlich. "Dan, der Mann braucht doch auch seinen Feierabend." , stöhnt Daisy. "Wir können doch nicht von ihm verlangen wer weiß wie lange vor

einem Laden herumzustehen und auf mich zu warten. Das geht doch nicht!" "Und warum nicht? Wenn es doch das ist wofĂŒr er bezahlt wird.", frage ich leichthin. "Na, weil man so nicht mit Menschen umspringt, Schatz." Warum ist sie nur so stur? Sie muss doch einsehen, dass John's Anwesenheit nur Vorteile bringt. Doch ich sehe ein, dass sie eventuell eine ErklĂ€rung bedarf. Ich senke die Stimme und sage, "Daisy, ich fĂŒhle mich wohler, wenn er in deiner NĂ€he ist. Dann bin ich

beruhigter." "Aber er ist nur mein Fahrer. Klar war es vorhin praktisch ihn dabei zu haben. Wegen der Einkaufstaschen und so. Aber fĂŒr den RĂŒckweg heute Nacht kann ich mir doch auch ein Taxi nehmen.", widerspricht sie weiter. "Kommt nicht in Frage." Ich hoffe ihr langsam mal klar gemacht zu haben, dass ich in dieser Sache keinen Widerrede dulde! Doch falsch gedacht. "Warum nicht?" "Weil ich dich dann beschĂŒtzt weiß." "Wenn es dir darum geht, dass ich

nachts nicht allein in der Stadt herumlaufen soll. Anna und Freddy sind bei mir." "Toll. Eine zierliche BrĂŒnette und ein schwules Model. Die beiden können dich gut vor ModesĂŒnden aber nicht vor bösen Jungs beschĂŒtzen." Ich wage es einen Scherz zu machen um die Stimmung zu retten. Ahnt sie, dass John mehr als nur ein einfacher Fahrer ist? Förmlich kann ich sie vor mir sehen. Den sĂŒĂŸen Mund schnippisch vorgeschoben, die steile Falte zwischen ihren Augen, die immer erscheint wenn sie genervt ist, ist da und die Arme trotzig vor der

Brust verschrĂ€nkt. "Jetzt bist du beleidigt oder?", hauche ich lĂ€chelnd ins Telefon. "Sicherlich ziehst du jetzt eine Schnute." Ich atme tief durch um meinen Schwanz unter Kontrolle zu bringen. "Wie gern hĂ€tte ich es, dass du jetzt in meinen Armen liegst und ich dir den trotzigen Gesichtsausdruck weg kĂŒssen könnte!" Ein leises Keuchen kommt von ihrer Seite. "Komm nachher in den Club und ich lege extra fĂŒr dich noch einmal diesen Gesichtsausdruck auf.", haucht sie. "Ich hab einen anderen Vorschlag.

Komm nach Hause und lass mich dir zeigen was ich so drauf habe damit du dich entspannst.", schlage ich vor und sehe mich schon meinen Kram zusammen zu packen und nach Hause zu eilen. Doch sie entgegnet nur. "Das geht nicht. Du bist doch mit Ben unterwegs und ich mit meinen MĂ€dels." "Schade.", brumme ich. "Nicht traurig sein! Bald hast du mich vier ganze Wochen allein fĂŒr dich.", flĂŒstere sie verfĂŒhrerisch. "Und darauf freu ich mich schon!" Ich komme nicht umhin mir eines dĂ€mlichen Grinsens auf meinem

Mund gewahr zu werden. "Okay. Und John schicke ich jetzt gleich nach Hause. Nur damit du's weißt. Sehe ich ihn nachher vor dem Club stehen, lass ich dich in der Hochzeitsnacht nicht ran.", sagt sie aus heiterem Himmel und legt auf einen Wimpernschlag spĂ€ter auf. Verdattert starre ich auf das verstummte GerĂ€t in meiner Hand. Sie kann mir doch nicht einfach sowas an den Kopf werfen und dann einfach auflegen. Oh doch, sie kann und sie hat es getan. "Nicht mit mir, SĂŒĂŸe.", murmle ich leise und tippe eine Nachricht an Faber. "Egal wie lang es dauert.

Egal wohin sie will. Sie warten ab und bleiben in ihrer NÀhe!", befehle ich ihm per SMS. Nun kann ich mich wieder meinem Freund zuwenden. "Und, habt ihr alles geklÀrt?", fragt er und nimmt einen Schluck Bier. "Jup. Daisy kann sich einfach nicht mit dem Gedanken eines stÀndigen Begleiters anfreunden.", brumme ich und trinke ebenfalls. "StÀndiger Begleiter? Meinst du damit diesen Faber?" Ich nicke. "Er ist Bodyguard und als solcher habe ich ihn auch angestellt." "Bodyguard?" Ben verschluckt sich

fast an seinem GetrĂ€nk. "Wozu zur Hölle braucht sie einen Bodyguard? Meinst du nicht, du ĂŒbertreibst?" Ich schĂŒttle den Kopf. "Nein. Du erinnerst dich an Carol?", presse ich zwischen zusammengebissenen ZĂ€hnen hervor. "Soweit ich mich erinnere ist die hinter dir her. Warum also der Schutz fĂŒr Daisy?" "Vorsorge." "So wie ich Daisy kenne, geht ihr das ziemlich auf den Geist.", lacht er. "Sie weiß es nicht." Ben sieht mich erstaunt an. "Sie weiß es

nicht?" "Nein. FĂŒr sie ist er einfach nur der Fahrer." "Warum die GeheimniskrĂ€merei?" "Weil ich mir Sorgen mache.", zische ich und fahre mir erneut mit der Hand durchs Haar. "Ich habe Angst das ihr was passieren könnte.", gebe ich zerknirscht zu. "Dan, ihr ist in all der Zeit die wir sie kennen nie etwas passiert." Ben schĂŒttelt resigniert den Kopf. "Ich weiß. Aber nun gibt es Carol." "Die deine Stalkerin ist, nicht ihre. Mach dich locker, Kumpel! Sonst vergraulst du sie noch bevor eure Beziehung so richtig Fahrt

aufnimmt." "Du meinst bevor sie in meine Falle tappt?" "Falle? Die Hochzeit? Siehst du es so?", lacht er. "Nein. Blödsinn! Ich liebe sie und kann mir nichts schöneres vorstellen als mein Leben lang mit ihr zusammen sein! Aber ich habe Angst, dass ihr was passieren könnte. Ein Unfall oder so. Sicherlich liegt es an meiner Vergangenheit.", ĂŒberlege ich leise. "Weil deine Eltern verunglĂŒckt beziehungsweise tot sind?" Ich nicke stumm. "Das bedeutet doch nicht, dass es

mit Daisy ein ebenso tragisches Ende nimmt.", mahnt mein bester Freund. "Lass ihr ihre Freiheiten! Und sieh' ein ..." Er legt seine Hand auf meinen Unterarm und sieht mir ernst in die Augen "... ihr seit keine Promis. Denen verzeiht man solches Verhalten. Aber doch nicht Otto-Normal-BĂŒrger." Er wirft lachend den Kopf zurĂŒck. "Du vergisst wohl, dass ich kein Otto-Normal-BĂŒrger bin.", brumme ich verĂ€rgert. Meine gute Laune von eben ist dahin. "Stimmt ja." Ben macht ein Gesicht als wĂŒrde er sich in dieser Sekunde erst wieder erinnern wen er da vor

sich hat. "Du bist Mister-Hoch-wohl-geboren." "Nicht so laut!" Verstohlen sehe ich mich nach den beiden Typen um. Doch die waren mittlerweile derart besoffen das sie fast nichts mehr um sich herum mitbekommen. "Dan, mach dich locker!", lacht Ben weiter. "Aber ich meine ernsthaft, du solltest nicht mit einer LĂŒge in die Ehe starten!" "Meinst du wirklich, ich soll ihr die Wahrheit ĂŒber Faber sagen?" Er nickt bekrĂ€ftigend. Ich atme tief durch, um mich zusammeln. "Okay ...", sage ich schließlich. "... ich sage es ihr die

nĂ€chsten Tage. Aber ich werde ihn auf keinen Fall entlassen! Sie muss lernen damit klar zu kommen." Dagegen kann Ben nichts sagen, auch wenn er sicherlich denkt, dass es völlig unnĂŒtz ist einen Bodyguard zu beschĂ€ftigen. Daisy Vollkommen erholt kommen wir mit dem Bentley vor dem 'Caledonian Club'. "Ich warte hier auf Sie.", verkĂŒndet John was ich befĂŒrchtet habe und ich bekomme Bauchschmerzen. Es war mittlerweile 22 Uhr und er

bestand noch immer darauf in meiner NĂ€he zu bleiben. Ich verkneife mir eine erneute Gardinenpredigt und steige zusammen mit den beiden anderen aus dem Wagen. "Das wird toll!", kreischt Freddy und klatsch in die HĂ€nde. Ich war mir da nicht so sicher. Zögernd werfe ich einen Blick zum Bentley zurĂŒck. John verfolgt jeden meiner Schritte mit den Augen. Unsere Blicke treffen sich. Er scheint zu sagen, "Nur Mut!". Tief durchatmend hake ich mich bei Anna ein. Nach der Massage und der Sauna hatte ich mich

umgezogen. Nun trage ich das neue royalblaue Midikleid und die dazu passenden Riemchenstilettos. "Du siehst heiß aus!", urteilt Anna erneut und lĂ€sst den Blick abschĂ€tzig an mir auf und ab wandern. "Freddy, ich denke, wir mĂŒssen gut auf unsere Daisy aufpassen da drin." Der angesprochene nickt und stellt sich vor dem TĂŒrsteher in Positur. Dieser mustert uns schweigend und hakt anschließend die rote Kordel auf um uns eintreten zu lassen. Kaum im Inneren angekommen schlĂ€gt uns eine Kakophonie aus verschiedenen Musikstilen sowie

eine Wand aus abgestandener Luft, Schweiß und Parfum entgegen. Dezent angewidert folge ich meinen Freunden zur Bar, wo wir uns zum Auftakt einen Martini bestellen. Mit den GlĂ€sern in den HĂ€nden drehen wir eine Runde um die Lage abzuchecken und um nach einem freien Tisch Ausschau zu halten. Unser altbewĂ€hrtes System. TatsĂ€chlich entdecken wir noch einen freien Tisch und drapieren uns um ihn herum. Anna in ihrem goldenen Minikleid zieht wie immer die meisten Blicke auf sich. Doch auch ich habe heute einige Verehrer. Ob das nun den sexy

Schuhen oder doch eher dem tiefen RĂŒckenausschnitt der die obere HĂ€lfte meines Hinterns freilegt geschuldet ist, lasse ich mal dahingestellt. Kaum fĂŒnf Minuten spĂ€ter erhalten wir MĂ€dels Tanzaufforderungen von zwei schnuckeligen Typen die außerdem miteinander befreundet zu sein scheinen. LĂ€chelnd folgen wir ihnen auf die TanzflĂ€che. Ich habe einige Probleme auf dem glatten Boden nicht auszugleiten und klammere mich, nachdem ich das erste Mal ins Straucheln geraten bin bei dem Kerl an den Oberarm. Er scheint

das als AnnĂ€herungsversuch meinerseits misszuverstehen und legt einen Arm um meine Taille. "Wie heißt du?", brĂŒllt er beinahe in mein Ohr. "Clara.", lĂŒge ich. Das ist so eine Vorsichtsmaßnahme von Anna und mir. Niemals in einem Club den wahren Namen preis geben. "Schöner Name.", lobt er und verrĂ€t mir, dass er Tom heißt. Ob nun echt oder nicht, der Name passt zu ihm. Die Takte eines langsamen Liedes erklingen und er legt auch den zweiten Arm um mich. Meine HĂ€nde ruhen auf seinen Schultern. aber Langsam wiegen wir uns im

Takt der Musik, bis eine meiner HĂ€nde an seiner Schulter herab zu seinem Bizeps rutscht. Tom sieht mir tief in die Augen. Was er wohl denkt? Ob er denkt, ich will mit ihm flirten? Ich sehe mich gezwungen ihm die Wahrheit zu sagen, "Ich bin verlobt.", platze ich heraus. Er zuckt die Schultern. "Macht nichts. Ich hab ne' Freundin." Erstaunt reiße ich die Augen auf, "Wo ist sie?" und sehe mich um. Auf keinen Fall möchte ich Ärger mit einer eifersĂŒchtigen Freundin bekommen. "Zu Hause. Sie steht nicht so auf

Party und Clubs.", erklĂ€rt er lĂ€chelnd. Ich nicke. "Wo ist dein Freund?" "Ebenfalls feiern.", entgegne ich ohne darĂŒber nachzudenken. Sicherlich wundert er sich, warum ein Paar bei dem es scheinbar gut lĂ€uft nicht zusammen feiern geht. "Das heute ist sowas wie mein Junggesellenabschied.", erklĂ€re ich weiter um alle MissverstĂ€ndnisse aus dem Weg zu rĂ€umen. "Na dann.", meint er kryptisch und grinst mich frech an. Etwas weiter entfernt reibt sich Anna an dem anderen sĂŒĂŸen Kerl.

Tom scheint es zu bemerken und sagt, "Da scheinen sich zwei gefunden zu haben." Ich nicke. "Scheint so." "Ist deine Freundin Single?" Ich nicke erneut. "Ja, ist sie." "Cool!", meint er. Wir tanzen bis das Lied zu etwas schnellerem wechselt. Wir beschließen einvernehmend das nicht mit zu tanzen und gehen an die Bar hinĂŒber. Tom lĂ€dt mich auf ein Drink ein den ich gern annehme. Trotz der LautstĂ€rke versuchen wir ein vernĂŒnftiges GesprĂ€ch zu fĂŒhren. Doch irgendwann brĂŒllt er

mir ins Ohr, "Wollen wir nicht irgendwo hingehen wo wir uns besser unterhalten können?" Ich zögere. "Ich weiß nicht. Ich bin mit meinen Freunden hier.", fĂŒhre ich an und sehe mich nach ihnen um. Freddy kann ich nirgends entdecken und Anna tanzt noch immer mit Tom's Freund. "Komm, Clara!", drĂ€ngt Tom und nimmt mich bei der Hand. Etwas widerstrebend lasse ich mich von ihm in Richtung der Toiletten ziehen. Erwartet er das ich ihm dort einen Blase oder gar eine Nummer mit ihm in einer der Kabinen

schiebe? Mir bricht der Schweiß aus. Doch als wir in dem Gang vor den WaschrĂ€umen ankommen bleibt er stehen und atmet tief durch und ruft erleichtert, "Endlich etwas Ruhe!" "Ja, endlich.", murmle ich leise. "Ich hasse es!" "Du magst gar nicht hier sein?", staune ich ehrlich verwundert. "Warum tust du es dann?" "Du meinst ausgehen?" Ich nicke atemlos. Tom zuckt die Schultern. "Weiß nicht, ich denke ich tue es fĂŒr

Steve?" "Steve?" "Mein Kumpel." Er deutet mit dem Daumen zurĂŒck. "Er ist Single und krampfhaft auf der Suche nach einer Partnerin.", erklĂ€rt er lĂ€chelnd. "Und jedes Mal lasse ich mich breitschlagen ihn zu begleiten. Aber ich kann's verstehen ..." Er lĂ€sst sich grinsend an der Wand neben uns herabgleiten bis er auf den Fersen sitzt. "... wer gibt sich schon selbst der Schmach hin, allein aus zu gehen?" Da kann ich ihm nur zustimmen. "Das ist

traurig!" Ich hocke mich neben ihn. Die Angst von ihm zum Sex gezwungen zu werden scheint bei Tom unbegrĂŒndet. Wir unterhalten uns fröhlich weiter ĂŒber Gott und die Welt und ich erfahre, dass er Erzieher in einer Grundschule ist und bereits seit sechs Jahren mit seiner Partnerin, die allerdings unter AngstzustĂ€nden leitet und ihn daher nicht in Clubs begleitet zusammen ist. Irgendwann entschuldigt er sich und verschwindet auf der Toilette. Ich stemme mich wieder hoch und

gehe, um meine eingeschlafenen FĂŒĂŸe wieder aufzuwecken ein paar Schritte auf und ab. Plötzlich werde ich am Arm gepackt und ruckartig herum gedreht. Erschrocken hole ich bereits zum Gegenschlag aus, als ich entdecke, dass es Anna ist. "SĂŒĂŸe, wĂ€rst du mir sehr böse, wenn ich dich mit Freddy allein lasse?", keucht sie atemlos. "Nein, natĂŒrlich nicht. Was ist denn los?", antworte ich verwirrt. "Steve, der sĂŒĂŸe Typ mit dem ich getanzt habe will mir seine Wohnung zeigen." Dabei wackelt sie anzĂŒglich mit den Augenbrauen.

"Ach so?", grinse ich. "Okay, aber du musst mir versprechen, dass du gut auf dich aufpasst!" Dieses Versprechen muss sie mir abnehmen. "Klaro. Und du suchst Freddy, statt hier allein herumzustiefeln und ihr macht euch auch auf den Heimweg. Morgen wird ein aufregender Tag." "Apropos Morgen, wirst du denn rechtzeitig zurĂŒck sein?", grinse ich. "Na klar doch. Du kennst mich doch.", lacht meine beste Freundin. "Du kannst dich auf mich

verlassen!" Da stimme ich ihr zu. Bisher hat sie es immer geschafft pĂŒnktlich zu Terminen zu erscheinen., auch wenn sie die Nacht davor außer Haus verbracht hat. Wir verabschieden uns mit einer Umarmung. Anschließend mache ich mich auf die Suche nach Freddy. Tom war bisher noch nicht wieder von der Toilette aufgetaucht. Wenn er unser GesprĂ€ch von vorhin fortsetzen möchte wird er mich schon finden. Wen ich aber nicht finde ist Freddy. Ich laufe den gesamten Club ab ohne eine Spur von ihm zu

entdecken. Schließlich bleibt mir nur das Klo. Vorsichtig drĂŒcke ich gegen die SchwingtĂŒr und rufe in den Raum, "Hallo? Freddy, bist du da?". Doch außer einem frechen Spruch von wegen "FĂŒr dich bin ich wer auch immer du willst, SĂŒĂŸe." kommt nichts zurĂŒck. Genervt verdrehe ich die Augen und lasse die TĂŒr zufallen. Wo steckt er nur? Ob ich jetzt einfach so allein abhauen darf? Auf keinen Fall will ich irgendjemanden verĂ€rgern. Allerdings habe ich auch mein bestmöglichstes getan um ihn zu finden. Also beschließe ich tatsĂ€chlich zu verschwinden.

Als ich an der Garderobe vorbei gehen merke ich erst, dass ich nichts zum ĂŒberziehen dabei hatte. Mittlerweile dĂŒrfte es draußen kĂŒhlen geworden sein. Ich wĂŒrde mir schnell ein Taxi suchen mĂŒssen. Draußen umfĂ€ngt mich sofort die kalte Nachtluft. Fröstelnd lege ich meine Arme um mich. Ich laufe los, in Richtung der nĂ€chst besten Hauptstraße. Dort stehen die Chancen ein Taxi zu ergattern höher als hier in der viel kleineren Nebenstraße. "Jetzt wĂ€re der Bentley doch ganz schön!", denke ich bei mir. "Na ja, beim

nĂ€chsten Mal." Mit einem Mal höre ich hinter mir Schritte. Erschrocken drehe ich den Kopf und sehe eine mĂ€nnliche Silhouette auf mich zukommen. Was soll ich jetzt machen? Was will der von mir? Doch meine Sorge ist unbegrĂŒndet, der Mann hastet an mir vorbei um mir ein am Straßenrand geparktes Taxi vor der Nase weg zuschnappen. "Na, vielen Dank auch!", brĂŒlle ich ihm mutig hinterher. Bevor sich die hintere TaxitĂŒr hinter ihm schließt, hĂ€lt er inne und schiebt den Kopf heraus. "Wollen Sie mitfahren? Wir können

uns die Kosten teilen." Das hört sich ganz gut an. Im Grunde hört sich alles besser an, als wer weiß wie lange auf ein neues Taxi warten zu mĂŒssen. Und der Kerl sieht vertrauenerweckend aus. Also steige ich nachdem er weiter gerutscht ist neben ihn ein. Energisch ziehe ich die TĂŒr hinter mir zu. "Wo soll's hingehen?", fragt der Fahrer von vorn. Ich zögere. Ist es so klug einem fremden Mann meine Adresse zu nennen? Ich beschließe ihn auszutricksen und sage, "Bitte, Sie

zuerst!" Er grinst und gibt eine Adresse in Knightsbridge an. Der Fahrer nickt und gibt Gas. LĂ€chelnd werfe ich meinem Mitfahrer einen Blick zu und sehe anschließend aus dem Fenster. "Wie heißen Sie?", durchbricht er das Schweigen. Ich drehe mich zu ihm und antworte geradeheraus, "Clara." "Schöner Name!" Das habe ich heute schon einmal gehört. "Und Sie?", frage ich der Höflichkeit

halber. "Benjamin." Ich schenke ihm ein LĂ€cheln. "Ja dann, vielen Dank nochmal, Benjamin!" "Sehr gern geschehen!" Er grinst. "Ein Gentleman kann doch eine Lady in Not nicht im Regen stehen lassen." "Na ja, regnen tut es ja gerade nicht. Und eine Lady ...", sage ich leise. "Oh doch, ich erkenn' doch eine Lady wenn ich eine sehe.", entgegnet er selbstsicher. Ich beschließe darauf nicht zu antworten.

"Wo wohnen Sie?", fragt er weiter. Er lĂ€sst nicht locker. "WĂ€ren Sie mir sehr böse, wenn ich das nicht verrate?" Benjamin schĂŒttelt den Kopf. "Wie Sie wollen. Ich versteh schon. Ich wĂŒrde mir auch nicht vertrauen." Damit hatte er mich. "Warum?" "Na ja, wenn mir mein Wohnort peinlich wĂ€re ..." "Wie kommen Sie darauf, dass mir mein Wohnort peinlich ist?", will ich neugierig wissen. Ich weiß nicht recht, ob ich beleidigt oder interessiert sein sollte. "Na ja, so wie Sie aussehen sind Sie

reich. Da mĂŒssen Sie sich gegen Diebe absichern." "Sind Sie denn einer?", frage ich kokett. "Ein Dieb?" Ich nicke. "Nun ja, ich habe so mancher Lady schon das Herz gestohlen.", grinst er frech. Lachend lege ich den Kopf in den Nacken. "Sie sind lustig!", urteile ich. "Das habe ich schon öfters gehört." "Ich wohne in Belgravia. Und das ist mir keineswegs peinlich.", antworte ich locker. "Belgravia." Er pfeift anerkennend

zwischen den ZÀhnen hindurch. Ich nicke bescheiden. "Dann sind Sie wirkliche eine Lady." Jetzt wurde ich rot. "Nein, ich lebe nur dort. Eigentlich komme ich aus Hammersmith.", gebe ich zu. "Was auch keine Schande ist.", lacht er. "Ich bin in Knightsbridge geboren und aufgewachsen. Was soll's." "Dagegen ist ebenfalls nichts einzuwenden." Er nickt. "Wollen wir du sagen?", fragt er mit einem Mal und hÀlt mir seine rechte Hand hin. Ich schlage ein und sage leise,

"Clara." "Benjamin." Gut gelaunt fahren wir weiter und fĂŒhren eine lockere Unterhaltung. Doch mit einem Mal schlĂ€gt die Stimmung um. Er rĂŒckt nĂ€her an mich heran und legt seine Hand auf meinen Oberschenkel. "Du bist wirklich wunderschön, Clara! Hat dir das schon mal jemand gesagt?" "TatsĂ€chlich hat man das. Mein Mann zum Beispiel.", versuche ich ihn in die Schranken zu weisen. Doch er lĂ€sst sich davon nicht abschrecken und legt mir stattdessen noch die zweite Hand auf den unteren RĂŒcken. "Ach, du

bist verheiratet?" Ich nicke mit zusammengepressten Lippen. "Und wo ist er? Dein Mann meine ich. Hat er keine Angst, dass dir was zustoßen könnte?", raunt er an meinem Nacken. Doch hat er. Deshalb hat er John Faber eingestellt, wird mir plötzlich klar. Verzweifelt versuche ich ihn von mir weg zuschieben. An den Fahrer gewandt rufe ich, "Können Sie bitte hier anhalten! Ich möchte aussteigen!" "Sind Sie sicher, Miss?", fragt dieser verwundert. Klar, er muss sich auf den Verkehr konzentrieren und hat

nichts mitbekommen von den Aufdringlichkeiten. "Ja, bin ich, Danke.", zische ich und drĂŒcke Benjamin von mich. "Hey, was hast du dich denn so pissig?" Pissig? Echauffiert schnappe ich nach Luft. "Benjamin, bitte. Halte Abstand!", sage ich mit soviel Nachdruck wie ich fĂ€hig bin aufzubringen. "Ach komm schon. Als du zu mir ins Taxi gestiegen bist hast du es doch auch gewollt.", mutmaßt er. Das Taxi hĂ€lt und ich greife nach dem TĂŒröffner. Doch er hĂ€lt meine Hand fest und drĂŒckt mich an sich.

"Wo willst du denn hin?", raunt er an mein Ohr. Sein heißer Atem brennt sich in meine Haut. Angewidert stoße ich ihn von mir. Den Taxifahrer anflehend sage ich, "Können Sie mir bitte helfen!" Der Fahrer, dem jetzt erst aufzufallen scheint, was hinter ihm los ist dreht sich um und fragt an uns gewandt, "Gibt's hier ein Problem?" "Nein." "Ja.", sagen wir gleichzeitig. "Ich bitte Sie. Helfen Sie mir, diesen Mann auf Abstand zu halten!" Der Fahrer sagt, "Hey Mister, ich denke, es wĂ€re besser, wenn Sie

jetzt aussteigen!" "Warum sollte ich?", entgegnet Benjamin. An mich gewandt sagt er, "Ich war zuerst hier. Wenn du dich so anstellst, hau du doch ab!" Nichts lieber als das. Sofort greife ich erneut nach dem TĂŒröffner und stoße die TĂŒr auf. "Die Rechnung zahlt der Herr.", rufe ich hastig ĂŒber die Schulter und werfe die TĂŒr zu. Mich noch sammelnd richte ich mich auf und rĂŒcke meine Kleidung zurecht, als Scheinwerfer hinter dem Taxi am Straßenrand zum stehen kommen. Verwirrt sehe ich mich um, kann

aber in der Dunkelheit und aus Mangel an Straßenlaternen auf diesem abgelegenen StĂŒck Straße nichts erkennen. Doch nur einen Augenblick spĂ€ter weiß ich wer sich hier als mein Retter herausstellt. John Faber. "Daisy?", fragt er in genau dem Moment, wo das Taxi weiterfĂ€hrt. "John?", erwidere ich teils verblĂŒfft, teils erleichtert. Der grĂ¶ĂŸere Teil ist die Erleichterung. "Was ist los?", fragt er und mustert mich im Schein der Scheinwerfer des Bentleys. "Benjamin ... ich .... er wollte ... doch ich wollte nicht ...", stammle

ich unzusammenhĂ€ngend. Er scheint dennoch zu begreifen. "In dem Taxi da?" Seine Hand deutet den sich entfernenden RĂŒcklichtern des Taxi hinterher. Ich nicke kraftlos und lasse den Kopf hĂ€ngen. Mit einem Mal fĂŒhle ich mich abgrundtief erschöpft. Sofort kommt Leben in meinen Chauffeur. Er packt mich am Arm und schiebt mich zum Wagen. Nachdem er mich auf dem Beifahrersitz angeschnallt hat, springt er auf den Fahrersitz und startet mit einem Kickstart den Bentley. Eilig nimmt er scheinbar die Verfolgung auf Mit Erfolg, denn kurz darauf fĂ€delt er sich hinter

dem Taxi in die Fahrspur ein. "Was haben Sie vor, John?", frage ich langsam. "Das ist nicht wichtig.", brummt er und setzt den Blinker. "Wichtig ist nur, dass es getan wird." "Was?", keuche ich. Was hat er vor? Doch er geht nicht weiter darauf ein. Als sich an einer Einfahrt eines Parkplatzes mit zwei Einfahrten die Gelegenheit bietet schert John aus, rast ĂŒber den nĂ€chtlich verlassenen Parkplatz und schleudert förmlich mit dem Bentley in einer kreisenden Bewegung vor dem Taxi auf der Seitenstraße ein. Sicherlich zu Tode erschrocken steigt der

Fahrer des Taxis auf die Bremse. Sofort springt er aus dem Fahrzeug und beginnt mit seinem russischen Akzent John zu beschimpfen. Dieser jedoch ignoriert ihn geflissentlich, geht ungerĂŒhrt zur hinteren WagentĂŒr und reißt diese auf. Nachdem er den zeternden Benjamin herausgezerrt und von mir das Ok das es sich um das richtige Arschloch handelt eingeholt hat, verpasst er ihm einen gut platzierten Kinnhaken. Benjamin taumelt rĂŒckwĂ€rts und knallt mit dem RĂŒcken gegen das Fahrzeug. Doch er fĂ€ngt sich schnell, rappelt sich wieder zu

voller GrĂ¶ĂŸe auf und holt aus um nun seinerseits John eine zu verpassen. Dieser jedoch weicht gekonnt aus und schlĂ€gt ein weiteres mal zu. Diesmal geht Benjamin zu Boden. John greift ihn am Kragen, zieht ihn auf die Beine und wirft ihn auf die RĂŒcksitzbank des noch immer wartenden Taxis. Fasziniert und mit offenen Mund beobachte ich das Schauspiel durch die Windschutzscheibe. John hat mittlerweile die VordertĂŒr geöffnet und spricht mit dem Taxifahrer. Nachdem er wieder zu mir zurĂŒckgekehrt und das Taxi

abgefahren ist frage ich leise, "Was genau war das?" "Das was nötig war.", meint er kryptisch. Ich lasse nicht locker. "Warum haben Sie das getan? Und wo kamen Sie eigentlich so plötzlich her?" Er zuckt die Schultern. "Sie mĂŒssen zugeben, das es ganz praktisch war, das ich in der NĂ€he geblieben bin!" Er zwinkert mir zu. Ich komme nicht umhin ihm zu zustimmen. "Da haben Sie recht. Dankeschön, John!", gebe ich zerknirscht zu. "Es ist mein Job, Miss Daisy. Also alles

cool." "Aber ..." Was mich wieder auf die Frage bringt, was seine wirkliche Aufgabe bei uns ist. "... es wĂ€re doch nicht Ihre Aufgabe gewesen." "Seien Sie einfach glĂŒcklich das ich da war. Wer weiß was sonst geschehen wĂ€re?" Er startet den wagen. "Ich hatte alles unter Kontrolle.", erwidere ich schnippisch. "Ja, klar.", brummt er leise und grinst. "Wirklich.", bekrĂ€ftige ich. Er nickt. "Trotzdem ... Danke.", murmle ich leise und sehe beschĂ€mt aus dem

Fenster.

2.

Daisy "Ihr glaubt gar nicht was fĂŒr einen Vortrag ich mir gestern Nacht noch anhören durfte.", jammere ich meinen besten Freunden vor. Ich sitze zwischen Anna und Freddy auf der RĂŒcksitzbank im Bentley. Der wiederum hinter Dans Wagen hinterherfĂ€hrt. Dan meinte es sei von Vorteil, wenn auch sein eigener Wagen in Embley wĂ€re und fĂ€hrt deshalb getrennt von mir unserem neuen Zuhause entgegen. "Wieso Vortrag?", staunt

Anna. "Das will ich euch gern verraten. Ich habe gestern was erlebt, nachdem du verschwunden bist." Noch immer peinlich berĂŒhrt verdrehe ich die Augen und vergrabe dann fĂŒr einen Moment mein Gesicht in den HĂ€nden. "Verschwunden? Ich hab dir doch gesagt, dass ich mit Steve los bin.", rechtfertigt sich Anna in vorwurfsvollem Ton. Ich sehe sie an. "Ja, natĂŒrlich hast du das. Entschuldige bitte!" Ich schenke ihr ein LĂ€cheln, um sie zu besĂ€nftigen. "Aber nachdem ich Freddy auch nirgends habe finden

können ..." Nun wende ich mich Freddy zu. "Ähm ... ja ... ich war ...", stammelt er verlegen. Hellhörig geworden reiße ich die Augen auf und sehe ihn tadelnd an. "Moment mal, du hast doch nicht etwa ..." "Tristan betrogen?", vollendet er meinen Satz. Getroffen greift er sich an die Brust. "Wo denkst du hin?", erwidert er schrill und ziemlich schwul. "Und du da hinten musst auch nicht so hĂ€misch gucken." Das ging an Anna. "Ich habe keineswegs meinen Freund

betrogen." "Freund? Verlobter trifft's wohl eher.", korrigiere ich ihn. Freddy winkt ab. "Wie auch immer. Jedenfalls habe ich ihn nicht betrogen!", bekrĂ€ftigt er und fĂ€hrt fort, "Ganz im Gegenteil ... Irgendwie war mir plötzlich ... nun ja, mir war ... ĂŒbel." Sein herumgedruckse lĂ€sst uns aufhorchen. "Freddy, was ist los?", frage ich besorgt. Er schenkt mir ein gequĂ€ltes LĂ€cheln. "Nichts Schlimmes. Nur ... ich kam mir plötzlich so fehl am Platz vor. Da habe ich es dort allein nicht mehr ausgehalten." Er schlĂ€gt

sich beschĂ€mt die Hand vor die Augen. "Allein. Aber ich war doch da.", murmle ich. "Ach tatsĂ€chlich? Ich habe dich ĂŒberall gesucht und NICHT gefunden.", echauffiert er sich. "Ups ... dann sind wir wohl aneinander vorbeigelaufen.", gebe ich beschĂ€mt zu. "Nun ja, das kann passieren. Jedenfalls, zu eurer Beruhigung, bin ich schnurstracks nach Hause zu meinem Liebsten gefahren. Mit einem Taxi, denn Johnny Boy hier ..." Er lĂ€chelt dem Fahrer ĂŒber den RĂŒckspiegel schamlos zu. "... war

brav und ist tatsĂ€chlich nach Hause gefahren." John wirft einen vielsagenden Blick zurĂŒck und enthĂ€lt sich jeden Kommentars. "Ähm ja ... nicht ganz.", gebe ich zĂ€hneknirschend zu. Nun war es Freddy, der mich interessiert ansieht. "Ach nein? Was verschweigst du uns, Daisy Darling?", grinst er hinterhĂ€ltig. "Das wollte sie uns, glaube ich, gerade berichten.", wirft Anna wissend ein. "Genau. Du wolltest uns doch von einem gewissen Vortrag erzĂ€hlen? Hattest du Streit mit

Danny?" Ich werfe einen schnellen Blick in den Spiegel. Johns und mein Blick treffen sich. "Nein. Nein, wir hatten keinen Streit.", bekrĂ€ftige ich. Meine Freunde atmen erleichtert aus. "Phu!" "Was war dann los?", fragt nun Anna. "Ist irgendwas passiert in dem Club? Wurdest du angebaggert und Dan hat es mitbekommen?" "Nicht im Club, nein." "Was?", kreischt Anna entsetzt. "Im Taxi. Auf dem RĂŒckweg. Dieser Kerl und ich ..." "Ich höre immer Kerl. Wer ist das?",

mischt sich Freddy ein. John rĂ€uspert sich. Nachdem ich einmal tief durchgeatmet habe, beginne ich die Ereignisse des gestrigen Abends zu schildern. "Nachdem du gegangen bist und ich Freddy nicht finden konnte, wollte ich selbst auch nur noch weg da. Es war kalt und ich hatte nichts zum Überziehen dabei. Also wollte ich mir auf dem schnellsten Weg ein Taxi rufen. Doch da war ein Typ, der mir das einzige verfĂŒgbare vor der Nase weggeschnappt hat. Als ich ihn lautstark und wĂŒtend beschimpft habe ..."

"Richtig so! So ein Arsch!", erbost sich Anna. "... bot er mir an, sich das Taxi mit mir zu teilen.", fahre ich ungerĂŒhrt fort. "Ich hatte keine Lust mir wer weiß wie lange weiter den Arsch abzufrieren und stieg ein." Anna macht ein Gesicht, das mir verdeutlicht, was sie von dieser Idee hielt. "Er war nett. Wir unterhielten uns gut." John hustet leicht. Ich ignoriere es und erzĂ€hle. "Benjamin, so hieß er, wurde irgendwann aufdringlich und

..." "Oh mein Gott!", kreischt Freddy und schlĂ€gt sich die Hand vor den Mund. Erstaunt ziehe ich die Augenbrauen hoch. "Ähm ... ja." Ich versuche sein Entsetzen zu ignorieren. "Er wurde also aufdringlich und betatschte mich. Er legte seine Hand auf meinen Oberschenkel und so." Erneut, nur lauter kommt es von Freddy. "OH mein Gott!" "Beruhig dich mal, okay!", stöhne ich und sehe ihn strafend an. "Es ist ja nichts weiter passiert." Anna zuckt die Schultern. "Da

kannst du von GlĂŒck reden. Das hĂ€tte auch ganz anders ausgehen können.", mahnt sie streng. "Das weiß ich, aber ..." "Anna hat recht. Versprich mir, sowas dummes nie wieder zu tun!", jammert Freddy und grapscht nach meiner Hand. "Hast du dich denn nicht gewehrt? Oder zumindest dem Trottel gesagt, er soll seine ekligen Griffel von dir nehmen?", schimpft Anna und hebt tadelnd den Zeigefinger. Empört starre ich sie an. "Was denkst du denn? NatĂŒrlich habe ich mich gewehrt und ihm gesagt er soll die Finger wegnehmen! HĂ€tte

er mich weiter befummelt, hÀtte ich ihm eine runtergehauen." Anna murmelt, etwas das verdÀchtig wie, "Ich hÀtte den Mistkerl zu Brei geschlagen." und sieht zum Fenster hinaus. Ich rÀuspere mich und sage, "So habe ich den Fahrer gebeten anzuhalten und mich aussteigen zu lassen. Das dreiste war, dass er sich als Opfer dargestellt hat. Benjamin, und nicht der Fahrer.." Fast hÀtte ich aufgelacht. "Opfer?", fragt Freddy in einem Ton, als hÀtte er das Wort soeben zum ersten Mal gehört. "Ja, genau. Er meinte, ich hÀtte

doch was von ihm gewollt als ich zu ihm ins Taxi gestiegen bin." "Na ja ..." Anna sieht mich zweifelnd an. "Das könnte man schon annehmen.", murmelt sie verhalten. "Wirklich? Das hĂ€tte ich nicht gedacht. Ich fand es nur sehr ... also irgendwie ... ritterlich.", gebe ich beschĂ€mt zu. "Das ist mal wieder typisch Daisy.", urteilt sie mit einem leichten KopfschĂŒtteln. Freddy nickt milde. "Und dann? Was ist dann geschehen?", fragt er. "Ich bin mir sicher da kommt noch

was." Ich nicke und suche erneut Johns Blick. "Ja, du hast recht. Ich sprang also, kaum das Taxi angehalten hat, raus auf die Straße. Ich wollte nur noch weg." "HĂ€tte der Fahrer dir nicht auch helfen können?", fragt Anna. Ich nicke. "Ich hatte ihn gebeten mir zu helfen und er wollte es auch tun. Doch ich war schneller und sprang wie gesagt, kaum das er angehalten hat aus dem Auto." "Und dann?", unterbricht Freddy ungeduldig und macht mit der Hand eine kreisende Bewegung in der Luft.

"Benjamin beschimpfte mich und dann war plötzlich ..." Mein Blick sucht erneut den von John. "... John da." "John?", fragen beide unisono. "Ja, John." Mein Daumen deutet auf unseren Fahrer. "Ganz plötzlich stand er hinter dem Taxi." "Wirklich?" Freddy lehnt sich vor, den Kopf neben die KopfstĂŒtze von Johns Sitz. "Sie sind der strahlende Ritter in dieser Geschichte?" John zuckt die Schultern. "Dann mĂŒssen wir Ihnen ja dankbar sein, dass Sie unsere Freundin gerettet haben.", schwĂ€rmt Freddy

weiter und scheint dabei völlig zu vergessen, dass er erstens, verlobt und zweitens, dass John hetero ist. Da John beharrlich schweigt, sehe ich mich gezwungen den beiden seine Heldentat zu schildern. "Er war da, hat mich angeschaut und wusste sofort Bescheid." "Ach.", haucht Freddy. "Und dann? Haben Sie dem Mistkerl eine verpasst?" "Hm.", brummt John und lenkt den Bentley in einer weit ausholenden Kurve die Abfahrt hinunter. Nicht mehr lange und diese nervtötende Fahrt wĂŒrde ein Ende finden. Plötzlich erfasst mich ein gewisser

Stolz und ich fĂŒhre aufgeregt aus, "Das Taxi war mittlerweile weitergefahren. ..." "Was? Einfach so? Hat der Fahrer nicht nachgeschaut wie es dir geht?", echauffiert sich Anna wĂŒtend dazwischen. "Der Kerl kann dich doch nicht einfach so mitten in der Pampa herauswerfen und sich nicht einmal vergewissern, ob es dir gut geht." "Na ja, Pampa? Immerhin waren wir in London City.", gebe ich zu bedenken. "London hat auch seine dunklen Ecken." Freddy nickt zustimmend und beißt

sich auf die Unterlippe. "Vielleicht hat er ja gesehen, dass ich Gesellschaft hatte?", gebe ich zu bedenken und nicke mit dem Kopf in Johns Richtung. Das scheint Anna erstmal zufriedenzustellen, denn sie schweigt. Also fahre ich fort, "Jedenfalls hat John sofort gesehen was mit mir los war, hat mich in den Bentley verfrachtet und ist losgefahren. Dem Taxi hinterher." Freddys Augen werden groß. "In einem riskanten Manöver, das einem Fast & Furious Film zur Ehre gereicht hĂ€tte, hat er es gestoppt,

Benjamin herausgezerrt und ihm eine runtergehauen." Freddy klatscht begeistert in die HÀnde. "Wow! Da wÀre ich gern dabei gewesen!" Ja, das denke ich mir. So offensichtlich wie er auf meinen Fahrer steht. "Was ist dann passiert?", haucht er atemlos. "Na ja, Àhm ... John, wollen Sie nicht weiter erzÀhlen?" Ich werfe ihm einen Blick zu. "Sie machen das ganz gut.", brummt der Angesprochene. "Na gut. ... Ja, also, er hat ihm eine reingehauen und dann hat es

Benjamin bei ihm versucht. Ohne Erfolg. Schlussendlich hat John ihn in das Taxi zurĂŒckgeworfen und ..." "Geworfen?", kreischt Freddy. "Ich habe ihn nicht geworfen.", stellt John richtig. "Oh doch. Das haben Sie.", lache ich. "Es war spektakulĂ€r! Wie der geflogen ist. Als wĂŒrde er nix wiegen." Anna grinst. Freddy fasst sich ans Herz. John verdreht die Augen. "Was mich zu der Frage bringt ... John, was haben Sie dem Taxifahrer dann noch gesagt?" "Das er das Schwein ins nĂ€chste Polizeirevier bringen soll. Wenn

das aber seines Erachtens nicht nötig ist, kann er ihn auch zu jeder anderen Adresse fahren. Aber auf dessen Kosten. Und das er noch ein saftiges Trinkgeld draufschlagen soll. Schweine wie der haben es nicht anders verdient." Lachend klatschen wir uns ab. Mittlerweile kann ich ĂŒber die Sache lachen. Letzte Nacht sah das noch ganz anders aus. Als mir der Schreck in den Gliedern saß und ich verstört und zitternd Dan ĂŒbergeben wurde, war ich doch ziemlich erleichtert das Dan so umsichtig war. Als ich an das GesprĂ€ch zwischen

Dan und John zurĂŒckdenke, fĂ€llt mir ein, was mich seit einiger Zeit schon beschĂ€ftigt. Ich lehne mich zwischen den Vordersitzen etwas nach vorn um John besser ansehen zu können. "John, sagen Sie, gibt es einen tatsĂ€chlichen Grund fĂŒr Dans Sorge?", frage ich geradeheraus. Er dreht kurz den Kopf zu mir und sieht mich ungerĂŒhrt an. "Sie können es ruhig zugeben!", grinse ich. "Ich bekomm' es ja doch raus." Er verdreht die Augen und presst die Lippen zusammen. "Irgendwas ist da im Busch. Ist es

diese Carol Parker? Ist sie es, die mir gefĂ€hrlich werden kann?", bedrĂ€nge ich ihn weiter. "Das sollten Sie vielleicht Ihren Mann fragen. Ich fĂŒhre nur Befehle aus.", brummt er, den Blick stur auf die Fahrbahn gerichtet. "Befehle?", mischt sich Freddy ein. "Ich hör' immer Befehle ausfĂŒhren." Ich wende mich ihm zu und sage, "Ja, klar. Dan hat ihn doch 
" Mit einem Mal breche ich ab, weil mir einfĂ€llt, dass sie ja noch immer im Unklaren sind ĂŒber Johns tatsĂ€chliche Anwesenheit. "Ach, das wisst ihr ja noch gar nicht.",

murmle ich daher. "Was denn?" Meine beiden Freunde sind plötzlich hellhörig geworden und sehen mich erwartungsvoll, ganz so als wĂŒssten sie, dass sie gleich eine Sensation eröffnet bekommen an. "Dan hat John eingestellt. Jedoch nicht als Fahrer. Auch, wenn es das ist, was er offensichtlich tut. Er ist vielmehr ein 
 ein Bodyguard. Mein Bodyguard." "Ich wusste es doch. Was hab ich euch gesagt.", jubelt Freddy als wĂŒrde er fĂŒr diese Erkenntnis einen Orden erwarten. "Ich hab's die ganze Zeit

gesagt." "Eigentlich sollte es nicht so an die große Glocke gehĂ€ngt werden.", brummt John. "Wir schweigen wir ein Grab.", verspricht Freddy dĂ€mlich kichernd. "Ha ha." "Wirklich John, ich werde nicht indiskret sein.", verspreche ich ernsthaft. "Aber es ist doch wohl mein gutes Recht zu wissen, weshalb ich kĂŒnftig einen Schatten habe." "Und ich dachte, Sie hĂ€tten sich mittlerweile an mich gewöhnt." "Das habe ich ja auch. Und seit

gestern Abend bin ich auch wirklich froh ĂŒber Ihre Anwesenheit! Aber, wenn es da etwas gibt, was mir gefĂ€hrlich werden kann, dann will ich's wissen!" Er seufzt erneut, holt anschließend Luft und antwortet, "Na gut. Schön. Ja, es ist Carol Parker, vor der Ihr Mann Angst hat." "Dan hat Angst vor einer Frau?", staunt Freddy. "Das hĂ€tte ich nicht gedacht." "Schatz, wĂŒrdest du diese Frau kennen, hĂ€ttest du auch Angst.", erklĂ€re ich mit erhobener

Augenbraue. "Wirklich? Aber was ist so schlimm an ihr?" "Sie ist abgrundtief nervig!", urteilt Anna, die bisher auffallend still gewesen ist. Mir ist zwar neu, dass sie Carol kennt, aber scheinbar war es so. "Ja, nervig trifft’s wohl auf den Punkt.", stimme ich ihr zu. "Carol Parker ist Dans ... " Ich hole tief Luft. Ob es Dan recht wĂ€re, wenn ich hier vor den anderen seine Probleme ausbreite? Doch dann gebe ich mir einen Ruck. "Sie ist eine Stalkerin." "Stalkerin?", echot Freddy

verwundert. "Das sind Leute, die sich Liebe zu einer anderen, meist unerreichbaren Person einbilden. Sie stellen dieser Person nach, bedrĂ€ngen sie und bringen sie meist auch in Gefahr, weil sie ĂŒbergriffig werden.", erklĂ€rt Anna geduldig. "Ja. Das hat sie ganz gut erklĂ€rt.", sage ich. "Ist ja krass! Und so eine stellt unserem Danny nach?", echauffiert er sich und sieht abwechselnd zwischen uns dreien hin und her. Wir nicken unisono. Nur John nicht, der starrt auf die

Straße. "Zeigt mir diese Tussi und ich versohle ihr den Arsch!", verkĂŒndet er kĂ€mpferisch. Lachend lege ich ihm einen Arm um die Schulter. "Du bist lieb! Aber dafĂŒr haben wir doch John." Meine freie Hand lege ich auf Johns linke Schulter. Er dreht den Kopf und sieht darauf. Als mir bewusst wird, was ich da tue, ziehe ich sie schnell wieder zurĂŒck und lĂ€chle entschuldigend. "Aber er hat doch sicherlich nichts dagegen, wenn ihm jemand dabei hilft, auf meine Freundin

aufzupassen." "Blödmann!", grinse ich. "Ich bin nicht in Gefahr. Stimmt doch, John, oder? Das ist nur eine PrĂ€ventivmaßnahme." "Wenn Sie meinen.", brummt der Angesprochene. Dan "Echt klasse, dass du gleich mitkommst!", freue ich mich ehrlich, ĂŒber die Gesellschaft meines besten Kumpel. "Kein Problem.", meint dieser. "Wirst du dein Auto nicht vermissen?" Ich weiß genau wie es

sich anfĂŒhlt seinen neuen Wagen allein zu lassen. Persönlich könnte ich das nicht. Es gab eine Zeit, damals, als ich jeden Meter mit dem Wagen gefahren bin, nur weil ich ihn neu hatte. Es ist ein so geiles GefĂŒhl! "Das holen wir doch nĂ€chste Woche.", meint er lĂ€ssig. "Oder hast du vergessen, dass wir nochmal nach London zurĂŒckmĂŒssen?" Ich schĂŒttle den Kopf. "Nein, natĂŒrlich nicht." Bens Aufgabe als mein Best Men war es meinen Junggesellenabschied zu organisieren. Ich bin schon gespannt was er sich hat einfallen

lassen. Ein Stripclub wird’s sicher nicht werden. Das ist nicht sein Stil. "Gut." "Hast du Urlaub?", versuche ich mich an einer harmlosen Plauderei. In der letzten Zeit hatte sich Ben mehr und mehr verschlossen. Irgendwas war im Busch und er macht ein großes Geheimnis daraus. "Ja. Zwei Wochen." Ich nicke verstĂ€ndig. "Und, hast du was vor? Verreisen oder so?" "Nein. Nur etwas entspannen." "Hm ... Ist es gerade stressig auf

Arbeit?" Er nickt und sieht aus dem Fenster. "An was arbeitet dein BĂŒro denn gerade?" "HochhĂ€user der Zukunft. Wir wollen eine Ausschreibung in Dubai gewinnen. Es geht um innovative HochhĂ€user. Farmscrapers um genau zu sein." "Farmscrapers? Was zur Hölle ist das denn?" "HĂ€user die sich selbst versorgen. Man kann auf ihnen allerlei GemĂŒse und Obst anpflanzen und mit dem ganzen GrĂŒnzeug filtern sie Staub, absorbieren CO₂ und schĂŒtzen vor KĂ€lte und Hitze

gleichermaßen.", erklĂ€rt er fachmĂ€nnisch. "Eigentlich ganz cool. Aber es gibt ziemlich viel zu bedenken." "Ich stell mir das sehr ... interessant vor! Und kann man da auch richtig drin wohnen oder ist das eher so ein ... also eher ein Arbeitsplatz? Von wegen, Farmen in die Höhe." Ben lacht. "Ja, man kann da tatsĂ€chlich drin wohnen. Beides geht Hand in Hand." "Aber gibt es da nicht viel Ungeziefer in dem ganzen GrĂŒnzeug?", frage ich interessiert. Er zuckt die Schultern. "Schon.

Aber das ist nebensĂ€chlich, wenn man mit frischer Luft im Großstadtdschungel belohnt wird. Außerdem gibt’s doch Fliegengitter und son Zeug." Ich nicke. "Ist schon irgendwie cool! Aber fĂŒr mich wĂ€re das nichts. Ich habe das Land dann doch lieber flach vor mir liegen.", lache ich. "Landwirtschaft mitten im Großstadtdschungel? VerrĂŒckt!" "Du musst ja auch nicht einziehen." "WĂŒrdest du es denn?" Er zuckt erneut die Schultern. "Ich ziehe auch lieber klassische HĂ€user vor. So wie das was ich mir gerade gekauft habe. Aber mir muss auch

nicht gefallen, was ich entwerfe. Es ist nur ein Job." Ich verschlucke mich an meiner eigenen Spucke. "Moment, was?", keuche ich als es mir wieder möglich ist. "Du hast was gekauft?" "Ein Haus." "Wo? Wann? Wieso?", stammle ich entsetzt, dass ich nichts davon mitbekommen habe. "Also wo. In Silsoe.", erklÀrt er geduldig. "Das ist ja gleich neben Embley.", staune ich. Er nickt zustimmend. "Richtig. In der heimischen Geografie kennst du dich also aus.", zieht er mich auf.

"Und wann ...", fĂ€hrt er fort. "Letzte Woche erst. Und zu deiner Frage warum ... Ich wollte es eben." Schon wieder zuckt er die Achseln. Skeptisch sehe ich ihn mit erhobenen Augenbrauen an. "Das kannst du mir doch nicht weis machen. Du Großstadtmensch ziehst allein in ein HĂ€uschen auf dem Land?" Ben nimmt sich einen Moment. Scheinbar um abzuwiegen, ob er mir die Wahrheit oder doch lieber eine LĂŒge auftischen sollte. "Erwischt.", gibt er schließlich zerknirscht zu. "Eigentlich wollte

ich es erst sagen, wenn wir uns ganz sicher sind. Aber nun ..." "Wir?", hake ich verwundert nach. "Lily. Sie heißt Lily." "Lily." Ich lasse mir die Buchstaben auf der Zunge zergehen. "Seit wann hast du eine Freundin? Und viel wichtiger ist, warum kenne ich sie noch nicht?" "Weißt du wie du klingst?", grinst er. "Wie Freddy. Du klingst wie ein Schwuler." "Na danke auch.", brumme ich beleidigt. Ich schwul. Na toll! "Reg' dich ab! So eine Sensation ist das auch nicht. Ich hab eine Freundin. Na

und?" "Also ich finde es schon sensationell! Ich kann mich kaum erinnern, wann du zuletzt eine hattest." Er zuckt gelangweilt die Schultern. "Tu nicht so cool! Da sitzen wir gestern zusammen und du sagst nichts?" "Weil ich es nicht an die große Glocke hĂ€ngen wollte." "Aber ich bin schon noch dein bester Freund, oder? Ansonsten muss ich mir das mit dem Best Men nochmal ĂŒberlegen." Nun lacht er doch. "Na klar, alles bleibt beim Alten. Ich empfinde es

nur nicht so aufregend." "Okay.", grinse ich beschwichtigend. "Wo wohnt sie? Woher kennt ihr euch?" "Na ja, im Grunde kennst du sie bereits." "TatsĂ€chlich?", staune ich und ĂŒberlege, wo ich diesen Namen schon mal gehört haben könnte. "Es könnte zumindest sein. Zumindest steht sie auf deiner Gehaltsliste." "Sie arbeitet auf Embley?" Er nickt. "In der KĂŒche." Abwehrend hebt er die HĂ€nde. "Lass dir aber nie etwas anmerken! Es ist ihr wahnsinnig

peinlich." "Was denn?", lache ich fröhlich. "Es ist ihr peinlich mit einem der GĂ€ste zusammen zu sein. Sie stellt sich immer an, wenn ich sie im Schloss privat anspreche." Er verdreht die Augen. "GĂ€ste? Also hör mal,  du bist mein bester Freund und kein Gast der nur ab und an vorbeikommt. Du bist doch fast auf Embley zu Hause.", echauffiere ich mich lachend.   "Na ja, ganz so ist es ja nicht. Aber ich finde auch, dass sie etwas ĂŒbertreibt." "Wie lange seit ihr denn

zusammen?" "Noch nicht lange. Erst einige Wochen. Daher habe ich auch noch nichts gesagt. Ich bin einfach nicht dazu gekommen. Es fehlte an der richtigen Gelegenheit." "Okay. Und jetzt ... wollt ihr zusammenziehen?", staune ich ehrlich verwundert. Ben ist nicht der Typ, der sich fest bindet. Schon gar nicht nach so kurzer Zeit. Wieder antwortet er nicht sofort. "Nein. Ich ziehe dort allein ein." "Ach was?" "Ich will einfach nur in ihrer NÀhe sein. Ihr die Möglichkeit geben ..." "Lebt sie in Embley?", frage ich

interessiert. "Misch ĂŒberrascht, dass du das nicht weißt.", brummt er. Empört werfe ich ihm einen Seitenblick zu. "Na hör mal, auf Embley Abbey arbeiten ĂŒber dreißig Personen. Wie zum Teufel soll ich von allen die Lebensgeschichte kennen?" "Schon gut, du musst mir ja nicht gleich an den Hals springen.", wehrt er mich lachend ab. "Mir ist schon klar, dass du es nicht wusstest. Du kanntest ja nicht mal ihren Namen. Aber ja, Lily lebt in Embley. Zusammen mit ihrer

Mutter." "Verstehe. Ist sie sehr jung?" In meinem Kopf verselbststĂ€ndigt sich das Bild von Ben und mir in der Funktion seines Verteidigers, als er vom Gericht wegen VerfĂŒhrung MinderjĂ€hriger verurteilt wird. "Keine Sorge, Herr Anwalt, sie ist volljĂ€hrig." Mein Freund scheint meine Gedanken gelesen zu haben. Theatralisch tue ich erleichtert. Lachend boxt er mir gegen den Oberarm. "Nun aber mal zu einem wichtigeren Thema." "Das da wĂ€re?" "Eure

Hochzeit." Genervt verdrehe ich die Augen. "Nicht du auch noch. Es nervt schon genug, dass Daisy andauernd davon anfĂ€ngt.", stöhne ich. "Sie ist die Braut. Sie darf und muss sogar pausenlos darĂŒber reden.", grinst er hĂ€misch. "Ich bin heilfroh, wenn nĂ€chste Woche alles vorbei ist!", gebe ich zu. "Wirklich? So anstrengend?" Ich nicke bekrĂ€ftigend. "Es gibt kein anderes Thema mehr. Nur noch Danksagungskarten hier, Blumenschmuck da, die Hochzeitsprobe, das Essen und so

weiter." Meine Hand fĂ€hrt durch mein Haar. "Es ist zum wahnsinnig werden!" "Ich dachte, darum hĂ€tte Daisy oder diese Hochzeitsplanerin sich gekĂŒmmert?" "Ja, schon, aber dennoch gibt es fĂŒr das Paar noch einiges zu entscheiden. Und Daisy besteht darauf, dass ich meinen Senf dazu gebe. Dabei ist mir das alles sowas von egal." Ich sehe meinem besten Freund in die Augen. "Bin ich deswegen kein guter Ehemann, wenn mir das alles vollkommen egal ist? Was meinst du?" Er zuckt die Achseln. "Keine

Ahnung. Aber spontan wĂŒrde ich sagen, dass es vollkommen egal ist und nichts ĂŒber dich als Ehemann aussagt." "Da bin ich ja froh.", lache ich. "Weißt du, ich liebe Daisy, aber dieser ganze Tamtam." Ein Seufzen dringt aus meiner Kehle. "Am liebsten wĂŒrde ich sie einfach in das nĂ€chste beste Standesamt schleifen und ganz heimlich heiraten. Ohne Familie, nur mit den engsten Freunden. Ohne Riesen Party und so." "Kann ich verstehen." Er seufzt kollegial. "Aber fĂŒr jemanden deines Standes gibt’s da wohl nicht

viele Optionen." Ich nicke mit verkniffenen Gesichtsausdruck. "Ja. Leider." "Kommt deine ganze restliche Verwandtschaft?", fragt Ben. "Die Betonung liegt auf restliche. Ja, sie kommen alle." "Oh. Und Daisys?" Ich nicke. "Na klar. Alle." "Wie viele GĂ€ste werden es sein?" "So etwa fĂŒnfzig, denke ich. Zumindest war das der letzte Stand." Ben pfeift anerkennend zwischen die ZĂ€hne. "Wenigstens muss sich ĂŒber das Platzproblem keine Sorgen gemacht

werden." "Die schlafen nicht alle in Embley Abbey.", stelle ich resolut klar. "Nur meine Familie und Daisys Eltern. FĂŒr den Rest wurden Zimmer im Pub reserviert." "Verstehe." "Obwohl es mir egal sein kann. Daisy und ich hauen ja am selben Abend noch ab." Ben nickt zustimmend. "Aber ich musste auch an meine Angestellten denken." Ich boxe ihn freundschaftlich gegen den Arm. "Und wie ich ja nun weiß, auch an deine Lily denken. Wenn sie viele weitere GĂ€ste zu bewirten hĂ€tte,

hĂ€tte sie ja gar keine Zeit fĂŒr dich." "Ha ha.", brummt er. "Ich hĂ€tte es dir nicht sagen sollen. Du wirst dich ihr gegenĂŒber sicherlich ab jetzt anders verhalten." "Quatsch! Ich wusste bis vorhin ja nicht einmal das sie existiert." Als ich seinen Gesichtsausdruck sehe, revidiere ich mich schnell, "Ich meine, ich wusste nicht das deine Freundin bei mir arbeitet. Mensch Ben ..." Ich schenke ihm ein Grinsen. "... Sieh's doch einfach als Firma! Ich bin der Boss und sie meine Angestellte. Warum sollte es verwerflich sein, dass mein Freund etwas mit einer meiner

Angestellten hat?" "Sag das nicht mir! Was glaubst du, sage ich Lily stĂ€ndig." Es wundert mich wirklich warum sie sich so pingelig haben sollte. Ich hatte mich bisher eigentlich immer fĂŒr einen lockeren Chef gehalten, der auch mal beide Augen zukneift. Warum hat sie solche Angst davor, was andere ĂŒber ihre Beziehung denken könnten? Doch ich weiß nicht, was fĂŒr interne Regeln unter den Hausangestellten gelten. "Seltsam.", urteile ich leise. "Na ja, vielleicht gibt sich das noch?" Plötzlich kommt mir eine Idee wo die beiden ihre Beziehung offiziell

machen könnten. Spontan lade ich sie mit zur Hochzeit ein. Ich formuliere es so, "Du darfst doch jemanden mitbringen. Lade Lily als deine Begleitung zur Hochzeit ein!" "Was?", keucht er. "Das wird sie nie machen." "Warum nicht?", lache ich und setze den Blinker als ich die richtige Ausfahrt sehe. "Ich könnte ja so tun, als kenne ich sie nicht." "Tust du doch auch nicht." "Stimmt auch wieder.", lache ich und beschleunige. "Warum will sie nicht auf eine Hochzeit gehen? Was meinst du? Frauen lieben doch

Hochzeiten." "Na, weil sie ist wie sie ist.", sagt Ben und kratzt sich am Kinn. "Sie wird wieder ihre Arbeit als Ausrede anfĂŒhren." Er stöhnt. "Das und der Gedanke, was ihre Kollegen dazu sagen wĂŒrden." "Dann feuere ich sie eben.", scherze ich. Als ich sein entsetztes Gesicht sehe, sage ich, "Ich kann sie einen Tag spĂ€ter ja wieder einstellen." "Blödmann!", schnaubt er. "Aber wenn es dich beruhigt, ich werde sie fragen." "Du kannst ihr versichern, das KĂŒchenpersonal wird fĂŒr die Hochzeit UnterstĂŒtzung bekommen.

Es wurde ein Catering Unternehmen engagiert." Er nickt verstĂ€ndig. "Wie gesagt, ich versuchs'. Aber sie ist in dieser Hinsicht echt seltsam." Etwas misstrauisch geworden hake ich nach. "Zeigt sie sich denn mit dir in der Öffentlichkeit oder trefft ihr euch nur bei ihr zu Hause?" "Wir waren schon einmal essen und aus. In London. Aber sonst." "Hm.", mache ich skeptisch. "Aber sie hat mich ihrer Mutter vorgestellt.", beeilt er sich anzufĂŒhren. Als wĂŒrde das alles erklĂ€ren. Es hĂ€tte ja auch Zufall sein können das sie sich begegnet

sind.   "O-k-a-y.", entgegne ich gedehnt. "Du bist skeptisch?", hakt nun er seinerseits nach. "Ich weiß nicht. Du musst zugeben, dass es ein seltsames Verhalten ist." Er ĂŒberlegt. Schließlich sagt er, "Ich habe mir ehrlich gesagt noch keine Gedanken darĂŒber gemacht. Ich dachte einfach, sie ziert sich etwas. Liegt vielleicht am Alter." "Also ist sie doch jĂŒnger?", grinse ich triumphierend. "Ja.", brummt er genervt und sieht demonstrativ aus dem Fenster "Wie jung?" Er sieht mich entnervt an und

zischt, "Ziemlich jung? Zufrieden?" "Mir ist es egal. Ehrlich. Hauptsache, du bist glĂŒcklich. Und ich vertraue darauf, dass du weißt, was du machst." Von weitem kann man schon den Turm von St. Clemens sehen. "Ja, das weiß ich. Danke sehr.", brummt er. Die restlichen Minuten der Fahrt verbringen wir schweigend.

3.

Daisy



"So, ich habe mit Tipswick telefoniert.", verkĂŒndet Dan und strahlt als wĂŒrde er ein Lob fĂŒr sein Engagement erwarten. "Super!", erwidere ich daher pflichtschuldig und lĂ€chle ihn an. "Und?" "Was und?" "Na, wann findet die Probe statt?" "Ach so." Er fĂ€hrt sich mit der Hand durch das Haar. "Am Mittwoch. So bleibt noch ein Tag um zu

ĂŒberlegen was verbessert werden kann." Ich zische durch die ZĂ€hne. "Ich finde es immer noch idiotisch eine Probe fĂŒr eine Hochzeit durchzufĂŒhren! Was ist schon so schwer daran? Zwei Leute treffen sich, zusammen mit Familie und Freunden in einer Kirche. Alle schmeißen sich in Schale und mehr als achtzugeben, dass die Braut nicht stolpert und beide im richtigen Moment ja sagen gibt es doch nicht zu bedenken." "Wenn es doch nur so einfach wĂ€re. Im Grunde gebe ich dir recht, mein Schatz. Aber was ist, wenn einer

der Pferde auf dem Weg zur Kirche durchgeht? Oder du mit dem Absatz in einem Gitter in der Kirche steckenbleibst?" Hm, da hat er recht. Mist! "Okay, das klingt plausibel.", gebe ich zerknirscht zu. "Du willst doch, dass das ein perfekter Tag wird, oder?", fragt er sanft. Ich nicke. "NatĂŒrlich." "Also dann. Übermorgen ist dann also die Probe und weitere zwei Tage spĂ€ter sind wir Mann und Frau." Mann und Frau. Dieser Satz lĂ€sst meine Gedanken auf Wanderschaft

gehen. VertrĂ€umt lĂ€chelnd starre ich die Wand an, bis Dan vor meinem Gesicht mit den Fingern schnipst und "Daisy, alles klar?" ruft. Verwirrt schĂŒttle ich den Kopf und antworte "Ja ... ja klar doch. Ich finde den Gedanken bald mit dir auf ewig verbunden zu sein irgendwie ... irgendwie ..." Ich gerate ins Stocken, doch Dan hilft mir aus, indem er fortfĂ€hrt "Erregend, wunder-wunderschön, absolut glĂŒcklich machend?" Ich sehe zu ihm auf und nicke lĂ€chelnd. "Ja, genau. Genau das wollte ich sagen." LĂ€chelnd kĂŒssen

wir uns. <><><><> "Und wer wird dir die Haare machen?", fragt Anna, als wir zum wiederholten Mal den Ablauf fĂŒr den großen Tag durchgehen. Nach dem Abendessen haben wir uns in mein altes Zimmer zurĂŒckgezogen. "Es gibt hier eine Friseurin im Dorf.", murmle ich und unterziehe die TischkĂ€rtchen einer genaueren Betrachtung. Ein letzter Blick ob auch alles stimmt. Keine Tippfehler oder BeschĂ€digungen. "Echt jetzt?", schreit Anna. Ihr

Geschrei lĂ€sst mich zusammen zucken. "Was ist?", frage ich entsetzt. "Du willst dir tatsĂ€chlich an einem so wichtigen Tag dein Haar von einem Dorftrottel frisieren lassen?" Ich zucke die Schultern. "Ja , warum nicht. Und sag nicht immer Dorftrottel! Das ist gar nicht nett." Anna winkt ab. "Man wird ja wohl noch seine Meinung sagen dĂŒrfen." "Klar darfst du das.", lenke ich ein. "Und was Patty angeht ..." "Patty?" "Das ist die hiesige Friseurin und Make-Up-Artist. Sie ist

klasse!" "Wirklich?" Ich bekrĂ€ftige meine Aussage mit einem ernsthaften Nicken. "Wenn du mir nicht glaubst, kannst du gern ihren Salon besuchen und dir ihre Auszeichnungen ansehen, die gerahmt an den WĂ€nden hĂ€ngen." "Wenn sie wirklich so gut ist, warum arbeitet sie dann nicht in London, wo es ja einige Filmproduktionen gibt? Oder eben ĂŒberhaupt in einem Londoner Salon. Die Leute hier auf dem Land wollen doch sicherlich immer auf ein und dieselbe Weise frisiert

werden. Das stelle ich mir als KoryphĂ€e auf diesem Gebiet doch sehr langweilig vor.", erklĂ€rt Anna sich. Ich zucke die Schultern. "Keine Ahnung? Vielleicht gefĂ€llt es ihr hier einfach gut. Sie kommt aus Embley, weißt du." "Ach so. Du meinst also, Heimatliebe hĂ€lt sie hier fest?" Ich nicke. "Jedenfalls kommt sie am Freitag schon ganz frĂŒh her und frisiert uns alle. Das Make-up ĂŒbernimmt sie auch." "Okay. Sonst hĂ€tte ich mich angeboten." Ehe ich mich mit einer lahmen

Ausrede herausreden kann, fĂ€hrt meine beste Freundin fort, "Aber gegen solch einen Profi kann ich wohl nicht anstinken." Lachend lege ich meinen Arm um ihre Schulter und drĂŒcke sie liebevoll an mich. "Dich brauche ich aber fĂŒr all den anderen Kram. Zum Beispiel Kofferpacken. Darin versage ich gĂ€nzlich. Ich hasse es!" "Was denn?", lacht Anna. "Dan hat doch gestern unsere Koffer aus London abgeholt." "Ja, na und? Den haben wir doch letztens schon gepackt.", grinst sie. Sicherlich denkt sie an die anzĂŒglichen Anekdoten die sie mir

dabei aus ihrem Liebesleben zum Besten gegeben hat zurĂŒck. Still in mich hinein grinsend lasse ich ebenfalls fĂŒr einen Moment meine Gedanken zurĂŒckschweifen. "Ja, der war gepackt, aber ich wollte noch schnell meine Lieblingsjeans und die sĂŒĂŸen Plateausandalen einpacken. Die will ich unbedingt dabei haben! Doch jetzt bekomm' den verdammten Koffer nicht mehr zu.", jammere ich theatralisch und drĂŒcke ein weiteres Mal mit meinem ganzen Körpergewicht auf den Hartschalendeckel. "Verstehe. Das haben wir gleich.",

verspricht sie und schiebt mich sanft beiseite um sich selbst statt meiner auf den Deckel zu lehnen. "Seit geschlagenen zwei Stunden versuche ich nun schon ihn irgendwie zu zukriegen.", fĂŒhre ich weiter aus. "Beruhige dich! Du siehst weiter die Karten durch und ich kĂŒmmere mich um den Koffer. Muss Dans Krempel auch noch gepackt werden?" Ich nicke zerknirscht. "Er hat zwar gesagt, er kann das auch tun, doch ich wollte ihm beweisen, dass ich das Zeug zur guten Ehefrau habe

und angeboten, es fĂŒr ihn zu tun." "Ja, das bist wieder einmal typisch du.", lacht sie und geht vor dem Monstrum von ReisegepĂ€ck in die Hocke. Energisch drĂŒckt die auf den Kofferdeckel, doch auch ihr will sich dieser einfach nicht unterwerfen. Sie probiert es einige Minuten, bis sie schließlich entnervt aufgibt, den Deckel aufklappt und sich die Bescherung ansieht. "Das kann ja auch nicht klappen.", urteilt die fachmĂ€nnisch. "So wie du die Klamotten reingestopft hast." "Reingestopft?", echoe ich

entrĂŒstet. "Ja." Anna lacht. "Niemand wĂŒrde vermuten, dass dieser unordentliche Kofferinhalt zu der ordentlichen Frau, die hier vor mir steht, gehört." Ich schnappe nach Luft. Das ich unordentlich bin, hat mir noch nie jemand nachgesagt. "Ich zeig dir jetzt mal wie das eine richtige Ehefrau machen wĂŒrde. Ich kenn da ein paar Tricks.", fĂ€hrt meine hemmungslos ehrliche Freundin fort. "Woher willst du denn Tricks echter Ehefrauen kennen?", staune ich nun wieder milde

lĂ€chelnd. "Von meiner Grandma. Sie war als Schauspielerin selbst viel auf Reisen und hat mir frĂŒhzeitig gezeigt, wie man einen Koffer so packt, dass der halbe Kleiderschrank hineinpasst. Schließlich muss Frau stets auf alle EventualitĂ€ten vorbereitet sein." Lachend stimme ich ihr in diesem Punkt zu. "Klingt logisch.", sage ich und sehe zu, wie sie den gesamten Inhalt zunĂ€chst achtlos auf dem Boden verteilt und nun beginnt sorgfĂ€ltig und auf eine ganz besondere Art und Weise die Kleidung zusammenzulegen. Wie

durch ein Wunder passt nun alles in den Koffer und es bleibt sogar noch etwas Platz, um weiteres zu verstauen. "Voila!", verkĂŒndet Anna und kommt, sich mit den HĂ€nden auf den Knien abstĂŒtzend, wieder auf die FĂŒĂŸe. "Ich hab ja gesagt, mit ein wenig Cleverness passt das schon." Dankbar nehme ich sie in die Arme "Ich danke dir, beste aller Freundinnen!" und kĂŒsse sie auf die Wange. Dan "Und Darling, wann kommt deine

Familie?", fragt Daisy ĂŒber den FrĂŒhstĂŒckstisch hinweg. Ich wische mir die Mundwinkel mit der Serviette sauber und antworte, "Um 17 Uhr in etwa landet ihr Flieger in Heathrow." "Okay. Und du fĂ€hrst hin, sie abholen?" "Jup. So ist der Plan." Nicke ich und nehme einen Schluck Kaffee. In diesem Moment hören wir das Telefon in der Halle klingeln. Banes verlĂ€sst seinen angestammten Platz. Sicherlich um das GesprĂ€ch entgegenzunehmen. Kurz darauf kehrt er zurĂŒck, stellt sich hinter meinen Stuhl und flĂŒstert mir ins

Ohr, "Sie werden am Telefon verlangt, Sir." Woraufhin ich entschuldigend in die Runde blicke, aufstehe und in die Halle schlendere. Dem Ambiente angepasst ist das Telefon ein antik anmutendes MuseumsstĂŒck, was auf einem kleinen runden Beistelltischen neben der Treppen steht. Ich greife mir den daneben liegenden Hörer und melde mich mit. "Daniel Edwards am Apparat. Wie kann ich Ihnen helfen?" "Danny, cool das ich dich erreiche!", freut sich eine mĂ€nnliche Stimme am anderen

Ende der Leitung. "Anthony?", staune ich. Warum ruft er an? Will er etwa absagen? "Was ist los?" "Nichts, mein Bester. Nur ... ich wollte fragen, ob du uns einen Mietwagen in London klarmachen könntest?" "Ähm ... was?", stammle ich. "Mietwagen?" "Jeah, unsere Kleinen sind echt durch vom langen Flug. Wenn ich dann erst nach der Landung mich um einen Wagen kĂŒmmere, drehen die mir hier durch. Und glaube mir ... das will keiner.", lacht er. "Ähm ... ich versteh immer Kleine?

Habt ihr Kinder?" "Danny, lebst du auf dem Mond?", lacht mein Cousin. "Klar haben wir Kids." "Wirklich?" Nun staune ich tatsĂ€chlich. "Seit wann? Wie viele?" "Drei. Lilian ist gerade erst geboren. Und Aubrey und Alice sind fĂŒnf" Man hört wie stolz er auf seine Vaterschaft ist. "O-k-a-y. Das ist mir tatsĂ€chlich neu. Aber cool, Tony!", freue ich mich. "Klar kĂŒmmere ich mich um alles. Ich hatte ja eh vor euch abzuholen. Wir nehmen dann einfach ein Wagen mehr mit." "Klasse! Danke Danny!", freut er

sich und klingt erleichtert. "Kein Problem.", bekrÀftige ich. "Bei der Uhrzeit bleibt es?" "Jeah, klar doch. Wir steigen gleich in den Flieger. Mom ist schon ganz aufgeregt." "Ist sie das? Ich freu mich auch!" "Und wir uns erst. Dann wirkt er abgelenkt, redet mit jemand anderen, bis er wieder an mich gewandt sagt, "Du, Danny, ich muss Schluss machen. Audrey lyncht mich gleich. Alice und Aubrey drehen völlig durch." "Kein Problem.", wiederhole ich. "Wir sehen uns ja nachher." "Cool!" Damit ist das GesprÀch

beendet. Als ich zurĂŒck in das Speisezimmer gehe, sehen mir vier Augenpaare neugierig entgegen. "Wer war's denn?", fragt meine SĂŒĂŸe. "Anthony, mein Cousin." Ich nehme wieder platz und trinke einen Schluck Kaffee. "Anthony. Moment ..." Daisy legt ĂŒberlegend den Zeigefinger an die Nasenspitze und starrt an die Wand hinter mir. Gleich darauf verkĂŒndet sie, "Anthony Lancaster, verheiratet mit Audrey. Beide leben in New York.", zitiert sie aus dem

GedĂ€chtnis. "Richtig.", lobe ich. "Das hast du aber schön auswendig gelernt.", lache ich. Ihre Haut nimmt einen zarten rosa Ton an und sie strahlt stolz ĂŒber beide Ohren. "Allerdings musst du dem Stammbaum noch drei weitere Personen hinzufĂŒgen." Ihre Mimik erfriert. "Wie das? Haben sie etwa ..." "Kinder. Ja, genau.", beantworte ich ihre unausgesprochene Frage. Sofort beginnt sie wieder zu lĂ€cheln. "Kinder.", formen ihre Lippen tonlos. "Sie haben drei

Kinder?", fragt sie nun etwas lauter. Ich nicke zustimmend. "Ziemlich kleine Kinder.", prĂ€zisiere ich. Anna stöhnt und rollt mit den Augen. "Wie klein?", fragt Daisy aufgeregt. "Ein Baby und zwei fĂŒnfjĂ€hrige." "Etwa Zwillinge?" Ich ĂŒberlege. Ja, eigentlich mĂŒssten sie Zwillinge sein. Wie sonst ginge es, dass sie gleich alt sind? "Ja, Zwillinge.", bestĂ€tige ich also. Daisy klatscht begeistert in die HĂ€nde. "Das ist ja toll! Kinder bringen Leben in die

Bude." "Leben in der Bude, das ist es.", brummt Anna in ihre Teetasse. Daisy sieht ihre Freundin strafend an. "Anne, komm schon! Das ist doch toll! Die Kinder könnten die Blumen streuen." "Ich dachte ihr wollt das Reis gestreut wird?", war das einzige, was Anna dazu sagt. Daisy winkt ab und dreht sich wieder zu mir. "Weiß Banes schon Bescheid?" Ich schĂŒttle den Kopf. Sofort springt sie auf, lĂ€sst FrĂŒhstĂŒck FrĂŒhstĂŒck sein und rauscht aus dem Zimmer. Eilig folge ich meiner

Frau. Unser Weg fĂŒhrt uns hinĂŒber in die Bibliothek, wo Banes gerade das Staubwischen eines ZimmermĂ€dchens beaufsichtigt. "Mister Banes, wĂ€ren Sie so freundlich uns in die untere Etage zu begleiten?", fragt sie freundlich. Unser Butler nickt hoheitsvoll und folgt uns ebenfalls. Unten angekommen begibt sich Daisy sofort auf die Suche nach Mrs. Parker. Mir stellen sich bei der Nennung diesen Namens sofort die feinen HĂ€rchen auf meinen Armen auf. Wir finden sie schließlich in ihrem BĂŒro, wo sie selbst gerade dabei

war eine Tasse Kaffee zu trinken. "Mrs. Parker, Mister Banes ...", beginnt Daisy und baut sich vor den beiden auf. "Es haben sich minimale VerĂ€nderungen ergeben." "VerĂ€nderungen, Miss?", hakt unsere Hausdame Stirnrunzelnd nach. "Ja. Und zwar wird die Familie des Lords von Kindern begleitet. Drei kleine Kinder. Wobei eines ein SĂ€ugling zu sein scheint.", verkĂŒndet sie. Banes und Parker wechseln einen Blick. "Daraus ergeben sich natĂŒrlich VerĂ€nderungen bezĂŒglich der

Schlafsituation und der MenĂŒplanung fĂŒr die nĂ€chsten Tage." Parker nickt. Daisy scheint alles gut im Griff zu haben, sodass ich mich lĂ€ssig an die Wand lehnen und mich im Hintergrund halten kann. "Wir sollten Kinderbetten organisieren und sie zusĂ€tzlich mit in das Zimmer von Mister und Mrs. Lancaster stellen. Haben wir hier ein Reisebettchen fĂŒr Babys?" Letzteres war an mich gewandt. Bis ich realisiere, dass sie mit mir redet, hat sie mit einem scharfen "Dan!" meine Aufmerksamkeit an sich gerissen.

Verwirrt fahre ich mir mit der Hand durchs Haar. "Reise- was?" "Ein Reisebett, Dan. FĂŒr Babys. Habt ihr hier sowas? Auf dem Dachboden oder so." "Warum sollten wir sowas haben?", stelle ich verblĂŒfft die Gegenfrage. Sie verdreht die Augen. "Dann mĂŒssen wir eines besorgen! Gibt es wenigstens Campingbetten oder irgendwas anderes worin die grĂ¶ĂŸeren Kinder schlafen können?" Das galt nun wieder unseren Angestellten. Beide schĂŒtteln unisono den Kopf. Daisy ringt die HĂ€nde und sieht auf

ihre Armbanduhr. "Das heißt, wir haben nur noch einen halben Tag Zeit um alles vorzubereiten, aber das schaffen wir. Ich fahre sofort mit John los und besorge alles. Ich nehme nicht an, dass Sie hier irgendwo Dans altes Spielzeug versteckt haben, oder Banes?" Banes schĂŒttelt verwirrt das ergraute Haupt und sieht Hilfe suchend in meine Richtung. Ich hebe die Schultern und lege grinsend den Kopf schief. "Gut. Dann also auch das.", murmelt Daisy. "Ich muss los. Ich nehme Freddy mit." Und damit ist sie weg. Verwirrt bleiben wir drei allein

zurĂŒck und starren dem davon eilenden EnergiebĂŒndel nach. Daisy "Freddy, zieh ich an! Wir gehen shoppen!", verkĂŒnde ich strahlend als ich den Kopf zum Speisezimmer hineinstrecke. Erstaunt sieht mein bester Freund von seinem MĂŒsli auf. "Shoppen? Hier? Jetzt? Was?" Ich hebe eine Hand in die Höhe und zĂ€hle mit den Fingern ab. "Ja, shoppen. Nicht in Embley, sondern in Milton. Und ja, jetzt sofort." "Und verrĂ€tst du mir auch, was wir

so dringend einzukaufen gedenken?", hakt er grinsend nach. Anna sieht unserem verbalen Schlagabtausch schweigend zu. Sicher erwartet sie Klamotten shoppen und wundert sich, dass ich sie nicht auch gebeten habe mitzukommen. Doch als ich nun erklĂ€re, dass wir Spielsachen und Babybetten kaufen werden, erlischt ihr Interesse und sie wendet sich wieder ihrem Smartphone zu. "Spielzeug? Warum sagst du das nicht gla-hei-ch.?", flötet er und springt auf. Dankbar nehme ich ihn in die Arme und drĂŒcke ihn. "Ich wusste es, auf

dich ist verlass!" "Wenn ihr was VernĂŒnftiges einkaufen wĂŒrdet, wĂ€re auf mich auch Verlass.", mischt sich Anna ohne den Blick zu heben murmelt ein. "Weiß ich doch, SĂŒĂŸe.", bestĂ€tige ich. Arm in Arm schlendern wir in die Halle. "Warte kurz! Ich organisiere uns einen Fahrer.", instruire ich ihn und steige die Stufen der Treppe hinauf. John vermute ich um diese Zeit auf seinem Zimmer. TatsĂ€chlich ertönt als ich an seine ZimmertĂŒr klopfe ein dumpfes

"Herein!". "John, wĂ€ren Sie so lieb und fahren mich in die nĂ€chst grĂ¶ĂŸere Stadt?", eröffne ich ihm. "Was? Jetzt?", staunt er und sieht von der Zeitung auf, in der er gelesen hatte. "Ja jetzt. Bitte!", fĂŒge ich etwas weniger hastig und von einem freundlichen LĂ€cheln begleitet hinzu. "Ähm ... klar doch." Er steht auf und faltet die Zeitung zusammen, um sie dann achtlos auf den Tisch vor sich zu werfen. "Wo soll's hingehen?" "Ich muss einiges fĂŒr Kinder

einkaufen." UnwillkĂŒrlich fliegt sein Blick zu meinem Bauch. Denkt er, ich bin schwanger? Um MissverstĂ€ndnissen vorzubeugen, fĂŒhre ich aus, "Wir erwarten Gastkinder. Kleine Gastkinder. Und es ist nichts vorbereitet." "Verstehe.", murmelt er und setzt sich in Bewegung. "In die nĂ€chste Stadt? Oder lieber doch gleich nach London?" "Nein, Milton reicht völlig. Dort werden wir schon was finden. Allerdings muss es schnell gehen." "Kein Problem. Ich muss nur rechtzeitig zurĂŒck sein, um mit

Mister Edwards nach Heathrow zu fahren.", klĂ€rt er mich auf. "Auch das schaffen wir.", verspreche ich. Es dauert weniger als 20 Minuten bis wir das Ortsschild von Milton passieren. Mit dem Smartphone in der Hand suche ich mit den Augen die Straßenschilder ab. "Theoretisch mĂŒsste es jetzt gleich kommen.", murmle ich und lecke mir die trockenen Lippen. "Hm. Welche Adresse?" "Ähm ... Moment ... Central Retail Park steht hier." "Okay. Kein Plan wo das ist. Ich war

hier noch nie." "Ach tatsĂ€chlich?", grinse ich frech. "Und ich dachte, du bist schon rumgekommen in der Welt?" "In der Welt vielleicht, aber nicht in den Kuhdörfern.", brummt er frech zurĂŒck und grinst mich breit an. "Okay, dann bleibt uns wohl nur noch die Option uns leiten zu lassen." "Ja genau. Frag doch dein Telefon!", meint nun auch Freddy. Ich befolge seinen Rat und tippe bei Google Maps die Adresse ein. Gleich darauf bittet uns eine freundliche weibliche Computerstimme auf

dieser Fahrbahn weiter geradeaus zu fahren und in 1,1 Kilometern rechts abzubiegen. "Wow! Ganz schön groß.", stellt John mit bis zur Decke erhobenen Blick fest, kaum das wir durch die glĂ€sernen SchiebetĂŒren getreten sind. "Auf jeden Fall. Krass!", stimme ich verblĂŒfft zu. Freddy stĂŒrmt sofort zu einem Regal mit Stofftieren, die laut Verpackung lebensechte Funktionen haben sollen. "Sieh' dir das an, Daisy. Ein Hund. Und der kann richtig pinkeln.", beschreibt er mir laut die VorzĂŒge des

Beagles. "Ja, wundervoll.", rufe ich ebenso laut zurĂŒck. "Brauchen Kinder wirklich so viel Kram?" Ich nicke stumm und fĂŒhle mich wie im Paradies. "Und wo fangen wir jetzt an?", fragt er und ich kann seine Demotivation deutlich heraushören. "Zuerst brauchen wir einen Einkaufwagen.", bestimme ich resolut. John nickt und macht sich auf den Weg einen solchen zu besorgen. Gemeinsam schlendern wir durch die hohen

Regalschluchten. "Dahinten, sehe Sie, da gibt es Möbel." Ich deute mit der Hand nach vorn. Zwar sind die meisten Möbel in mehr oder weniger handlichen Kartons verpackt, doch einige wenige Ansichtsexemplare sind aufgebaut und warten auf begeisterte KĂ€ufer. Ein creme weißes Holzgitterbett, mit himmelblauem Stoffhimmel sticht mir sofort ins Auge. "Ist das schön!", entfĂ€hrt es mir, ehe ich meine Zunge im Zaum halten kann. John sieht mich schief von der Seite an. Doch noch einen weiteren Mann

hatte ich auf mich aufmerksam gemacht. Ein junger VerkĂ€ufer mit pickeligem Gesicht tritt zu uns und fragt freundlich, "Kann ich Ihnen helfen?" Ich freue mich fĂŒr das Engagement und diktiere ihm meine Einkaufsliste. Eifrig nickt er bei jedem Artikel und geht anschließend los um die Dinge aus dem Lager oder den Regalen zu besorgen. Wir selbst vertreiben uns die Wartezeit mit stöbern. In einem Gang mit normalen Stofftieren entdecke ich total niedliche PandabĂ€ren. Ich beschließe zwei davon, als Willkommensgeschenke

fĂŒr die beiden Zwillinge zu kaufen. Als ich mich schon abwenden will, sehe ich aus den Augenwinkeln ein großes weißes PlĂŒsch Schaf mit himmelblauer Schleife um dem linken Ohr. "Oh mein Gott!", jubel ich. "Ist das sĂŒĂŸ! Freddy, guck dir das an!" Er kommt angelaufen und reißt es mir aus der Hand um das PlĂŒschtier fachkundig von allen Seiten zu begutachten. "Ja, voll! FĂŒr wen soll das sein?" "FĂŒr mein Baby.", verkĂŒnde ich ergriffen. Freddy quiekt "Was?" und lĂ€sst vor Schreck fast das Tier fallen. "Bist du

schwanger?" Erschrocken ĂŒber meine eigene Indiskretion schlage ich mir eine Hand vor den Mund und schĂŒttle schweigend den Kopf. "Wenn du es bist, erzĂ€hlst du es mir aber! Oder?", hakt er mit erhobener Augenbraue nach. Nun nicke ich ernsthaft. "SelbstverstĂ€ndlich! Das Schaf nehme ich trotzdem mit!" "Klar doch." Er wirft es in den Einkaufswagen. Weiter geht es in die Lego und Playmobil Abteilung. Hier legen wir mehrere Sets Playmobil und Lego fĂŒr Kleinkinder in den

Wagen. "Es ist doch auch ein MĂ€dchen dabei, oder?", will Freddy wissen. "Ja, die ganz Kleine und eine der Zwillinge." "Gut. Dann brauchen wir noch Puppen." Freddy scheint sich seiner Sache ziemlich sicher zu sein. Also steuern wir die rosa farbige Puppenabteilung an. John verzieh in Anbetracht des vielen Pinks angewidert das Gesicht. Freddy dagegen scheint begeistert und ich fĂŒhle mich wie in die Kindheit zurĂŒckversetzt. Ich entscheide mich fĂŒr eine Babypuppe mit lebensechten

Funktionen, die scheinbar bereits einen Namen hat. "Wenn du dem MĂ€dchen so eine kaufst, muss der Junge aber den Hund kriegen!", bestimmt Freddy und rennt zurĂŒck zum Eingang um einen solchen Beagle zu holen. "War's das jetzt?", brummt John und mustert skeptisch den gut gefĂŒllten Wagen. "Ich befĂŒrchte, das passt jetzt schon nicht alles in den Wagen." "TatsĂ€chlich?" Entgeistert starre ich zu ihm auf. Bei der GrĂ¶ĂŸe des Bentley bin ich einfach davon ausgegangen, dass einiges in den Kofferraum passt. Dem war wohl

nicht so. "Mist!", fluche ich leise. "Was ist Mist?", will Freddy wissen. "Wir haben im Kaufrausch zu viel eingepackt. John meint, das passt nicht alles in den Wagen.", erklÀre ich. "Ach Schnickschnack!", winkt er ab. "Das passt schon. Und wenn ni-hi-cht ..." Er macht eine bedeutungsvolle Pause. "... habe ich vorn am Eingang gesehen, dass die hier auch einen Lieferservice anbieten." "Wirklich? Das ist ja toll!", lobe ich begeistert. "Na dann können wir ja ..." "Weiter shoppen.", beendet er

meinen Satz. John seufzt und fÀhrt sich mit der Hand durch das Haar. "Wenn's sein muss." "Und ob!", bekrÀftigen wir kongruent. Er seufzt erneut, folgt uns aber als wir nun weiter unserem Kaufrausch frönen. Am Ende haben wir noch einen Kinderswimmingpool (es soll ja langsam wÀrmer werden), eine 'tut tut Baby Flitzer Parkgarage', einige BÀlle (es kann ja immer einer wegkommen), ein Bobbycar, Dreirad und Laufrad (der Fuhrpark der Kinder soll dem der Erwachsenen in nichts nachstehen),

einige BilderbĂŒcher und eine sĂŒĂŸe Stoffpuppe fĂŒr die JĂŒngste zur Kasse geschleppt. Alles in allem, zusammen mit den Möbeln, die der VerkĂ€ufer bereits an der Kasse fĂŒr uns deponiert hatte, ließ ich ein stattliches SĂŒmmchen in diesem Laden. "Du hast denen einen glĂ€nzenden Tagesumsatz verschafft, SĂŒĂŸe.", meint Freddy als wir voll bepackt mit TĂŒten ĂŒber den Parkplatz gehen. "Ja oder. Ob Dan sauer ist?" "Warum?" "Na, weil ich mit seiner Kreditkarte bezahlt

habe." "Es sind doch auch seine Verwandte." Er zuckt die Schultern. "Bald sind es auch meine." "Na siehst du." Er zwinkert mir frech zu und reißt schwungvoll die hintere AutotĂŒr auf. John verstaut die TĂŒten im Kofferraum (es passt doch alles hinein) und setzt sich wieder hinter das Steuer. "Wohin jetzt?" Beifall heischend sehe ich beide MĂ€nner abwechselnd an. "Google hat mir verraten, dass es hier in Milton auch einen ..." Ich mache eine bedeutungsvolle Pause. "... Disney Store gibt.", ende

ich. Fast in derselben Sekunde stĂ¶ĂŸt Freddy einen Schrei aus, der einem vierjĂ€hrigen MĂ€dchen wĂŒrdig gewesen wĂ€re. Er ist ein riesiger Disney-Fan. "DISNEY!", schreit er. Lachend werfe ich den Kopf zurĂŒck und sehe zu John, der missbilligend den Kopf schĂŒttelt, sich aber jedem Kommentar enthĂ€lt. Stattdessen startet er den Motor und fragt nur bei der Parkplatzausfahrt "Wo ist dieser Laden?" Mein Telefon leitet uns auch diesmal erfolgreich und wenig spĂ€ter parken wir vor dem nĂ€chsten

Kinderparadies. Das Innere des Ladens ist dunkel gehalten mit einem glĂ€nzenden schwarzem Pfad, dem man folgen kann. Er fĂŒhrt einen vorbei an PrinzessinnenkostĂŒmen, Kinderbekleidung mit den Konterfeis der bekannten Disney Stars, Regalen mit Stofftieren bis er an einer Miniaturausgabe eines Schlosses endet. Einige Kinder toben lachend und lautstark durch das GeschĂ€ft. Das soll vorhin das Paradies gewesen sein? Pha! So wie hier stelle ich mir den Himmel vor. "Oh mein Gott! Ist das herrlich!",

jubelt mein mĂ€nnlicher und wohlgemerkt erwachsener Begleiter. John hat er vorgezogen diesmal im Wagen zu warten. "Daisy, sieh mal! Da ist Woody." Er stĂŒrzt zu einem Regal mit den Helden des Toy-Story-Imperiums. "Das es den noch gibt. Ist das cool!" Er drĂŒckt sich einen Karton mit seinem Kindheitshelden an die Brust. Sein seliges LĂ€cheln ĂŒberzeugt mich, ihm als Dankeschön fĂŒr seine Hilfe heute einen Woody zu kaufen. Einen kleinen Moment beobachte ich noch dieses Schauspiel, bis mein Blick plötzlich die Abteilung

mit Babybekleidung streift. Wie magisch angezogen zieht es mich dorthin. AndĂ€chtig betaste ich den weichen Stoff, die akkurat gestickten Applikationen. Betrachte die winzigen blauen und rosafarbenen BabyschĂŒhchen und die Kappen mit Micky Mouse Ohren. "Genau so etwas will ich fĂŒr mein Baby!", denke ich sehnsuchtsvoll. In dieser Umgebung verstĂ€rkt sich das Sehnen nach einem eigenen Kind in mir, bis sich mein Magen krampfhaft zusammenzieht. Doch ich habe nicht lange Zeit darĂŒber nachzudenken, denn Freddy schreit schon wieder aus einer anderen

richtung des GeschĂ€ftes nach mir. "Daisy, Darling, diese Kinder werden dich lieben!", mutmaßt Freddy als wir wieder im Wagen sitzen. "Die werden gar nicht mehr nach Hause wollen." Liebevoll betrachtet er seinen Woody und streicht ihm vorsichtig mit dem Zeigefinger ĂŒber die Wange. "Ach quatsch.", winke ich beschĂ€mt ab und ziehe die Puppe aus "die Schöne und das Biest" aus der TĂŒte. Liebevoll betrachte ich das schöne MĂ€dchen. Ich habe auch eine Biest-Puppe dazu gekauft. Irgendwie ist es Belle die mich von allen Disney Prinzessinnen am meisten

begeistert. Weiter unten in der TĂŒte befindet sich noch ein lustiger Minizug von Winni Pooh und seinen Freunden und eine kleine Stoffrassel fĂŒr ganz kleinen Kinder in Form eines Feenzauberstabs. "Oh doch, diese Kinder können sich glĂŒcklich schĂ€tzen, eine Tante wie Dich zu haben!" Ich zucke die Achseln. Plötzlich kommt mir unser Einkauf ĂŒbertrieben und sinnlos vor. "Ach, ich denke, es ist Blödsinn! Sie bleiben nur wenige Tage und ich habe eingekauft, als wĂŒrden sie bei uns einziehen.", murmle ich und

stecke die Puppe zurĂŒck. "Na und?", meint er. "Du hebst es auf und immer wenn sie zu Besuch kommen haben sie was zu spielen." Ich ĂŒberlege einen Moment. Schließlich befinde ich seinen Vorschlag fĂŒr gut und bekrĂ€ftige es mit einem freundschaftlichen Klaps auf seinen Oberarm. "Du hast eben immer die besten Ideen, Schatz!" "Ich weiß." Er zwinkert mir frech zu, betrachtet wieder seinen Cowboy und drĂŒckt ihn sich an die Brust. "Ich bin Woody, du bist mein bester Hilfsscheriff.", verkĂŒndet die Puppe. Grinsend sehen wir uns in die

Augen und prusten los.

4.

Dan



Gemeinsam fahren wir pĂŒnktlich um 14:30 los in Richtung London. Faber fĂ€hrt im Wagen hinter uns. "Ich bin ja so aufgeregt.", verkĂŒndet Daisy und legt mir die Hand auf den Oberschenkel. "Warum denn?" "Na, wegen deiner Familie." Sie lĂ€chelt mich schĂŒchtern an. "Ob sie mich mögen werden?" "Na klar doch!", entgegne ich ernsthaft. "Warum

nicht?" "Na weil ... weil ..." "Und selbst wenn sie dich nicht mögen, wĂ€re es doch auch egal." Ich zucke die Achseln. "Hey!", keucht sie entsetzt. "Das ist es durchaus nicht. Sie sind deine Familie." Sie sieht mir fest in die Augen. "Deine einzige Familie." "Ja. Und?" "Ach Dan.", seufzt sie und verdreht die Augen. "Daisy, ernsthaft, hör auf dir ĂŒber ungelegte Eier Gedanken zu machen!" "Was?" "Sei du selbst, dann werden sie dich

mögen!" "Meinst du, ja?" Ich nicke nachdrĂŒcklich. Sie schweigt die nĂ€chsten Minuten der Fahrt. Kurz darauf passieren wir das Ortseingangsschild von London. "Gleich sind wir da.", verkĂŒnde ich. "Hm." Weiteres Schweigen. Mit einem Mal stĂ¶ĂŸt sie einen spitzen Schrei aus. Fast hĂ€tte ich erschrocken das Lenkrad rumgerissen. "Herrgott nochmal. Was ist denn?", rufe ich entsetzt. "Ich habe die Kindersitze vergessen.", schreit sie

panisch. "Kindersitze?", echoe ich verwundert. "Wozu das denn?" "Na fĂŒr die Kinder, Dan!", erwidert sie in einem Tonfall als hĂ€tte sie ein begriffsstutziges Kind vor sich. "Meinst du die brauchen sowas?" Sie boxt mir gegen den Oberarm. "NatĂŒrlich." Dann stĂŒtzt sie das Kinn auf die Hand an der TĂŒr ab und sieht nachdenklich aus dem Fenster. Schließlich und als wĂŒrde sie eher mit sich selbst sprechen, murmelt sie leise, "Eine Babyschale werden sie haben, aber was machen wir nur mit den anderen zwei? Vielleicht kann man ja auf dem

Airport was leihen?" "Was ... was sagst du?" Ihr blonder Kopf dreht sich wieder zu mir. Sie sagt, "Ich ĂŒberlege nur gerade, ob man eventuell auf dem Flughafen Kindersitze leihen kann? Weißt du sowas?" "Woher sollte ich so etwas wissen? Bisher hatte ich noch kein Kind, dass ich in einen solchen Sitz setzen könnte.", lache ich. "Stimmt auch wieder.", grinst sie und streichelt meinen Oberarm. "Wir werden sehen. Fragen kostet ja nichts." Ich nicke. Wenig spĂ€ter parke ich den Bentley

auf dem Flughafenparkplatz. Gemeinsam steigen wir aus und schlendern zu John und dem anderen Wagen, der etwas weiter hinten eine ParklĂŒcke gefunden hat. "John, wissen Sie zufĂ€llig, ob man im Flughafen Kindersitze leihen kann?", fragt Daisy ihn. Als ob jemand wie er so etwas weiß. Und doch ĂŒberrascht er mich, als er nun antwortet, "Ich weiß nicht, ob im Flughafen direkt, aber wenn man ein Auto mietet kann man Kindersitze dazu mieten." "Ach tatsĂ€chlich?", entgegnet Daisy. "Aber das ist in unserem Fall wohl

unnötig." Ihre Hand deutet auf den roten Wagen neben uns. "Aber wozu brauchen wir den denn?", hakt Faber nach. Daisy macht ein Gesicht, als könnte sie es nicht fassen, an einem Tag gleich mit zwei so ignoranten Typen konfrontiert zu sein. Sie holt tief Luft, um zum Gegenschlag auszuholen, "Die brauchen wir fĂŒr die kleinen Leute, die man fĂŒr gewöhnlich Kinder nennt. Eben diese Kinder ..." Sie betont dieses Wort. "... benötigen um sicher durch den Straßenverkehr gefahren zu werden einen sicheren Sitzplatz. FĂŒr

gewöhnlich Kindersitz genannt." Ich hole ebenfalls Atemluft um zu antworten, als sie fort fĂ€hrt, "Ach ja, in Kennerkreisen nennt man diese Dinger RĂŒckhalteeinrichtung." Ihr Blick richtet sich auf Faber. "Also John, wissen Sie, ob es hier irgendwo RĂŒckhalteeinrichtungen zu mieten gibt?" Ihre HĂ€nde gestikulieren wild in der Luft herum. Er nimmt sich einen Moment und antwortet schließlich, "Keine Ahnung". "Mist!", flucht sie leise. "Aber ich verstehe immer noch nicht, warum die Sitze nötig sind?",

fĂ€ngt er wieder mit dem Thema an. Daisy will schon was entgegnen, als er erklĂ€rt, "Die Bentley haben doch Kindersitze integriert." Sprachlos vor Staunen starren wir ihn an. "Ja ... Ă€hm ... wussten Sie das gar nicht?" Wir schĂŒtteln einvernehmend den Kopf. "Aha ... gut, es sind eher Sitzerhöhungen, aber vielleicht geht das ja fĂŒr die kurze Strecke? Ausnahmsweise.", stammelt er verlegen. Ich nicke. "Klar geht das. Das muss es einfach.", sage ich

erleichtert. Daisy nickt ebenfalls. "Wir fragen einfach die Eltern." Gemeinsam gehen wir zum Terminal, um dort auf die Ankunft meiner Familie zu warten. Wie zu erwarten war befinden wir uns nicht allein im Terminal. Viele Leute waren auf dem Weg nach irgendwo, kamen an oder empfingen Freunde oder eben wie wir Angehörige. "Da ist Tony.", verkĂŒnde ich, als ich einen bekannten blonden Haarschopf in der Menge entdecke. "Wo?" Ich deute mit dem ausgestreckten

Arm auf meinen Cousin und seine große Familie. Die blonde Frau neben ihm hĂ€lt eine Babyschale samt Passagier in der rechten Hand. Vor ihren FĂŒĂŸen hĂŒpft ein kleiner ebenfalls blonder Junge mit kurzen Shorts und hellblauem Kurzarmhemd. Ein weißes Plastikflugzeug gegeistert durch die Luft schwingend. Hinter den beiden entdecke ich meinen Onkel Henry. Er trĂ€gt ein kleines MĂ€dchen, das bis auf die Tatsache das sie unterschiedliche Geschlechter haben, dem Jungen zum Verwechseln Ă€hnlich sieht auf dem

Arm. Meine Tante Julia schwebt neben ihnen und lĂ€chelt sanftmĂŒtig. Der lange Transatlantikflug scheint ihr nicht im geringsten etwas ausgemacht zu haben. Ihr rotes langes Haar glĂ€nzt im Licht der Lampen und schwingt sanft bei jedem Schritt. Genau wie ihre HĂŒften. Wenn ich sie mir so ansehe, verstehe ich, warum mein Onkel ihretwegen damals in England alles hat stehen und liegen lassen und nach Amerika ĂŒbergesiedelt ist. Anthony entdeckt mich und winkt grinsend. "Hey Danny!", ruft er quer durch die

Halle. "Sind sie das?", fragt Daisy ĂŒberflĂŒssigerweise. Ich nicke. "Jup. Komm!" Ich lege meinen Arm um ihre HĂŒfte und ziehe sie mit mir vorwĂ€rts. "Danny.", ruft Tony erneut, als er vor uns steht und mich fast in der nĂ€chsten Sekunde fest in die Arme zieht. "Anthony.", entgegne ich ĂŒberrumpelt. "Schön, dass ihr da seid!" "Ja, nicht wahr?", grinst mein Cousin. "Aber wer wĂŒrde sich schon eine Aristokratenhochzeit entgehen lassen?", zieht er mich auf.

"Ha ha ha." Ich trete einen Schritt zurĂŒck und lassen meinen Blick von einem zum anderen wandern. "Darf ich euch meine Verlobte Daisy vorstellen?", rufe ich und ziehe sie an meine Seite. "Daisy, das ist Anthony, mein Cousin und das ist seine Frau Audrey." Beide Frauen reichen sich freundlich lĂ€chelnd die Hand. "Freut mich! Hallo Daisy.", flötet Audrey und zieht sie ĂŒberraschend in eine herzliche Umarmung. Daisy erwidert sie ebenso freundlich und murmelt etwas UnverstĂ€ndliches. Anschließend stelle ich ihr noch

meinen Onkel und meine Tante vor. "Wo ist Lucy?", frage ich. "Wollte sie nicht auch kommen?" Suchend lasse ich meinen Blick ĂŒber die Köpfe schweifen. "Sie ist hier.", erklĂ€rt Henry. "Sie hat sich angeboten unser GepĂ€ck zu holen." "Ach so, verstehe." "Danny, Daisy, dĂŒrfen wir euch Aubrey und Alice vorstellen?" Tony zieht seinen Sohn an den Schultern vor sich und hĂ€lt ihn so im Zaum. Dem Jungen scheint das Ganze langweilig zu werden und er drĂ€ngt nach vorn. "Ich will aber weiter!", ruft dieser auch

prompt. "Ja, gleich." "Ich hab auch keine Lust mehr.", quengelt nun auch Alice, die noch immer auf der HĂŒfte meines Onkels sitzt. "Schon gut, Schatz.", schnurrt Audrey und streichelt ihrer Tochter ĂŒber die Wange. "Wir mĂŒssen nur noch schnell unsere Koffer abholen." Sie beugt sich vor ihr etwas herunter um Alice besser in die Augen sehen zu können. "Aber möchtest du denn deinem Onkel Daniel und Tante Daisy nicht hallo sagen?" Die Kleine nickt und ruft, "Hallo

Onkel Daniel, hallo Tante Daisy." Daisy beugt sich ebenfalls etwas vor, lĂ€chelt ĂŒbertrieben freundlich und sagt, "Hallo Alice. Es freut mich dich kennen zulernen!" "Sie sind also diejenige, die es geschafft hat meinen Neffen fĂŒr sich zu gewinnen?" Mit diesen Worten wendet sich Onkel Henry an meine Frau und reicht ihr grinsend die Hand. "HĂ€tte ja nicht gedacht, diesen Tag noch erleben zu dĂŒrfen." "Ha ha, Henry.", brumme ich. "Also wĂ€re ich so ein Schwerenöter." "Na ja.", murmelt dieser nur geheimnisvoll. "Daisy, es freut mich Sie kennen

zulernen!", sagt nun Julia und haucht Daisy rechts und links zwei KĂŒsse auf die Wangen. "Mich freut es ebenso. Herzlich willkommen!", ruft Daisy laut und winkt fröhlich mit beiden HĂ€nden. "Aber nun lasst uns euer GepĂ€ck holen!" "Ja, genau, lasst uns Lucy und euer GepĂ€ck suchen und von hier verschwinden.", stimme ich ihr zu. In etwa eine halbe Stunde spĂ€ter ist das GepĂ€ck auf beide Fahrzeuge verteilt, unsere GĂ€ste ebenso und die Kinder sitzen sicher verpackt und angeschnallt bei uns im Auto.

Audrey und Daisy haben sie in ihre Mitte genommen und Tony sitzt vorn neben mir. Mein Onkel und Tante leisten Faber im roten Bentley Gesellschaft. "Mensch, Danny, nobel geht die Welt zugrunde. Was fĂŒr ein Schlitten!", staunt Tony und streicht vorsichtig mit den Fingerspitzen ĂŒber das Armaturenbrett. "Na ja, ein bisschen Luxus kann nicht schaden.", grinse ich stolz. "Lebst du nicht in einem Schloss?", fragt Audrey von hinten. "Ähm ... ja." "Dann dĂŒrftest du ja an Luxus

gewöhnt sein." "Hm. Schon irgendwie. Obwohl es fĂŒr mich noch immer ungewohnt ist mit Mylord angesprochen zu werden.", gebe ich zu. "Dabei fĂŒhle ich mich immer wie ein Großgrundbesitzer aus alten Zeiten." "Schatz, du bist ein Großgrundbesitzer.", wirft Daisy hinter mir ein. Ich suche ĂŒber den RĂŒckspiegel ihren Blick. "Ich sagte aus alten Zeiten.", grinse ich. Die Frauen lachen. "Sind wir endlich da?", mault der

Junge. Zeitgleich beginnt das Baby, das eben noch selig geschlummert hat, unruhig zu werden. "Entschuldigt bitte.", bittet Audrey freundlich. "Aber sie war den Flug ĂŒber so brav. Doch langsam scheint ihre Geduld aufgebraucht zu sein." "Das macht doch nichts.", entgegnet Daisy freundlich lĂ€chelnd. "FĂŒr uns Erwachsene ist solch ein Flug ja schon anstrengend, wie muss es sich da erst fĂŒr so ein kleines Kind anfĂŒhlen?" "Da hast du recht.", stimmt Audrey ihr zu. Daisy wendet sich dem Jungen zu.

"Aubrey, wenn du jetzt noch ein klitzekleines bisschen Geduld hast, verspreche ich dir eine Überraschung." Und damit hatte sie ihn. "Ja? Was denn?", fragt er neugierig. "Überraschung.", grinst Daisy. "Es dauert auch nicht mehr lange. Die Fahrt meine ich." "OK.", meint das Kind. Zufrieden lĂ€chelnd lehnt Daisy sich zurĂŒck. "Habt ihr ein Pony auf dem Schloss, wo ihr wohnt?", will nun die kleine Alice wissen. Daisy sieht sie an, lehnt sich vor und fragt, "Ein

Pony?" "Ja.", bekrĂ€ftigt das MĂ€dchen. "Ihr wohnt doch in einem Schloss, oder?" "Ja, genau.", stimmt Daisy zu. "Jup.", brumme ich. "Und habt ihr viel Platz?" "Sehr viel.", sage ich. "Wir haben zwar keine Ponys, aber ..." Daisy macht eine bedeutungsvolle Pause. "... jede Menge Pferde." "Was?", kreischt Alice begeistert und macht große Augen. "Wirklich? Ganz ganz viele?" Daisy nickt. "Es sind schon ein

paar." Audrey grinst, "Ihr wisst schon, dass ihr ab jetzt ein Pflegekind haben werdet? Denn ich werde Alice werde ich wohl kaum ĂŒberredet bekommen mit uns zurĂŒck nach New York zu kommen." Lachend wirft Daisy ihr blondes Haar zurĂŒck. "Na, mal sehen. Alice, wollen wir nachher mal Rory fragen ob er dir Reitunterricht geben kann? Das heißt ..." Sie sucht Audrey's Blick. "... wenn deine Eltern nichts dagegen haben?" "Oh bitte Mummy! Bitte, bitte, bitte!", jammert Alice flehend und ringt die

HĂ€nde. Still in mich hinein grinsend beobachte ich das Schauspiel ĂŒber den Spiegel. "Na gut. Wenn es nicht so große Pferde sind.", lenkt Audrey ein. "Juhu!", schreit Alice und wirft die Arme in die Luft. "Ihr seit die Besten!" "Hey, ich hab doch noch gar nicht ja gesagt.", mischt sich Tony ein. "Brauchst du doch auch nicht, Daddy.", entgegnet seine Tochter. "Mummy hat ja gesagt und das ist wichtig." Nun kann ich nicht mehr an mich halten und pruste laut lachend los.

"So lĂ€uft das also ab? Die Frau hat das sagen.", keuche ich und wische mir eine TrĂ€ne aus dem Augenwinkel. Tony zischt, "Na, was denkst du denn? Ist es bei euch etwa anders? Die Frau ist der Boss. Gewöhn' dich dran, Danny! Wenn du erstmal unter der Haube bist, holt Daisy die Peitsche raus." Er wendet sich um und zwinkert meiner Frau schelmisch zu. Diese errötet leicht und rĂ€uspert sich. "Ach quatsch.", winkt sie grinsend ab. Erleichtert stoße ich die angehaltene Luft

aus. "Bei uns ist es jetzt auch schon so.", fĂ€hrt sie fort und ich verschlucke mich fast an meiner eigenen Spucke, als alles im Wagen nun zu lachen beginnt. "Ach so ist das.", lacht Tony. "Dann hat Dad ja recht gehabt, sie hat dich gezĂ€hmt, Danny." Ohne Stau oder andere ZwischenfĂ€lle (eines der Kinder hĂ€tte schließlich mal pinkeln mĂŒssen) erreichen wir Embley und ernten staunende Blicke und gehauchte Oh's und Ah's. "Das ist es also?", staunt Audrey und sieht aus dem Fenster, als wir langsam durch

die Dorfstraße entlang rollen. "Na ja, gehören ...", weiche ich beschĂ€mt aus. "Ich bin doch kein Herrscher oder sowas." "Aber sowas in der Art schon." "Echt cool hier. Viel grĂŒn.", lobt Tony. "Und das völlige Gegenteil von New York." "Da hast du recht." "Warum wart ihr eigentlich noch nie hier?", fragt Daisy. "Es hat sie irgendwie nie ergeben." "Das kann sich ja von nun an Ă€ndern.", verspricht Daisy und erntet erstaunte Blicke von meinen Verwandten. "Ja, vielleicht. Wenn ihr das

möchtet?" "Wir wĂŒrden uns freuen! Stimmt's, Dan?" Ich nicke bekrĂ€ftigend. "Auf jeden Fall. Es ist zwar nicht gerade um die Ecke, aber wenn ihr wollt, steht unsere TĂŒr euch immer offen.", lade ich sie fĂŒr die Zukunft herzlich ein. Daisy Wir erreichen die Zufahrtsstraße von Embley Abbey und schweben zwischen den alten Ulmen in Richtung Schloss. Alice richtet sich in ihrem Sitz auf, reckt den Hals

und versucht so viel wie möglich von der Außenwelt zu entdecken. "Wo sind denn die Pferde?" "Die sind hinter dem Schloss im Stall und auf den Weiden.", erklĂ€re ich freundlich. "Cool!", haucht sie. "So, wir sind da.", verkĂŒndet Dan und fĂ€hrt einen großen Kreis um direkt vor dem Portal zum Stehen zu kommen. "Endlich!", jubelt der kleine Aubrey. Das Baby quengelt leise und Audrey und Tony atmen kollektiv auf. Nachdem Dan ausgestiegen ist, hilft er uns Frauen und den Kindern

beim Aussteigen. Tony kĂŒmmert sich der weilen um das GepĂ€ck im Kofferraum. Alice flitzt zur Hauswand, legt ihre kleine Hand an das raue Mauerwerk und legt den Kopf in den Nacken um daran hinauf zu schauen. Anschließend kommt sie zu mir zurĂŒck, greift sich meine Hand und fragt bewundernd, "Bist du eine Prinzessin?" "Was?", lache ich. "Nein ... nein, ich bin keine Prinzessin." "Aber wenn du hier wohnst, musst du eine sein!" Ihre Meinung scheint unumstĂ¶ĂŸlich zu sein. "Zumindest ist sie meine

Prinzessin.", rette Dan mich aus der peinlichen Situation und nimmt mich liebevoll in die Arme. Alice sieht von einem zum anderen und legt nachdenklich den Kopf schief. "Dann bist du ein Prinz." Damit lĂ€sst sie uns stehen und rennt durch die geöffnete EingangstĂŒr ins Innere. LĂ€chelnd folgen wir ihr. "Herzlich willkommen auf Embley!", verkĂŒndet Dan und macht eine ausschweifende Geste mit der Hand. Audrey und Anthony stehen mitten in der Halle und sehen sich staunend um. Henry und seine Frau

Julia, Dans Onkel und Tante stellen sich zu ihnen. "Hier hat sich ja wirklich kaum etwas verĂ€ndert.", stellt Henry fest. "Na hoffentlich irrst du dich!", meint Dan lachend. "Ich hab es mir zur Aufgabe gemacht, Embley Abbey in das neue Jahrtausend zu heben." "Bisher ist dir das noch nicht gelungen, mein Junge. Ich fĂŒhle mich wie in einer Zeitmaschine.", lacht Henry. Die Kinder scheinen, entgegen den Erwachsenen, ĂŒberhaupt nicht beeindruckt zu sein. Selbst Alice hat sich mittlerweile gelangweilt auf die unteren Stufen der Treppe

gesetzt und drĂŒckt sich ihren Teddy an die Brust. Sicher liegt das an der MĂŒdigkeit? Bereits im Auto sind den beiden grĂ¶ĂŸeren Kindern ab und zu die Augen zu gefallen. Auch Audrey scheint das zu bemerken, sie verkĂŒndet, "Die Kinder sind echt durch. Vielleicht wĂ€re es möglich, uns jetzt unsere Zimmer zu zeigen, damit sie sich etwas ausruhen können?" Als wĂ€re das sein Stichwort gewesen, löst sich in diesem Moment Mister Banes aus dem Schatten der BibliothekstĂŒr und tritt zu uns. Anthony wirkt erschrocken und zuckt sogar etwas

zusammen als Banes nun verkĂŒndet, "Ich darf Sie auf Embley Abbey begrĂŒĂŸen und zeige Ihnen, wenn gewĂŒnscht nun Ihre RĂ€umlichkeiten." Grinsend beobachtet Dan welche Wirkung sein Butler auf unsere GĂ€ste hat. "Oh ... das ist ja ... Danke sehr!", stammelt Audrey und schenkt ihm ein strahlendes LĂ€cheln. "Wir folgen Ihnen." Ich beschließe ihr bei den Kindern zu helfen und folge nun ebenfalls Banes in die zweite Etage zu den Zimmern, die wir gemeinsam fĂŒr unseren familiĂ€ren Besuch

ausgesucht haben. "Ich war letztens shoppen und habe hoffentlich alles eingekauft, was ihr fĂŒr die Kinder gebrauchen könnt!", verkĂŒnde ich schĂŒchtern gegenĂŒber Audrey. Erstaunt sieht sie mich von der Seite an. "Du hast eingekauft?" Ich nicke. "Ja, ein Babyreisebett, zwei Kinderbetten, ein Hochstuhl und sowas.", zĂ€hle ich auf. Wenn nur irgendwie möglich schaut sie nun noch ein wenig mehr erstaunter. "Aber ... aber das wĂ€re doch nicht nötig gewesen. Wir sind doch nur zu Besuch." Ich winke grinsend ab. "Ihr kommt

doch wieder. Und ich kann dir versichern, der Einkauf war nicht ganz uneigennĂŒtzig. Irgendwann werden wir auch Kinder haben." "Na dann. Ich danke dir, Daisy. Das war wirklich sehr umsichtig und vor allem freundlich von euch!" Trotz ihrer MĂŒdigkeit stĂŒrzen sich Alice und Aubrey, kaum das Banes die TĂŒr geöffnet hat, wie die Wilden auf die mitten im Raum prĂ€sentierten Spielsachen. "Oh cool, ein Fußball!", schreit Aubrey und nimmt ihn in die HĂ€nde. "Ein Pippi Max!", jubelt Alice und streichelt den Beagle ĂŒber den

RĂŒcken. "Soll das alles fĂŒr die Kids sein?", fragt Audrey fassungslos und stellt die Babyschale mit der kleinen Lilian neben sich auf den Boden. "Klar doch." "Meinst du nicht, das ist ein bisschen viel?" Ich sehe zu dem Berg aus Spielsachen. Jetzt, wo sie es sagt, kommt es mir doch auch etwas ĂŒbertrieben vor. Mit einem entschuldigenden LĂ€cheln und erhobenen Schultern sage ich nur ein Wort zur ErklĂ€rung, "Kaufrausch." Audrey nickt verstĂ€ndig und

murmelt, "Alles klar. Das kenne ich.", grinst sie. "Warte nur, bis du schwanger bist. Dann geht es erst richtig los." "Das ist es schon.", gebe ich leise zu und merke, wie mein Gesicht warm wird. "Echt? Du bist schwanger?" UnwillkĂŒrlich wandert ihr Blick zu meinem Bauch. "Was?", keuche ich entsetzt. "Nein ... nein, nein. Leider nicht." "Ihr wĂŒnscht euch Kinder?" "Na klar.", grinse ich fröhlich. "Am liebsten so schnell wie möglich. Aber noch bin ich es nicht. Was ich eben meinte, war folgendes: Ich

habe beim Einkaufen total sĂŒĂŸe Babyklamotten und ein riesiges Kuscheltierschaf entdeckt.", erklĂ€re ich ausfĂŒhrlich. "Daran konnte ich einfach nicht vorbeigehen. Ich musste es kaufen." Audrey nickt verstĂ€ndig. "Weißt du was, Daisy, lass mich hier nur schnell die Kinder versorgen und dann setzen wir uns hin und quatschen ein wenig." "Sehr gern!", bestĂ€tige ich lĂ€chelnd. "In Anbetracht der Anwesenheit von Kleinkindern und das Sie eine weite Reise hinter sich haben, habe ich veranlasst, dass das Dinner heute etwas frĂŒher gereicht wird.",

verkĂŒndet Banes, der noch immer abwartend in der geöffneten TĂŒr steht. "Das ist ja prima!", freue ich mich ĂŒber seine Umsicht. "Das war Ă€ußerst umsichtig von Ihnen, Mister Banes!", lobe ich freundlich. Der alte Herr errötet leicht und nickt hoheitsvoll. "Ja das ist es. Dankeschön!", meint auch Audrey. So kommt es, dass wir heute bereits um kurz nach 19 Uhr das Abendessen zu uns nehmen. Nur an der Location hat sich nichts geĂ€ndert. Entspannt sitzen wir alle an dem riesigen ovalen Esstisch im

Speisezimmer und lassen uns von Banes und einem KĂŒchenmĂ€dchen das Essen servieren. In dem MĂ€dchen erkenne ich Lily wieder. Bens Freundin. Beiden ist die Situation sichtlich unangenehm. Ich werde mit Mister Banes oder Mrs. Parker reden mĂŒssen, damit so etwas in Zukunft nicht noch einmal vorkommt. Anthony, Audrey und Julia scheinen wirklich beeindruckt von unserer Extravaganz, Angestellte zu beschĂ€ftigen. Henry dagegen wirkt entspannt. Er kennt diese Situation sicherlich noch aus alten Zeiten, als seine Schwester, Dans Mutter noch

Hausherrin und frisch gekrönte Countess of Embley war. Ebenfalls, sicherlich um auf die BedĂŒrfnisse unserer jĂŒngsten Besucher einzugehen, wurde der MenĂŒplan fĂŒr heute Abend geĂ€ndert. Vor uns auf dem antiken Familienporzellan duften Spagetti mit Tomatensoße. Die Kinder freut's und wir Erwachsene haben auch nichts zu meckern. Wie immer hat sich Mrs. McAdams selbst ĂŒbertroffen. "Und, erzĂ€hlt mal, ist fĂŒr den großen Tag schon alles vorbereitet?", fragt Tony. Ich schlucke den Bissen, den ich im

Mund habe herunter und tupfe mir die Mundwinkel mit einer Serviette ab. "Ja, so gut wie. Der Caterer hat heute damit begonnen die Zelte aufzubauen. Am Donnerstag dann wird das Essen und die Torten geliefert." "Morgen ist ĂŒbrigens die Probe.", verkĂŒndet Dan es so, als sei es eine große ExtraĂŒberraschung. "Und ihr dĂŒrft alle teilnehmen." Aha, daher weht der Wind. "Wirklich? Ist das nötig?", zische ich in seine Richtung. "Klar doch. Auch die GĂ€ste könnten es versauen.", lacht er und lĂ€sst den Blick ĂŒber den Tisch schweifen.

"Denk nur an die Kinder." "Was ist mit denen?" "Na, die könnten ... hinfallen ... oder ... im entscheidenden Moment in der Nase bohren." Meint er das Ernst? "Ähm ... meinst du denn, sie hĂ€tten ĂŒberhaupt Spaß daran?", frage ich leise. "Weiß nicht. Frag doch die Eltern!" Ich tue es und Audrey versichert mir, dass zumindest Alice gern ein BlumenmĂ€dchen wĂ€re. Das hĂ€tte sie schon einmal getan, auf der Hochzeit einer Freundin. Und alles verlief reibungslos. Nur bei Aubrey sei sie sich nicht so sicher. "Er ist

manchmal so launisch." "Er soll zu nichts gezwungen werden. Wenn er nicht mag, muss er kein Blumenkind sein.", verspreche ich. "Und, in welchem Kleid heiratest du?", flĂŒstert Audrey in meine Richtung. Zögernd werfe ich Dan einen Blick zu, doch der unterhĂ€lt sich quer ĂŒber den Tisch mit seinem Onkel und scheint nichts mitzubekommen. "Es ist von Essense. Weiß, schlicht, mit viel Spitze." "Und hat es eine Schleppe?", fragt sie aufgeregt. Ich nicke stolz. "Und was fĂŒr

eine." Ergriffen ringt sie die HĂ€nde vor der Brust und strahlt. "Du musst es mir unbedingt vorher schon zeigen!" Ich verspreche ihr gleich heute Abend noch, wenn die Kinder im Bett sind, eine PrivatvorfĂŒhrung zu geben. Dans Tante Julia schien anfangs von Freddy Gebaren entsetzt zu sein, doch um so nĂ€her sie ihn kennenlernte, um so aufgeschlossener und freundlicher wurde sie ihm gegenĂŒber. "Freddy, und Sie sind also Daisys Brautjungfer?", scherzt sie

grinsend. "Ja genau, Julia.", erwidert mein schwuler Freund zuckersĂŒĂŸ. "Und ich werde alle umhauen." "Wie meinen Sie das?", fragt sie neugierig. "Das wird noch nicht verraten, Julia Darling!", lacht er frech. Plötzlich kommt mir eine Idee. Nachdem alle aufgegessen und die leeren Teller abgetragen waren, stehe ich auf und nehme mir meine besten Freunde zur Seite. "Was haltet ihr davon einen Beauty-WohlfĂŒhl-Junggesellinnenabschied zu veranstalten?" "Wie soll das ablaufen?", fragt

Anna. Freddy sieht sie so entsetzt an, als fragte er sich, wo sie in all den vergangenen Jahren gewesen ist, als wir solche Abende veranstaltet haben. "Das weißt du doch, Liebes." "Ach wirklich, weiß ich das?" "Na klar.", bekrĂ€ftige ich. "Wir lassen uns verwöhnen und hĂŒbsch machen und gehen schick essen." Er winkt ab. "Ach Schnickschnack.", unterbricht er mich ungeduldig. "Die Frage ist nur, wo und wann veranstalten wir es?" "Ich dachte an Morgen Abend. Und wo? In London nicht. Das ist zu weit. Aber ich könnte sicherlich in

Milton jemanden auftreiben, der hier herkommt?", ĂŒberlege ich laut. "Prima! Darf Tristan auch mitmachen? Er ist doch praktisch eine Frau." Ich sehe ihn an und ziehe die Augenbrauen hoch, "Schatz, du bist eine Frau. Tristan dagegen ein echter Mann!" "Meow." Er tut wie eine Katze und kratzt in die Luft. "Hast du eine Ahnung. Er kann ein ganz schöner Softi sein." Theatralisch verdrehe ich die Augen. "Meinetwegen. Schlepp ihn mit!" Zufrieden klatscht Freddy in die

HĂ€nde. "Das wird so supi!", freut er sich. SpĂ€ter, bei einem Glas Rotwein, lade ich Audrey und Julia zu unserem frisch geplanten Abschiedsfest zu Ehren meines Singledaseins ein. Begeistert stimmen beide zuzukommen. "Tony kann ruhig auch einmal auf die Kids aufpassen.", verkĂŒndet Audrey selbstsicher. Julia nickt. "Da hast du recht. Ich finde schon lange, du machst es ihm zu einfach. Er ist der Vater und kann ruhig einmal ein wenig mit

anpacken!" "Was macht ihr eigentlich beruflich?", frage ich spĂ€ter, als mir auffĂ€llt, dass ich so gut wie gar nichts ĂŒber Dans Verwandte weiß. Wir waren unter uns. Freddy hatte sich mit den Worten "Ich bin dann mal weg, mich um meinen eigenen Verlobten kĂŒmmern." verzogen und auch Anna hatte irgendwas zu erledigen. Unsere MĂ€nner sitzen noch immer nebenan im Speisezimmer und trinken Scotch. Und Lucy ... Keine Ahnung, wo sie abgeblieben ist? "Ich bin Lehrerin.", meint Julia. "An einer Grundschule in

Manhattan." "Eine tolle Schule!", urteilt Audrey und trinkt einen Schluck wie zur BekrĂ€ftigung. "Am liebsten wĂŒrde ich meine Kids auch dort hinschicken!" "Warum tust du es nicht?", frage ich neugierig. "Ist sie zu weit weg von eurer Wohnung?" "Nein, das ist es nicht. Wir wohnen zwar in Brooklyn, aber wir können es uns schlicht und ergreifend nicht leisten.", stöhnt sie. Julia lacht leise. "Oh ha.", keuche ich. "Sind die Schulen in New York immer selbst zu zahlen?", frage ich unbeholfen

und ernte mildes Lachen von beiden. "Nein, das nicht.", erklĂ€rt Julia. "Aber es handelt sich um eine private allein den super reichen offen steht. Das Schulgeld ist horrend. Kaum zu zahlen, wenn du nicht zu den Spitzenverdienern zĂ€hlt." "Verstehe.", murmle ich. "Aber es gibt doch sicherlich auch in Brooklyn schöne Schulen, oder?" "Klar doch. Zumindest ist Brooklyn kein Getto.", lacht Audrey. Julia stimmt kĂŒnstlich grinsend mit ein. "Wir wohnen in Coney Island, das ist die sĂŒdlichste Spitze von

Brooklyn. Dort, direkt am Atlantik werden die Zwillinge dann zur Schule gehen." "Ach, kommen sie in diesem Jahr zur Schule?", frage ich. "Ja, genau. Sie sind gerade fĂŒnf geworden. Also beginnt fĂŒr sie demnĂ€chst der Ernst des Lebens.", lacht Audrey. Sie scheint ein lebensfroher Mensch zu sein. "Und, freuen sie sich darauf?" Sie zuckt die Schultern. "Ich denke, noch wissen sie gar nicht, was sie da erwartet. Aber wenn du sie fragst, antworten sie sich zu freuen." "Okay. Julia ist also Lehrerin und

was machst du beruflich, Audrey?" "Na ja, noch bin ich mit Lily zu Hause. Aber eigentlich bin ich Schneiderin." "TatsĂ€chlich?", staune ich ehrlich interessiert. "Das ist ja spannend!" "Nun ja, nicht so sehr. Ich habe Kunstwissenschaft an der Fashion Institute of Technology in New York studiert und irgendwann, als sich die Gelegenheit bot, habe ich mir den Traum von einer eigenen Boutique erfĂŒllt." "Vergiss James nicht!", mahnt Julia. Audrey seufzt. "NatĂŒrlich nicht." und grinst. "Wer ist James?", frage ich

interessiert. "Mein Teilhaber." "Ich selbst bin ebenfalls Teilhaberin. Allerdings von einer Buchhandlung." "Wirklich? Das ist ja schön! Wo ist die Buchhandlung?" "In London. Camden Town um genauer zu sein." "Unsere Boutique ist in Downtown Manhattan." "Das ist der sĂŒdlichste Zipfel, oder?", hake ich nach. Sie nickt. "Genau. Warst du schon einmal in New York?" Ich schĂŒttle den Kopf. "Nein. Aber das wird sich demnĂ€chst

Ă€ndern." "Wieso?" Beide Frauen beugen sich in Erwartung gleich ein Geheimnis zu erfahren auf ihren SitzplĂ€tzen nach vorn. "Weil wir vorhaben unsere Flitterwochen in New York und Connecticut zu verbringen.", grinse ich mit einem strahlenden LĂ€cheln auf den Lippen. "Das ist ja schön! Freut mich!", erwidert Julia. "Wenn das so ist, mĂŒsst ihr uns unbedingt besuchen kommen!", befiehlt Audrey. Ich verspreche es. "Wie lange fahrt

ihr?" "Wir dachten an vier Wochen." Julia und ihre Schwiegertochter wechseln einen Blick. "So lange?", fragt Audrey vorsichtig. Alarmiert frage ich, "Ja. Wieso? Was ist falsch daran, vier Wochen zu flittern?" Julia kichert. "Na ja, meinst du nicht, ihr geht euch irgendwann auf die Nerven? Vier Wochen können ganz schön lang werden." LĂ€ssig winke ich ab. Wenn das ihre BefĂŒrchtung ist, kann ich sie beruhigen. In den folgenden Minuten erklĂ€re ich ihnen den

Grund. Ich berichte von Dans und meinem Kennenlernen und wie lange wir bereits schon unter einem Dach leben. "Verstehe.", murmelt Audrey. "Und wo werdet ihr wohnen? "Dans Familie ..." Ich unterbreche mich, als mir einfĂ€llt, dass Dan's Familie auch die ihre ist. "Ähm ... ich meine ... eure Familie ... hat ein Haus in Brooklyn.", korrigiere ich mich vorsichtig. "In Brooklyn? Echt jetzt? Das ist ja cool!" Ich nicke und scherze, "Sicherlich. Dann sind wir praktisch Nachbarn." Beide nicken. "Auch wir wohnen in

Brooklyn.", erklĂ€rt Julia. "Nachdem die Zwillinge geboren worden sind wir aus Bridgeport dort hingezogen. Wir wollten in ihrer NĂ€he sein." Liebevoll greift sie nach Audrey's Hand und drĂŒckt diese. Ich betrachte die beiden und bewundere die Innigkeit und Zuneigung die sie fĂŒreinander ausstrahlen. Und mit einem Mal erfasst mich eine Traurigkeit, weil ich so etwas niemals haben werde, da meine Schwiegermutter tot ist. Julia scheint meine Gedanken zu lesen. Sie löst sich von Audrey, beugt sich statt ihrer zu mir und

legt mir beide HĂ€nde auf die Oberschenkel. "Keine Sorge, Daisy! Ich wĂ€re sehr stolz die Rolle deiner Schwiegermutter einzunehmen. Unser Haus wird euch immer offen stehen." "Unseres ebenso.", bekrĂ€ftigt Audrey und lĂ€chelt still in sich hinein. Ehrlich dankbar strahle ich sie an und flĂŒstere "Vielen herzlichen Dank! Ihr wisst gar nicht, wie viel mir das bedeutet." "Du gehörst doch zur Familie, Daisy.", sagt Julia und Audrey nickt zustimmend. Und plötzlich, ganz unerwartet,

finde ich hier in der Bibliothek von Embley Abbey nicht wie sonst, Trost und Rat von meinen Romanhelden, sondern eine neue Freundin und eine Ersatzschwiegermutter. GlĂŒcklich geht dieser Tag zu Ende. Es wurde spĂ€t gestern Abend und ich liege noch im Bett, als es an unsere SchlafzimmertĂŒr klopft. "Ja?", rufe ich verschlafen. "Miss Richardson, der Besuch ist eingetroffen." Was? Besuch? Um diese Uhrzeit? Benommen greife ich nach meinem Telefon auf dem Nachttisch neben mir. Das Display zeigt

9:24. "Scheiße!", entfĂ€hrt es mir, "Einen Moment bitte. Ich komme sofort herunter.", rufe ich lauter in Richtung TĂŒr. Ich schicke mich an aus dem Bett zu kabbeln. Die andere Bettseite ist leer. Na klar, Dan war, vorbildlich wie er nun mal ist, bereits aufgestanden. Normalerweise verschlafe ich nicht den halben Vormittag. Das muss an dem Wein gestern Abend liegen. Hastig ziehe ich mich an und verwandel mich im Badezimmer in eine vorzeigbare Version von mir. Als ich erfrischt und scheinbar

ausgeruht nach unten komme, höre ich schon von weitem die Stimme meiner Mutter. Sie scheint irgendetwas lautstark zu bewundern. "Hallo Mom.", grĂŒĂŸe ich als ich schließlich hinter ihr stehe. Sie dreht sich um und mustert mich von Kopf bis Fuß. "So willst du zu der Probe gehen?" Ich verdrehe die Augen. "Ich freue mich auch, dich wiederzusehen. Wo ist Dad?" Sie rĂŒmpft die Nase. Wie sie es immer tut, wenn ich nicht auf ihre Spitzen eingehe. "Der lĂ€sst sich von deinem Mann das Haus zeigen.",

erklĂ€rt sie schnippisch. Welche Laus war ihr nun schon wieder ĂŒber die Leber gelaufen? Hat man sie nicht eingeladen, sich der Hausbegehung anzuschließen? "Ich freue mich, dass ihr hier seid!", flöte ich so freundlich wie möglich. "Soll ich dir die anderen vorstellen?" Sie nickt und lĂ€sst sich von mir in das Speisezimmer fĂŒhren, wo ich die restlichen GĂ€ste vermute. Doch tatsĂ€chlich sitzen nur Lucy, Ben, Anna und Freddy noch am FrĂŒhstĂŒckstisch. Von Dans restlicher Familie ist nichts zu

sehen. Nicht einmal ihre leeren Teller stehen noch auf dem Tisch. "Guten Morgen, ihr Lieben.", rufe ich beim Eintreten laut. "Meine Mom kennt ihr ja. Lucy!" Ich suche ihren Blick. Sie hatte sich gerade mit Ben unterhalten und dreht nun den Kopf. "Ja?" "Darf ich dir meine Mutter Clara vorstellen? Mom, das ist Dans Cousine Lucy Lancaster. Sie kommt aus New York.", stelle ich vor. Beide Frauen nicken sich freundlich zu. "Setz dich doch, Mom! Hast du Hunger?" "Nein, danke. Willst du mir nicht

lieber das Haus zeigen?" Wenn sie das Haus sehen will, warum ist sie dann vorhin nicht mit den MĂ€nnern mitgegangen? Dennoch stimme ich zu und fĂŒhre sie durch die RĂ€ume im Erdgeschoss. "Das ist wirklich ..." Staunend legt sie immer wieder den Kopf in den Nacken, um beispielsweise die hohen stuckverzierten Decken, Wandteppiche oder die wundervollen antiken VorhĂ€nge zu bewundern. "... Ă€ußerst bemerkenswert!", vollendet sie ihren Satz. Obwohl ich nun schon so viele

Jahre mit Dan befreundet und Gast in diesem Haus bin, war es fĂŒr meine Eltern der erste Besuch hier. Dementsprechend beeindruckt waren sie. "Ja, das ist es.", murmle ich abwesend und betaste die weinroten VorhĂ€nge, die die bodentiefen Fenster der Bibliothek umrahmen. "Es ist wunderschön!" "Wunderschön? Hinreißend!", berichtigt sie mich. "Und du darfst das alles fortan dein Eigen nennen. Daisy ..." Ihre HĂ€nde legen sich an meine Schultern und sie sieht mir tief in die Augen. "... du hast es

geschafft." Ich zucke die Schultern. "Ich sehe es nicht so sehr als mein Besitz. Es ist vielmehr so, dass ich mich privilegiert sehe hier wohnen zu dĂŒrfen. Ein bisschen ist es ja wie in einem Museum." "Aber du wirst Countess sein.", wundert sie sich und runzelt die Stirn. "Das muss dich doch verĂ€ndern?" "Inwiefern?" Sie lĂ€sst von mir ab und schlendert weiter. "Nun ja, du solltest ... in etwa so, wie dieses Haus

werden." "Was?" "Herrschaftlich, dominant, anmutig." "Vielen Dank auch.", keuche ich. "Bin ich bisher etwa duckmĂ€userisch, devot und armselig gewesen?" Ich spĂŒre Wut in mir auflodern. "Sei doch nicht so melodramatisch, Daisy! Das steht dir nicht." Ihre Hand wedelt ĂŒber ihrer Schulter. Sie hĂ€lt es nicht einmal fĂŒr nötig mir dabei in die Augen zu sehen. Wieder einmal denke ich, dass es gut ist, dass wir uns nur zu einigen wenigen AnlĂ€ssen im Jahr

begegnen. Als ich ihr ihre Zimmer (ebenfalls im zweiten Stock) gezeigt und sie nun den ParkĂ€hnlichen Garten fĂŒhren möchte, treffen wir auf Henry und Julia, die uns Arm in Arm, wie ein frisch verliebtes PĂ€rchen, entgegenkommen. "Guten Morgen, Darling!", flötet Julia und nimmt mich warmherzig in den Arm. "Guten Morgen ihr zwei. Habt ihr gut geschlafen?" Ich lasse den Blick zwischen ihnen hin und her wandern. "Bitte entschuldigt, dass ich nicht beim FrĂŒhstĂŒck war!" "Das macht doch nichts. Dan war

doch da.", brummt Henry mit seinem tiefen Bass. "Dann ist ja gut. Ich hoffe, er hat mich wĂŒrdig vertreten!", scherze ich grinsend. Dann fĂ€llt mir ein wie unhöflich ich bin. "Oh Mist, entschuldigt bitte! Darf ich euch meine Mutter Clara vorstellen? Sie sind gerade angekommen." Ich drehe mich zu meiner Mutter, die krampfhaft lĂ€chelt. "Mom, dies sind Henry und Julia Lancaster. Dans Onkel und seine Tante mĂŒtterlicherseits." Henry tritt vor und greift sich Mom's Hand um sie herzlich zu schĂŒtteln. "Freut mich, Sie kennen

zulernen!", brummt er fröhlich. "Und das zu so einem schönen Anlass." "E-ebenfalls.", stottert sie. Klar, Mom war es als formvollendete Britin nicht gewöhnt, von einem Fremden so forsch begrĂŒĂŸt zu werden. Auch Julia schĂŒttelt ihr Hand. "Nun entschuldigt uns bitte!", meint sie. "Wir haben einen Spaziergang gemacht und sind verschwitzt. Wir sehen uns ja nachher bei der Probe." Bei diesen Worten zwinkert sie mir neckisch zu. Mom und ich treten durch die geöffnete TerrassentĂŒr nach

draußen. Das Wetter heute zeigte sich gnĂ€dig. Eine warme Sonne strahlt von einem makellos azurblauen Himmel herab. Auch die Außenlagen und der KĂŒchengarten beeindrucken meine Mutter ebenfalls. SpĂ€ter, zurĂŒck im Haus, finden wir endlich auch die anderen. Audrey hatte sich um die Kinder gekĂŒmmert und fand erst jetzt die Zeit herunterzukommen. Dan bat Anthony sofort um eine persönliche Unterredung und verschwand, kaum das er meine Eltern begrĂŒĂŸt hat, gemeinsam mit Ben die Treppe hinauf. So wie sich alle

untereinander verhalten, scheint Dan bereits das Vorstellen ĂŒbernommen zu haben. Ich hatte scheinbar einiges verpasst, als ich halb komatös den halben Vormittag verschlafen habe. Mein Vater kommt aus dem Speisezimmer, sieht Mom und mich und kommt auf uns zu. Kaum das er vor mir steht, zieht er mich in eine herzliche Umarmung. Seine Arme drĂŒcken mich fest an seine Brust. Die Geste wirkt bekannt und vermittelt mir das GefĂŒhl sicher und geborgen zu sein. "Ich bin so stolz auf dich, mein MĂ€dchen!", raunt er an mein Ohr und kĂŒsst

mich auf die Stirn. Genauso fĂŒhle ich mich, wenn Dan mich umarmt. "Danke, Daddy!", seufze ich selig. "Dan ist wirklich ein GlĂŒcksgriff! Und damit meine ich nicht, dass er reich ist und viel Hab und Gut besitzt. Er ist ein toller Kerl. Freundlich, ehrlich und grundanstĂ€ndig. Ich weiß, dass du bei ihm in guten HĂ€nden bist. Und das ist fĂŒr mich, im Gegensatz zu deiner Mutter, das wichtigste. Was nĂŒtzt dir Geld und ein schönes Haus, wenn der du das alles teilst, ein unausstehliches Monster ist?" Feixend grinst er mich an. Und nicht zum ersten Mal fallen mir die

GrĂŒbchen neben seinen blauen Augen auf. Ich kann gar nicht anders, als in sein Lachen einzustimmen. Ich liebe meinen Vater! Und sein Urteil ist mir von allen das wichtigste. Dan "So, Sie und Ihr Trauzeuge kommen also von rechts durch den Seiteneingang und stellen sich anschließend hier vor den Altar!", instruiert Tippswick mich und schiebt mich mit beiden HĂ€nden an meinen Schultern auf die richtige

Position. "Okay.", murmle ich. "Und was kann ich tun?" "Warten, my Lord. Einfach nur abwarten. Und Sie dĂŒrfen sich nicht umdrehen! Erst wenn die Braut neben Ihnen zum Stehen kommt.", grinst er und wendet sich ab. Sicherlich um seine nĂ€chsten Opfer zu befehligen. "Du hast echt einen guten Geschmack!", raunt Anthony an mein Ohr. Er war feixend neben mir den Weg abgeschritten und hat sich, ebenfalls vom Pastor instruiert neben mich gestellt. Ben hatte sich, ganz wie es seine Art

war, schweigend der Prozession angeschlossen und steht nun etwas abseits neben einer der KirchenbĂ€nke. Es scheint, als wolle er mir die knappe Zeit mit meinem Cousin lassen. "Was meinst du?" "Na deine Braut natĂŒrlich.", grinst er Kaugummi kauend. "Ich weiß.", grinse ich zurĂŒck. "Sie ist die Beste." "Hast du sie schon im Kleid gesehen?" "Du meinst das Brautkleid?" Ich sehe ihn entgeistert an. Er nickt. "Wo denkst du hin? Es ist verboten.

Von wegen UnglĂŒck und so." "Blödsinn! Macht ihr das hier immer noch. Bei uns in Amerika gilt das lĂ€ngst fĂŒr ĂŒberholt." "Ist es ja auch. Aber Daisy steht eben auf Traditionen." Ich verschweige geflissentlich, dass in unserer Beziehung ich es bin, der auf die Einhaltung Traditionen beharrt. Er schĂŒttelt abschĂ€tzend den Kopf. "Na ja, dafĂŒr macht ihr Äußeres alles wett. Und es sind ja nur noch zwei Tage." Er boxt mir freundschaftlich gegen den Oberarm. Tippswick klatscht laut in die

HĂ€nde, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. "Meine lieben HochzeitsgĂ€ste. Wenn ich Sie jetzt bitten dĂŒrfte ihre Positionen einzunehmen und sich zu konzentrieren!" Langsam wird es still. Viele Augenpaare sind auf den kleinen Mann, in seiner schwarzen Soutane gerichtet, der mit hochrotem Kopf vor dem Altar steht und abwartend die gefalteten HĂ€nde vor seinem Bauch hĂ€lt. "Und bitte!", ruft er laut. Sofort erklingt von der Amphore Orgelmusik. Wie von uns gewĂŒnscht spielt die Organistin den Canon in

D von J. Pachelbel. Alles erhebt sich. Ben tritt direkt neben mich und auch Tony und ich nehmen sofort Haltung an. Mein Blick weigert sich nur stur geradeaus Richtung Altar zu schauen. Stattdessen sehe ich, genau wie die beiden MĂ€nner neben mir zur TĂŒr, die in diesem Moment von unsichtbaren HĂ€nden geöffnet wird und den Blick auf den Kirchhof der kleinen Kirche St. Clemens freigibt. Daisy am Arm ihres Vaters , schreitet den Kiesweg hinauf in unser Blickfeld. Zentimeter fĂŒr Zentimeter wird ein StĂŒckchen mehr von ihr preisgegeben. Und

obwohl sie natĂŒrlich noch nicht ihr Brautkleid trĂ€gt, bildet sich ein dicker Kloß in meinem Hals als ich sie erblicke. Kaum haben ihre FĂŒĂŸe den Boden in der Kirche betreten, als sich alle Köpfe zu ihnen drehen. WĂŒrdevoll lĂ€chelnd schreiten beide erhobenen Hauptes durch das Kirchschiff direkt auf uns zu. Daisy lĂ€chelt glĂŒcklich und vollkommener Stolz erfĂŒllt meine Brust und lĂ€sst beinahe mein Herz zerspringen. Nur wenige Schritte hinter uns bleiben sie kurz stehen. Henry kĂŒsst seine Tochter auf beide Wangen und drĂŒckt lĂ€chelnd ihre

Hand. Aus dem Publikum ist ein lautes Schniefen zu hören. Das Baby quiekt. Daisy tritt strahlend neben mich und lĂ€chelt. Von Liebe erfĂŒllt greife ich nach ihren HĂ€nden und drĂŒcke sie leicht. Tippswick rĂ€uspert sich und macht eine Geste um den GĂ€sten zu signalisieren sich zu setzen. Das typische Rascheln von Kleidung ist hinter uns zu hören. Aubrey mault, "Ist es endlich zu Ende, Mama?" "Scht." Ich kann mir ein Grinsen nicht

verkneifen. Doch ich sammle mich und versuche mich voll und ganz auf Tippswick zu konzentrieren. Nur einen schĂŒchternen Seitenblick werfe ich genau in dem Moment zu Daisy, als sie selbst einen zu mir wirft. Wie zwei Schulkinder kichern wir leise in uns hinein. Der Pastor leiert seine Rede herunter. Ich bin zu aufgeregt um ihm folgen zu können. Erst als er an der Stelle mit dem gegenseitigen Eheversprechen angelangt ist, zwinge ich mich wieder zur Konzentration. Er gibt mir zu verstehen, dass ich nun an der Reihe bin mein

Ehegelöbnis zu sprechen. Ich rĂ€uspere mich und will mit klarer Stimme meine selbst getexteten Zeilen diktieren, doch Tippswick unterbricht mich mit erhobener Hand. "Das genĂŒgt fĂŒr heute. Es soll ja noch eine Überraschung bleiben.", grinst er. "Dann ... dann muss ich heute auch nicht?", flĂŒstert Daisy fragend. Er schĂŒttelt den Kopf und ruft laut, "An dieser Stelle werden dann die Ehegelöbnisse getauscht. Anschließend folgt der Ringtausch, den wir heute selbstverstĂ€ndlich auch nicht zelebrieren." Einiges GelĂ€chter folgt seiner

kurzen AusfĂŒhrung. "Sie halten sich bereit." Das galt Ben. Mein Blick fliegt zu ihm. Er nimmt Haltung an, nickt ernsthaft und brummt leise, "NatĂŒrlich. Ich halte die Ringe bereit." "Gut." Der Pastor wendet sich wieder an alle ĂŒbrigen Protagonisten. "Ich werde anschließend die Brautleute vermĂ€hlen und ihnen den Segen geben. Als Letztes folgt dann das Gebet." Wie einstudiert, und als wĂ€re dies heute nicht die erste und letzte Probe, erhebt sich die gesamte GĂ€steschar bei dem Wort

Gebet. Der Pastor beschreibt mit den HĂ€nden ein Kreuz vor sich in der Luft und murmelt leise vor sich hin. Danach erklĂ€rt er etwas lauter und von einem Zwinkern begleitet, "Übermorgen spreche ich natĂŒrlich lauter." Wir nicken vereint. Orgelmusik setzt ein und Arm in Arm dĂŒrfen Daisy und ich nun als pseudo Ehepaar die Kirche verlassen. "Na, das lief doch ganz gut.", raunt Daisy mir zu. "Jup. Super! Jetzt muss nur die Kutsche

halten." Daisy schaut erschrocken. "Wieso?", keucht sie. "Keine Panik! Es gab ein Problem mit einem der RĂ€der. Ein Stellmacher hat es aber repariert.", verspreche ich und hoffe, recht zu behalten. Selbst das Wetter probt heute und zeigt sich von seiner besten Seite. Kaum nach draußen getreten werde ich auch schon von der Sonne geblendet, sodass ich meine Augen mit der Hand beschatten muss. Vor der winzigen Pforte der Kirchhofsmauer wartet der weiße ZweispĂ€nner. Unser Stallmeister

Cooper sitzt in klassischer Livree, bestehend aus rotem Frack und weißer Hose auf dem Kutschbock. Als wir nĂ€her kommen lĂŒftet er die ebenfalls rote Kappe und nickt uns zu. Ich deute ebenfalls ein Nicken an. Selbst das klappt also problemlos, nehme ich zufrieden zur Kenntnis. Ich helfe Daisy die Stufe hinauf in die offene Kutsche zu steigen und sehe mich rasch um. Unsere, heute noch recht ĂŒberschaubare, GĂ€steschar war derweil ebenfalls aus der Kirche gekommen und schlendert nun den entgegengesetzten Weg in Richtung

Schloss entlang. Uns, als Brautpaar blieb eine Rundfahrt durch Embley nicht erspart. Schließlich feiert das Dorf nicht nur unsere Hochzeit, sondern auch das offizielle Inkrafttreten der Grafschaft Embley unter neuer FĂŒhrung. Wir fahren also, heute noch ohne Applaus und Jubelrufen, ĂŒbermorgen wĂŒrde das sicherlich anders sein, die festgelegte Route. Faber und ein weiterer Mann vom Sicherheitsdienst folgt uns in knappem Abstand in meinem Bentley. Ein sicherlich seltsames Bild. Und dann ist schon alles vorbei. Am

Schloss helfe ich Daisy wieder beim Aussteigen und kĂŒsse sie leidenschaftlich kaum das sie festen Boden unten den FĂŒĂŸen hat. "Das haben wir prima hinbekommen!", lobe ich uns. Sie nickt. "Auf jeden Fall. Ich hoffe nur, dass am Freitag auch alles glattgeht!" Arm in Arm schlendern wir ins Haus. "Wie hat dir die Musik gefallen?", fragt sie. "Sehr gut!", entgegne ich. "Ich hatte eine GĂ€nsehaut." "Und ich erst." Abrupt bleibt sie stehen und legt mir ihre HĂ€nde an

die Brust. "Ich hÀtte beinahe geheult." "Lieber nicht. Sonst verlÀuft deine Schminke.", mahne ich lachend. "Ich werde Patty bitten nur Wasserfestes Make-up zu verwenden.", scherzt sie.

5.

Daisy

Nachdem wir die Probe erfolgreich ĂŒber die BĂŒhne gebracht haben und zurĂŒck im Schloss waren, verlief sich unsere kleine Gesellschaft. Dan wollte sich noch kurz mit Spencer treffen. Ben hatte eine Verabredung mit Lily. Sicherlich wollte er sie ĂŒberreden doch noch zur Hochzeit zu kommen. Bisher weigert sie sich nĂ€mlich vehement. Meine Eltern gaben vor mĂŒde zu sein und verschwanden auf ihrem Zimmer und auch Anthony hatte

alle HĂ€nde voll zu tun, nachdem Audrey sich von ihren Kindern verabschiedet und fĂŒr Lilian eine Flasche Milch abgepumpt hatte. "Gut, dann geh ich mal nach oben.", brummt Anthony. "Wenn ihr wieder kommt und mich nicht findet ..." Er verdreht die Augen. "... dann hab ich mich wahrscheinlich vom höchsten Turm geworfen.", scherzt er halbherzig. "Du wirst es schon ĂŒberleben, mein Schatz.", raunt Andrey an sein Ohr. "Freu dich lieber, eine vollkommen entspannte Frau zurĂŒckzukriegen. Wer weiß, worauf ich heute Nacht Lust

habe?" Er grinst und schluckt. Sein Schlafzimmerblick verrutscht etwas, als die Kleine Lilian auf seinem Arm anfÀngt zu schreien. Ehe sie in Versuchung kommt ihm doch die Arbeit mit den Kindern abzunehmen, dreht sich Audrey lieber schnell um und verschwindet den Gang entlang in Richtung Treppe. Ich werfe Tony noch einen entschuldigenden Blick zu und folge ihr. Unten in der Halle warten schon Lucy, Anna und Freddy auf uns. "Wo steckt Julia?", frage

ich. "Mom, ist gleich da. Die hat nur etwas auf ihrem Zimmer vergessen.", erklÀrt Lucy Kaugummi kauend. Ich nicke und lehne mich an eine SÀule. Als Julia wenig spÀter mit zerzausten Haaren die Treppe herunterkommt, ahne ich was sie noch so dringend auf ihrem Zimmer zu erledigen hatte. Gut gelaunt steigen wir in den Bentley, der mit John als Fahrer bereits auf dem Vorplatz auf uns wartet. "Und, Ladys, wo soll es hingehen?",

fragt John als er sich zu uns umdreht. Ich gebe ihm die Anweisung und er startet den Motor. "Also, ich muss schon sagen, dieses Auto ist wirklich eine Klasse fĂŒr sich!", lobt Julia beeindruckt. Ich merke, wie ich rot werde. Dieser offen zur Schau getragene Reichtum geht mir noch immer gegen den Strich! Obwohl ich zugeben muss, dass ich mich an den Komfort dieses Wagens bereits mehr als gewöhnt habe. Ich liebe diese Sicherheit, die dieses Auto bietet. Es ist ein angenehmes

Reisen. Unterwegs gabeln wir noch Louise in Notting Hill, wo sie zu Hause ist, auf und halten anschließend vor unserem Lieblingspub in Belgravia. Hier wollen wir etwas vorglĂŒhen und uns fĂŒr diesen Abend in Stimmung bringen. Außerdem gibt es hier eine hervorragende Mittagskarte. Die Probe heute Mittag  hat mich ziemlich hungrig gemacht. Den anderen scheint es Ă€hnlich zu gehen, alle bestellen sich wenigstens ein kleines Gericht. "Auf den letzten Abend in Freiheit!", ruft Anna laut und hĂ€lt ihr Glas Sekt in die Höhe. Als der

Wirt mitbekam, was seine einstigen Stammkunden zu feiern haben, spendierte er fröhlich eine Runde Sekt fĂŒr uns alle. Wir machen es ihr nach und heben unsere GlĂ€ser. "Auf die Ehe!", ruft Julia. Audrey schreit, "Auf gemeinsame Abenteuer!" und meint damit bestimmt die Freuden des Elternseins. "Auf viele sexy Stunden zu zweit und darauf, dass ihr auf ewig so blendend aussehen werdet!" Typisch Freddy. "Auf die Liebe!", mische ich mit. "Aufs Singleleben!", schießt Lucy

quer. "Lucy!", ermahnt ihre Mutter sie. Diese starrt zurĂŒck, zuckt die Schultern und fragt, "Was ist? Ich bin gerne   Single. Hört mal, der grĂ¶ĂŸte Teil der weiblichen New Yorker Bevölkerung ist Single und stolz darauf.", rechtfertigt sie sich grinsend. Dem können wir nichts entgegensetzen, da die meisten von uns noch nicht in New York waren, geschweige denn dort gelebt haben. Einige andere PubgĂ€ste erheben ebenfalls zu meinen Ehren ihr Glas und rufen ihre WĂŒnsche quer durch

das Lokal. Nachdem wir gegessen und uns einen leichten Schwips angetrunken haben, lassen wir uns von John, der im Wagen gewartet hat zu dem Beautysalon unseres Vertrauens fahren. Ben "Bitte Lily, hör mir doch zu!", beschwöre ich meine Freundin, die sich beharrlich weigert meine Begleitung auf der Hochzeit morgen zu sein. Mir geht das alles dermaßen auf den Keks, dass ich am liebsten meine Teilnahme

absagen und einfach von Embley verschwinden wĂŒrde. "Ich hab's dir doch schon hundertmal erklĂ€rt.", seufzt sie und ringt die HĂ€nde. "Ich kann unmöglich bei der Hochzeit meines Chefs als Gast auftauchen." "Und was ist, wenn dieser Chef dich ausdrĂŒcklich dazu einlĂ€dt?" "Auch dann nicht. Ich weiß gar nicht, wie ich mich ihm gegenĂŒber verhalten soll.", gibt sie kleinlaut zu. "Na, ganz normal eben.", murre ich. "Ich versteh echt nicht, weshalb du darum einen solchen Wind

machst?" "Und ich verstehe nicht, warum du so ignorant bist und mich nicht verstehen willst?", kontert sie schnippisch. Es ist zwecklos. Diese Frau ist stur wie ein Esel. "Du verlangst also wirklich von mir, dass ich allein auf die Hochzeit meines besten Freundes gehe?" Wage ich einen letzten Versuch. "Dort wird sich doch sicherlich eine Frau finden, die gerne deine Begleitung wird?" Sprachlos schaue ich sie einen Moment an, wÀhrend ich sacken lasse, was sie da gerade gesagt hat.

"Du ... du willst damit doch hoffentlich nicht andeuten ... das ... das ich mir eine andere suchen soll?", stammle ich verwirrt. Lily sieht mir fest in die Augen. Sie zuckt die Achseln. "Wenn du dort jemanden findest ..." "Aber das will ich gar nicht! Ich will dich!", rufe ich zornig. "Verdammt, Lily, ich liebe dich! Ich will mit dir zusammen sein! Nicht umsonst habe ich das Haus gekauft." Mist! Verplappert. Davon sollte sie noch gar nichts erfahren. "Was hast du?", fragt sie demnach verwundert nach. "Du hast ein Haus

gekauft?" BeschĂ€mt ĂŒber meinen unreifen Ausbruch, sehe ich zu Boden und scharre mit der Schuhspitze im Sand. "Ja.", flĂŒstere ich. "In Shelton." "Das ist ja ganz in der NĂ€he." Ich nicke. Dann schweigen wir eine kleine Weile. Irgendwann fragt sie leise, "Warum hast du das getan?" Ich hebe den Blick. Sehe ihr direkt in die Augen. Was ich nun zu sagen habe, muss sie direkt berĂŒhren, muss direkt in ihrem Herzen ankommen. "Weil ich mir mit dir

eine gemeinsame Zukunft vorstellen kann. Und weil ich dich liebe, Lily Saunders!" "So ernst ist es dir mit mir?", flĂŒstert sie noch immer. Verwirrt antworte ich, "NatĂŒrlich, das habe ich doch gerade gesagt.", bekrĂ€ftige ich. Mutig ziehe ich sie an mich und lege meine Arme um sie. "Lily, ich möchte wirklich mit dir ein gemeinsames Leben beginnen." "Wirklich?" Ich nicke. "Ja, wirklich und wahrhaftig!" Sie schnieft. "Ich hĂ€tte niemals gedacht, dass es dir so ernst mit

mir ist." "Na ja, ich denke, mit dem Hauskauf habe ich dir das Gegenteil bewiesen!" "Bisher wusste ich ja noch nichts davon.", lacht sie. "Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du zu sprunghaften Handlungen neigst?" Ich schĂŒttle den Kopf. "Nein, so etwas LĂ€cherliches ist mir noch nie nachgesagt worden. Besonnen, klug und durchdacht handelnd schon eher.", scherze ich selbstbewusst. "Du bist ein ziemlicher Spinner!", urteilt sie teils im Scherz, teils mit Ernst. "Kaufst ein Haus mitten im Nirgendwo. FĂŒr eine Familie, die

noch in den Sternen steht. Und ohne das du die Frau, die mit dir dort einziehen soll nach ihrer Meinung gefragt hast. Also, in meinen Augen ist so jemand ziemlich dumm!" Meint sie das jetzt im Scherz oder Ernst? Bevor ich etwas Falsches sage, ziehe ich es lieber vor zu schweigen. Doch nach einiger Zeit frage ich erneut, "Was ist nun mit morgen? Kommst du mit?" Sie löst sich etwas von mir um mich besser ansehen zu können. Aufgrund unseres

GrĂ¶ĂŸenunterschieds muss sie ihren Kopf ziemlich weit in den Nacken legen um mir direkt in die Augen sehen zu können. Sie holt tief Luft. "Weißt du was?", seufzt sie grinsend. "Du hast mich ĂŒberredet." Ehe ich sie erfreut hochheben und sie durch die Luft wirbeln kann, hebt sie ihren Zeigefinger und fĂ€hrt fort, "Aber eines sage ich dir. Wenn Lord Embley mich danach irgendwie anders behandelt, bring ich dich um!" Lachend hebe ich sie hoch. "Erst einmal werden sie vier Wochen lang nicht da sein. Sie fahren in die

Flitterwochen und danach ... werde ich mit ihnen reden." Ich setze sie wieder auf dem Boden ab. "Ich werde ihnen vorschlagen, euch Angestellte zukĂŒnftig streng nach der Gesindeordnung zu behandeln." "Du spinnst, ich wusste es.", lacht sie. "Aber mal im Ernst, meinst du wirklich sie sehen mich nicht mit anderen Augen, wenn ich erstmal Gast auf ihrem Fest war? Ich möchte meine Stellung auf keinen Fall verlieren! Wenn ich nach London mĂŒsste, um dort zu arbeiten, was wird dann aus meiner Mom?" "Beruhige dich!", unterbreche ich

ihren Redefluss. "Alles wird gut. Dan ist ein anstĂ€ndiger Kerl. Du musst dir keine Sorgen machen. Morgen bist du nur meine Freundin, meine Begleitung und sonst nichts. Keine Angestellte, keine KĂŒchengehilfin." Sie nimmt sich einen Moment, um abschließend darĂŒber nachzudenken und nickt schließlich ergeben. Dan Da Daisy unterwegs war, blieb es an mir, gemeinsam mit der Hochzeitsplanerin die Ankunft der

Torten und der Speisen fĂŒr morgen zu beaufsichtigen. Das Catererunternehmen hatte bereits gestern zwei riesige weiße Zelte im Park aufgebaut. Nun waren die zĂŒchtig in Schwarz und weiß gekleideten Mitarbeiter damit beschĂ€ftigt die Tische, Tresen und StĂŒhle aufzustellen. Agatha, die Weddingplanerin wuselt zwischen den Menschen herum und brĂŒllt Anweisungen. Mir wird das schnell zu viel und ich ziehe mich unauffĂ€llig zurĂŒck. Im Slalom gehe ich um gefĂŒhlt hundert Kisten mit Blumenschmuck, Dekoartikeln und Geschirr. Was fĂŒr

eine Hochzeit alles Benötigt wird. Wahnsinn! Am Nebeneingang, dort wo sich der Zugang zur SchlosskĂŒche befindet, parkt ein weißer Kastenwagen mit der Aufschrift einer Londoner Konditorei. Die Torten. Ich betrete das Haus durch eben diesen Eingang und schlendere in die KĂŒche, wo ich den Konditor vermute. TatsĂ€chlich befindet sich ein rundlicher MittfĂŒnfziger im GesprĂ€ch mit Mrs. McAdams. Was sag ich GesprĂ€ch, sie scheinen zu flirten. Überrascht drehe ich mich auf dem Absatz um und verstecke mich neben der TĂŒr im

Gang. "Eine wunderschöne KĂŒche haben Sie hier, Mrs. McAdams!" "Ach, finden Sie?", sĂ€uselt meine sonst so burschikose Köchin. "Sie haben doch sicherlich zu Hause in London ebenfalls eine schöne KĂŒche?" "Schön? Funktionell wĂŒrde ich sie eher nennen.", entgegnet er lĂ€ssig. Sie lacht. "Auf jeden Fall zaubern Sie ganz wunderschöne Torten!" Ich lehne mich ĂŒber den TĂŒrrahmen und wage einen heimlichen Blick in die KĂŒche. McAdams steht vor dem Tresen und betrachtet fasziniert die dreistöckige Haupttorte. Die

jeweiligen unterschiedlich großen Stufen sind in hellem violett, blau und grĂŒn eingefĂ€rbt. Eine Efeuranke, sicherlich aus Marzipan, rankt sich rundherum nach oben, von zarten weißen ZuckerblĂŒten verziert. Sie ist wunderschön, ohne Frage! Ein Meisterwerk der Konditorkunst! "Oh danke sehr!" Er scheint sich sehr ĂŒber das Lob zu freuen. "Meine Familie macht das ja auch schon seit ĂŒber achtzig Jahren." "Ach tatsĂ€chlich?", haucht sie. Gut, unsere Torten sind bei den beiden in den besten HĂ€nden und meine Hilfe wird auch hier nicht

benötigt. Ich drehe mich wieder weg und schlendere hinauf in meine Bibliothek um mich mit Lesestoff etwas abzulenken. Kaum das ich es mir mit einem Buch in einem der bequemen Sessel gemĂŒtlich gemacht habe, springe ich auch schon wieder auf die FĂŒĂŸe. Zu Tode erschrocken, weil in der Halle irgendwas großes glĂ€sernes zu Bruch gegangen ist. Das Scheppern war sicherlich noch bis St. Clemens zu hören! Krampfhaft versuche ich meine Atmung wieder unter Kontrolle zu bekommen. Scheiße! Seit wann bin ich so schreckhaft? Lautes Fluchen und

hysterisches Gekeife schallt in der Halle. Sicherlich die Weddingplanerin, die nun den Verantwortlichen zur Schnecke macht. Ich schaue auf das Buch in meiner Hand. "Ich kann doch jetzt nicht lesen!", rĂŒge ich mich selbst. "Ich werde lieber ausreiten. Mistral hat mich schon ewig nicht mehr zu Gesicht bekommen." Draußen dĂŒrfte sich wohl auch etwas mehr Ruhe finden lassen als in der NĂ€he des Schlosses. Doch beim Stall angekommen werde ich von Cooper abgefangen, der mich aufgeregt zum Platz der

Garagen am hinteren Teil der Stallungen fĂŒhrt. Dort prĂ€sentiert er mir stolz die auf Hochglanz polierte Kutsche. Angemessen stolz lobe ich und danke ihn fĂŒr sein Engagement. Selig lĂ€chelnd lĂ€sst er mich weiter ziehen. Ich gehe zu Mestrals Box am hinteren Ende der Stallgasse und muss entdecken, dass mein Wallach sich nicht in seiner Box befindet. Sicherlich ist er auf der Koppel. Mist! Ich hĂ€tte Bescheid sagen sollen. Heute gelingt mir aber auch gar nichts. Ihn jetzt extra von dort abzuholen, zu putzen und zu

satteln, war mir jetzt auch zu anstrengend. Frustriert, marschiere ich zurĂŒck zum Schloss. Kurz davor kommt mir eine mir unbekannte junge Frau entgegen. Ich weiche aus, lĂ€chle freundlich und deute ein Nicken an. Und obwohl auf dem Kiesweg genug platz fĂŒr uns beide ist, lĂ€uft sie direkt in mich hinein. Überrumpelt strauchel, aber fange ich mich gerade noch rechtzeitig ehe ich der LĂ€nge nach aufschlagen kann. "Was soll denn das?", keuche ich wĂŒtend. "Oh Verzeihung!", sĂ€uselt sie, als wĂ€re es nur ein Versehen und nicht pure Absicht gewesen. "Ich war so

in Gedanken.", rechtfertigt sie sich. "Schon gut.", brumme ich und klopfe mir den Staub von der Hose. Ich will schon weiter gehen, als sie mich zurĂŒckhĂ€lt, "Darf ich Sie als kleine Entschuldigung einmal auf einen Kaffee einladen?" Ich schĂŒttle den Kopf. "Das ist nicht nötig." Ich wende mich ab. Doch sie dreht um und lĂ€uft neben mir her in Richtung Haus. Trotz der hohen Haken ist sie schnell und hat kein Problem damit mein Tempo zu halten. "Kann ich Ihnen noch helfen?", frage ich unfreundlich. Irgendwie erinnert sie mich an

Carol. "Nein, Mylord ..." Sie weiß also wer ich bin. "... ich dachte nur, dass ich mich vielleicht ein wenig nĂŒtzlich machen kann?" "Sie? NĂŒtzlich?", staune ich und mustere sie von Kopf bis Fuß. "Inwiefern?" "Ich bin die hiesige Schneiderin. Vielleicht ist ja auf den letzten DrĂŒcker noch irgendetwas zu reparieren? Eine Naht aufgegangen, oder etwas umzunĂ€hen?" "Ich denke es ist fĂŒr alles gesorgt.", entgegne ich kĂŒhl. "Aber danke schön!" Damit lasse ich sie stehen. "Schade! Vielleicht ein anderes

Mal?", brĂŒllt sie mir hinterher, bleibt aber stehen. Ich zucke die Schultern. Erst spĂ€t in der Nacht, als ich vor Aufregung und Langeweile, weil Daisy nicht da ist um mir die Zeit zu vertreiben, ein wenig auf meinem Smartphone im Internet surfen will, fĂ€llt mir auf, dass es nicht da ist. Ich muss es irgendwo liegen gelassen oder verloren haben. "Na ja, es kann ja nur im Schloss sein.", beruhige ich mich und hole mir stattdessen mein Laptop aus meinem Arbeitszimmer im

Erdgeschoss. Daisy Ich schlage die Augen auf. Der große Tag war gekommen. Endlich! Ein Kribbeln, Unruhe, WĂ€rme, ein GefĂŒhl als wĂŒrde ich gleich abheben vor GlĂŒck macht sich in meinem Innern breit. Ich sehe mich in unserem Schlafzimmer um. Ab morgen wĂŒrde ich jeden Tag als Mrs. Edwards neben Dan aufwachen. Morgen, ĂŒbermorgen, fĂŒr alle Zeit. Die Sonne schickt einige Strahlen durch den Spalt der VorhĂ€nge und

lĂ€sst Millionen Staubpartikel in der Luft tanzen. Es duftet nach Pfingstrosen. Meine Lieblingsblumen. Jemand von den Hausangestellten muss sie mir, als ich noch geschlafen habe, in einer riesigen Vase auf den Tisch zwischen den Fenstern gestellt haben, um mir eine Freude zu machen. Ich krabble aus dem Bett und gehe zu ihnen hinĂŒber um daran zu schnuppern. Da entdecke ich einen gelben Umschlag, den man zwischen die BlĂŒtenköpfe gesteckt hatte. Vorsichtig ziehe ich die darin enthaltene Karte heraus und beginne zu

lesen: "Denken Sie immer daran, dass eine gute Ehe von zwei Dingen abhĂ€ngt: Erstens, den richtigen Menschen zu finden und zweitens, der richtige Mensch zu sein. So gratulieren wir herzlichst zu Ihrer Hochzeit! Wir wĂŒnschen nur das Allerbeste und dass es in Ihrer Ehe keinen Tag ohne ein LĂ€cheln, keine Stunde ohne Vertrauen und keinen Augenblick ohne Liebe gebe.", steht in royalblauen verschnörkelten Lettern dort geschrieben. Es haben alle Angestellten der Abbey unterzeichnet. Als eine TrĂ€ne auf das Papier fĂ€llt

und den Namen Charles Banes etwas verwischt, bemerke ich erst, dass ich vor RĂŒhrung zu weinen angefangen habe. Ganz undamenhaft ziehe ich die Nase hoch und wische mir mit dem HandrĂŒcken ĂŒber die Augen. Am liebsten möchte ich jetzt zu Dan laufen und ihm von diesem super sĂŒĂŸen Liebesbeweis unserer Angestellten erzĂ€hlen. Doch ich reiße mich zusammen. Ich darf dem UnglĂŒck keine Chance geben. Ich schließe die Augen und schnuppere an den Rosen. Sie duften herrlich nach frischer Luft

und Sonnenschein. SĂŒĂŸlich und betörend zugleich. Mir wird ein wenig schwindelig. Es klopft. Mein Kopf ruckt herum. "Ja?" "Miss Richardson, die Friseurin wĂ€re dann jetzt da.", verkĂŒndet Banes nachdem er in das Zimmer getreten war. "Prima. Ich danke Ihnen.", flöte ich fröhlich. Er will sich schon abwenden, als ich ihn mit den Worten, "Mister Banes, ich danke Ihnen und allen anderen von ganzem Herzen! Es war wirklich sehr aufmerksam von Ihnen allen uns diese Blumen und

die wunderbare Karte zum Geschenk zu machen!" zurĂŒckhalte. Eines der seltenen LĂ€cheln breitet sich auf seinem Gesicht aus und erreicht seine Augen. "Das haben wir wirklich sehr gern getan, Miss Richardson! Es kommt von Herzen.", verspricht er mit seinem tiefen Bariton. "Das weiß ich. Bitte seien Sie so freundlich allen schon einmal ein herzliches Dankeschön von uns auszurichten!" Er nickt und lĂ€sst mich allein. Seufzend drehe ich mich ein paar Mal im Kreis. Noch war ich unbeschwert. Es waren ja auch

noch ĂŒber vier Stunden bis zur Trauung. Sicherlich wĂŒrde sich das schlagartig Ă€ndern, sobald es ernst wird. Der entspannte Abend gestern im Beisein alle Frauen (und natĂŒrlich Freddy) die mir am Herzen liegen wirkte noch nach. Tiefenentspannt war ich in der Nacht in mein Bett gefallen. Dan musste mich, ganz wie es die Tradition verlangt, heute Nacht allein in seinem Ankleidezimmer schlafen. Ich wundere mich, wie ich trotz der Aufregung, die mich seit der Feier gestern Abend erfĂŒllt ĂŒberhaupt hatte schlafen können. Vielleicht

war es aber auch besser so, denn die Daisy, die mir jetzt im Badezimmer aus dem Spiegel entgegenschaut, wirkt ausgeruht und fröhlich. Ich putze meine ZĂ€hne und stelle mich danach unter die Dusche. Mein Haar, so hatte es Patty mir aufgetragen, sollte ich nicht waschen. Frisch gewaschenes Haar lĂ€sst sich schlechter frisieren als solches, das einen leichten Fettfilm trĂ€gt. Klingt eklig, scheint aber zu funktionieren. Noch wĂ€hrend ich dusche kommen Anna, Louise, Lucy und Freddy ins Zimmer. "Wo verkriechst du dich?", brĂŒllt

Freddy durch die angelehnte BadezimmertĂŒr. "Wir haben die Friseurin mitgebracht." "Supi. Ich bin gleich fertig.", rufe ich gegen das Rauschen des Wassers an. Patty entspricht so gar nicht dem typischen Bild, das man von einem Make-up Artist hat. Ihren rundlichen Körper hat sie in ein kunterbuntes weites Flattergewand gehĂŒllt. An den FĂŒĂŸen trĂ€gt sie Quietscheentengelbe Birkenstocks und ihr rotes langes Haar trĂ€gt sie in Locken, die ihr wirr vom Kopf abstehen. "Hallöchen.", flötet sie fröhlich als

ich, in einem flauschigen Flanellbademantel gehĂŒllt aus dem Bad komme. "Patty, hallo." Ich gehe zu ihr und reiche zur BegrĂŒĂŸung die Hand. Ihr fester HĂ€ndedruck war mir bereits bei unserem Kennenlernen aufgefallen. "Dann wollen wir Sie mal hĂŒbsch machen." Tatendurstig klatscht sie in die HĂ€nde. "Oder wollen Sie ihren Brautjungfern ..." Ihr Blick bleibt an Freddy hĂ€ngen. "... Ă€hm ... und den hier anwesenden besten MĂ€nnern den Vortritt lassen?" Sie zwinkert ihm zu. Er strahlt. "Nein, danke, Liebes. Das

erledige ich schon selbst.", winkt Freddy ab. "Die MÀdels haben's nötiger." Er lacht. Aber nicht lange, denn da habe ich ihm schon ein Kissen an den Kopf geworfen. Froh gestimmt geht sie bei Gwen als Erstes ans Werk. Nachher sieht meine Freundin und zweite Brautjungfer vollkommen verÀndert aus. Anna ist als   dran und bekommt ihr blondes langes Haar in Wellen gelegt. Freddy verschwindet, als er merkt, das er hier gerade nicht helfen kann und nur im Weg steht kurz in seinem Zimmer, um sich selbst

fertig zu machen. Außerdem muss er, wie er sagt, Tristan scheuchen, damit dieser sich ebenfalls fertig macht. "Der ist ja eine solche TrantĂŒte.", scherzt er. Denn das kann ich mir so ĂŒberhaupt nicht vorstellen. "Wenn der mich nicht hĂ€tte, wĂŒrde er untergehen. Aber sowas von." Und damit ist er weg.   Lucy und Julia lassen sich als NĂ€chstes verschönern und verschwinden anschließend wieder. Lucy um wer weiß was zu machen und Julia ĂŒbernimmt jetzt die Kinder, damit auch Audrey Zeit hat um sich selbst hĂŒbsch zu machen. Das alles dauert bereits mehr als

zwei Stunden. Die Zeit rennt und gerade als ich ĂŒberlege, ob fĂŒr mich, die Braut, jetzt ĂŒberhaupt noch Zeit genug ist, mich zurechtzumachen, wendet sich Patty lĂ€chelnd mir zu. "Nun zu Ihnen, SchĂ€tzchen. Wie haben Sie es sich denn gedacht?" Im Grunde weiß sie es ja schon. Wir haben es gemeinsam besprochen. Mein mittellanges blondes Haar soll zu einem dicken Knoten am Hinterkopf frisiert werden. Eine weiße kĂŒnstliche BlĂŒtenranke aus Draht wird dabei mit eingeflochten. Als Erstes jedoch ist mein Make-up

dran. Das dauert, aufgrund meiner makellosen Haut (Patty's Meinung - nicht meine) und dem Wunsch nicht zu dick aufzutragen, gar nicht lange. "Wunderschön! Du siehst klasse aus!", lobt Anna und nickt anerkennend. "Sie sind spitze!" Patty wird doch tatsĂ€chlich ein klein wenig rot bei dem Lob. Um schnell von sich abzulenken, sagt sie, "So, und nun an die Haare. Reichen Sie mir bitte einmal die BlĂŒtenranke!", bittet sie Anna. Die reicht sie ihr und Patty beginnt mein Haar mit einer dicken BĂŒrste

durchzukĂ€mmen. Minuten spĂ€ter kann man schon erahnen wie das Endergebnis mal aussehen soll. Mit geschickten HĂ€nden fichtet sie die Drahtranke mit ein und bindet mein Haar kunstvoll zu besagtem Knoten. "Cool!", ruft Freddy begeistert. Gerade war er wieder ins Zimmer geschlĂŒpft. Nun steckte sein gestĂ€hlter Körper in dem extra fĂŒr diesen Anlass erworbenen violetten Outfit. Komplettiert hatte er es mit den roten Budapestern und einer knallroten Fliege. Das tintenschwarze glĂ€nzende Haar ist

wie immer kunstvoll frisiert. Dazu der sexy Bartschatten der so typisch fĂŒr ihn ist. Er sieht heiß aus! Man kann es nicht anders sagen. Gwen tritt aus dem Badezimmer. In deren Abgeschiedenheit war sie in den anthrazitfarbenen Hosenanzug geschlĂŒpft. Wie beim ersten Mal blieb uns kollektiv bei ihrem Anblick die Luft weg. Unsere schĂŒchterne Freundin in solch einem gewagtem Fummel zu sehen war etwas ganz Besonderes. Freddy kramt etwas aus meinem Schrank hervor und reicht es Patty. Ich beobachte ihn durch den

winzigen Standspiegel vor mir auf dem Tisch. "Das hier muss da noch drauf." Sein Daumen deutet auf meinen Hinterkopf. "Ein Diadem?", staunt Patty. "Aber klar ... wer eine echte Countess wird ...", fĂŒgt sie leise gemurmelt hinzu. Sie mustert meinen Hinterkopf. "Das ist kein Problem. Gibt es einen Schleier?" Freddy und ich nicken kollektiv. "Gut. Das aber spĂ€ter. Erstmal das Kleid." Sie klatscht in die HĂ€nde und sieht sich nach dem Kleidersack um. "Wo ist das gute StĂŒck?" Ich deute mit der Hand zu dem

Schrank. Anna eilt schon los, um es aus seinem engen GefĂ€ngnis zu befreien. Ich stehe auf. Und obwohl ich genau weiß, was sich in der HĂŒlle befindet, halte ich gespannt die Luft an. Zentimeter fĂŒr Zentimeter öffnet Anna den Reißverschluss und gibt StĂŒck fĂŒr StĂŒck mehr von dem Traum in Weiß preis. Es war noch immer genauso schön wie damals, als ich es zum ersten Mal in Sybill's Boutique gesehen habe. "Oh wow! Das ist ja ein Traum!", jubelt Patty pflichtschuldig. Ob sie das jeder Braut sagt? Muss sie

wohl. Gibt ein gutes Trinkgeld. "So, dann tschĂŒĂŸ Bademantel und hallo Brautkleid!", verkĂŒndet Freddy und klatscht mich antreibend mehrmals in die HĂ€nde. Eilig, auch weil der Zeiger der Uhr gefĂ€hrlich nahe der Abfahrtszeit rĂŒckt, schĂ€le ich mich aus dem Bademantel und stehe gleich darauf im weißen Spitzenstring vor ihnen. Seltsamerweise ist es mir kein bisschen peinlich. Vielleicht, weil es sich um die hier versammelten Personen um fast alle meiner Lieblingsmenschen handelt? Anna und Gwen helfen mir die weiße Spitzencorsage, die halterlosen

SeidenstrĂŒmpfe anzuziehen. Zum Schluss noch das Strumpfband. Fertig. Mit vereinten KrĂ€ften und Ă€ußerst vorsichtig um ja nicht die Frisur zu ruinieren stĂŒlpen sie mir das Brautkleid ĂŒber den Kopf. Anschließend schließt Anna die Haken an meinem RĂŒcken. Kaum das ich fertig bin, klopft es an den ZimmertĂŒr und meine Mutter betritt das Zimmer. "Hallo Schatz.", beginnt sie. "Ich will nicht lange stören." "Du störst doch nicht, Mummy.", entgegne ich und drehe mich zu ihr

zu. LĂ€chelnd und auch mit einem gewissen Stolz mustert sich meine Aufmachung. "Du siehst wunderschön aus!" "Danke.", antworte ich und meine es von ganzem Herzen. "Du bist perfekt. Das Kleid, dein Haar ...", flĂŒstert sie, geht einmal um mich herum und bleibt schließlich neben mir stehen. "Ich bin auch nur hier um dir das zu geben." Sie reicht mir ein flaches royalblaues KĂ€stchen. Dankbar nickend nehme ich es entgegen und öffne es vorsichtig. Darin liegt eine wunderschöne

silberne Halskette. An ihrem Ende prangt ein ovaler von unzĂ€hligen winzigen Rosen eingefasster Lapislazuli. Mir bleibt die Spucke weg, so schön ist sie. "Aber Mom ...", hauche ich ergriffen und fasse mir an den Hals."Sie ist ... wunderschön!" "Ich weiß. Sie gehörte deiner Ur-Ur-Großmutter. Seit damals wird diese Kette immer zum Hochzeitstag an die Braut weitergereicht." "Aber ... ich habe sie noch nie an dir gesehen." Mom zieht die Augenbrauen hoch und sieht mich zweifelnd an. "Findest du denn, mir steht Silber

und blau?" Lachend schĂŒttle ich den Kopf. "Nein. Eher nicht." "Clara, Sie sind der typische Herbsttyp. Blau ist Sommer.", mischt sich Freddy ein und wirft selbst einen Blick auf das SchmuckstĂŒck. "Oh Wow, Daisy! Die ist ja der Hammer! Die musst du heute tragen!" Ich sehe ihn an. "Ja, meinst du denn, das passt zusammen mit dem Diadem?" Er nickt ernsthaft. "Und wie das geht!" "Okay, wenn ihr meint, dann mach ich das!", verkĂŒnde ich

lĂ€chelnd. Patty nimmt die Kette vorsichtig aus der Schachtel die ich ihr reiche und legt sie mir um. Freddy greift sich das silberne Diadem, bedeutet mir etwas in die Hocke zu gehen und setzt es dann vorsichtig, um meine kunstvolle Frisur nicht zu ruinieren auf mein Haar. "Perfekt!" Atemloses Staunen erfĂŒllt den Raum. Alle halten den Atem an und auch ich selbst wage es erst jetzt in den Spiegel vor mich zu sehen. Doch in dem winzigen Teil erkenne ich rein gar nichts. "Ich seh mich kaum.", maule ich. "So, das reicht!", ruft Freddy

theatralisch und greift sich an die Brust. "Hier wird ein richtiger Spiegel gebraucht. MĂ€dels, macht mal platz!" Er wendelt mit der Hand in der Luft herum, tritt anschließend neben mich und hĂ€lt mir beide HĂ€nde hin. "Komm!", befiehlt er mit gespannter Miene. Ich lasse mich von ihm mitziehen. Freddy fĂŒhrt mich durch das Zimmer bis zu dem großen Standspiegel in der Ecke. Die anderen treten ehrfĂŒrchtig einen Schritt zurĂŒck. "Moment, da fehlt noch was.", kreischt er, bevor ich einen Blick auf mich werfen kann. "Augen zu!

Sofort!" Erschrocken tue ich lieber was er sagt und bleibe mit geschlossenen Augen mitten im Raum stehen. Sekunden spĂ€ter merke ich wie man mir im Haar herumfummelt. Weicher Stoff kitzelt mich im Nacken und an der Nasenspitze. "Hier noch etwas Spray!", meint Patty. "Das sieht Hammer aus!", lobt Lucy. Das Schluchzen meiner Mutter wĂŒrde ich aus Hunderten anderen Frauen   heraushören. Gespannt warte ich bis ich das OK bekomme. Schließlich nimmt man

mich bei der Hand und fĂŒhrt mich ein paar Schritte vorwĂ€rts. "Du siehst wirklich wunder-wunderschön aus, SĂŒĂŸe!", raunt Anna. Ihre Stimme klingt belegt, als mĂŒsse sie sich mĂŒhsam die TrĂ€nen verkneifen. "So, es ist so weit. Öffne die Augen!", sagt Freddy. "Komm Darling, sieh' dich an!" Und ich tue es. Freddy "Oh, Baby, du siehst so scharf aus!", raunt Tristan an mein Ohr, als er

mir mit Blick in den Spiegel die Fliege gerade rĂŒckt. Und er hat recht. Ich sehe verboten gut aus, das muss ich zugeben. Zufrieden betrachte ich mein Spiegelbild. "Und du meinst, so kann ich mich als Trauzeuge sehen lassen, ja?" Er nickt und kĂŒsst mich auf die Wange. "Was ist noch zu tun?" "Absolut nichts. Daisy wird gerade der letzte Schliff verpasst. Ich geh gleich wieder zu ihr rĂŒber. Die Ärmste steht kurz vorm Burnout." Dass das ĂŒbertrieben war, weiß ich selber. Doch wenn ich jetzt lĂ€nger

mit Tristan in diesem Zimmer bleibe, garantiere ich fĂŒr nichts. "Okay, dann geh' und steh deiner besten Freundin bei! Ich habe dich ja noch den Rest unseres Lebens.", lacht er und gibt mir einen Klaps auf den Po. Dan Ich bin gerade im Bad fertig. Beim Rasieren habe ich mich leicht geschnitten und nun klebt ein kleines StĂŒck Toilettenpapier auf der Wunde an meinem Hals. Hoffentlich wĂŒrde das bis nachher verheilt sein! Ramponiert möchte

ich Daisy auf keinen Fall in der Kirche gegenĂŒber treten. Ich bin unausgeruht. Letzte Nacht habe ich schlecht geschlafen. So allein in einem Bett, das bin ich scheinbar nicht mehr gewohnt. Daisy hat mir gefehlt. Ihre NĂ€he, ihre WĂ€rme. Doch mit diesem Tag, ist das Geschichte. KĂŒnftig werde ich jede Nacht neben ihr liegen. Morgen, ĂŒbermorgen, bis ans Ende unserer Tage. Es klopft an meiner TĂŒr und ich bitte den Besucher hereinzukommen.  Um diese Zeit kann es sich eigentlich nur um Banes oder Ben handeln.

TatsĂ€chlich ist es Ben. "Na, alles klar? Bist du aufgeregt? Brauchst du noch etwas? Soll ich dir helfen?" Hagelt es Fragen. Verwirrt schĂŒttle ich den Kopf. "Nein, danke.", entgegne ich. "Obwohl, wenn du mir Banes hochschicken könntest. Ich brauche Hilfe bei der Fliege." "DafĂŒr brauchen wir deinen alten Butler nicht. Ich bin ebenfalls in der Lage eine Fliege zu binden." Mit geschickten Fingern bindet er mir den Stoff in eine elegante Form. "Klasse! Danke.", freue ich mich und klopfe ihm auf die Schulter. "Gern." Ben setzt sich auf mein

Bett. "Hast du die Ringe?" Zur Antwort zieht er die Schachtel aus der Hosentasche. "Hast du was auf dem Herzen?" Ich mustere ihn. Irgendwas stimmt nicht.   "Du kennst mich zu gut.", urteilt er grinsend. "Es gibt tatsĂ€chlich was." Ich setze mich ihm gegenĂŒber auf einen Stuhl. "Raus mit der Sprache!" "Es geht um Lily. Sie macht sich große Sorgen, ob ihre Teilnahme an der Hochzeit heute Einfluss auf ihre Stellung hier im Haus haben

wird." "Was? Wieso? Das ist doch ... quatsch!", entgegne ich schnell. "Ich weiß. Das sag ich ihr ja auch, aber sie ist bei diesem Thema völlig verbohrt." Nachdenklich kratze ich mich am Kinn. "Das klingt ,als hĂ€tte sie vor etwas ganz anderem Angst?" Ben nickt. "Das GefĂŒhl habe ich auch. Aber was könnte es sein?" "Weiß sie mittlerweile, dass du vorhast mit ihr zusammenzuziehen?", frage ich. Er nickt. "Es ist mir gestern so rausgerutscht." "Und? Wie hat sie

reagiert?" "Erschrocken." "Wirklich? Und was hat sie gesagt?", hake ich nach. "Das ich ein verrĂŒckter Spinner bin." Lachend schlage ich mir auf die Schenkel. "Ich weiß, das hast du auch gesagt.", stöhnt mein bester Freund. "Und, hat sie Andeutungen gemacht, sich das Haus zumindest einmal anzusehen? Oder hat sie von vornherein abgelehnt?" Er zuckt die Achseln. "Ehrlich? Keine

Ahnung." "Hm." "Zumindest konnte ich sie ĂŒberreden heute mitzukommen.", verkĂŒndet er stolz. "Na, das ist doch schon mal was.", lache ich. "Ben, bleib locker! Lass ihr Zeit." "Vielleicht hast du recht?", brummt er nachdenklich. "Wirst du denn erst einmal allein in das Haus einziehen?" "Es zwingt mich ja niemand. Doch es weiter leer stehen zu lassen ist ja auch Blödsinn.", sagt er. "Ich werde also demnĂ€chst einziehen und es zumindest als

Wochenendhaus nutzen." Ich nicke zustimmend. "Guter Plan. Und wer weiß, wenn du Lily einmal mit nimmst ... vielleicht verliebt sie sich gleich auch noch in das HĂ€uschen?" Er lacht, sieht auf seine Armbanduhr am linken Handgelenk und erhebt sie mit den Worten, "Genug von mir. Heute geht es um dich. Steh auf und lass dich anschauen!" "Der Wagen steht bereit.", meldet Faber als er zu mir in die Halle tritt. Er wĂŒrde mich und meine Trauzeugen in meinem Wagen zur

Kirche fahren. Ich atme noch einmal tief durch. Meine HĂ€nde sind schweißnass. Irgendwo da oben ist Daisy, sicherlich in einem wunderschönen Kleid. Ob sie genauso nervös ist und ruhelos auf und ab geht? "Dan? Wir sollten langsam mal.", reißt mich Ben aus meinen Gedanken. Ich schĂŒttle leicht den Kopf, um meine Gedanken zu sortieren. "Reiß dich zusammen!", rufe ich mich selbst zur Ordnung. Noch einmal durchatmen. Ein letzter Blick in Richtung der gewölbten Decke. Was ist, wenn sie

kalte FĂŒĂŸe bekommt und nicht kommt? Panik kriecht wie zĂ€her Schleim in mir auf. "Ben.", rufe ich panisch. "Was ist?" Er stellt sich direkt vor mich und sieht mich an. "Was mach ich, wenn sie es sich anders ĂŒberlegt?" "Was?" Er wirkt verwirrt. Zu Recht. Ich ticke ja nicht richtig! Warum sollte sie ihre Meinung Ă€ndern? NatĂŒrlich wegen des ganzen Trubels. Sie hasst das. Plötzlich erscheint es mir gar nicht mehr so abwegig, dass ich nachher umsonnst auf meine Braut warten

werde. "Sie wird nicht kommen.", jammere ich. Meine Augen fĂŒllen sich mit TrĂ€nen. "Was redest du denn da? Hat Daisy etwas gesagt?", staunt Ben und wird blass. Ich schĂŒttle heftig den Kopf. "Weshalb redest du dann solchen Blödsinn?" Ich zucke die Schultern. "Hör sofort auf damit!", befiehlt er streng. "Reiß dich zusammen, verdammt nochmal!" TrĂ€nen rinnen mir ĂŒber die Wangen. "Scheiße, Ben ... ich hab alles

versaut." "Halt den Mund!", herrscht er mich an. Doch ich denke nicht daran. Ich jammere weiter, "Ich hĂ€tte ihren Wunsch respektieren und nur unter uns im ganz kleinen Kreis heiraten sollen. In irgendeinem beschissenen Standesamt. Doch ich Blödmann  lade alle Verwandte ein und plane ein riesiges Fest." Mit einem Mal klatscht eine Hand auf meine Wange und unterbricht meinen Redefluss. Erschrocken reibe ich mir mit der Hand ĂŒber die Stelle wo Bens Hand mich getroffen

hatte. "Du hĂ€ltst jetzt sofort deinen Mund, schwingst deinen Arsch hinaus in das Auto und fĂ€hrst mit uns hinĂŒber zur Kirche! Und dort wird gleich deine Traumfrau aufkreuzen und dir das Ja-Wort geben. Ich versprech's dir." "Ich kann mir auch keine Sekunde lĂ€nger dieses Geschwafel anhören.", mischt sich Tony von der Seite ein. "Glaub mir, Danny, auch ich hatte Schiss am Tag meiner Hochzeit. Und was ist draus geworden?" "Ihr habt geheiratet.", flĂŒstere ich genervt. "Jeah genau.", lacht mein

Cousin. Abwechselnd sehe ich von einem zum anderen, bis ich schließlich zugebe, dass sie wohl recht haben und mich von meinen beiden Trauzeugen zum Bentley fĂŒhren lasse. Wie einen HĂ€ftling bugsieren sie mich in den Fond des Wagens. Fehlt ja nur noch, dass mir einer den Kopf herunterdrĂŒckt, damit ich ihn mir nicht am TĂŒrrahmen anstoße beim Einsteigen. Daisy Jetzt geht's los. Vor Aufregung war ich schon drei Mal auf der Toilette,

und schon wieder habe ich das GefĂŒhl, sie erneut aufsuchen zu mĂŒssen. Was nur Quatsch sein kann. "Bist du bereit?", fragt Anna und legt mir ihre Hand auf den Unterarm. Ich sehe sie an, mustere sie. In ihrem royalblauen Chiffonkleid sieht sie absolut sexy aus. Definitiv wird sie heute Nacht nicht allein nach Hause gehen. "Du siehst umwerfend aus!", mache ich ihr ein Kompliment. "Ich weiß.", grinst sie frech. "Aber keine ist heute so schön wie du." Sie kĂŒsst mich auf die Wange.

Anschließend tritt sie beiseite, um Freddy Platz zu machen. Auch er will ein paar letzte aufmunternde Worte mir mit auf den Weg geben. "Du weißt, dass ich dich liebe?" Ich nicke ergriffen. Nicht weinen, Daisy! Alles, nur nicht heulen. "Du bist wie ein Teil von mir. Nichts könnte mich stolzer machen als dieser Tag heute.", raunt er und legt seine Stirn an meine. "Aus meinem kleinen Entlein ist ein sexy Schwan geworden.", lobt er meinen Werdegang. "Ich bin sehr stolz auf dich! Und ich liebe dich!", wiederholt er sich. Scheinbar war auch er

aufgeregt. "Ich liebe dich auch, Schatz.", flĂŒstere ich. "Ich werde immer da sein, wenn du mich brauchst. Hast du Sorgen? Komm vorbei! Hast du Schmerzen? Ruf nen Arzt und komm dann bei mir vorbei um mir davon zu erzĂ€hlen! Bist du traurig? Dann schwingst du deinen kleinen Knackarsch erst recht zu mir, verstanden?" Lachend nicke ich. Irgendwie hat er es geschafft, dass ich zwar ergriffen bin, doch nicht weinen muss. "Und, denk immer daran, Bitch:

Girl's  just want to have fun.", grinst er und dreht eine Pirouette. Lachend werfe ich den Kopf zurĂŒck. Dann kĂŒsst er mich auf den Mund und legt mir vorsichtig den hauchdĂŒnnen weißen Schleier ĂŒber das Gesicht. Zum GlĂŒck handelt es sich nicht um so einen wie sie die BrĂ€ute frĂŒher getragen haben, dick und lang. Meine ist eher, feminin, hauchzart und von groben Maschen, die die Sicht ĂŒberhaupt nicht versperren. Doch meine Schleppe ist der Hammer! Drei Meter lang und mit silbernen Stickereien verziert. "Los geht's! Bereit? Letzteres galt

mir. Ich atme tief durch und lege meine Hand auf meinen Bauch. Anna reicht mir den Strauß aus weißen Rosen, zartrosa Nelken und einigen Zweigen GrĂŒnzeug. Unser eigener GĂ€rtner hatte es sich nicht nehmen lassen und hat ihn fĂŒr mich zusammengestellt und gebunden. Mit zitternden Fingern umgreife ich die mit weißem Band ummantelten Stiele. Meine Atmung bebt. Die Aufregung lĂ€sst mich zittern und jagt mir eine GĂ€nsehaut ĂŒber den Körper. Am oberen Treppenabsatz der Empore angelangt geht Freddy

etwas voraus und ruft laut ĂŒber das GelĂ€nder, "Hier kommt die Braut."   Gemurmel dringt bis zu mir herauf an mein Ohr. Er nickt mir aufmunternd zu. Langsam und von Gwen und Anna gestĂŒtzt schreite ich die mit rotem Teppich ausgelegten Stufen hinunter. Ängstlich lasse ich den Blick ĂŒber die anwesenden Personen schweifen. Mein Vater, Henry, Mister Banes, sowie Mrs Parker stehen Spalier und sehen zu mir auf. TĂ€usche ich mich, oder glitzern in den Augen meines Vaters TrĂ€nen? Kaum das ich heil unten angelangt

bin lassen meine Freundinnen mich los und mein Vater tritt an meine Seite. Er reicht mir seinen Arm und ich hake mich unter. Er tĂ€tschelt mir mit seiner Hand die meine. "Du bist wunderschön, Kind!", flĂŒstert er ergriffen. "Einfach wunder-wunderschön!" "Danke, Daddy!", entgegne ich mit zittriger Stimme. "Na dann komm! Dann wollen wir dich mal unter die Haube bringen." Er lacht, doch es klingt ein wenig gequĂ€lt. Sicher ist es fĂŒr einen Vater schwer, seine einzige Tochter einem fremden Mann zu

ĂŒberlassen. "Darf ich Ihnen versichern, dass sie wundervoll aussehen?", wendet sich Banes an mich. "Oh, vielen Dank, Mister Banes!", flöte ich ergriffen. "Das ist sehr freundlich!" Vor der TĂŒr steht die Kutsche. Vier auf Hochglanz gestriegelte Schimmel sind davor gespannt. Mister Cooper sitzt, wie bei der Probe, in seiner feinen Livree auf dem Kutschbock. Anna und Gwen steigen zuerst ein. Daddy hilft mir wegen des Kleides  beim Einsteigen, und kaum sitze ich, fummeln meine Brautjungfern

an meinem Kleid herum. Legen die Stofflagen in die richtige Position, rĂŒcken meinen Schleier zurecht. "Miss!", höre ich da jemanden rufen. Freddy, der gerade vorn auf den Kutschbock steigen will, hĂ€lt inne und starrt unsere Köchin Mrs. McAdams entgegen. "Was will sie denn?", frage ich flĂŒsternd an Dad gewandt. "Keine Ahnung.", gibt er leise zu. "Miss." McAdams war neben die Kutsche getreten. Sie reckt den Kopf und erklĂ€rt, "Hier ist es Brauch der Kutsche mit der Braut einen Schuh nachzuwerfen. Das

bringt GlĂŒck." Sie zwinkert und lacht ĂŒber mein verdutztes Gesicht. "Nur damit Sie sich nicht wundern. Wir sehen uns gleich in der Kirche." Ich nicke zustimmend, aber schweigend und lehne mich zurĂŒck. Freddy setzt sich neben Cooper, der schnalzt mit der Zunge und die Pferde ziehen an. Neugierig, was gleich passieren wird, wenden wir uns um und sehen zurĂŒck. "Viel GlĂŒck!", schreit Mrs. McAdams, hebt den Arm und wirft den alten Budapester. Der Schuh knallt gegen das zusammengeklappte Verdeck und

plumpst auf den Kies. Lachend winke ich und drehe mich wieder um. "Seltsamer Brauch. Aber wenigstens mit Stil.", urteilt Freddy. "Hast du gesehen? Es war ein Budapester." Ich nicke schweigend. Die Aufregung nimmt von Sekunde zu Sekunde zu, sodass ich nicht sprechen kann, ohne Gefahr zu laufen loszuheulen. Die RĂ€der der Kutsche knirschen auf dem Kies, werden auf leise rauschend gedimmt als wir den Asphalt der Dorfstraße erreichen. WĂ€hrend wir durch das Dorf rollen, laufen mehr und mehr Leute aus

ihren HĂ€usern und VorgĂ€rten an den Straßenrand um uns lautstark zuzujubeln. "Hoch lebe die Grafschaft Embley!" und "Alles Gute!" rufen sie. Kinder schwingen sogar selbst gebastelte FĂ€hnchen. GerĂŒhrt winke ich in alle Richtungen. Freddy winkt begeistert mit. Anna und Gwen halten sich dezent zurĂŒck und belassen es bei einem höflichen LĂ€cheln. Mein Vater macht ein Gesicht, als wĂ€re ich die Kronprinzessin und wĂŒrde gleich zur Königin gekrönt. Stolzer kann ein Vater sicherlich nicht

sein. Viel zu schnell erreichen wir die kleine Kirche St. Clemens. Die gotische Kirche gehört zum Grund von Embley Abbey und ist eigentlich auch zu Fuß locker zu erreichen. Doch auf die Kutschfahrt wollte ich auf keinen Fall bei meiner MĂ€rchenhochzeit verzichten. Der Kirchhof ist leer. Alle GĂ€ste sind bereits im GebĂ€ude. Cooper pariert die Pferde durch und lĂ€sst sie anhalten. Freddy springt lĂ€ssig vom  Kutschbock und streichelt dem nĂ€chst stehenden Tier den

Hals. Gwen, Anna und mein Vater sind mir beim Aussteigen behilflich. Zwar ist mein Kleid nicht allzu ausladend, dennoch ist es alles andere als einfach aus einer altertĂŒmlichen Kutsche zu klettern. Der Boden schwebt immerhin einen guten halben Meter in der Luft. Besonders mit einer solch langen Schleppe wie ich sie trage. Doch auch das gelingt problemlos. Freddy, mein Stylist heute wuselt sofort um mich herum. RĂŒckt noch einmal den Schleier zurecht,  drapiert die Schleppe in einem ordentlichen Kreis um mich herum.

Plötzlich steht der Fotograf vor mir und beginnt zu knipsen. Erschrocken zucke ich zusammen. Obschon ich ihn selbst engagiert habe. "Ja, super. Klasse! Und jetzt mal mit den Brautjungfern!", ruft er eifrig. Als sich nun Freddy links neben mir in Positur stellt, macht er ein erstauntes Gesicht, fotografiert aber dennoch weiter ohne einen Kommentar abzulassen. "Gut, das reicht. Nachher geht's weiter.", verkĂŒndet er und geht ab. Cooper kĂŒmmert sich um die Pferde. Irgendein Dorfbewohner hat Eimer mit Wasser angeschleppt

und diese hĂ€lt er ihnen jetzt vor die Schnauzen.   "Na, Kleines, bist du bereit?", fragt Daddy und reicht mir wieder seinen Arm. Ich nicke, setze ein LĂ€cheln auf und atme tief durch. Gemeinsam gehen wir direkt auf die noch geschlossene FlĂŒgeltĂŒr der Kirche zu. Freddy, Gwen und Anna folgen uns. Als ich mich zu ihnen umdrehe, zwinkert Freddy lĂ€ssig, Anna wirft  mir eine Kusshand zu und Gwen lĂ€chelt scheu. Erleichtert, weil meine besten Freunde bei mir sind, wende ich mich wieder um und sehe mutig

meiner Zukunft entgegen. Dan "Gleich mĂŒssten sie eigentlich kommen.", murmelt Tony. Unser Einlauf in die Kirche verlief reibungslos. Wie schon bei der Probe haben wir das sakrale GebĂ€ude durch den Seiteneingang betreten und sind geschlossen hinĂŒber zu dem Altar gelaufen, wo wir nun schon seit einer geschlagenen Viertelstunde auf die Ankunft der Braut warten. Doch laut Ben liegt sie absolut in der

Zeit. "Mach doch nicht so einen Stress, Tony!", mahnt Ben. "Daisy ist nicht zu spÀt. Bei der Probe haben wir das doch besprochen. Die Braut darf eine halbe Stunde spÀter eintreffen. Das ist völlig normal." Ich nicke und versuche mich zu beruhigen. Um mich abzulenken, suche ich den Blick meiner GÀste. Ich lasse ihn schweifen und entdecke Daisys Mutter, meine Tante eintrÀchtig nebeneinander in der ersten Reihe sitzen. Beide Frauen unterhalten sich leise. Neben ihnen sitzt eine Àltere Dame allein. Sie trÀgt, typisch britisch zu

besonderen AnlĂ€ssen, einen riesigen bunten Hut. Das dĂŒrfte Louise Richardson sein. Daisy's Granny vĂ€terlicherseits. Auf der anderen Seite, neben ihrer Mutter sitzt ein ergrautes Ehepaar. Sicher ihre anderen Großeltern? Wie hießen die noch gleich? Sie heißt Hellene oder so Ă€hnlich. Und er? Keinen Schimmer. Ich suche weiter nach einem bekannten Gesicht. Audrey sitzt, mit dem Baby auf dem Schoss und den beiden Zwillingen links und rechts auf der anderen Seite der BĂ€nke. Noch wirken die Kinder ruhig und zufrieden. Mal

sehen wie lange noch? Von Fotos kenne ich Daisys Tante Violett und deren Mann Paul. Violett ist wohl die beste Freundin von Clara. Und von ihr hat Daisy auch ihren zweiten Vornamen. Soviel zu der Freundschaft. Ihre gemeinsamen Kinder, Daisys Cousin und Cousine David und Susan. Letztere ist in Begleitung. Die anderen Verwandten kenne ich nicht. Aber vielleicht werde ich spÀter noch Gelegenheit haben sie kennenzulernen? In einer der hinteren Reihen entdecke ich Paul, Daisys Teilhaber und Freund. Ich   ihn persönlich zu

begrĂŒĂŸen und willkommen zu heißen. Zum Schluss betreten noch einige Angestellte von Embley Abbey die Kirche. In ihren feinsten Sachen und die Damen mit Hut setzen sie sich schĂŒchtern in die hinteren Reihen. Ich verabschiede mich von Paul und gehe zu ihnen. "Meine Lieben.", eröffne ich. "Ich bin gerĂŒhrt und freue mich wirklich, dass Sie heute alle gekommen sind!" Peinliches Murmeln und freundliches LĂ€cheln kommt zur Antwort. "Wir wĂŒnschen Ihnen alles Gute,

Mylord!", sagt Banes. Er war aufgestanden und verbeugt sich leicht. Freundschaftlich klopfe ich ihm auf die Schulter. "Vielen Dank! Ihnen allen. Das bedeutet mir viel!" "Ähm, Mister Edwards.", ruft Tippswick mich zu sich nach vorn an den Altar. Ich entschuldige mich und eile auf meinen Platz zurĂŒck. Jetzt geht es los. "Sie ist da. Die Kutsche ist da.", ruft irgendjemand fröhlich. Aufgeregtes Gemurmel brandet auf. Jemand lacht. Das Baby, sicherlich wegen der Unruhe, beginnt zu weinen. Die Kleine Alice und ihr Bruder Aubrey werden von Julia in die zweite

Reihe geschoben. Wie zwei Puppen wurden sie herausgeputzt. Ob die das gut finden? Winzige Weidenkörbchen in ihren HĂ€nden haltend sitzen sie nun links und rechts neben ihrer Oma. Julia redet auf sie ein. Ben klopft mir auf die Schulter und lenkt meine Aufmerksamkeit wieder auf sich. "Jetzt wird's ernst.", formen seine Lippen tonlos. Ich nicke. Reden kann ich nicht, viel zu sehr schnĂŒrt mir die Aufregung die Kehle zu. Tippswick zischt, "Und denken Sie dran, zu mir sehen!" Ich nicke schweigend und fixiere

das Kruzifix hinter seiner linken Schulter. Schweiß steht mir auf der Stirn. Die HĂ€nde sind klatschnass. Ich wische sie mir unauffĂ€llig an meinem Hosenbein ab. Nun nickt der Pastor in Richtung der Orgel. Das Zeichen fĂŒr die Organistin. Im selben Augenblick wie die ersten Töne der Orgel erklingen, schwingen auch die TĂŒren auf. Ein krĂ€ftiger Windstoß weht durch die Kirche und lĂ€sst den BlĂŒtenschmuck erzittern. Ich kann nicht anders. Ich drehe mich um. Um nichts auf der Welt will ich Daisy verpassen, wie sie diesen Gang entlang schreitet. UnglĂŒck

hin, Regeln her. Dadurch, dass das GebĂ€ude auf einem kleinen HĂŒgel steht, liegt der sonnenbeschienene Kirchhof noch leer vor uns wie das BĂŒhnenbild eines Theaters. Ein Raunen geht durch die Menge, als der schwarze Zylinder meines Schwiegervaters am Horizont erscheint. StĂŒck fĂŒr StĂŒck vervollstĂ€ndigt sich das Bild einer Braut in Weiß und einem Gentleman im schwarzen Frack. Und ihren Brautjungfern dahinter. Daisy wirkt wie eine Erscheinung. Die Sonne lĂ€sst die Stickereien auf ihrem Kleid glitzern und funkeln. Ihr honigblondes Haar strahlt und

das Edwardsche Diadem funkelt unter dem Schleier wie ein Heiligenschein. Die ĂŒberlange Schleppe gleitet huldvoll hinter ihr ĂŒber den Kiesweg. Das erhabene Grinsen auf Henrys Gesicht lĂ€sst meine Brust ebenfalls vor Stolz anschwellen. Nur noch wenige Minuten und diese Frau gehört zu mir. Dann darf ich sie Mein nennen. Daisy und Henry sind am Eingang angelangt. In dem Moment wo ihre Schuhe den steinernen Boden der Kirche betreten, stehen kollektiv alle Anwesenden in ihren BĂ€nken auf und drehen ihre Köpfe in ihre

Richtung. Unter den KlĂ€ngen des Canons schwebt Daisy engelsgleich nĂ€her und nĂ€her auf mich zu. Ben rĂ€uspert sich und auch Tony sehe ich aus den Augenwinkeln herumzappeln. Na klar, sie ist das schönste Wesen, was je ein Mann zu Gesicht bekommen hat! Knapp einen Schritt hinter uns, wie geprobt, bleiben sie fĂŒr einen Moment stehen. Henry löst sich von Daisys Arm, drĂŒckt mit einem tiefen Blick in ihre Augen ihre HĂ€nde und flĂŒstert etwas an ihr Ohr. Abschließend kĂŒsst er sie auf beide Wangen. Als er sich mir zuwendet, sehe ich, dass er weint.

Tapfer nickt er mir zu und formt lautlos, "Viel GlĂŒck!" Ich nicke dankbar und schenke ihm ein zögerndes LĂ€cheln. Er nimmt neben seiner Frau in der ersten Reihe platz. Doch das sehe ich nur aus den Augenwinkeln. Meine Aufmerksamkeit gilt voll und ganz Daisy. Freddy geht direkt hinter ihr. Die anderen beiden MĂ€dels nehmen schrĂ€g vom Altar auf Daisys Seite der Kirche Aufstellung. Ich beobachte wie Freddy geschickt und eilig Daisys Kleid ordnet, die Schleppe korrekt drapiert und ihr ein aufmunterndes LĂ€cheln zuwirft.

Dann stellt er sich zu Anna und Gwen. Ich betrachte sie. Nehme jeden Zentimeter ihrer Gestalt in mir auf. Meine Braut. Da steht sie. Sie ist tatsĂ€chlich gekommen. Meine Sorge war unbegrĂŒndet. Wie eine Prinzessin sieht sie aus. Einer Countess wĂŒrdig. Die bestickte Corsage liegt eng an ihrem Oberkörper an und geht nahtlos in einen weiten Rock aus TĂŒll und Seide ĂŒber. Wie ein Wasserfall aus flĂŒssiger Seide ergießt sich die Schleppe an ihrem RĂŒcken herab, ĂŒber den Boden, um schließlich wie ein See halb um ihre Gestalt

liegenzubleiben.   SchĂŒchtern wirft sie mir unter ihrem weißen Schleier ein LĂ€cheln zu. "Hi.", formen ihre rosa Lippen. "Hey.", flĂŒstere ich. "Schön dich zu sehen!" Sie nickt. "Bereit?" Ich nicke. Die letzten Takte der Musik ertönen und es wird still. Tippswick rĂ€uspert sich. Er gestikuliert den GĂ€sten platz zu nehmen. Nur wir und unsere Zeugen bleiben stehen. Wie bereits in der Probe beginnt Tippswick irgendwas ĂŒber die Liebe, Gott und die Welt zu reden.

Und ebenfalls wie in der Probe, kann ich mich nicht darauf konzentrieren. Ich nicke, wenn ich der Meinung bin das es angebracht ist. Und lege ansonsten ein dĂŒmmliches Grinsen auf. Erneut Orgelmusik. Alle, bis auf wir, singen ein Lied. Der Priester beginnt mit seiner eigentlichen Trauansprache. Ich höre wieder nur mit halbem Ohr zu.   Doch bei der Stelle des Ringtausches und den damit verbundenen Eheversprechen bin ich wieder ganz da. Jetzt nur nichts versauen. Lange habe ich meinen

Text einstudiert um ihn heute fehlerfrei, und vor allem ohne Spickzettel vortragen zu können. Tippswick rĂ€uspert sich, sieht abwesend von einem zum anderen und spricht langsam und mit voller Stimme, "Liebes Brautpaar! Sie sind in dieser entscheidenden Stunde Ihres Lebens nicht allein. Sie sind umgeben von Menschen, die euch nahestehen. Sie dĂŒrfen die Gewissheit haben, dass Sie mit unserer Gemeinde und mit allen Christen in der Gemeinschaft der Kirche verbunden sind. Zugleich sollen Sie wissen: Gott ist bei Ihnen. Er ist der Gott Ihres Lebens

und Ihrer Liebe. Er   Heiligt Ihre Liebe und vereint Sie zu einem untrennbaren Lebensbund. Ich bitte Sie zuvor, öffentlich zu bekunden, dass Sie zu dieser christlichen Ehe entschlossen sind." Sein Blick bleibt an mir kleben. Mir wird heiß. Mein Herz hĂ€mmert in der Brust. Sicherlich können es auch die Leute in der letzten Reihe schlagen hören. "Daniel Jonathan Edwards, ich frage dich: Sind Sie hierhergekommen, um nach reiflicher Überlegung und aus freiem Entschluss mit Ihrer Braut,

Daisy Violett Richardson, den Bund der Ehe zu schließen?" Noch nie ist es mir so leicht gefallen ja zu sagen. Ich nicke und rufe mit fester Stimme. "Ja!" "Wollen Sie Ihre Frau lieben und achten und ihr die Treue halten alle Tage ihres Lebens?" "Ja!" Er nickt zustimmend und wendet sich nun Daisy neben mir zu. "Daisy Violett Richardson, ich frage Sie: Sind Sie hierhergekommen, um nach reiflicher Überlegung und aus freiem Entschluss mit Ihrem BrĂ€utigam Daniel Jonathan Edwards den Bund der Ehe zu

schließen?" Daisy nickt zitternd und erwidert mit ebenso zittriger Stimme. "Ja!" Auch sie wird von ihm gefragt, "Wollen Sie Ihren Mann lieben und achten und ihm die Treue halten alle Tage seines Lebens?" Wieder ein, "Ja!" Laut fragt der Priester, "Sind Sie beide bereit, die Kinder anzunehmen, die Gott Ihnen schenken will, und sie im Geist Christi und seiner Kirche zu erziehen?" Unisono antworten wir mit "Ja!" "Sind Sie beide bereit, als christliche Eheleute

Mitverantwortung in der Kirche und in der Welt zu ĂŒbernehmen?" "Ja!" Korrekt wie er ist verpasst Ben seinen Auftritt nicht, tritt vor und reicht dem Priester die Ringe auf einem kleinen roten Samtkissen. "Sie sind also beide zur christlichen Ehe bereit. Bevor Sie den Bund der Ehe schließen, werden die Ringe gesegnet, die Sie einander anstecken werden." Er beugt sich ĂŒber das Kissen und murmelt, "Herr und Gott, du bist menschlichen Augen verborgen, aber dennoch in unserer Welt

zugegen. Wir danken dir, dass du uns deine NĂ€he schenkst, wo Menschen einander lieben. Segne diese Ringe, segne diese Brautleute, die sie  als Zeichen ihrer Liebe und Treue tragen werden. Lass in ihrer Gemeinschaft deine verborgene Gegenwart unter uns sichtbar werden. Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn." Etwas lauter sagt er, "So schließen Sie jetzt vor Gott und vor der Kirche den Bund der Ehe, indem Sie das VermĂ€hlungswort sprechen. Dann stecken Sie einander den Ring

der Treue an." Gespanntes Schweigen. Nervös starre ich auf die silbernen Reife. Jetzt ist es so weit. Er nickt mir aufmunternd zu. Ich hole tief Luft und rufe laut, aber nicht zu laut, "Daisy, vor Gottes Angesicht nehme ich dich an als meine Frau. Ich verspreche dir die Treue in guten und in bösen Tagen, in Gesundheit und Krankheit, bis der Tod uns scheidet. Ich will dich lieben, achten und ehren alle Tage meines Lebens." Meine zitternde Hand greift sich den kleineren Ring, die andere ihre linke Hand. Mit den Worten," Trag diesen Ring

als Zeichen unserer Liebe und Treue!" Ein Raunen geht durch die Kirche. Tippswick ergÀnzt, "Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes." Ich murmle das Gebet leise mit. Daisy starrt erst auf ihre Hand und dann hinauf geradewegs in meine Augen. Ich lÀchle stolz. Nun ist sie dran. Mit fester femininer Stimme sagt sie, "Daniel, vor Gottes Angesicht nehme ich dich an als meinen Mann. Ich verspreche dir die Treue in guten und in bösen Tagen, in Gesundheit und Krankheit, bis der Tod uns scheidet. Ich will dich

lieben, achten und ehren alle Tage meines Lebens." Ihre kleine Hand greift nach dem verbliebenen Ring und steckt ihn mir an die ausgestreckte Hand beziehungsweise Finger. "Trag diesen Ring als Zeichen unserer Liebe und Treue." Gemeinsam mit Tippswick, "Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes." Anschließend sagt er an uns beide gewandt, "Reichen Sie nun einander die linke Hand. Gott, der Herr, hat Sie als Mann und Frau verbunden. Er ist treu. Er wird zu Ihnen stehen und das Gute, das er begonnen hat,

vollenden." WĂ€hrend er spricht, legt er seine Stola um unsere ineinander gelegten HĂ€nde. Obenauf legt er seine rechte Hand und spricht, "Im Namen Gottes und seiner Kirche bestĂ€tige ich den Ehebund, den Sie geschlossen haben." Er hebt den Kopf, richtet sich nun an die Trauzeugen. "Sie aber und alle, die zugegen sind, nehme ich zu Zeugen diesen heiligen Bundes. Was Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen." Er sieht uns an und flĂŒstert, "Sie dĂŒrfen die Braut jetzt kĂŒssen!" Das lasse ich mir nicht zweimal

sagen. Vorsichtig greife ich den Schleier mit beiden HĂ€nden und lege ihn ĂŒber ihren Kopf. Wie ein Ertrinkender auf einen Rettungsring stĂŒrze ich mich auf die Lippen meiner Frau. Ein Seufzen und Raunen ist zu hören. "Und nun wollen sich unsere Brautleute ihre selbst verfassten Eheversprechen geben.", verkĂŒndet er abschließend und nimmt seine Stola wieder an sich. "Du bist dran!", flĂŒstert Daisy lĂ€chelnd. Ich nicke. "Ist gut. Ich schaff das!",

spreche ich mir selbst Mut zu. Ich halte ihre Hand, sehe ihr tief in die Augen und zitiere meine selbst verfassten Zeilen. "Daisy, du kennst mich besser als irgendjemand anderes auf dieser Welt und trotzdem schaffst du es, mich zu lieben. Du bist mein bester Freund und meine große Liebe. Da ist noch immer dieser Teil in mir - der nach all diesen Jahren mit dir -  nicht glauben kann, dass ich derjenige sein darf, der dich heiratet." Irgendwer kichert. Eines der Kinder ruft, "Langweilig!" Lachen. Unbeirrt fahre ich fort, "Daisy, es wird mir eine Ehre sein, mich fĂŒr

Dich zu opfern, um Dich zu retten. Ich werde meine Seele fĂŒr Deine gebe, wenn das Böse etwas fordert. Sollte der Tod seinen Tribut verlangen, werde ich ihm mein Leben fĂŒr Deines bieten. Ich ĂŒbergebe mich in Deine HĂ€nde." Ich finde, ich habe es ganz gut gemacht! Meine Botschaft dĂŒrfte angekommen sein. Und wenn ich mir Daisy so anschaue, mit TrĂ€nen in den Augenwinkeln habe ich sie tief beeindruckt. "Gut, jetzt ich.", murmelt sie und tupft sich mit dem Zeigefinger die Augenwinkel. Sofort ist Freddy zur Stelle und reicht ihr ein

blĂŒtenweißes Stofftaschentuch. Dankbar lĂ€chelt sie ihm zu und benutzt es. Ich nicke und warte ab bis sie so weit ist. Eine Minute spĂ€ter hat sie sich soweit gesammelt, dass sie ihrerseits ihr Versprechen ablegen kann. Mit zitternder Stimme und nicht ohne den Blick von meinen Augen zu lösen verkĂŒndet sie, "Daniel, auch heute noch zaubert mir der Gedanke an Dich ein LĂ€cheln auf mein Gesicht. Von heute an verspreche ich Dir: Ich werde mit Dir lachen in Zeiten der Freude, Dir Trost spenden in Zeiten der

Sorge. Ich werde Deine TrĂ€ume teilen und Dich unterstĂŒtzen, Deine Ziele zu erreichen. Ich werde Dir mit Begeisterung und VerstĂ€ndnis zuhören und Dir aufbauende Worte sagen. Ich werde Dir helfen, wenn Du Hilfe benötigst und Dir deinen Freiraum lassen, wenn Du ihn brauchst. Ich werde Dir in guten und in schlechten Zeiten vertrauen, in Zeiten von Krankheit und Gesundheit. Du bist mein bester Freund. Ich werde Dich immer respektieren

und lieben." Ich schlucke. Ihre Worte treffen mich mitten ins Herz. Und sie passen wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge. Doch sie ist noch nicht am Ende. Ein Literaturzitat, typisch fĂŒr meine Daisy, folgt noch. Und so zitiert sie frei aus Emily BrontĂ«'s Sturmhöhe, "Daniel, du bist mehr ich selbst als ich es bin. Woraus unsere Seelen auch gemacht sind, deine und meine sind gleich." Der Kloß, den ich zunĂ€chst erfolgreich aus meinem Hals habe, herunterschlucken können, ist wieder zurĂŒck und lĂ€sst mich keuchen. "Oh Darling!", hauche ich

ergriffen. Erneut kĂŒssen wir uns. Tosender Applaus brandet auf. Keine Ahnung, ob so etwas in einer Kirche erlaubt oder ĂŒblich ist? Scheißegal! Ich kĂŒsse meine Frau. Lange und intensiv, bis sich der Priester rĂ€uspernd zu Wort meldet und bittet, "DĂŒrfte ich dann fortfahren? Einen Programmpunkt hĂ€tten wir noch." Lachend lösen wir uns voneinander. Vorerst. "Es folgt das Gebet.", verkĂŒndet er so das es alle hören können. Wie aufs Stichwort erheben sich alle. Mit Gottes Segen und als Mann und Frau machen wir uns daran das

sakrale GebĂ€ude zu verlassen. Unsere beiden Blumenkinder treten vor uns in den Gang, greifen mit einer Hand in ihre Körbe und werfen schwungvoll und unter leisem Lachen rosa BlĂŒtenblĂ€tter ĂŒber ihre Köpfe. Na ja, zumindest Alice tut es. Aubrey nimmt jedes Blatt einzeln und wirft es direkt vor seine FĂŒĂŸe. Wie auf ein unsichtbares Kommando beginnen sie wie winzige Soldaten steif und gekĂŒnstelt Schritt fĂŒr Schritt vorwĂ€rts das Kirchenschiff herunterzugehen. LĂ€chelnd folgen wir ihnen. Nicken mal nach links, mal nach rechts irgendeinem

Gesicht zu. Die FlĂŒgeltĂŒr öffnet sich wieder und gibt den Weg frei. Gemeinsam treten wir hinaus in den Sonnenschein. Sogleich ist der Fotograf zur Stelle und frönt seinem Berufszweck. Es hagelt Anweisungen wie wir uns hinzustellen oder zu gucken haben. Doch nach einigen Aufnahmen ist es vorbei. Unsere GĂ€ste nehmen rechts und links des Kirchenportals Aufstellung und plötzlich regnet es Weizen auf uns nieder. SpĂ€ter erklĂ€rt mir Spencer, dass es in den lĂ€ndlichen Gegenden ĂŒblich ist, Weizen statt Reis als GlĂŒcksbringer zu

streuen. Lachend hebt Daisy die HĂ€nde schĂŒtzend ĂŒber ihren Kopf. "Das finden wir sicherlich noch Tage spĂ€ter in jeder Körperöffnung.", scherzt sie. Lachend hebe ich sie hoch und wirbel sie im Kreis herum. "Ich bin so glĂŒcklich, weißt du das?" "Ich hab' da so eine Ahnung.", grinst sie frech. "Hey, Mister Edwards.", flĂŒstert sie und kĂŒsst mich auf den Mund. Langsam stelle ich sie zurĂŒck auf die FĂŒĂŸe und flĂŒstere zurĂŒck, "Hallo, Mrs. Edwards."

6.

Einige Tage spĂ€ter Freddy “Nein. Ich hab doch gesagt etwa zehn Zentimeter nach rechts.” “Freddy, du machst mich wahnsinnig!”, jammert er. “Erst steht es zu weit links. Dann ist es dir wieder zu weit rechts. Und nun reichts dir immer noch nicht.” Ich hebe entschuldigend die Schultern. “Nun ja, was soll ich sagen? Du hast gewusst, worauf du dich einlĂ€sst, als du mich gebeten

hast, mit dir zusammen zu ziehen.” Tristan grinst mich schief an. “Du machst mich wahnsinnig!”, wiederholt er grinsend und zerrt dennoch das Sofa die gewĂŒnschte Anzahl an Zentimetern nach rechts. “Aber dennoch vergöttere ich dich.” “Prima!”, jubel ich und klatsche entzĂŒckt in die HĂ€nde. “Genau da.” Nun können wir uns auf dem Sofa austoben, ohne das die Nachbarn unfreiwillig Zeuge unseres Liebesspiels werden. Seit unseres Umzugs gestern, waren wir gefĂŒhlt ununterbrochen dabei Kisten zu schleppen, Klamotten aus und wieder einzupacken und Möbel

zu rĂŒcken. Ich bin zwar völlig fertig, doch das hĂ€lt mich nicht davon ab mich jetzt auf meinen Freund zu stĂŒrzen und mit ihm gemeinsam rĂŒcklings auf das besagte Sofa zu plumpsen. “Was hĂ€ltst du davon, wenn wir jetzt shoppen gehen?”, fragt er schnaufend. “Was? Hier?”, staune ich. “Gibt’s hier ein MöbelgeschĂ€ft?”, stellt er die Gegenfrage. “Ach so. Möbel willst du kaufen.” Die EnttĂ€uschung war mir, glaube ich, deutlich anzuhören. “Was dachtest du denn? Etwa Klamotten?”, lacht

Tristan. “Logisch, Klamotten. Alles andere wĂŒrde ich nicht shoppen gehen nennen.” Schmollend schiebe ich wie ein trotziges Kind die Unterlippe vor. “Warum willst du Möbel kaufen? Das Haus 
”, dabei mache ich eine ausholende Handbewegung. “... ist doch möbliert. Und wie ich finde, gar nicht mal so ĂŒbel.” Tristans Augen folgen meiner Hand. Er nickt. “Ja, schon. Aber ich finde 
” er grinst breit, wĂ€hrend er das letzte Wort in die lĂ€nge zieht. “... es könnte noch unseren persönlichen Touch

gebrauchen.” Nun sehe ich mich selbst in unserer guten Stube um. Er hat recht. Es ist zwar ganz hĂŒbsch eingerichtet, doch unser Stil ist es noch nicht. “Also gut.”, stimme ich zu. “Wohin?” “Such’s dir aus. London oder Birmingham.” Ich nehme mir einen Augenblick, um beide StĂ€dte gegeneinander abzuwĂ€gen und entscheide mich schließlich fĂŒr London. “Da kennen wir die GeschĂ€fte und wissen, dass sie das fĂŒhren, was wir suchen.”, erklĂ€re ich. “Stimmt auch wieder. Dann mal

los!” Tristan springt auf und schickt sich an loszulaufen. Doch nicht mit mir, Freundchen. Besitzergreifend greife ich nach seiner Hand und reiße sie mit einem Ruck an mich. Überrascht gerĂ€t er ins Straucheln, stolpert und fĂ€llt zu mir zurĂŒck auf das Sofa. Er kann gerade einmal “Was 
” sagen, da habe ich seinen Mund schon mit meinem verschlossen. In etwa eine Stunde spĂ€ter saßen wir dann doch im Wagen und fuhren in Richtung London. Ben

“Und, was sagst du?” Gemeinsam steigen wir die ausgetretenen Stufen ins Erdgeschoss hinab. “Wozu?”, fragt sie und macht große Augen. “Na zum Haus und ob du hier mit mir 
” “Etwa zusammen wohnen?”, fĂ€hrt sie mir entsetzt dazwischen. Nervös lachend fahre ich mir mit der Hand durchs Haar. “NatĂŒrlich. Was dachtest du denn, weshalb ich dir das Haus zeige?” “Na, ich dachte, du möchtest es mir einfach zeigen.” Sie zuckt die

Achseln. “Ja, na klar, möchte ich das, aber ich will auch, dass wir hier gemeinsam leben. Du und ich.” Meine HĂ€nde greifen nach ihr, doch sie weicht ihnen aus. “Hey, was ist denn los?”, frage ich, erstaunt ĂŒber ihre Reaktion. “Ben, ich 
 ich weiß nicht. Ich bin zu jung dafĂŒr.” “Wozu?”, frage nun ich völlig verwirrt. “Zum Zusammenleben. Hier.” Ihre Hand beschreibt eine ausholende Geste. “Du meinst, du bist zu jung um einen eigenen Hausstand zu

fĂŒhren?” Sie nickt. “Du bist 26 Jahre alt, Lily. Meinst du nicht, dass es okay wĂ€re auszuziehen?” Ich probiere es mit einem LĂ€cheln. Doch sie starrt mich nur an. “Ich 
 ich 
” “Lily.” Ein Schritt genĂŒgt und ich kann sie in die Arme schließen. “SĂŒĂŸe, bitte glaube mir, du bist so weit. Ich möchte hier mit dir gemeinsam leben. Als Paar.”, flĂŒstere ich in ihr Haar. “Ach Ben.”, seufzt sie. Ihre schlanken Arme umschlingen meine

Mitte. “GefĂ€llt dir die Einrichtung nicht?”, frage ich und wedel mit der freien Hand in der Luft herum. “Wenn es das ist, mir gefĂ€llts auch nicht. Das ist aber kein Problem. Die Handwerker sind schon bestellt.” Lily schĂŒttelt den Kopf. “Nein, das ist es nicht. Ich fĂŒhle 
“ Sie holt tief Luft. “... mich einfach noch nicht bereit.” Erstaunt, weil ich angenommen habe, sie wĂ€re in unserer Beziehung ebenso glĂŒcklich wie ich es bin, lehne ich mich etwas zurĂŒck um sie besser ansehen zu können. “Lily, ich dachte, wir sind glĂŒcklich

miteinander?” Ich musste sie einfach fragen. Sie seufzt erneut. “Ach Ben, natĂŒrlich bin ich glĂŒcklich. Aber ich bin einfach noch nicht bereit.” Sie löst sich aus meiner Umarmung, tritt ein paar Schritte zurĂŒck und fĂ€hrt mich mit aufbrausend an ”Warum verstehst du das nicht?” Ergeben hebe ich beide HĂ€nde und rufe “Wow! Beruhige dich bitte!” Nun dreht sie sich um, lĂ€uft in die KĂŒche und von da aus hinaus auf die Terrasse. Ich folge ihr mit großen Schritten. “Hey, was ist denn los?” Lily steht auf der Wiese unter dem

alten Apfelbaum und starrt auf das Wasser. Vorsichtig nĂ€here ich mich ihr und bleibe neben ihrer schlanken Gestalt stehen. “Lily 
” Sie sieht mich an. TrĂ€nen glitzern in ihren Augen. Sofort hat sie meine volle Aufmerksamkeit. “Hey, SĂŒĂŸe, was ist denn los?” Wieder nehme ich sie in die Arme. Da kein Widerstand kommt, drĂŒcke ich sie etwas fester an mich. “Da ist doch noch mehr, oder? Sag’s mir! Was ist der wahre Grund, dass du nicht mit mir zusammenziehen möchtest?” Einen langen Moment scheint sie ĂŒber ihre Antwort nachdenken zu

mĂŒssen, schließlich sagt sie leise “Ich habe Angst.” Erstaunt ziehe ich die Augenbrauen hoch. “Aber warum denn?” “Weil 
 weil ich eben Angst habe mit einem Mann allein zusammen zu leben.” “Du hast Angst vor mir?” Nun bin ich sprachlos. Diesen Eindruck hat sie mir in den Monaten unserer Bekanntschaft noch nicht vermittelt. Sie schĂŒttelt den Kopf. “Nein, ich habe keine Angst vor dir. Ich habe Angst davor, hier allein mit dir zu wohnen.” Ich trete wieder zurĂŒck, sehe sie an

und frage perplex “Denkst du, ich wĂŒrde dir was tun? Dich hier einsperren oder misshandeln?” So wie sie mich jetzt mustert, komme ich zu dem Entschluss, dass es genau das ist, wovor sie sich fĂŒrchtet. Das darf doch nicht wahr sein! “Lily, so denkst du von mir?”, schreie ich fassungslos. “Ich 
 ich dachte, wir lieben uns?” “Ben, hör auf mit dem Quatsch!”, flucht sie und funkelt mich böse an. “Du verstehst mich völlig falsch. Du weißt eben nicht alles.” “Dann erklĂ€r’s mir doch bitte!” WĂŒtend wende ich mich ab, raufe

mir die Haare und trete mit der Schuhspitze gegen einen grĂ¶ĂŸeren Stein. “Hör auf!”, ruft sie. Ich ziehe es vor, weder meine Wut zu zĂŒgeln, noch VerstĂ€ndnis zu zeigen. Alles war gut. Jedenfalls glaubte ich das. Und nun das. Meine Welt ist erschĂŒttert. “Ben!” WĂŒtend stapfe ich zurĂŒck zum Haus. Die Besichtigung weiter fortzusetzen war zwecklos. An der TerrassentĂŒr rufe ich ĂŒber die Schulter “Kommst du? Ich fahr dich nach Hause.” Lily antwortet nicht, kommt mir

aber hinterher.   Im Auto herrschte zunĂ€chst Schweigen, dann jedoch hielt ich es nicht lĂ€nger aus und fragte “ErklĂ€rst du’s mir wenigstens? Ich will verstehen, warum mich meine Freundin abserviert.” “Wer sagt denn was von abservieren?”, zischt sie. “Na ja, du willst nicht mit mir zusammen sein, sagst sogar, du hast Angst, wenn du mit mir allein bist. FĂŒr mich hört sich das so an, als wĂ€re Schluss zwischen uns.” Sie winkt ab. “Blödsinn! Warum redest du so ein

Mist?” “Mist?” “Ja. Ich will nicht mit dir Schluss machen. Und Angst habe ich auch keinen vor dir.” Sie stöhnt. “Ich habe Angst mit einem Mann allein zu sein.” “Was?”, erwidere ich verstĂ€ndnislos. Lily verdreht die Augen. “Ben. Ich 
 ich mag dich echt gern und du bist es auch nicht der mir Angst macht. Das kannst du mir glauben. Wer könnte sich auch vor dir fĂŒrchten?” Was sollte das denn schon wieder heißen?

“Es ist wegen 
 wegen 
” “Ja?” Ein tiefer Atemzug noch und ich sollte erfahren, wer ihr solche Furcht bereitet. “Es ist wegen Louis.” “Wer ist da schon wieder?”, erwidere ich nicht ohne einen gewissen genervten Unterton. “Mein Ex-Freund”, erklĂ€rt sie lapidar. “Und ihr habt euch mal gestritten? Oder er hat mal was Böses zu dir gesagt? Hat er dich geschlagen?”, rate ich ins Blaue. Doch einer ErklĂ€rung zuckt sie die

Schultern. “Du musst es mir schon sagen, Lily. Gedankenlesen habe ich nĂ€mlich noch nicht gelernt.” “Ach Ben, reicht es nicht, dass ich sage, dass ich mit Louis einiges durchgemacht habe?” “Nein, das reicht nicht. Ich will es verstehen, Lily!” Sie nimmt sich einen Moment, um sich zu sammeln und setzt an mir zu erklĂ€ren “Er war mein erster fester Freund. Vorher hatte ich nur so eine 
 eine Sandkastenliebe.” Ein schĂŒchternes LĂ€cheln huscht ĂŒber ihr Gesicht. “Daniel. Er war sĂŒĂŸ. Louis war genau das Gegenteil.

Doch ich liebte ihn. Zumindest habe ich mir das eingebildet. Und als er mich irgendwann fragte, ob ich zu ihm ziehen möchte, habe ich ja gesagt.” “Du hast also schon einmal mit jemanden zusammengelebt?”, hake ich nach. Sie nickt traurig. “Ja.” “Was ist dann geschehen?” Ich betrachte sie von der Seite. Sie zittert als sie weitererzĂ€hlt. “Anfangs war alles ganz toll. Er war lieb ... romantisch. Er brachte am Abend Blumen mit und wir sind ausgegangen und so.” “Was geschah dann?” Denn es

musste ja irgendwas geschehen sein. “Doch irgendwann brachte er einen Kollegen, zumindest sagte er das, nach Hause mit. Er sagte, er mĂŒsse nochmal kurz weg und ich solle in der Zeit freundlich gegenĂŒber unseren Gast sein.” Ein dicker Kloß bildet sich in meinem Hals. Sie will doch wohl nicht andeuten 
 Sie musste doch nicht 
 Sie hat doch nicht ... “Lily 
”, hauche ich. Ihr Anblick hat sich in den letzten zehn Sekunden derart verschlechtert, dass ich erschrocken bin. Zusammengesackt sitzt sie auf dem

Sitz neben mir, starrt durch das Fenster vor sich und stumme TrĂ€nen rollen ihre blassen Wangen herab. Bei der nĂ€chsten sich mir bietenden Gelegenheit halte ich links an, stelle den Motor ab und nehme sie tröstend in die Arme. “Lily, sag mir nicht, dass du 
” “Doch.”, schnieft sie und schluchzt. “Doch, ich musste 
 ich musste f-freund-lich 
 freundlich zu dem sein. Louis verließ das Haus und 
 und sofort hat er sich 
 hat er sich 
 auf mich 
” “Was?”, schreie ich beinahe. “Er hat dich

angefasst?” Sie nickt an meiner Brust. Ihre TrĂ€nen sickern durch den dĂŒnnen Stoff meines Hemdes. “Ich wollte es nicht 
 aber 
 aber er sagte, dass Louis ihm sehr viel Geld schuldet und 
” “Er hat dich verkauft?” Ich fasse es nicht. Sprachlos vor Entsetzen kann ich nichts weiter tun, als sie anzustarren. “Lily. Warum hast du dabei 
” “Mitgemacht?”, unterbricht sie mich. Ich nicke stumm. Sie zuckt die Schultern. “Im nachhinein weiß ich es auch nicht

mehr. Ich denke, ich war so von Liebe zu Louis verblendet, dass ich es einfach 
 ĂŒber mich ergehen ließ.” “Verstehe.”, murmle ich tonlos. “Aber danach 
” Sie schĂŒttelt den Kopf. “Ich habe nichts gesagt.”, gibt sie leise zu. “Warum nicht? Hast du ihn nicht zur Rede gestellt? Deine Mutter eingeweiht oder so? Dir Hilfe gesucht.” “Nein. Er hat so getan, als sei nichts gewesen. Und ich dachte, es wĂ€re nur eine Ausnahme.” “Also war es nur das eine Mal?” Sie schweigt.

“War es nur das eine Mal?”, wiederhole ich nervös. Sie schĂŒttelt den Kopf. “Louis hatte wohl bei vielen Leuten Schulden.”, erwidert sie kryptisch. “Was?”, keuche ich. “Du hast fĂŒr ihn seine Schulden abgetragen?” Das muss ich erstmal verdauen. ErschĂŒttert lehne ich mich in meinem Sitz zurĂŒck und schließe die Augen. Lily hat sich fĂŒr ihren Ex prostituiert. Das darf doch wohl nicht wahr sein. “Wie lange?”, frage ich mit geschlossenen Augen. “Über ein

Jahr.” In meinem Magen rebelliert das Mittagessen. “Warum?” “Was warum? Ich hab dir doch schon gesagt, dass ich ihn liebte.”, zischt sie sauer. “Das ist keine Liebe, Lily!”, schreie ich und reiße die Augen auf. “Wenn man jemanden liebt, tut man ihm nicht so etwas an.” Das muss ihr doch klar sein. Doch sie zuckt nur die Schultern. “Lily, warum hast du dir keine Hilfe geholt?” “Ich hatte Angst.” Schon wieder dieses

Wort. “Er hĂ€tte dir nichts tun können, wenn du zum Beispiel zur Polizei gegangen wĂ€rst. Oder zu deiner Mutter. Du hĂ€ttest doch wieder zurĂŒckziehen können. Einfach abhauen. Dich in Sicherheit bringen.” Sie schweigt. Irgendwann muss sie ja doch etwas unternommen haben. Der Kerl hĂ€tte sein Pferdchen doch niemals gehen lassen. Erst recht nicht, wenn es so gefĂŒgig ist. “Was ist geschehen, dass du dich doch von ihm 
 trennen konntest?”, will ich wissen.

“Ich bin gegangen.”, sagt sie lapidar. Ach, dann doch so einfach? “Warum nicht schon frĂŒher? Hast du ihn wenigstens angezeigt?” Sie schĂŒttelt den Kopf. Oh man, diese Frau ist echt anstrengend! “Mutter hat es getan.” “TatsĂ€chlich?” Wenigstens eine klar denkende Frau in der Familie. “Was geschah dann?” “Sergent Hastings hat Louis verhaftet. Es kam raus, dass er neben mir noch zwei weitere Freundinnen hatte. Mit einer davon war wohl sogar verlobt. Er hat mich nur benutzt. Hat vor Gericht alles

abgestritten. Doch weil es da noch eine weitere Frau gab, die dieselbe Geschichte wie ich erzĂ€hlt hat, glaubte ihm der Richter nicht und hat ihn zu Haft verurteilt.” “Wo ist er jetzt?” “Hm.” Wieder ein Schulterzucken. “Ich weiß es nicht. Er hat keinen festen Wohnsitz mehr seit 
 seit damals eben. Aber er ist wieder draußen.” “Echt? Wie lange hat er bekommen fĂŒr 
 fĂŒr 
” “Ein Jahr und 8 Monate.” holt sie mich aus der Bredouille. “Was? So wenig?” Mit gleichgĂŒltigem Blick zuckt sie

die Schultern. “Tja, sein Anwalt hat argumentiert, ich hĂ€tte es ja freiwillig getan und ich hĂ€tte ja weggehen können.” “Scheiße!”, fluche ich leise. “Hm. Schöne Scheiße! Aber ich versuche nicht mehr daran zu denken oder gar mich wegen des Urteils aufzuregen.” “Verstehe.” “Wann war das eigentlich?”, frage ich. “Vor vier Jahren.” Nun starre ich sie mit offenem Mund an. Dann waren diese Wunden ja tatsĂ€chlich noch ganz frisch. “Das 
 das tut mir leid.”,

sage ich lahm. Blöd, ich weiß, aber etwas Originelleres fiel mir gerade nicht ein. Dabei ist Mitleid sicherlich, das letzte was ein Opfer dieser Taten braucht. “Ist schon gut.”, schnieft sie. “Ist ja schon ne Weile her.” “Trotzdem. Ich bin 
 wirklich geschockt.”, stammle ich. “Das habe ich nicht gewusst.” “Wie auch, Ben. Ich hĂ€nge diese Geschichte wirklich nicht an die große Glocke. Und eigentlich hĂ€tte ich sie dir auch nicht erzĂ€hlt. Aber 
” “Aber ich war so ein unsentimentales Arschloch und

habe es aus dir herausgepresst.”, schelte ich mich selbst. Sie lĂ€chelt. “Du hast es doch nicht gewusst.” Ihre Stimme klingt wieder normal, sanft und freundlich. Ihre Augen leuchten. “Du bist so sĂŒĂŸ.” Ich schenke ihr ein aufmunterndes LĂ€cheln. “Lily 
 hast du damals 
 Hilfe bekommen?” Sie nickt. “Mom hat mich zum Psychiater geschleift. Ich musste eine Therapie machen.” “Richtig so!”, lobe ich das konsequente Verhalten ihrer Mutter. “Ja, schon. Es hat mir ja auch

geholfen. Aber vergessen 
 kann ich es nicht.” “NatĂŒrlich nicht.”, murmle ich betreten. Lily atmet ein paar Mal tief durch. “Es ist vorbei.”, sagt sie schließlich. “Ich sollte wirklich nach vorne schauen.” “Ja.” “Aber fĂŒr den Schritt mit dir zusammenzuziehen 
” “Ich weiß, SĂŒĂŸe. Jetzt verstehe ich dich auch und sehe es ein.” “Wirklich?” Erstaunt sieht sie mich an. “Du verstehst es?” “Aber sicher.” bekrĂ€ftige ich. “Ich werde dich nicht weiter

 bedrĂ€ngen. Wir machen es so, ich ziehe allein in das Haus und ab und zu ĂŒbernachtest du bei mir.” “Das hört sich gut an.” Sie lĂ€chelt. “Und wer weiß, was die Zukunft bringt? Vielleicht Ă€nderst du deine Meinung, wenn wir uns erst einmal besser kennen.” “Ja, wer weiß?”, sie grinst. “Das ist es doch auch noch. Wie lange kennen wir uns, Ben? Zwei Monate?” “Drei.” “Dann eben drei. Aber nach so kurzer Zeit schon zusammenzuziehen 
 das ist doch wirklich 


unvernĂŒnftig.” Na ja, so denke ich nicht. “Ich lebe nach dem Credo, dass man bereits nach den ersten fĂŒnf Minuten, wenn man jemanden getroffen hat, weiß, dass man mit demjenigen sein restliches Leben leben möchte. Liebe auf den ersten Blick eben.” “Wirklich? Ist das nicht etwas 
 illusorisch?”, staunt sie.  “Ich meine, du kennst mich doch gar nicht. Bis eben wusstest du doch noch nicht einmal mein dunkelstes Geheimnis.” “Nun ja, viele Paare, möchte ich behaupten, wissen nicht alles ĂŒber ihre Partner. Ein paar kleine

Geheimnisse braucht doch jeder Mensch.” Mit einem Zwinkern versuche ich sie aus der Reserve zu locken. Es klappt. Sie strahlt. “Da hast du recht. Manche Frauen wissen bis zu ihrem Tod nicht, dass ihr Mann unter der Dusche pinkelt.” Angewidert verziehen wir gleichzeitig das Gesicht bis wir lachen mĂŒssen. “Ja, das oder andere pikante Geheimnisse.”, erwidere ich und lege eine Spur Dramatik in meine Stimme. Lachend wirft sie das Haar zurĂŒck. “Du nun wieder. Aber du hast recht,

jeder hat das eine oder andere Geheimnis. Und das ist auch gut so. Wichtig ist nur 
” “...  das man ĂŒber die wesentlichen Dinge miteinander spricht.” “Genau das wollte ich auch sagen.”, lacht sie staunend. Mit einem Achselzucken erklĂ€re ich “Ich habe zwar nicht viel Erfahrung was Beziehungen zwischen MĂ€nnern und Frauen angeht, aber ich kann mir zumindest so viel denken, dass es wichtig ist, miteinander zu reden,  sich gegenseitig zuzuhören und fĂŒreinander da zu sein. Zumindest haben mir das meine Eltern so

vorgelebt. Und die sind mittlerweile seit ĂŒber zwei Jahrzehnten glĂŒcklich miteinander verheiratet.”   “Oh wow!”, staunt sie mit offenem Mund. “Ehrlich?” Ich nicke feierlich. “Und sie sind, möchte ich wetten, noch genauso verliebt wie am ersten Tag.” “Das ist schön!”, urteilt sie mit vertrĂ€umten Blick. “Mein Vater ist abgehauen als ich 15 Jahre alt war.” “Sind sie geschieden, deine Eltern?” “Ja.” “Hm.” “Es kann eben nicht jeder so eine tolle Familie wie deine haben. Aber

in meinem Fall ist es auch besser so.” “Warum?” “Er hat getrunken. Mein Vater. Ziemlich viel, ziemlich lange. Mutter hat es irgendwann gereicht. Sie hatte mich eh schon immer allein großgezogen, da war es keine große VerĂ€nderung als er schließlich aus dem Haus war.” “Hm. Okay.” Mehr fiel mir darauf nicht ein. “Ich vermisse ihn nicht. Auf MĂ€nner kann ich eh gut verzichten.” Als sie mein entsetztes Gesicht sieht, fĂŒgt sie schnell hinzu

“Anwesende natĂŒrlich ausgenommen.”   “Da bin ich aber froh.”, lache ich verlegen. Daisy “Guten Morgen.” Langsam öffne ich erst eine, dann das andere Auge. Dan hockt neben dem Bett, die Unterarme auf das Laken abgelegt und strahlt mich an. “Hallo, SchlafmĂŒtze.”, grinst er und haucht mir einen Kuss auf die Nasenspitze. “Ich bin noch mĂŒde.”, nörgel ich. “Ja, es ist spĂ€t geworden gestern

Abend. Aber ich bin hungrig.” Letzteres bringt er so theatralisch jammernd rĂŒber, dass es mir ein LĂ€cheln aufs Gesicht zaubert.   “Schon gut.”, lenke ich ein und rappel mich auf, bis ich sitze. “Gib’ mir zehn Minuten.” “Ich geb’ dir sogar zwanzig, wenn ich dann meine alte Daisy wieder haben kann.”, scherzt er. “Von wegen alt.” Mein Kopfkissen prallt gegen sein Gesicht. Überrascht stĂ¶ĂŸt er einen Laut aus, der an einen wĂŒrgenden Erpel erinnert. Lachend schwinge ich beide Beine gleichzeitig ĂŒber die Bettkante und stehe auf. Ehe mein

Mann Rache nehmen kann bin ich im Badezimmer unserer HoneymoonkajĂŒte verschwunden und habe die TĂŒr verschlossen. “Ich kann mich gar nicht mehr erinnern wie ich ins Bett gekommen bin.”, rufe ich von unter der Dusche aus. Die TĂŒr öffnet sich und Dan streckt den Kopf hindurch. “Echt nicht? Ich weiß ja, dass du gestern diesem Punsch gestern Abend gut zugesprochen hast, aber das du dich an meine animalischen VerfĂŒhrungskĂŒnste nicht mehr erinnern kannst, erstaunt mich doch etwas.”, scherzt

er. “Ha ha ha.”, mache ich trocken. “Ach komm schon, war nur Spaß.”, beschwichtigt er. “Hauptsache, du hast kein Kopfweh und kannst den Tag heute genießen.” Dan tritt ein und setzt sich auf den Toilettendeckel. Stimmt ja, heute gehen wir in Nassau von Bord. Ein Tagestripp. Darauf freue ich mich schon die ganze Zeit. Azurblaues Wasser, Korallenriffe, bunte FischschwĂ€rme, WĂ€rme, die Karibik eben. Wenn ich es genau betrachte, sind die Kopfschmerzen gar nicht mehr

so stark. Das warme Wasser der Dusche hilft. “NatĂŒrlich geht’s mir gut!”, lĂŒge ich. “Ich bin fit. So ein paar GlĂ€ser Punsch bringen mich doch nicht um.” Er lacht. “Ja, ja. Beeil dich, Liebling. Das FrĂŒhstĂŒck ist fast vorbei und wir legen bald an. Ich glaube, ich hab beim Joggen schon das Land gesehen.” “Du warst schon joggen?” Er kann es nicht lassen. Sogar hier auf dem Schiff dreht er jeden Morgen seine Runden. So konsequent kann ich nicht sein. DafĂŒr fehlt mir der Ehrgeiz. Aber zumindest habe ich

mir vorgenommen in New York dann tĂ€glich eine gewisse Zeit spazieren zu gehen. Ich will alles sehen! Oder zumindest so viel wie sich eben in zwei Wochen entdecken lĂ€sst. Aus den ursprĂŒnglich geplanten vier Wochen sind nur noch zwei ĂŒbrig, nachdem ich Dan mit der Kreuzfahrt als Hochzeitsgeschenk ĂŒberrascht habe. Zwei Wochen Bahamas, amerikanische Jungferninseln und Puerto Rico. Es war schon ewig mein Traum diese Gegend mal live zu erleben und mir nicht nur ĂŒber ReisefĂŒhrer wĂ€hrend meiner Arbeitszeit Appetit

zu holen. Nun, am vierten Tag stand ein Tagesausflug der Bahamischen Hauptstadt auf dem Plan. Das Korallenriff vor der KĂŒste soll wunderschön und ein beliebtes Schnorchelziel sein. Und genau das wollen wir heute ausprobieren. Triefend nass steige ich aus der Dusche und will nach dem Handtuch greifen, das Dan in der Hand hĂ€lt. Doch er zieht den Arm weg und wickelt mich stattdessen liebevoll in das weiche Tuch. Seine starken Arme umschlingen meinen Körper, halten mich ganz fest an ihn gedrĂŒckt. “Weißt du eigentlich

wie sehr ich dich liebe?”, fragt er leise und sieht mir tief in die Augen. “Ich hab’ da so eine Ahnung.”, grinse ich frech. “Komm her!” Besitzergreifend greife ich mit der rechten Hand in seinen Nacken und ziehe seinen Kopf zu mir herunter. Kaum sind seine Lippen nur noch wenige Millimeter von meinen entfernt, drĂŒcke ich ihm auch schon meinen Mund auf seinen. Dieser Mann kann kĂŒssen 
 Ich bin jedes Mal aufs neue ĂŒberrascht und unheimlich glĂŒcklich darĂŒber, dass das Schicksal uns zusammengefĂŒhrt hat.

Seine HĂ€nde lassen das Handtuch los, was sich auch sofort der Schwerkraft ergibt und zu Boden gleitet, und beginnen stattdessen meinen Oberkörper zu streicheln. “Hattest du nicht eben noch hunger?”, necke ich ihn. “Hab’ ich auch immer noch.”, raunt er an meinem Hals. Seine linke Hand gleitet zu meiner Brust, knetet sie und streicht ĂŒber die empfindliche Haut im Tal zwischen den beiden HĂŒgeln. Seufzend ergebe ich mich ihm und lasse mich vorsichtig gegen ihn fallen. Er versteht es als Einladung, hebt

mich auf seine Arme und trĂ€gt mich nackt hinĂŒber zum Bett. “Werte Damen und Herren, Sie haben nun acht Stunden Aufenthalt in Nassau. Wir bitten Sie pĂŒnktlich um sieben Uhr heute Abend  zurĂŒck zu sein, damit wir unsere Reise planmĂ€ĂŸig fortsetzen können.”, bittet der Steward, mithilfe eines Mikrofons freundlich, wĂ€hrend sich eine riesige Menschentraube in Richtung Gangway an ihm vorbeischiebt. Das ganze Schiff scheint sich heute fĂŒr einen Landgang entschieden zu haben. Dan nimmt seinen Arm von meiner

Taille und reicht mir seine Hand um mir ĂŒber den Steg zu helfen. Er weiß, dass mir unwohl wird, wenn ich ĂŒber einen solch schmalen Steg gehen muss. Dankbar lĂ€chel ich ihn an. Mit festem Boden unter den FĂŒĂŸen folgen wir dem Menschenstrom in Richtung Stadt. Unser Schiff ist nicht, das einzige was hier ankert. Noch zwei weitere liegen zeitgleich hier. Dementsprechend viele Menschen tummeln sich auf dem Weg. “Ganz schön was los hier.” “Hm. Aber es ist auch wunderschön!”, entgegne ich lapidar.

“Na ja, bisher kannst du das nicht wirklich sagen. Du kennst Nassau doch nur aus deinen ReisefĂŒhrern.”, zieht mich mein Mann ein klein wenig auf. “Zeit das zu Ă€ndern.” Ich entdecke eine schmale LĂŒcke zwischen einem amerikanisch aussehenden PĂ€rchen und einem dunkelhĂ€utigen Mann, der einen schwer beladenen Kofferkuli vor sich her in Richtung Schiffe schiebt und zerre Dan an der Hand dort hindurch. “Da hat es aber jemand eilig.”, lacht er. “Was denn? Hast du Lust die HĂ€lfte

der Zeit hier auf der BrĂŒcke zu vertrödeln?” Hatte er wohl  nicht, denn er folgt mir mit schnellen Schritten. Sobald es die PlatzkapazitĂ€t auf der BrĂŒcke zulĂ€sst, legt er wieder den Arm um mich und gemeinsam schlendern wir den restlichen Weg in Richtung Festland. Ein gelb getĂŒnchter Leuchtturm empfĂ€ngt Nassaus GĂ€ste ebenso freundlich wie seine Einwohner. An das azurblaue Wasser, das extreme Ähnlichkeit mit Dans Augenfarbe hat, hatte ich mich inzwischen gewöhnt, aber im Kontrast mit den farbenfrohen HĂ€usern hier leuchtet

es nochmal mehr.   “Wunderschön, oder?”, schwĂ€rme ich und sehe zu ihm auf. “Und ob. Es war eine tolle Idee von dir!” “Findest du?”, freue ich mich. “Ich hatte schon Angst, dir wĂ€re der Trip zu romantisch.” Er zieht spöttisch die Augenbrauen hoch. “Quatsch! Es ist toll!” Zufrieden lege ich meinen Arm um ihn und ziehe ihn weiter. “Na, wenn das so ist, dann will ich jetzt die Stadt ansehen und spĂ€ter schnorcheln gehen!” “Schon gut. Ich komm ja schon.”, lacht er. “Aber nur, wenn ich

frische Krabben zu essen bekomme.” “Aber sicher bekommst du die.” Staunend wie schön es hier ist gehen wir weiter. Folgen dem Strom aus Menschen, der sich unaufhörlich ins Stadtinnere schiebt. “Weißt du, dass das hier eine ehemalige Piratenhochburg war?”, sage ich, als ich in einiger Entfernung ein Hinweisschild fĂŒr das Museum ĂŒber Piraten in Nassau entdecke. “Was wirklich?” Ich nicke. “Und ob. Vielleicht haben wir ja GlĂŒck und finden beim

Schnorcheln ein paar GoldstĂŒcke?”, lache ich. “Na wohl kaum.”, stimmt er in mein Lachen mit ein. “Wir werden sehen.”, murmle ich leise. Nachdem wir durch einige Straßen gegangen und die ein oder andere Besonderheit angesehen haben, stehen wir irgendwann in Downtown Nassau und vor einer dunklen Schlucht. Hohe Mauern fĂŒhren in einem schmalen Gang geradewegs zu einer steilen Treppe. Die Queen’s Staircase. Eine ebenso dunkle, 65 stufige Treppe. Umgeben von viel GrĂŒn in Form von hohen

Palmen und StrĂ€uchern fĂŒhrt sie laut meinem ReisefĂŒhrer hinauf auf den Bennet Hill. Dem höchsten Punkt der Insel. Ihr Zweck war es, die Stadt mit dem dort oben liegenden Fort Fincastle zu verbinden. “Oh man, da wird einem ja schwindlig.” Den Kopf weit in den Nacken gelegt sehe ich am Stein hinauf in den blauen Himmel. “Das dĂŒrften gute 102 Fuß sein.”, erwidert Dan fachmĂ€nnisch. “Hier steht, das ist Sandstein.”, staune ich und sehe vom Buch auf. “Du klingst so ĂŒberrascht.”, erwidert

er. “Ja, das hĂ€tte ich nicht gedacht. Die Treppe ist so dunkel.” “Das wirkt nur so. Wegen des Lichts hier und sie ist 
 dreckig.” Dan streicht mit dem Zeigefinger an der Wand entlang. Zum Beweis hĂ€lt er ihn mir hin. Sein Finger ist schwarz. “Die Sklaven haben sie direkt aus dem Stein gehauen.” “Hm.”, sage ich und reiche ihm ein feuchtes Tuch. “Sie wurde also von Sklaven erbaut?” “Jup.” “Das ist fies.” “Das waren andere Zeiten.” Er zuckt die Achseln. “Komm, lass uns

hochgehen!” Die 65 Stufen spĂŒrte ich, nachdem ich oben angekommen war. Aber die MĂŒhe wurde sogleich durch die wunderschöne Aussicht belohnt. “Oh wow!” “Du sagst es.”, erwidert er, sieht aber statt die Umgebung nur mich an. “Hey 
” , lache ich und breite meine Arme aus. “... ich rede von der Umgebung. Sieh dich um, Dan! Es ist wunderschön hier!” “Ja, wunderschön!”, grinst er. “Ach Schatz 
” Ich winke ab. Ihm war nicht zu helfen. “Ich sehe genau, das was ich sehen

will. Du mĂŒsstest dich mal ansehen, Daisy. Du bist wunderschön!” Er zieht mich in seine Arme und kĂŒsst mich leidenschaftlich. BeschĂ€mt winde ich mich aus seiner Umarmung und sage, “Ach komm schon, Schatz, lass uns noch Fort Fincastle anschauen und dann endlich schnorcheln gehen.” AmĂŒsiert betrachtet er mich, ohne meine Hand loszulassen. “Es ist dir noch immer peinlich, oder?” “Was?”, tue ich unschuldig. “Wenn ich dir ein Kompliment mache.” Ich winke ab. “Blödsinn.”, lache ich

nervös. “Du bist nicht nur wunderschön, sondern auch absolut zauberhaft!” “Jetzt hör aber auf!” “Ich werde meiner Frau doch wohl noch sagen dĂŒrfen wie sehr ich sie liebe? Erst recht in den Flitterwochen. Oder was meinst du?” Mit lasziven Augenaufschlag sage ich, “Baby, du darfst alles sagen und tun, was du möchtest.” Ein verruchtes GefĂŒhl macht sich in mir breit. Ich fĂŒhle mich sexy, stark und ĂŒberlegen. Dan macht das mit mir. Er hat einen ganz bestimmten Einfluss auf mich.

Einst erbaut auf einem HĂŒgel, um die Stadt zu schĂŒtzen, ist das Fort nun eine alte verlassene Ruine. Durch die Witterung ergraut, strahlt es dennoch die Kraft, aus die es einstmals seinen Gegnern gegenĂŒber brachte. “Aus der Luft betrachtet hat das Fort die Form eines Raddampfers.”, zitiert Dan aus dem ReisefĂŒhrer. “Ach, tatsĂ€chlich?” Ich streichle mit der Hand ĂŒber die Kanone. “Ja. Und diese Dinger hier 
” er legt ebenfalls die Hand darauf. “... wurden nie abgefeuert.”

“Niemals?” Er schĂŒttelt den Kopf. “Steht hier.” “Warum nicht? Gab es nie einen Angriff?” “Keine Ahnung.” Er wendet sich ab und lĂ€sst den Blick ĂŒber die Stadt unter uns streifen. “Willst du noch weiter ĂŒber Kanonen philosophieren oder können wir endlich mal was essen gehen?” “Ohje 
” Ich gehe auf ihn zu. “... auf keinen Fall will ich riskieren meinen Mann bereits in den Flitterwochen durch Verhungern zu verlieren.”, scherze ich und umarme ihn von hinten. ZĂ€rtlich

kĂŒsse ich seinen Hals. Seufzend schließt er die Augen und legt den Kopf schief. “Ich liebe dich!” “Und ich dich erst.”, entgegne ich. Auf dem Weg zurĂŒck zum Hafen, wir hatten schließlich vor uns ein Boot oder Flugzeug zu suchen, dass uns zum Big Major Cay bringt, halten wir die Augen nach einem Restaurant offen. Schließlich war Dan mittlerweile fast am Verhungern. Aber auch ich kann einsehen, dass wenn man in den Bahamas ist auch frisch gefangenen Fisch probieren muss. Verwöhnt von unseren europĂ€ischen

Standards belĂ€chelten wir zunĂ€chst noch die niedrigen bunten HĂŒtten und gingen weiter. Stets auf der Suche nach etwas angemessenen. Doch nachdem Dan wie ein kleines Kind zu jammern begann, er wĂŒrde es keine Sekunde mehr lĂ€nger aushalten und wenn ich nicht endlich mit einem zufrieden wĂ€re, wĂŒrden wir eben zu McDonalds gehen, fanden wir schließlich wie aufs Stichwort das “Bahamian Cooking Restaurant’. In einem niedrigen grell pinken und bunt beflaggten Haus, nicht unweit des Hafens war dieses hĂŒbsche maritim angehauchte Lokal mit kleiner aber

feiner Speisekarte. Normalerweise sind MeeresfrĂŒchte und Fisch nicht so meine Sache, ich esse sie zwar, aber nicht unbedingt mit Genuss. Doch dieses Mal wurde ich eines Besseren belehrt. Da wir uns nicht entscheiden konnten, bestellten wir uns eine gemischte Fischplatte. “Der Hummer soll hier in Nassau fantastisch sein.”, erklĂ€rt Dan. “Ach wirklich? Sagt wer?” “Der Steward auf dem Schiff.” “Habt ihr ĂŒber Fische gefachsimpelt?”, lache ich. “Stell dir vor, ja.” Als er grinst, bilden sich die kleinen sexy

GrĂŒbchen neben seinen Augen. Mit verklĂ€rtem Blick starre ich meinen Mann ĂŒber das schwarz weiße Mosaik der Tischplatte hinweg an. “Was?”, lacht er und fĂ€hrt sich mit der Hand durch das blonde Haar. Einige StrĂ€hnen sind unter der dauerhaften Sonneneinstrahlung gebleicht und strahlen nun heller als sein restliches Haar. “Nichts. Ich seh dich nur einfach gerne an.”, erwidere ich achselzuckend. “Nichts weiter.” “Ach so?” “Ja. Ich kann mich einfach nicht satt sehen. Und ich kann es noch immer kaum fassen.”, gebe ich

etwas leiser zu. “Was?” Ich mache ein ausholende Geste. “Na das hier.” Ich deute zwischen uns hin und her. “Und uns, dass wir beide hier sind. Allein. Als Ehepaar.” Er grinst. “Ich auch nicht. Manchmal denke ich, das kann eigentlich nur ein Traum sein. Warum solltest du dich ausgerechnet fĂŒr mich interessieren?” Ich mache große Augen. “Was? Warum ich mich fĂŒr dich 
 Es ist doch genau anders herum. Immer wieder denke ich, was findet er an

mir?” Er verdreht die Augen. Zu diesem Thema wurden bereits genug Worte gesprochen, daher erwidert er nur, “Ich weiß, dass ich zur richtigen Zeit die richtige Entscheidung getroffen habe. Du bist das Beste, was mir passieren konnte, Daisy und nun bin ich der glĂŒcklichste Mensch auf Erden.” Er greift nach meiner Hand und beginnt sie mit dem Daumen zu streicheln. “Ich denke, damit wĂ€re alles geklĂ€rt, oder?” Ich hebe den Blick von unseren ineinander verschlungenen HĂ€nden und nicke.

Bald darauf bringt eine freundliche junge Frau unser Essen an den Tisch. “Guten Appetit!”, wĂŒnscht sie und verschwindet wieder zum nĂ€chsten Tisch, wo andere GĂ€ste darauf warten bestellen zu dĂŒrfen. Beim Anblick der duftenden MeeresfrĂŒchte lĂ€uft mir das Wasser im Mund zusammen. “Das sieht lecker aus!”, lobe ich. “Schmeckt sicherlich auch so.” Gemeinsam machen wir uns ĂŒber das Essen her. Wir probieren von jedem Teil etwas, fĂŒttern uns gegenseitig und lachen ĂŒber die lustigen Namen der Gerichte.

SpÀter sitzen wir, gesÀttigt und aufgeregt, gemeinsam mit anderen Touristen in einem Bus in Richtung Clifton heritage national park. Dort ist ein Unterwasserpark aus Skulpturen und eine schöne Stelle zum Schnorcheln. Der Strand auf einer der vielen unbewohnten Inseln hier, wo man unter anderem mit Schweinen und Haien schwimmen kann, ist leider zu weit entfernt, als das man sie bei einem Tagesausflug besuchen kann. Das finde ich sehr schade. Aber es lÀsst sich nicht Àndern. Vielleicht

kommen wir irgendwann ja noch einmal hier her und dann holen wir das nach. Angekommen bekommen alle Wasserratten eine kurze EinfĂŒhrung vom ‘Aquaman’ in den Umgang mit Schnorchelmaske und Schwimmtechniken. Dann geht es los. Mit einem Boot fahren wir circa 150 Meter hinaus aufs tĂŒrkisblaue Meer. Unser Guide springt ebenfalls mit ins Wasser. “Bereit?”, fragt Dan am Bootsrand. Ich werfe einen Blick auf die WasseroberflĂ€che unter uns und sondiere, ob sich Haie oder Stachelrochen in der NĂ€he

befinden. Nachdem ich nichts derlei entdecken kann, nicke ich und springe ohne auf meinen Mann zu warten ins kĂŒhle Nass. Sekunden spĂ€ter taucht Dan neben mir ein. Ich bedeute ihm mit einer Geste, das alles okay ist. Sein Daumen zeigt nach oben. Schließlich tauchen wir beide wieder auf und schwimmen erst einmal ein paar ZĂŒge. “Wollen wir?”, fragt er. Ich nicke. “Ja. Los geht’s!” Mit dem Schnorchel im Mund tauche ich ihm hinterher. Aus einem tief in der Kindheit verankerten Reflex halte ich die

Augen fest verschlossen, kaum das ich unter Wasser bin. Doch das ist wohl nicht der Sinn einer Schnorcheltour, bei der es doch darum geht, Fische und andere Meeresbewohner zu entdecken. Also öffne ich sie und staune. Auch hier unten ist alles blau. Hellblau. Azurblau. Klares Wasser, wie man es sonst nur aus dem Pool gewöhnt ist, schmiegt sich warm um mich. Ein paar kleinere silbrig flimmernde Fische huschen davon, als ich mit krĂ€ftigen ZĂŒgen tiefer tauche und meinem Mann folge. Und plötzlich entdecke ich etwas, was mich zunĂ€chst heftig

erschrecken lĂ€sst. Ein riesiges steinernes Gesicht liegt, den Blick gen Himmel oder WasseroberflĂ€che gerichtet, flach im weißen Sand. Eine der angepriesenen Skulpturen. Dan streicht gerade mit der Hand ĂŒber die Stirn des Gesichts. Ich sehe mich nach weiteren Figuren um und entdecke tatsĂ€chlich ein weibliches Standbild, das in unentspannter Haltung auf dem Boden hockt. Den Arm hinter dem Kopf, die HandflĂ€che flach nach oben, ruht der linke auf dem angewinkelten linken Bein. Sie ist riesig. Bestimmt 10 Meter hoch. Eine andere

Taucherin sitzt gerade Positur auf der HandflĂ€che und wird von ihrem mĂ€nnlichen Begleiter fotografiert. Fasziniert umschwimmen wir sie und folgen unserem Guide zu einer weiteren Skulptur.  Zwischen seltsamen runden mit Löchern versehene Dingern kniet ein riesiger Mann. Sich an einen Stab klammernd, richtet er den Blick Richtung WasseroberflĂ€che. Er wirkt wie ein GlĂ€ubiger, der Erlösung vor den Fluten erbittet. Trotz der WĂ€rme kribbelt  mir eine GĂ€nsehaut ĂŒber den RĂŒcken. Dan greift sich meine Hand und zieht mich weiter. Er bedeutet mir einen

Fisch gesehen zu haben. Ich folge ihm und entdecke auch bald selbst einen Zackenbarsch. Ein Bild dieses Fisches hatte uns der Guide vorhin bei der EinfĂŒhrung gezeigt. Es muss ein ausgewachsenes Exemplar sein, das da mit seinem fĂŒr diese Art typischen grimmigen Gesichtsausdruck an uns vorĂŒber schwimmt. Seine Schuppen glĂ€nzen dunkelbraun, doch als er nun tiefer Richtung sandigem Boden schwimmt, Ă€ndert sich die Farbe in silbrig weiß. ÜberwĂ€ltigt schauen wir dem sich langsam entfernenden Fisch hinterher.  Ich bin nur froh, dass

sich noch keiner der prophezeiten Haie hier hat sehen lassen. Dan deutet nach oben und schwimmt sogleich mit krĂ€ftigen ZĂŒgen hinauf. Ich folge ihm. Kaum mit dem Kopf ĂŒber der WasseroberflĂ€che nimmt er den Schnorchel aus dem Mund und ruft “War das Wahnsinn?” Ich pruste aus und nehme mir einen Augenblick um wieder zu Atem zu kommen. Dann antworte ich strahlend “Und wie. Total schön!” “Kannst du noch?” “Klar. Komm!” Ich nehme den Schnorchel wieder in den Mund

und will schon wieder abtauchen als ich etwas entfernt hinter Dans RĂŒcken die typische dreieckige RĂŒckenflosse eines Hais entdecke. Sie nĂ€hert sich zu schnell um sich rechtzeitig im Boot in Sicherheit bringen zu können und so sehe ich schon die letzte Stunde meines Mannes geschlagen. “Da. Dan. Hinter dir.”, schreie ich panisch und deute mit der Hand in Richtung Hai. Er dreht sich um. Doch wider Erwarten wird Dan selbst nicht panisch, sondern schwimmt neben mich, legt den Arm halb um mich und sagt ruhig “Ganz ruhig, Schatz. Keine Panik.”

Leichter gesagt als getan. Ich zittere und registriere, dass mein Herz derart schnell schlĂ€gt, dass ich Angst habe, es könne zerspringen. “Ich hab’ Angst.”, jammere ich und drehe mein Gesicht an seinen Hals. “Ich hab’ Angst, Dan.” “Scht.” Wiederholt er wieder und wieder und streichelt meinen RĂŒcken. Und dann passiert uns der Hai. Sein schmaler langer Körper schlĂ€ngelt sich unbeeindruckt unserer Gestalten in etwa 50 Zentimeter Entfernung an uns vorbei und schwimmt seiner Wege.

“Oh Gott. Ich glaube, ich hĂ€tte beinahe eingepinkelt.”, gebe ich nervös lachend zu. “Oh mein Schatz.” Er streichelt meine Wange und sieht mir tief in die Augen. “Alles ist gut. Jeremy hat doch gesagt, dass wir höchstwahrscheinlich auf Hai treffen werden.” Ich nicke. “Ja, stimmt, aber dann doch einem Auge in Auge entgegenzustehen ist doch etwas anderes.” “Da hast du recht. Es war der pure Wahnsinn!”, lacht er. “Aber okay, auch ich hatte in dem Moment als

er neben uns war angst.” Ich sehe ihn von der Seite an. “Doch nicht so makellos, Mister Edwards? Gut zu wissen.” “Ich und makellos. Wohl kaum.”, lacht, er nimmt den Schnorchel in den Mund und geht auf Tauchstation. Ich folge ihm rasch. Auf keinen Fall wollte ich hier allein herumschwimmen, wenn hier Haie in der NĂ€he sind. Doch irgendwie konnte ich kaum noch lĂ€nger als drei Minuten unter Wasser bleiben. Ein ungeheurer Druck liegt mit einem Mal auf meiner Lunge und ich habe GefĂŒhl

zu ersticken. Hastig paddel ich wie ein junger Hund wieder hinauf zum rettenden Sauerstoff ĂŒber der WasseroberflĂ€che. Noch bevor mein Kopf oben ist reiße ich mir das MundstĂŒck aus dem Mund und holte hektisch Luft. Mein Herz rast wieder, wie eben bei dem Hai und ich kann mich kaum beruhigen. Was stimmt nur nicht mit mir. Eine etwas entfernt schwimmende Frau bemerkt meine Panik und kommt rasch auf mich zu geschwommen. “Hey, alles klar bei Ihnen?”, ruft sie schon von weitem auf Englisch. Ich schĂŒttle japsend den Kopf.

Wasser spritzt aus meinem Haar. “Ruhig atmen! Versuchen Sie’s.”, befiehlt sie und rubbelt mir mit der Hand den RĂŒcken. Ich versuche es, doch es misslingt grĂŒndlich. Sie bemerkt es mit skeptischem Gesichtsausdruck. “Ich glaub’, das ist ne Panikattacke. Sie mĂŒssen aus dem Wasser raus.” Ich zucke die Schultern, doch ich denke, dass konnte sie nicht sehen. “Wie heißen Sie?”, fragt sie weiter. “D-daisy.”, stammle ich. “Okay. Sind Sie in Begleitung, Daisy? Ich nicke. “M-mein

Mann.” Sie sieht sich um. “Okay. Sehen Sie, es sind nur wenige Meter bis zum Boot. Was meinen Sie, schaffen Sie es bis dorthin?” Meine Helferin deutet mit der Hand auf das Boot in einiger Entfernung. Ich nicke. “J-ja, ich 
 ich denke schon.” “Gut. Los geht’s. Ich bring Sie hin und dann hole ich Ihren Mann.” Sie ist sehr freundlich. Dankbar lĂ€chle ich sie an und setze mich mit laschen Schwimmbewegungen in Bewegung in Richtung Boot. Nach ein paar Minuten sitze ich darin und sage danke, als man mir eine

Decke um die Schultern legt. Nachdem sich Susan, so heißt sie, hat beschreiben lassen wie Dan aussieht, springt sie wieder ins Wasser und taucht sogleich unter. “Na, geht es langsam?”, fragt der BootsfĂŒhrer, der die Aufgabe auf mich Acht zu geben ĂŒbernommen hat. “Ja 
 ja, ich denke schon.”, murmle ich leise. “Ich 
 ich weiß auch nicht was da mit mir 
 los war.” Er macht ein wissendes Gesicht und sagt, “Sie sind beileibe nicht die Erste, der das passiert.” “Nicht?” Er grinst. “Nö. Erst recht, wenn

ihnen bewusst wird, dass es hier tatsĂ€chlich Haie gibt.” Mir schaudert es. “Ja, ich denke, das war auch bei mir der ausschlaggebende Grund, weshalb ich plötzlich so durchgedreht bin.” “Zum ersten Mal ein Hai live und in Farbe gesehen?”, fragt er. Ich nicke niedergeschlagen. “Baby.” Höre ich da mit einem Mal Dans Stimme besorgt hinter mir. Tropfnass hockt er sich neben mich und legt sofort seine Hand an meine Stirn. “Was machst du denn fĂŒr Sachen?” “Dan, ich 
 ich 
” Ja, was mache ich hier eigentlich? Denn eigentlich

war es doch ein außergewöhnliches und spannendes Erlebnis, warum war ich nur so empfindlich? “Was ist denn passiert?” “Ich weiß es nicht. Gerade noch war alles schön und plötzlich 
 Ich hab’ einfach keine Luft mehr bekommen. Tauchen ging gar nicht mehr.”, stammle ich zur ErklĂ€rung. “FĂŒr mich klingt das nach einer Panikattacke.”, mischt sich der BootsfĂŒhrer fachmĂ€nnisch ein. Dan starrt ihn an, sagt aber nichts. Sicherlich denkt er sich, was hab’ ich mir da nur fĂŒr eine merkwĂŒrdige Alte ans Bein gebunden. HĂ€lt nix aus, das

MĂ€dchen. Doch er ĂŒberrascht mich, indem er sagt “Ja, das klingt ganz danach. Wann fahren wir zurĂŒck?” Letzteres war wohl an den Mann gerichtet. Er sieht auf seine Armbanduhr und antwortet “Noch 25 Minuten.” “Gut.” War das letzte, was Dan dazu sagte, er setzt sich neben mich auf die Bank, legt den rechten Arm um mich und drĂŒckt mich fest an sich. Der BootsfĂŒhrer verzieht sich wieder hinter das Steuer seines Bootes. “Tut mir leid!”, murmle ich nach ein paar Minuten des Schweigens. . “Was denn?”, lacht er leise.

  “Das ich dir das Schnorcheln versaut habe.” “Quatsch. Das hast du doch gar nicht.” “Oh doch, das hab’ ich. Du hĂ€ttest noch ganze zwanzig Minuten unter Wasser sein können. Doch anstatt Fischen zuzusehen, sitzt du jetzt hier mit mir trĂŒber Tasse.” “Hör auf mit dem Blödsinn, Daisy!”, erwidert er scharf. “Sag sowas nicht!” Dann schweige ich eben. Die Minuten ziehen sich hin wie Kaugummi. Aber zumindest hatte ich Zeit mich zu akklimatisieren

und als das Boot schließlich mit allen AusflĂŒglern an Bord in Richtung Festland steuerte, fĂŒhlte ich mich schon wieder vollkommen normal. Nichts war mehr ĂŒbrig von dem verstörenden GefĂŒhl in meinem Körper. Trotzdem besteht Dan darauf, sofort zum Schiff zurĂŒckzukehren, um mich vom Schiffsarzt komplett durchchecken zu lassen. Widerwillig folge ich.

Schreib mir was!

7.

Dan “Lord und Lady Embley, wir hatten Sie noch gar nicht zurĂŒckerwartet.” Der junge Steward, der uns hier an Bord betreut und uns am Morgen so freundlich verabschiedet hat, stellt sich uns nun in den Weg. Auf seinem Gesicht mischen sich Neugier und Besorgnis das einer seiner SchĂŒtzlinge Sorgen haben könnte. “Ist etwas geschehen?” “Edwards bitte.”, erwidere ich kurz angebunden. “Oh 
 Verzeihung! Wir Amerikaner

sind so fasziniert von europĂ€ischen AdelshĂ€usern, und wenn man dann schon mal einen echten Earl und eine Lady an Bord hat. Das ist sehr aufregend.”, erklĂ€rt er beschwingt und strahlt uns abwechselnd an. Doch dann scheint ihn meine angespannte Mine zu verunsichern, denn er fragt “Entschuldigung! Ich schweife ab. Was sagten Sie, weshalb Sie eher zurĂŒckkommen? Wir hatten nicht vor zwei Stunden mit Ihnen gerechnet.” “Ja genau, meine Frau hatte einen Unfall.”, erklĂ€re ich geduldig. “Unfall?”, wiederholt er nachdrĂŒcklich, wobei er Daisy von

Kopf bis Fuß mustert. Sicherlich wundert er sich keinerlei Anzeichen eines Unfalls zu sehen, da sie nun wieder vollkommen normal aussieht. Aber wenn er sie noch vor einer Stunde gesehen hĂ€tte 
 “Was ist 
 ist denn geschehn?” “Scheinbar hatte ich eine Panikattacke.”, erklĂ€rt Daisy und sieht mich durchdringend an. “War das wirklich nötig?” formen ihre Lippen tonlos. “Oh 
 ich verstehe. Dann wollen Sie jetzt sicherlich 
” “Zu Ihrem Schiffsarzt, genau.”, unterbreche ich

ihn. “Verstehe.” Der Steward nickt nachdrĂŒcklich. “Dann kommen Sie mal mit!” Wir folgen ihm in die GedĂ€rme des Schiffes unter Deck. Mit einem der FahrstĂŒhle fahren wir hinunter in das 3. Untergeschoss. “Hier entlang bitte!”, sagt er und deutet mit der rechten Hand links den Gang hinunter. Vor einer weißen zweiflĂŒgeligen SchwingtĂŒr, an der auf rotem Kreuz Hospital steht, bleiben wir stehen. Unnötigerweise erklĂ€rt er “Hier ist es.” “Ja, danke.”, sage

ich. Daisy nickt ihm freundlich schĂŒchtern zu. “Benötigen Sie noch meine Hilfe?” Wir schĂŒtteln unisono den Kopf. “Gut. Dann gehe ich mal wieder ...” Er deutet mit dem Daumen den Gang zurĂŒck. “Ich wĂŒrde mich aber freuen, wenn Sie mich ĂŒber den Zustand von mylady auf dem Laufenden halten.” Das war frech. Denn das geht ihn ĂŒberhaupt nichts an. Dennoch nicke ich zustimmend und stoße die TĂŒr auf. Mit der anderen Hand Daisy hinter mir herziehend betreten wir das Schiff

Krankenhaus. “Hallo. Kann ich Ihnen helfen?”, fragt eine Krankenschwester. Zumindest halte ich die junge blonde Frau in der weißen Hose und dem Poloshirt fĂŒr eine. “Ja. Meine Frau hatte einen Unfall.” Sie mustert Daisy. “Ich hatte einen winzigen Zusammenbruch.”, mischt Daisy sich ein und das Ganze abzumildern. Sie findet ich ĂŒbertreibe. “Verstehe.” Sie lĂ€chelt. An Daisy gewandt fragt sie “Können Sie mir beschreiben was genau vorgefallen ist?” WĂ€hrend sie spricht, nimmt

sie Daisy am Arm und fĂŒhrt sie in ein Sprechzimmer. “Sie können bei der Untersuchung dabei sein oder hier warten, Mister 
” “Edwards.”, stelle ich uns vor. “Nein nein, schon gut, ich warte hier.” “Gut. Ich werde Ihnen gleich ein paar Unterlagen zum AusfĂŒllen geben.” Ich nicke und sehe mich nach einem Stuhl oder so um, finde einen neben dem Schreibtisch und setze mich. Ehe die TĂŒr sich hinter den beiden Frauen schließt, sehe ich Daisy sich auf eine Liege

legen. Daisy “So, dann wollen wir mal.” Die Krankenschwester legt eine Blutdruckmanschette um meinen Oberarm und tippt auf das dazugehörige Display. Sofort beginnt das GerĂ€t mit seiner Arbeit. “Sie heißen also Edwards?” Ich nicke. “Ja, genau. Daisy Edwards. Wir sind in den Flitterwochen.” Das war zwar unnötig, doch ich sage es so gern. Sie lĂ€chelt verstĂ€ndnisvoll. “Verstehe. Und Ihr Mann ist sehr

fĂŒrsorglich?” Ich nicke erneut. “Ja. Tut mir leid!”, entschuldige ich mich fĂŒr Dan’s ĂŒbereifrigkeit. “Das ist schon okay.” Das MessgerĂ€t piept und zeigt meinen Blutdruck an. “120 zu 80. Das ist okay. Wie fĂŒhlen Sie sich?” “Gut.” “Können Sie mir beschreiben was genau vorgefallen ist?” “Na ja. Wir waren Schnorcheln. Und alles war gut, bis wir einen Hai getroffen haben.” “Ein Hai ist nicht ungewöhnlich in diesen

Breiten.” “Ich weiß. Das sagte uns auch der Guide. Aber so ein Tier dann aus nĂ€chster NĂ€he zu sehen war schon 
 Ă€hm 
” “Verstehe. Was genau passierte?” “Dan, mein Mann meint es sei eine Panikattacke. Ich 
 ich konnte plötzlich nicht mehr untertauchen. Das GefĂŒhl zu ersticken 
 einfach keine Luft mehr zu bekommen 
 Das war krass.” “Okay. Ja, das klingt nach Panik. Haben Sie gezittert? War Ihnen schwindelig?” Beides muss ich bejahen. “Okay.” Sie notiert sich etwas in ein

Krankenblatt. “Ich möchte Ihnen gern Blut abnehmen, wenn das in Ordnung ist?” Verwundert nicke ich. “Okay. Wenn 
 wenn es nötig ist.” Darauf geht sie nicht weiter ein, sondern erklĂ€rt “Gerade hat Doktor Potter Dienst. Die Frau Doktor wird gleich bei Ihnen sein. Ich nehme Ihnen jetzt das Blut ab und dann gebe ich ihr Bescheid.” Ich nicke stumm. Als sie fertig ist, lehne ich mich zurĂŒck und schließe die Augen. Doch meine Ruhepause wĂ€hrt nur kurz, da geht die TĂŒr wieder auf und eine rothaarige Frau in

strahlend weißer Uniform betritt den Raum. Ihre wilden Locken hat sie in einem Zopf zurĂŒckgebunden. Ein goldener Äskulapstab ĂŒber drei dicken goldenen Streifen prangen auf ihren Schulterklappen. “Hallo. Mein Name ist Potter und ich bin die Diensthabende Stabsoffizierin.”, stellt sie sich vor und reicht mir die Hand. Ich setze mich auf und ergreife sie. “Hallo. Daisy Edwards. Ich 
” “Ich weiß schon Bescheid.”, unterbricht sie mich freundlich. “WĂ€hrend wir auf das Blutbild warten werde ich Sie jetzt mal untersuchen.”

  Ich nicke. “Okay.” “Wenn Sie sich bitte oben rum frei machen wĂŒrden!” Ich tue es. Nachdem sie mich mit dem Stethoskop abgehört hat, sagt sie “Alles gut. Was fehlt Ihnen also?” “Ich nehme an, nichts.”, lache ich. “Das war sicher nur eine Überreaktion. Der Hai. Die Aufregung. Ich hab’ einfach Panik bekommen. Die Angst vor den Tieren ist einfach da.” “UnbegrĂŒndet.” “NatĂŒrlich.”, stimme ich ernst zu. “Das Tier war auch absolut

friedlich. Ich glaube, wir waren ihm völlig egal. Er schwamm einfach vorbei.” “Und dennoch konnten Sie sich nicht beruhigen?” BetrĂŒbt schĂŒttle ich den Kopf. “Sind Sie schwanger?” Ich huste und stammle “W-was?” “Sind Sie schwanger? Schwangere sollten nicht schnorcheln, da ihr Kreislauf die Belastung nicht kompensieren könnte.” “Ähm 
 natĂŒrlich. Nein, ich bin nicht schwanger.” “Sicher?” “Ja.” Ich nicke bekrĂ€ftigend. “Ganz

sicher.” “Gut. Hm 
” Sie ĂŒberlegt. “Wenn wieder alles in Ordnung ist und pathologisch auch nichts vorliegt, kann ich Sie gehen lassen.” “Gut.” Ich hĂŒpfe von der Liege. Doch scheinbar war ich zu schnell von der waagerechten in die senkrechte gekommen, denn mir wird schwarz vor Augen und ich taumle. “Hoppla.”, sagt sie und untergreift meine Achsel. So hilft sie mir zurĂŒck auf die Liege. “Mir 
 mir ist schwindlig.”, erklĂ€re ich und beschirme mit der Hand meine Augen.

“Das sehe ich. Ich messe noch einmal den Blutdruck.” Sie tut es und herauskommt, dass dieser mittlerweile doch recht niedrig ist. In diesem Moment betritt die Schwester erneut den Raum und verkĂŒndet nun die Ergebnisse des Blutbilds zu haben. Sie reicht der Ärztin das Blatt Papier. Diese ĂŒberfliegt die Daten und zieht die Augenbrauen hoch. Ein LĂ€cheln umspielt ihre Lippen. FlĂŒsternd sagt sie an die Schwester gewandt “Urin fĂŒr Mrs. Edwards. Und anschließend hol’ ihn mit

rein.” und deutet mit einem Nicken in Richtung TĂŒr. “Was 
 was ist denn los?”, frage ich verwirrt. Die Schwester nickt verstĂ€ndig, grinst und holt etwas aus einem der UnterschrĂ€nke. Anschließend drĂŒckt sie mir einen kleinen durchsichtigen Plastikbecher in die Hand und geleitet mich durch den Vorraum zu der Toilette. “Was ist denn nun?”, fragt Dan, der aufgesprungen war und uns folgt. “Gleich, Mister Edwards, ein paar Minuten Geduld bitte noch!” Er hebt die HĂ€nde und tritt zurĂŒck. Brav tue ich auf der Toilette was

von mir erwartet wird und gebe anschließend der Schwester den Becher zurĂŒck. Sie verschwindet damit im Vorraum. Ich wasche mir die HĂ€nde und kehre zu Dan zurĂŒck. Liebevoll nimmt er mich in die Arme und streichelt mir den RĂŒcken. “Was hat sie gesagt?” Ich zucke die Schultern. “Keine Ahnung. Nichts. Mir war schwindlig.” “Aber nicht nochmal so wie vorhin, oder?” Ich schĂŒttle den Kopf. “Gut. Das ist gut. Sicher ist nichts Schlimmes”, murmelt er beruhigend. “Alles nur

Routine.” Dan “Wenn Sie dann bitte beide noch einmal hereinkommen wĂŒrden!”, bittet Doktor Potter lĂ€chelnd in der geöffneten TĂŒr. Wir folgen. “Was ist los? Was hat meine Frau?”, frage ich beim Eintreten. “Mister Edwards, setzen Sie sich!”, sagt die Ärztin und deutet auf einen Stuhl hinter der Liege. Daisy setzt sich wieder auf die Liege. “So, wir haben jetzt die Ergebnisse des Urin- und

Bluttests.” “Ja, und?” Daisy schweigt und sieht auf ihre im Schoß gefalteten HĂ€nde hinunter. “Wir hoffen, Sie mögen gute Neuigkeiten!”, beginnt die Ärztin. “G-gute 
 Was?” Ich starre sie an wie ein Reh die Scheinwerfer des herannahenden Autos. “Was fĂŒr eine gute Neuigkeit denn?” “Na ja, Mister Edwards, wenn die Tatsache, dass Ihre Frau schwanger ist fĂŒr Sie eine gute Nachricht ist, dann hoffe ich alles richtigzumachen, wenn ich Sie beide jetzt beglĂŒckwĂŒnsche!”, lacht

die Ärztin. “Was ist los?” Keuchend atme ich aus. Daisy ist schwanger? Wie ist das denn passiert? Und wann? Daisy dreht sich zu mir um, macht große Augen und fragt ausgerechnet mich “Ich bin schwanger?” “Du 
 ist das sicher?” Letzteres war wieder an die Medizinerin gewandt. Die angesprochene nickt lĂ€chelnd. “Wir hoffen Sie freuen sich, wenn Sie die Nachricht erst einmal verdaut haben! Im Moment scheinen Sie unter Schock zu stehen.” Das sie es nicht ganz ernst meint kann ich ihrer Mimik

ablesen. “Ähm 
 doch doch, alles gut. Ich 
 wir sind nur etwas 
 ĂŒberrascht.”, stammle ich. Und endlich fĂ€llt mir Trottel ein mal meine Frau zu fragen wie es ihr damit geht. “Daisy 
” Ich setze mich rĂŒcklings neben sie und schaue sie an. “... hast du gehört? Wir 
 wir bekommen ein Baby.” Daisy starrt mich ausdruckslos an. “Darling?” Ich halte ihre Hand. Sie ist ganz kalt. “ Daisys Hand ist ganz kalt. Was fehlt ihr denn?”, richte ich mich panisch an die Ärztin. Sie tritt nĂ€her, besieht sich Daisys Gesicht und nimmt ihre andere

Hand in die ihre. “Mister Edwards, ich kann Sie beruhigen. Ihrer Frau fehlt nichts. Das ist nur die Aufregung. Oder fĂŒhlen Sie sich nicht gut, meine Liebe?” Daisy murmelt “Nein, alles gut. Ich bin nur 
 ĂŒberrascht. Dan 
” Ich sehe ihr in die Augen. “... wir bekommen ein Kind.”, stellt sie noch einmal fest. “Ja, mein Schatz.” Und in dem Moment, wo auch sie die Tatsache, dass sie schwanger ist, akzeptiert, stellt sich in mir eine unbĂ€ndige Freude, ein unbeschreiblich seliges GefĂŒhl ein. “Ich könnte platzen vor Freude und GlĂŒck!”

“Wirklich?”, haucht sie. Ihr Blick huscht zwischen meinen Augen hin und her. “Du freust dich?” “NatĂŒrlich freu’ ich mich, Schatz!”, beteuere ich. “Wir bekommen ein Baby.”, sagt sie zu niemanden bestimmten. “Kann man schon sagen, wann es 
” “Wann es zur Welt kommt, meinen Sie?”, fragt Doktor Potter. Ich nicke. “Das kann ich nicht sagen. Ich bin keine GynĂ€kologin. Der Urintest gibt nur Aufschluss, dass die EmpfĂ€ngnis mehr als drei Wochen

zurĂŒckliegt”, erklĂ€rt sie ausfĂŒhrlich. “Mehr als drei Wochen.”, wiederhole ich flĂŒsternd. “Gut. Wenn weiter nichts ist ...”, beginnt die Ärztin, “... dann verschreibe ich Ihnen noch FolsĂ€ure, Mrs. Edwards und entlasse Sie hiermit. Falls Sie noch Beschwerden haben sollten wĂ€hrend der Reise, wissen Sie ja wo Sie uns finden. Und fĂŒr die Ankunft in New York empfehle ich Ihnen einen Besuch bei Ihrem GynĂ€kologen.” “Ist gut. Ich danke Ihnen, Frau Doktor.” Ich war aufgestanden, um

mich formvollendet von ihr zu verabschieden. “Sehr gern. Mrs. Edwards, hier 
” Sie kritzelt etwas auf einen Block, reißt das oberste Blatt ab und reicht es ihr. “... dies ist das NahrungsergĂ€nzungsmittel. Holen Sie es sich aus der Schiffsapotheke!” “Mach’ ich. Danke sehr!”, murmelt meine Frau und steht ebenfalls von der Liege auf. Damit verlassen wir das Hospital und gehen langsam zu den AufzĂŒgen zurĂŒck. “Wohin jetzt?”, frage ich vorsichtig, weil Daisy so still ist. Kann sie es doch noch nicht

fassen? Ist sie geschockt oder einfach nur sprachlos vor GlĂŒck? “Zur Apotheke. Du hast es doch gehört.”, erwidert sie und sieht zu mir auf. “Okay.”, grinse ich. “Daisy 
” “Ja?” “Ist alles in Ordnung?” Sie blickt mich an. Ihre blauen Augen leuchten. “Dan, wir bekommen wirklich ein Kind.” “Ja, ich war dabei als man es uns verkĂŒndet hat, du erinnerst dich?”, grinse ich vergnĂŒgt. Sie lĂ€chelt. “Ja, na klar. Aber 
 obwohl ich es mir gewĂŒnscht habe 
 das kommt jetzt so unerwartet.”,

stottert sie. “So 
 so ĂŒberraschend.” “Oh ja, das war eine Überraschung.” Ich nehme sie in die Arme. “Aber eine wunderschöne Überraschung. Ich könnte nicht glĂŒcklicher sein!” Um sie zu ĂŒberzeugen, kĂŒsse ich sie leidenschaftlich auf den Mund. Die LifttĂŒr öffnet sich mit einem leisen Pling und gibt ein Ă€lteres PĂ€rchen frei. Als sie uns entdecken tuscheln sie leise miteinander und ich höre so etwas wie “Ach, weißt du noch, Benedict?” “Ja ja, die Liebe. Ich sag dir, das ist das Schiff. Wer sich hier nicht

verliebt, der findet die Liebe nirgendwo.” Grinsend liegen wir uns in den Armen. “Komm!”, flĂŒstere ich und ziehe sie and er Hand in die Aufzugskabine. Oben im Foyer angekommen folgen wir der Beschilderung, die uns zur Apotheke fĂŒhrt. Daisy reicht der Frau hinter dem Tresen das Rezept und wartet bis man ihr das gewĂŒnschte bringt. Ich zahle und wir verabschieden uns. “Wohin nun?”, frage ich. “Möchtest du ein wenig spazieren gehen an Deck?” Sie nickt. “Gern. Ein bisschen

frische Luft wĂ€re gut. Und etwas zu trinken. Damit ich die nehmen kann.” Ich blicke auf die kleine bunte Schachtel, die sie in der Luft schĂŒttelt. “Was ist das eigentlich?” “FolsĂ€ure.”, erwidert sie knapp und lĂ€sst sie in ihrer Handtasche verschwinden. “Und was ist das?” Hand in Hand gehen wir eine kleine Treppe hinauf zur DoppeltĂŒr, die ins Freie fĂŒhrt. Kaum hinaus getreten weht uns seichter Wind und salziger Geruch entgegen. Es ist warm. Viel wĂ€rmer als unter Deck, wo die Klimaanlagen guten Dienste

leisten. “Schwangere sollen das nehmen. FolsĂ€ure unterstĂŒtzt die Blutbildung und die Zellerneuerung. Das ist wichtig fĂŒr die werdende Mutter und das Kind.” Sie klingt, als wĂŒrde sie aus einem Fachbuch zitieren. “Ach so. Okay. Dann suchen wir dir was zu trinken.” Langsam schlendern wir an der Reling entlang in Richtung Bug. Am Pool angekommen biete ich ihr an sich in einen der LiegestĂŒhle zu setzen wĂ€hrend ich uns etwas zum Trinken besorge. “Aber denk dran, ich darf keinen

Alkohol mehr.”, erinnert sie mich lĂ€chelnd. Alkohol. Oh mein Gott! Da fĂ€llt mir ein, dass sie diesem gestern Abend erst noch ordentlich zugesprochen hat. Scheiße! “Daisy 
” “Was ist?” “... du hast gestern noch welchen getrunken.” Sie macht ein betroffenes Gesicht. “Ich weiß. Das war auch das erste woran ich vorhin gedacht habe.” Ach, deshalb wirkte sie so abwesend. “Was ist, wenn es dem Kind geschadet hat?” Ich nehme mir einen Augenblick, um die Möglichkeiten abzuwĂ€gen.

“Ach 
 ich denke, es wird nichts passiert sein. Aber ab jetzt wird aufgepasst!” Sie nickt zustimmend und legt geistesabwesend eine Hand auf ihren flachen Bauch. Ich nicke, beuge mich herunter und kĂŒsse sie schnell auf den Mund. “Bin gleich zurĂŒck.” Bin zur Bar sind es nur wenige Schritte, doch die nutze ich, um kurz bei Ben durchzuklingen. Er meldet sich bereits beim zweiten Klingeln. “Hey, du frisch VermĂ€hlter. Wie geht’s euch? Ist das Schiff abgesoffen und ich soll jetzt den

RĂŒckweg organisieren oder was?” Woher weiß er von der Schiffsreise? “Woher weißt du, dass wir auf einem Schiff sind?” “Ich sage nur Anna und ihr loses Mundwerk.” “Alles klar.” Mehr muss er mir nicht sagen. “Also, gibt’s?”, will ich fröhlich wissen. “Daisy ist schwanger.”, platze ich mit der frohen Botschaft heraus. “O-k-a-y.”, gibt er gedehnt zurĂŒck. “Das war doch zu erwarten.” Ich schweige. “Das ist doch eine gute Nachricht,

oder?”, hakt er vorsichtig nach. Ich schĂŒttle leicht den Kopf. “NatĂŒrlich 
  Àhm 
 ja. Ich freu mich! Wir freuen uns beide. Ich hĂ€tte nur gedacht, dass du ĂŒberraschter sein wĂŒrdest.” “Nö, bin ich nicht. Ehrlich gesagt habe ich jeden Tag mit so etwas gerechnet.” “Okay.”, lache ich. “GlĂŒckwunsch, Danny! Ich gratuliere euch! Euch beiden.” “Danke, Kumpel!” Erleichtert fahre ich mir mit der Hand durchs Haar. “Wie geht es Daisy?” “Gut. Es geht ihr gut. Ich 
 ich wollte dir auch nur kurz Bescheid

geben.” “Was du hiermit getan hast.”, lacht er, “Darf ich es den anderen verraten? Anna sitzt schon auf glĂŒhenden Kohlen. Sie hat mit ihrem Bruder eine Wette laufen.” “Wette?”, staune ich. “Was fĂŒr eine Wette denn?” “Na ja 
”, druckst er rum, “... sie hat gewettet, dass Daisy noch wĂ€hrend der Flitterwochen schwanger wird. Sebastian hĂ€lt dagegen. Er meint, du bekommst das nicht so schnell auf die Reihe.” Er kichert. “Sorry, Dan, nicht meine Worte.” “Schon gut.”, sage ich gedehnt.

“Dann sag Anna, dass sie gewonnen hat und hau Sebastian in meinem Namen eine rein!” Ben lacht nur. “Ich muss dann auch auflegen. Daisy wartet.” “Ist gut.” “Dann bis bald. GrĂŒĂŸ schön!” Damit legen wir beide auf. ZurĂŒck bei Daisy reiche ich ihr das Glas Orangensaft. “Hier. Deine Vitamine.” “Danke.” Sie lĂ€chelt und nimmt mir das Glas ab. Mit der anderen Hand beschirmt sie ihre Augen vor der tief stehenden

Sonne. “Brauchst du noch was?” Sie lacht. “Dan, ich bin schwanger und nicht todkrank. Und bis vor ein paar Stunden wussten wir davon nicht einmal etwas. Also, bitte bitte behandle mich jetzt nicht die restliche Schwangerschaft hindurch wie ein rohes Ei!” “Ich will doch nur 
” “Mein Bestes, ich weiß.” Sie verdreht die Augen. Aber nicht wĂŒtend oder genervt, sondern eher liebevoll. “Aber, Schatz, du erfĂŒllst mir doch bereits jeden Wunsch. Bist lieb und zuvorkommend. Du musst dich nicht Ă€ndern oder anstrengen.

Du bist perfekt so wie du bist.” Ihr Lob ist mir jetzt doch etwas peinlich und so beschließe ich, nicht darauf einzugehen und nehme neben ihr in einem anderen Liegestuhl platz. “Und, merkst du irgendwas?” “Was?”, lacht sie glockenhell. “Du meinst die Schwangerschaft? Nein. Das Kind ist vielleicht, ich weiß nicht, so klein wie eine Erbse.” Erneut klingt ihr Lachen glockenhell ĂŒber das Deck. “Das dauert noch, bis man etwas sieht oder ich zu spĂŒren bekomme.” “Ja, aber die Übelkeit. Ist dir nicht

schlecht?” “Nein.” Sie schĂŒttelt den Kopf. “Zum GlĂŒck muss ich wohl sagen. Was man so liest.” “Was liest man denn darĂŒber?” Ehe sie antwortet, nimmt sie einen Schluck aus ihrem Glas, stellt es anschließend auf dem Boden neben sich und sagt “Manche Frauen mĂŒssen sich wĂ€hrend der Schwangerschaft, gerade am Anfang, fast pausenlos ĂŒbergeben. Das kann sogar gefĂ€hrlich werden.” Als ich die Augen aufreiße, fĂŒgt sie hinzu “Aber nur in seltenen AusnahmefĂ€llen.” “Okay. Dann hoffen wir mal, dass es

bei dir nicht so ist!” Sie nickt lĂ€chelnd. “Und selbst wenn. Dann ist es eben so. Hauptsache das Kind ist bei der Geburt gesund!” “Stimmt!”, stimme ich ihr zu. “Wir kriegen das hin. Ich pass auf dich auf, Darling!” Mit einer Drehung schwinge ich die Beine neben die Liege, beuge mich vor und kĂŒsse meine Frau. “Ich weiß, mein Schatz.”, raunt sie an meinem Mund, “Und deshalb bin ich die glĂŒcklichste Frau auf Erden!”

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Über den Autor

AnniAusBerlin
Aufgewachsen im KleinstĂ€dtischen Eisenach, waren BĂŒcher seit sie denken kann Teil ihres Lebens. Bereits als Kind las sie sich durch die Stadtbibliothek, wĂ€hrend ihre eigene standig anwuchs. Nach der Ausbildung zur Kinderpflegerin und der GrĂŒndung einer eigenen Großfamilie in Berlin fand sie schließlich, es ist an der Zeit, um die Leidenschaft zum Beruf zu machen. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Sprecherin, studierte Journalismus auf der Fernschule und besuchte Kurse zum kreativen Schreiben. Seit einigen Jahren veröffentlicht sie nun auf Plattformen wie dieser ihre Werke und hofft, dass sie bei den Lesern Anklang finden.

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