Thema der 97. Schreibparty:
-----------------------------------------------
"Die Kunst der Missverständnisse"
Es müssen keine neuen Texte sein, aber mit folgenden 6 Vorgabeworten aufgepeppt werden:
Bratklops, Garten, Brille,
Hausputz, Fußpilz, Haubentaucher
Text :Martina Wiemers
Buchcover: de.dreamstime.com
kostenloses Bild
gefunden bei google
8 senkrecht, Bund fürs Leben mit drei Buchstaben? Ehe, schreibt Gabriele mit Kugelschreiber in die dafür vorgesehenen Kästchen und weiß auch sofort die Antwort auf 13 waagerecht, Schmetterlinge im Bauch.
Schon seit einer Stunde sitzt sie gemütlich rätselnd auf der Couch. Mit ihrer neuen BRILLE kann sie nun dabei sogar fernsehen. Die richtigen Lösungsworte ergeben ein Zitat der italienischen Schauspielerin Claudia Cardinale.
Nach der Tagesschau und dem Wetterbericht entscheidet sie sich für den Liebesfilm im ZDF. Einem naiven Blondchen spannt dort, durch Hexerei und Intrige, eine rassige Schwarzhaarige den Kerl aus. Blondchen weint im GARTEN und wartet voller Katzenjammer tagelang mit Selbstmordgedanken im abgedunkelten
Zimmer. Nach etlichen Verwicklungen nimmt der Schuft sie aber dann doch. Gemeinsam reiten sie in der Schlussszene auf einem Schimmel dem Sonnenuntergang entgegen, wobei die Hufe des Pferdes bis zum Abspann viel Staub aufwirbeln.
„Die Macher müssen doch den Verstand verloren haben uns Zuschauern solchen Mist zuzumuten“, schimpft Gabriele leise vor sich hin und klickt zum Tierfilm über "Pinselohrschweine in Afrika“ beim MDR.
"Schmetterlinge im Bauch, das ist ewig her", denkt sie. Nächstes Jahr feiern wir unseren 40. Hochzeitstag. Das waren
noch Zeiten als er mich zärtlich Gabi nannte und wir uns stundenlang im Bett liebten. Meinen Vorsatz, ihn immer und ewig, in guten wie in schlechten Zeiten nur zu lieben, entpuppte sich leider bald als Missverständnis. Schmiss zwar wegen ihm, der Kinder und dem Haus das Studium, muss aber seit dem vormittags den HAUSPUTZ bei Meiers und Krauses erledigen und weil das Geld nicht reicht, anschließend stundenweise beim Fleischer um die Ecke noch BRATKLOPSE verkaufen.
Die Jugend heute hat es besser. Probiert alles aus, toleriert nicht, sondern orientiert sich lieber gleich anderweitig.
Hätte ich auch machen sollen, damals, als Gustav Wernicke mich beim Schützenfest küsste und wir zwei Jahre lang eine Affäre hatten. Herbert weiß bis heute nichts davon. Fachsimpelt täglich mit Gustav über Gott, die Welt und neuerdings sogar über Mittel gegen FUSSPILZ.
"Schwamm drüber“, denkt Gabriele als es neben ihr laut kracht.
Herbert hat versehentlich beim Einschlafen die offene Rotweinflasche in die Erdnusschips fallen lassen. Gabriele steht wortlos auf, wischt die Sauerei vom Tisch, geht in die Küche und schüttet den Schweinefraß in den
Bioabfallkübel.
Danke Liebling, bin hundemüde, gehe ins Bett, im Fernsehen läuft ja doch nichts", murmelt Herbert verschlafen, küsst seine Frau kurz auf die Wange und steigt die Treppe nach oben.
"Komme gleich nach, schlaf gut und träum was Schönes", ruft Gabriele ihm automatisch hinterher.
Die Pinselohrschweine im Fernsehen wühlen mit ihren Hauern im Gestrüpp der afrikanischen Savanne. Sie grunzen, fressen, reiben ihre Leiber aneinander,
wälzen sich im warmen Sand und schlafen meistens im Schatten der Bäume.
„Der liebe Gott muss bei ihrer Erschaffung einen wirklich schlechten Tag gehabt haben, denn diese Viecher sehen einfach nur hässlich aus und stinken doch sicher bestialisch", denkt Gabriele und nimmt noch einmal die Rätselzeitung zur Hand.
Auch diesmal braucht sie nicht lange, um die Fragen 25 waagerecht, schmerzhafte Trennung und 72 senkrecht, Zahlung nach Scheidung, zu beantworten.
Das Zitat von Claudia Cardinale
„Eine Ehe funktioniert am besten, wenn beide Partner immer ein bisschen unverheiratet bleiben“
verblüfft Gabriele dann doch ein wenig.
Sie schaltet den Fernseher aus, nimmt Mütze, Schal, Hundeleine und geht noch eine Runde mit ihrem Pudel Max bis zum Teich. Ein Weilchen beobachtet sie dort das Treiben der HAUBENTAUCHER, geht müde nach Hause, zieht im Flur die Schuhe aus und öffnet oben im 1.Stock leise die Schlafzimmertür.
Herbert liegt unrasiert, den Schlafanzug falsch zugeknöpft, mit herausquellendem Brusthaar, im Ehebett. Mit weit offenem Mund stößt er laute, animalisch grunzende Schnarchlaute aus.
Gabriele schaut ihren Mann einige Minuten schweigend an, denkt dabei an die Pinselohrschweine, schlüpft dann schnell unter die Decke, stopft sich Stöpsel in die Ohren, löscht das Licht und schläft sofort ein.