Journalismus & Glosse
Schutz, Daten und Videos - Die Dienstagskolumne aus dem Hause Hagenbäumer

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"Schutz, Daten und Videos - Die Dienstagskolumne aus dem Hause Hagenbäumer"
Veröffentlicht am 24. Februar 2009, 14 Seiten
Kategorie Journalismus & Glosse
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Schutz, Daten und Videos - Die Dienstagskolumne aus dem Hause Hagenbäumer

Schutz, Daten und Videos - Die Dienstagskolumne aus dem Hause Hagenbäumer

Die Büchse der Pandora...

... jenes mystische Gefäß, nach der griechischen Mythologie von Zeus persönlich an die angeblich aus Lehm erschaffene Frau übergeben, hatte es ganz schön in sich.

Der Chefgott hatte sein Präsent mit allem Schlechten und Üblen, mit Krankheit und Tod gefüllt, denn bis dahin waren auch die Menschen, wie die Götter, unsterblich.

Zeus verfügte zwar, diese Büchse, nach neueren Forschungen vermutlich eher ein großer Krug, solle niemals geöffnet werden, tat aber gleichzeitig auch die Hoffnung mit in den Bottich.

Ob damit bezweckt werden sollte, den Menschen die Hoffnung vorzuenthalten oder die arme Frau für alle Zeiten mit dem Üblem in der Welt in Verbindung zu bringen, wissen vermutlich noch nicht mal die Götter; aber das soll auch nicht unser Thema sein.

Vielmehr geht es um die Verwendung dieses Begriffes, genauer um die Unterschlagung der positiven Inhalte jener sprichwörtlichen Dose und, noch genauer, um das zur Zeit durch alle Gazetten geisternde Problem des so genannten Datenschutz.

Eine zugegebenermassen nicht repräsentative Untersuchung ergab nämlich, auch und gerade im Zusammenhang mit den jüngsten Affären und Verstößen gegen Datenschutzgesetze wurde jene legendäre "Büchse" in jedem zweiten Kommentar erwähnt.

Das übrigens in der letzten Zeit in der veröffentlichten Meinung ebenfalls massenhaft verwendete Wort "Krise" ist - wörtlich aus dem Chinesischen rückübersetzt - eine "gefahrvolle Gelegenheit". 

Heute geht es also endlich mal darum, etwas positives aus der Krise, der Büchse der Pandora und der aktuellen Debatte um die Vertraulichkeit von personenbezogenen Daten zu gewinnen. 

Computerdatensammelwut

Alle wissen es, keiner merkt es.

Was wir auch tun oder lassen, wir ziehen eine breite Datenspur durch die Computer dieser Welt.

Bankdaten, Adressdaten, Gesundheitsdaten, Bewegungsprofile, Kommunikationsdaten, Käuferverhalten und Teilnahme an Demonstrationen; all dieses und noch viel, viel mehr wird rund um die Uhr, lustig um den ganzen Globus verteilt, von allen möglichen hierzu Berechtigten oder auch nur Befähigten aufgezeichnet, archiviert, ausgewertet, zusammengeführt, ausgetauscht und weiter verkauft.

Das ist eine Realität, die schlichtweg nicht mehr zu ändern ist, es sei denn, eine diktatorische Weltregierung würde von Morgen an die Benutzung von Strom unter Androhungen der Todesstrafe verbieten.

Da für eine solche Lösung vermutlich nur sehr schwierig eine breite politische Mehrheit zu finden sein dürfte, müssen wir uns über alternative Methoden Gedanken machen.

Der stets äusserst geschmackvoll gekleidete Peter Schaar (monatliches Grundgehalt EUR 9017,18, ohne Zulagen), von der deutschen Regierung als Beauftragter für den Datenschutz eingesetzt, bemüht sich zwar nach Kräften und wohl auch redlich um den Schutz der Daten, hat dabei aber leider ungefähr die gleichen Chancen wie ein Schneeball in der Sahara.

Was erst einmal in elektronischer Form gespeichert ist, kann beliebig kopiert, weiter verarbeitet, wieder gespeichert und mit anderer virtueller Beute vernetzt werden.
 
Der überaus speicherfreudige deutsche Bundesinnenminster Wolfgang Schäuble (Grundgehalt EUR 11026,40 zuzüglich Diäten EUR 10729.-, ohne Nebeneinkünfte) gilt in der Debatte den einen als Hardliner, den anderer als Vorreiter.

Wir wollen uns heute mit der Vorreiterrolle des Ministers anfreunden und seinen Ansatz, im Sinne einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft weiter ausgestalten.

Und da bleibt in Endeffekt tatsächlich nur eine einzige Lösung :

Der Datenschutz muss weg !
Restlos und radikal.

Alles, was irgendwo über irgendwen gespeichert ist, muss sofort und ohne Ausnahme veröffentlicht werden.

Man stelle sich vor: Ein kurzer Blick ins Internet und schon ist jeder über alle Nachbarn voll im Bilde. Vorstrafen, Verkehrsverstöße, Steuerschulden, Krankheitsgeschichte, Kontostand, die letzten sechs Urlaubsreisen und alle Emails, die er jemals geschrieben hat, fein säuberlich für alle einsehbar.

Aber auch alle Amts- und Würdenträger, alle Bosse, jeder Lehrer, einfach alle Bürgerinnen und Bürger nach Name und Adresse sortiert und selbstverständlich täglich auf den neuesten Stand gebracht.

Für die Richtigkeit garantiert die Bundesregierung, die garantiert zur Zeit ja auch alles mögliche für jede dahergelaufene Schwindelfirma.

Oder besser noch, die vollständige Transparenz aller Daten wird von der Europäischen Kommission, nach einer gewissen Übergangsfrist natürlich, europaweit verbindlich vergeschrieben.

Utopisch ?
Nicht machbar ? 
Absolut abwegig ?

Oh nein, beileibe nicht.

So gibt es beispielweise im EU-Land Schweden kein Steuergeheimnis.

Seit 1766 ist dort jedes staatliche Handeln öffentlich; jeder kann im "Taxeringskalender" nachschlagen, wie viel jeder einzelne Staatsbürger versteuert.

Die Schweden sind damit äusserst zufrieden und würden wohl jede Regierung umgehend zu Teufel jagen, die dies ändern wollte.

In Finnland, ebenfalls seit 1995 Vollmitglied der EU, gilt für Bussgelder bei Verkehrsverstössen eine direkte Kopplung an das Einkommen des Delinquenten gekoppelt, was ebenfalls Transparenz in Steuersachen erfordert.

Wäre der jüngst zurück getretene Verkehrsminister Nordrhein-Westpfalens, Oliver Wittke (Abgeordnetendiät EUR 9.756 plus Ministergehalt EUR 13.000.-, ohne Nebeneinkünfte) , in Finnland mit 109 Km/h in einer geschlossenen Ortschaft "geblitzt" worden, dann hätte das locker EUR 8382.- Bussgeld gekostet, während ein Hartz IV-Empfänger mit EUR 132.- bestraft würde.

Aber das nur nebenbei.

Und dann ?

Wenn wir uns einen kleinen Moment lang vorstellen, der Datenschutz wäre tatsächlich abgeschafft; es wäre also wirklich alles für alle einsehbar, was hätte das für Folgen ?

Jeder Spekulation über die persönlichen Verhältnisse anderer wäre die Grundlage entzogen, es gäbe ja Fakten.

Keine Firma und keine Behörde könnte sich hinter "Datenschutzvorschriften" oder "Geschäftsgeheimnissen" verstecken, wenn mal wieder eine Riesenschweinerei vertuscht werden sollte.

Die Menschen in Deutschland hätten die Möglichkeit, sich wirklich genau zu informieren.
Und der Staat müsste wesentlich vorsichtiger damit sein, was an Daten gesammelt und gespeichert wird.
Schliesslich kann ja nur das an Daten veröffentlicht werden, was von staatlicher Seite oder von sonstigen Datensammlern schon jetzt jeden Tag genutzt wird. Wir hätten also ein kleines Stück an Chancengleichheit zwischen den Regierenden und den Regierten.

Sicher, am Anfang wäre die Aufregung groß, aber der Mensch gewöhnt sich an alles und dann ist es völlig normal, daß es einfach keine "Geheimnisse" mehr gibt.

Viele Erpressungen wären schlichtweg unsinnig, und wer sich darüber aufregt, daß Herr Meier von nebenan schon wieder ein neues Auto fährt, der muss nur im Netz nachschauen und weiss dann sofort, der hat sein Haus und seine Rente beliehen um Eindruck zu schinden.

Nur, dass dann kaum noch jemand ehrlich beeindruckt wäre.

Beim nächsten Gammelfleischskandal müssten sämtliche betroffenen Firmen sofort Konkurs anmelden, und ganz sicher wird es einige unentwegte Privatermittler geben, die in mühevoller Kleinarbeit heraus brächten, wie Minister X von Baufirma Y wegen des Projektes Z geschmiert wurde.

Ein wesentlicher Schritt in Richtung Transparenz und Demokratie.

Natürlich gäbe es auch den einen oder anderen Kollateralschaden. Tageszeitungen wie "Blick","Kronenzeitung" oder auch "Bild" wäre ein grosser Teil der Geschäftsgrundlage entzogen, könnten die Leser jede Behauptung dieser Blätter einer sofortigen Überprüfung unterziehen. Und mancher Arbeitgeber sähe sich bohrenden Fragen ausgesetzt, ob er denn angesichts der von ihm gezahlten Löhne tatsächlich so sympathisch ist, wie in der sonstige Unternehmensdarstellung vollmundig verkündet. Und was aus der Werbewirtschaft werden würde, kann in durchaus dunklen Farben ausgemalt werden. Es ist aber anzunehmen, daß derlei Verluste zu ertragen sein werden.

Jede Leserin und jeder Leser möge sich gerne eigene Fragen ausdenken, die schon lange der Antwort harren.

Letzten Endes wäre dann auch die Hoffnung auf eine gerechtere Gesellschaft aus der vorhin erwähnten Büchse frei gesetzt. 

Die arme Pandora hätte dann bestimmt einen wesentlich besseren Ruf, besser als so manches angesehene Mitglied der ehrenwerten Gesellschaft auf jeden Fall.

Und das ist doch auch schon mal was, oder ?
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Milan01 Ich bin für neues eigentlich immer sehr offen. Aber ich glaube, du hast es nicht wirklich zu Ende gedacht. Das einzige was ich mir vorstellen könnte wäre, die EU-Politiker und Politiker im allgemeinen sollten transparenter werden, damit man nachvollziehen kann, was sie mit den Steuergeldern alles für Unsinn anstellen.
Lg Milan01
Vor langer Zeit - Antworten
Hagenbaeumer Sowohl Deinen Glauben als auch die Grenzen Deiner Vorstellungskraft kann ich naturgemäß nicht annähernd so gut einschätzen wie Du.
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Re: Re: Bedenkenswert ... -
Zitat: (Original von Hagenbaeumer am 24.02.2009 - 09:43 Uhr)
Zitat: (Original von Gunda am 24.02.2009 - 09:37 Uhr) (...)
Mit Sicherheit würde aber eine Diskussion darüber an diesem Ort den Rahmen sprengen.
lg
Gunda

Das ist schade.
Und eigentlich (!) finde ich nicht, dass der Rahmen hier zu eng ist, Speicherplatz ist ja genug vorhanden.
Allerdings kann ich mir schon vorstellen, es gäbe eine recht interessante Diskussion.
Aber einer der Gründe, warum ich diese Kolumne mache, ist in der Tat,durchas Debatten und meinetwegen auch Kontroversen auszulösen.
Natürlich kostet sowas Zeit (und ev. auch Nerven).




Ja, genau das meine ich. Eine solche Diskussion ist ja nicht etwas, das man mit: "Das ist meine Meinung dazu" abtun kann. Argumente, die einem auf den ersten Blick einleuchtend erscheinen, können, weil man einen bestimmten Aspekt vllt nicht berücksichtigt hat, im nächsten Moment von einem Anderen widerlegt werden ... und eigentlich möchte man dann sofort mit "ja, aber" kontern ...
Siehste, und da fehlt - zumindest mir persönlich - dann die Zeit. Außerdem muss man sich ja über ein so komplexes Thema wie dieses erstmal eine formulierbare Meinung bilden, also das, was einem unterschwellig durchs Gehirn hüpft, auch in verständliche Worte kleiden. Fällt nicht jedem leicht ...

LG
Gunda

PS: Jetzt ziehe ich mir 15 und 16 rein.

Vor langer Zeit - Antworten
Hagenbaeumer Re: Bedenkenswert ... -
Zitat: (Original von Gunda am 24.02.2009 - 09:37 Uhr) (...)
Mit Sicherheit würde aber eine Diskussion darüber an diesem Ort den Rahmen sprengen.
lg
Gunda

Das ist schade.
Und eigentlich (!) finde ich nicht, dass der Rahmen hier zu eng ist, Speicherplatz ist ja genug vorhanden.
Allerdings kann ich mir schon vorstellen, es gäbe eine recht interessante Diskussion.
Aber einer der Gründe, warum ich diese Kolumne mache, ist in der Tat,durchas Debatten und meinetwegen auch Kontroversen auszulösen.
Natürlich kostet sowas Zeit (und ev. auch Nerven).
Ich werde mich aber bemühen, ein Thema zu finden, bei dem eine Diskussion ausgelöst wird.

LG
Matthias

P.S.: Ich fand es auch bedauerlich, dass die entstandene Debatte um die Todesstrafe im Keim erstickt ist. Das Forum ist doch nicht nur zum Quatsch machen da, oder ?
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Bedenkenswert ... - ... und gleichzeitig Bedenken auslösend, deine interessanten Thesen und Schlussfolgerungen daraus ...
Mit Sicherheit würde aber eine Diskussion darüber an diesem Ort den Rahmen sprengen.
lg
Gunda



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