Die vergangenen Tage und Monate waren ohne Glanz. Alles was geschehen ist, kam Maxi vor, wie ein Blatt Papier, das vom Wind getroffen immer wieder zu Boden fällt. In Gedanken versunken sah sie der Stewardess zu, die ihr den bestellten Sekt in einen Plastik Becher goss. Sie stellte alles auf den winzigen Klapptisch. Es war das erste mal seit acht Jahren, dass sie ohne Sebastian in den Urlaub flog.
Warum nur war ihr Himmel zerbrochen?
So oft in den letzten Monaten hatte sie darüber nachgedacht. Aber er ist nie ganz zerbrochen. Manchmal gab es nur Risse im gläsernen Blau. Wie unten in der Lagune,
wenn die Dämmerung der Sonne ihren grellen Glanz stahl, und das Wasser wie flüssige Meeres Seide in der Ewigkeit schwamm.
Während sie an ihrem Sekt nippte, und auf die wabernde Wolkenbank draußen vor dem Fenster sah, zogen ihre Gedanken zurück in die Vergangenheit, und blieben an einem sonnigen Tag im Juli hängen.
Maxi putzte in der Garageneinfahrt das Auto von Sebastian. Sein Auto würde einem fahrenden Müllcontainer ähneln, wenn sie sich nicht ab und zu darum kümmern würde. Sebastian und Maxi Leroy waren seit acht Jahren verheiratet. Er war Rechtsanwalt und hatte andere Dinge im Kopf als herumliegende Cola Dosen und leere Schoko - riegel -
papierchen.
Und so hatte es sich eingebürgert, dass er einmal in der Woche das Auto von Maxi benützte, um in die Kanzlei zu fahren. Sie putzte sein Auto. Maxi war nicht unbedingt glückselig über diesen Ritus, aber schließlich war er Basti, ihr Liebling für den sie fast alles tun würde.
Zwischen dem überquellenden Aschenbecher und einer angeknabberten Banane, lag sein batteriebetriebener Rasierapparat, mit dem er sich morgens auf die Schnelle im Auto rasierte - wenn er mal wieder zu spät aus den Federn kroch. Sebastian war vierzig Jahre alt. Er hatte dunkles Haar und an den Schläfen
begann es silbern zu schimmern.
Und er wohnte in seinem Auto!
Maxi bearbeitete die weichen, grauen Bezüge mit dem Staubsauger. Sie rochen etwas muffig und nach animalischem Schweiß. In der Luft hing der Geruch seiner ägyptischen Zigaretten. Und noch ein anderer Duft hing zwischen leeren Chipstüten und geleerten Erdnussdosen!
Sebastians Rasierwasser?
Nein! Der Geruch war feiner, mädchenhaft und auch unschuldig. Wie eine frische Brise an einem heißen Sommertag. Als er gestern sehr spät in der Nacht heimgekommen war, hatte er auch nach dieser wilden, frischen Brise gerochen. Er war sehr leise neben ihr
unter die Decke gekrochen, um sie nicht zu wecken. Aber sie war hellwach gewesen. Ein unbekanntes, fremdes Gefühl hatte zusammen mit Sebastian das Schlafzimmer betreten. Sie spielte die Schlafende!
Maxi wäre keine liebende Frau, hätte sie nicht die Schimäre einer Kopfgeburt über den Zaun steigen sehn. Ihr wurde plötzlich bewusst, was der Staubsauger gierig in seinen Bauch sog. Langes, blondes Haar - es hing überall im weichen Stoff der grauen Bezüge. Abrupt schaltete Maxi den Staubsauger aus.
Sie selbst hatte langes, dunkles Haar. Mit kleinen, rotgoldenen Feuern, wie Glut unter der Asche.
Ihre Hände begannen zu zittern. Die
Kopfgeburt drehte sich wie ein Rudel Fleischwölfe durch ihre Hirnwindungen.
Als sie dann ein paar Sekunden später den schwarzen, mit Spitzen besetzten Büstenhalter entdeckte, der zwischen Lehne und Sitz eingeklemmt war, wusste sie, dass die Plünderung ihrer Liebe schon längst begonnen hatte.
Seit Wochen fühlte sie, dass Sebastian sich völlig veränderte. Sein Drang nach neuem Outfit! Die Joggingrunde jeden Abend, die er immer gerade dann machte, - wenn sie keine Zeit zum mitkommen hatte. Die Müdigkeit, die Sebastian überfiel, wenn sie im Bett zärtlich wurde. Seine Termine, die sich bis weit nach Mitternacht ausdehnten.
In irgendeiner Herzfalte hatte sie es geahnt, -
nun wusste sie es! Der Unterschied zwischen Ahnen und Wissen ist ein sehr schmerzlicher. Der Büstenhalter Größe fünfundsiebzig - B verwandelte sich zwischen ihren Fingern in flüssiges Feuer.
Angeekelt warf sie ihn auf den Beifahrersitz. Sie stieg aus dem Auto, stand ein paar Sekunden reglos auf dem Rasen. All die kleinen Zufälle und Begebenheiten rasten durch ihr Gehirn wie ein Sternschnuppenschwarm und wurde zu einem Kometen des Begreifens!
Kraftlos taumelte sie in Richtung der weißen Sitzbank, die an der Hauswand stand. Dort saß sie eine Weile, um sich zu beruhigen. Das Herz wird zerbrechlich in der Provinz der Lügen. Sie fühlte, wie ihr am ganzen Körper
der Schweiß ausbrach. Als ob ihre Haut alle Ahnungen der letzten paar Wochen ausschwitzen wollte. Wie ein tröpfelnder Fluss, auf dem die verlorene Liebe lautlos davon schwamm.
@Feedre