Abgestempelt
... oder:
So schnell wird man abgestempelt
Nun könnte man sagen, was gibt es schon zu berichten über eine Anmeldung in einer neuen Schule? Das ist ja nun kein großes Ereignis. Man geht hin, gibt die persönlichen Daten an und gut ist es. Denkt ihr aber auch nur. In Wirklichkeit ist alles ganz anders. Zumindest in Bayern.
Ich kam also mit meinem Sohn in Bayern an und wohnte vorübergehend bei Helga und Helmut in der kleinen Pension auf der Waldlichtung. Die Zeit war gar nicht so schlecht, wie Urlaub eben. Aber
natürlich konnte es so nicht ewig weitergehen. Ich war ja nicht hier hergezogen, um nichts zu tun. Das hätte ich genauso gut auch zu Hause bei meinem Mann machen können. Und das noch finanziell abgesicherter.
Die nächsten Schritte auf meiner Liste standen fest. Wenige Tage nach unserer Ankunft fuhr ich deshalb in die nächste größere Stadt und meldete mich beim Einwohnermeldeamt an und dem Arbeitsamt um. Muss ja alles seine Richtigkeit haben. Dann suchte ich nach einer Schule. Hier in der Stadt Regen kamen zwei infrage. Die eine Realschule war voll belegt, aber in der zweiten hatte
ich Glück. Ich bekam einen Termin für den Eignungstest für meinen Ableger und einen für das Sekretariat, falls sich mein Bengel qualifizieren sollte. Was er natürlich tat.
In der Woche drauf betraten wir also frisch gestriegelt das Schulbüro. Die Sekretärin war recht nett und legte eine neue Akte an. Sie fragte nach dem Namen, den Geburtsdaten und nach der alten Schule. Ich beantwortete natürlich alles wahrheitsgemäß.
So ziemlich am Ende der Anmeldung fragte ich die Sekretärin, ob sie denn wisse, in welche Klasse er kommen
würde. Welchen Jahrgang war ja klar, aber in jeder Stufe gibt es ja mehrere Klassen. Und an dieser Schule a,b und c. Die Sekretärin schüttelte den Kopf und meinte, dass erst direkt zum Schuljahresbeginn entschieden werden würde, welche Neuzugänge wohin aufgeteilt würden.
Abschließend fragte sie noch nach seiner Glaubensrichtung. Ich meinte „Keine.“ und dachte, damit sei das Thema erledigt. So als echtes DDR Kind war ich nie in die Kirche gegangen und genauso hatte ich das bei meinen Kindern gehalten. Die beiden Mädels wollten einmal freiwillig zum
Religionsunterricht, weil ihre Freundinnen auch dort hingingen. Das hatte ich ihnen natürlich erlaubt. Aber nach ein paar Wochen bereits war die Begeisterung vorbei und meine Mädels verbrachten ihre Samstage wieder wie gewohnt.
Aber zurück zu unserem Gespräch. Kaum hatte ich erwähnt, dass mein Sohn keiner Glaubensrichtung angehörte, wurde ich halb verdutzt, halb erschrocken angeschaut. Dann fragte die nette Frau, die einen starken bayrischen Dialekts sprach, noch einmal nach. Anscheinend dachte sie, ich hätte sie nicht verstanden.
„Nein, ich meine, welcher Religion
gehört er an? Katholisch oder Evangelisch?“
„Nein, keiner von beiden. Ich komme aus dem Land Brandenburg und da gibt es viele Menschen, die nicht religiös sind.“
Nun wich ihr fragender Blick einer Mischung aus Entsetzen und Missachtung. Sie sah meinen Sohn einmal von oben bis unten an. Man sah förmlich, wie sie in Gedanken ihre Nase rümpfte. Plötzlich schien die Temperatur im Zimmer um mehrere Grad gefallen zu sein.
Mit strenger und abwertender Stimme meinte sie nun kurz:
„Na dann kommt er in die C!“ Gleichzeitig klappte sie hektisch die neu
angelegte Akte zu, griff nach einem dicken roten Wachsmalstift und schrieb ein nicht zu übersehendes GL quer über den Aktendeckel.
Ich war verdutzt, wie schnell die Stimmung umschlagen konnte wegen... ja, wegen was eigentlich? Ich hätte es ja verstanden, wenn ich die Frau persönlich angegriffen oder wegen ihrer Religion verurteilt hätte. Aber so?
Ich deutete auf das GL und fragte, was das bedeutete und sie meinte nur schnippisch, dass das „Glaubenslos“ hieß.
„Und nun wissen Sie plötzlich, in welche
Klasse er kommt? Eben hatten Sie doch gesagt, dass das noch nicht sicher wäre.“ Irgendwie war ich inzwischen auch leicht verärgert und ließ sie das bestimmt auch spüren.
„Ja, die Glaubenslosen kommen alle in die C.“
Später erzählte mir mein Sohn, dass in der A alles Katholiken und in der B die Evangelisten und noch ein paar Katholiken wären, da es von ihnen zu viele gab. Und in seiner Klasse war so der Rest. Mehrere Muslime und Juden (und o Wunder, sie vertrugen sich alle miteinander), zwei Buddhist und Mario als Atheist. Oder besser gesagt als
GLér.
Damals regte mich das ganz schön auf. Heute finde ich es nur noch lächerlich. Denn das war nicht das einzige Erlebnis in Bezug auf unsere nicht existierende Religionszugehörigkeit. Aber darauf gehe ich später noch einmal genauer ein.
So viel für heute. Demnächst mehr. Für heute wünsche ich euch allen da draußen noch einen schönen Abend
… und passt auf euch auf.
Euer vagabundinchen