Laura saß auf ihrer Schaukel im Garten unter dem Apfelbaum. Er hat nie auch nur einen einzigen Apfel getragen. Sein Leben verdankte er nur ihr und ihrer Schaukel, die an einem dicken Ast hing. Ansonsten hätte ihr Vater ihn längst ausgetauscht gegen einen jungen, fruchtbaren Baum.
Es war ein sonniger Tag im Mai und die ganze Wiese war voller Gänseblümchen. Sie strömten einen starken Geruch aus.
Lenni und Ben, die Zwillinge von nebenan kamen durch den Garten. Sie wohnten im Haus gegenüber und waren Lauras Freunde. Bis zu diesem Nachmittag. Die Zwillinge waren drei Jahre älter, als die zwölfjährige
Laura.
Sie schaukelten zusammen, einzeln, schubsten einander an, dann um, balgten sich im Gras, alles war wie immer. Bis zu diesem einen Atemzug, der die Zeit einfror.
Lenni verlangte von Laura, dass sie ihr Höschen auszog. Ihr hellgrünes, seidiges Höschen, unter ihrem meergrünen Kleid, das um die Brust herum schon ein bisschen eng wurde, weil sie einen kleinen Busen bekam.
Laura starrte die beiden völlig entgeistert an. Ihr Kinderhimmel überzog sich mit dunklen Wolken.
"Bist du vollkommen übergeschnappt", schrie sie Lenni an, als der mit bösem Grinsen, ein langes Seil aus der Hosentasche zog. Ben schien nicht so begeistert zu sein, von dem
neuen Spiel seines Bruders. Trotzdem hielt er Lauras Arme hinter dem Baum fest, damit sein Bruder sie fesseln konnte.
Laura fauchte die beiden wütend an und erst als Lenni begann ihr das Kleid auf zu knöpfen, überfiel sie Panik. Lenni riss mit einem einzigen, brutalen Ruck das seidene Unterhöschen entzwei. Tränen der Scham und Wut hinterließen nasse Spuren auf ihren Wangen. Das Höschen war ein Geschenk gewesen von ihrer Patentante und immer wenn sie es angezogen hatte, erinnerte sie sich an den schönen Tag mit Julie in der Einkaufspassage.
Lenni stellte sich mit breitem Grinsen vor Laura hin und öffnete seinen Hosenschlitz. Sein Glied war klein, steif und aus seinem
Hosenladen drang ein penetranter Gestank nach Urin.
"Du blöder Bettnässer, du bist doch nicht dicht, binde mich sofort los und dann verschwindet", schluchzte Laura. Sie starrte ungläubig die beiden an, die bis zu diesem Nachmittag ihre Freunde gewesen waren.
Lenni grinste und versuchte sie zu küssen. Er drängte seine Zunge in ihren Mund. Sie biss sofort und ohne zu überlegen herzhaft zu.
Erschrocken stieß er einen langgezogenen Schmerzensschrei aus. Seine grünen Augen sprühten vor Zorn. Er holte mit der rechten Hand aus und schlug ihr heftig ins Gesicht. Ihr Kopf flog gegen den Baumstamm. Ihr linkes Auge schwoll sofort zu. Der Schweiß, der sich auf ihrer Stirn sammelte lief in kleinen
Bächen über Nase und Wangen.
Es war Angstschweiß!
Sie versuchte zu schreien. Doch der Schrei, der aus ihrer Kehle brach, vergurgelte dumpf, wie in einem Brunnenschacht, weil Ben beide Hände um ihren Hals legte und zudrückte.
In diesem Moment kam Lauras Mutter durch den Garten. Laura sah durch einen Tränenschleier ihr blaues Kleid zwischen den Kirschbäumen auf blitzen. Aber der Garten war groß und so hatten die beiden Zeit Laura loszubinden und schnell durch das hintere Gartentor zu verschwinden.
Laura sank tränenüberströmt und einer Ohnmacht nahe ins Gras. Ihre Mutter, die langsam näher kam, empfand sie ebenso als Bedrohung, wie sie jeden Menschen in diesem
Moment als Bedrohung empfunden hätte. Sie fühlte sich nackt und hilflos. Wie ein kleiner Vogel, der aus dem Nest gefallen ist.
Lauras Mutter stieß einen wütenden Schrei aus, als sie Laura halbnackt im Gras liegen sah.
"Was ist hier los?"
Als Laura den Kopf hob, begegnete sie dem kalten, wutverzerrten Blick, der voller Ekel auf ihrer halb nackten Tochter ruhte.
Ihre Mutter griff brutal nach ihr, riss sie am linken Arm in die Höhe und schleifte sie durch den ganzen Garten, bis in ihr Kinderzimmer. Im Kinderzimmer angekommen stieß sie Laura zur Seite, riss den Kleiderschrank auf und warf Laura einen Jogginganzug vor die Füße.
"Anziehen!" herrschte sie ihre Tochter lautstark an.
Laura schluckte am heißen Tränenstrom, der einen dicken Kloß im Hals hinterließ.
Lauras Elternhaus, eine kleine, alte Villa am Ende der Straße, besaß einen tiefen, dunklen Keller. Laura betrat ihn selten, er flößte ihr Angst ein. Es roch seltsam da unten. Dumpf, nach eingelagerten Äpfeln, Kartoffeln, eingelegtes Sauerkraut und dem alten Lehmfußboden. Die schwere, alte Holztür war von außen mit einem eisernen Riegel verschlossen. Dahinter begann die lange Treppe nach unten, mit schwarzen, wie poliert wirkenden Stufen. Nun stand Laura zitternd vor Angst hinter dieser Holztür, die ihre Mutter von außen zugeworfen und verriegelt hatte,
weil sie scheinbar der Meinung war, Lauras beginnende Pubertät und die Probleme, die damit zusammen hingen, hier in dem dunklen Keller auskurieren zu können.
Irgendwo war ein Lichtschalter, aber Laura traute sich nicht von der Tür weg. Die Kellertüre bedeutete den Weg hinaus in die Freiheit. Hinter ihr war die Steintreppe, an deren Ende tief unten das Keller Labyrinth begann. Der Lehmfußboden war bevölkert mit Kellerasseln, wahrscheinlich gab es hier auch Mäuse, oder sogar Ratten.
Sie atmete ein paar mal tief durch und beschloss, hier an der Kellertüre stehen zu bleiben, egal wie lange ihre Gefangenschaft auch dauern würde. Als sich ihre Augen an das Dunkel gewöhnt hatten, begann ein ganz
besonderer Horror für sie, an diesem schönen Mainachmittag, der draußen zurück geblieben war, wo die helle Sonne schien. Über die Steintreppe herauf, bewegte sich ein Schatten auf sie zu, der noch schwärzer war, als das Dunkel, das sie umgab. Nacktes Grauen lähmte sie. Ich bin nicht das einzige große Lebewesen in diesem dunklen Keller!
Aus dem Schatten wurde eine Gestalt, die langsam näher kam. Ganz plötzlich und übergangslos wusste sie, wer da auf sie zukam!
Der Mann hatte ein Holzbein und einen Spazierstock in der rechten Hand. Das Holzbein erzeugte auf der Steintreppe ein dumpfes Klack...Klack....und der Spazierstock erzeugte ein helleres Klick...Klick weil er unten
mit Metall beschlagen war. Es war der alte Herr Fischer, der über die Steintreppe herauf langsam auf sie zukam.
Aber - der alte Herr Fischer hatte sich vor vier Wochen im Wald an einer Blutbuche erhängt. Ihre Blutbahn schien sich in flüssiges Eis zu verwandeln. Er war ihr inzwischen so nahe, dass sie seinen Atem riechen konnte. Er roch genau so modrig, wie der ganze Keller.
Sie haben gelogen, dachte sie. Sie haben alle gelogen. Er hat sich nicht im Wald erhängt, er hat sich die ganze Zeit bei uns hier im Keller versteckt. Ihr Bewusstsein flüchtete in einen dunklen Schacht vor dieser Ungeheuerlichkeit.
Wie in Zeitlupe gaben ihre Beine nach und sie brach vor der verschlossenen Kellertür bewusstlos zusammen.
@ Feedre