Gedichte
Mein Freund, der Baum

Mein Freund, der Baum Mein Freund, noch stehst Du aufrecht und gerade, doch Deine Tage sind bereits gezählt. Die Borkenkäfer waren ohne Gnade und hatten Dich als Opfer auserwählt. Als Himmelsstürmer, sichtlich froh des Lebens, hast Du Dich trotzig bis zuletzt gewehrt. Dein Abwehrkampf war zäh, jedoch vergebens, am Ende warst Du völlig ausgezehrt. Dein grünes Nadelkleid ging Dir verloren, das vielen Vogelkindern Deckung bot. Die Zweige dorren leblos, wie erfroren, und weithin sichtbar künden sie vom Tod. Die Rinde ist geborsten und zerschunden, dein Holz bizarr vernarbt und totenbleich. Dein Harz entquillt aus ungezählten Wunden und klebt am Stamm, erstarrten Tränen gleich.

. Dein Wipfel zeugt von letztem Lebenswillen, dort drängen kleine Zapfen dicht an dicht. Ein Überlebensdrama ganz im Stillen, doch wir erkannten seine Zeichen nicht. So bleibt uns nur ein schmerzliches Bedauern, dass Du nunmehr für immer von uns gehst. Mein Freund, ich werd' verstohlen um Dich trauern, wenn Dich die Axt von Deinem Leid erlöst. ~ ~ ~ Doch leider nimmt das Leiden noch kein Ende, fünf Fichtchen sterben mit Dir mit. Ihr schenktet uns ein trautes Wald-Ambiente, das so wie Ihr am Borkenkäfer litt. Mein Freund, wir spür'n wie Euch die Käfer quälen, sie nahmen Euch das Kleid mitsamt dem Stolz. Wie unermesslich werdet Ihr uns allen fehlen, Ihr wart uns mehr als jede Menge Holz.

Nachlese in 6 Bildern: Auf den ersten beiden Bildern zeigen sich die schlanken (serbischen) Fichten am linken Bildrand weitgehend, wie wir sie uns gewünscht hatten: Nachdem die erste Fichte ganz allein einen einsamen Eindruck machte, bekam sie 5 weitere Fichten als Zuwachs, die in einem lebendigen Gesamtbild das Gartenhäuschen versteckten und im heißen Sommer angenehmen Schatten spendeten. Aus dem dritten Bild ist – ohne dass wir zunächst wussten warum – ersichtlich, dass die unteren Äste bereits ihre Nadeln verloren hatten und allmählich das Gartenhäuschen weithin sichtbar wurde. Als wir zuerst an der ältesten und größten Fichte und bald auch an allen anderen die Borkenkäferspuren sichteten, war es für Gegenmaßnahmen viel zu spät geworden, sodass wir alle Sechs fällen mussten, um die übrigen Fichten in der Nähe zu retten. Es war

ein unsagbar trauriger Anblick, sie alle tot nebeneinander liegen zu sehen: Unten der kahle Stamm voller Narben und ehemals oben die letzten grünen Triebe (nur sie sind auf Bild 4 auf dem Boden liegend zu sehen) welche alle in einem verzweifelten Endkampf mit ihrem letzten Lebenswillen noch einmal so viel wie möglich Leben erzeugten. Nicht aus Freude am Addieren sondern aus Neugier zählte ich an unserem ersten Freund an dem nur 2m langen grünen Wipfel – sage und schreibe – 1310 kleine Kiefernzapfen an den allerletzten Zweigen. Ein erschüttender und unvergesslicher Anblick. Bild 5 zeigt das Tohuwabohu am Ende dieser Tragödie, und Bild 6 den heutigen Zustand: Das Gartenhäuschen nicht mehr versteckt, sondern von Rhododendren umrahmt. Den Luftraum beherrschen nun unser Ahornbaum links und rechts die Eiche beim Nachbarn.