Romane & Erzählungen
Die Vision (Kapitel 1C) - Die letzten Stunden in Freiheit

Nachdem der erste Schock über seine Einberufung verschwunden war, zog sich Niels in seine Zimmer zurück. Diese waren im Gegensatz zum protzigen Stil der Wohn- und Empfangsräume im Untergeschoss, eher puristisch eingerichtet. Abgesehen von einem riesigen Himmelbett und dem uralten Kleiderschrank, welcher seit hundert Jahren in Familienbesitz ist, befand sich noch eine grüngefärbte Schrankwand und ein gigantisches Bücherregal im Raum. Dazu noch die allgegenwärtigen Familienportraits der mehr oder weniger beliebten Verwandtschaft. Licht spendete ein Deckenleuchter sowie zwei Stehlampen.

Er stand in der Tür. Auf der Suche nach seinem Koffer lies er den Blick durch den Raum schweifen. Jetzt wo er von hier fort musste, sah alles so friedlich aus. Wärme durchzog seinen schlanken Körper.

Der Koffer lag also auf dem Schrank. Beim besten Willen fiel ihm nicht ein, wann das Teil zum letzten Mal benutzt wurde. Zu lange schon war er nicht mehr auf Reisen gewesen. Das Packen der Sachen ging ihm flink von der Hand, da diesmal kein großes Überlegen nötig war, welche seiner vielen Kleidungsstücke er mitnehmen solle. Alles war nämlich auf einer beigefügten Liste streng reglementiert. Zielsicher griff er in die einzelnen Fächer, entnahm die gewünschten Stücke und verstaute sie recht lieblos im Koffer. Auf die Armee und den Krieg hatte ein Schöngeist wie er keine Lust. Doch hatte er sich zur Truppe gemeldet, da jeder der Söhne von Vaters Freunden zum Heer gegangen ist. Außerdem hoffte er so auf Anerkennung in der Familie.

Kurz vor Mitternacht stand Niels auf der Terrasse. Es war klirrendkalt. Der Himmel präsentierte sich so klar wie selten. Keine Wolke weit und breit.

Eine helle Stimme rief ihn zum Gartenhaus. Mit breitem Grinsen und schnellem Gang bewegte er sich zum Häuschen. Je näher er kam desto schneller lief er. Plötzlich konnte er Mary Parfüm riechen. Sofort war da wieder dieses Kribbeln.

Nun stand er vor dem Gebäude, doch sah er seine Herzensdame nicht, erkannte aber das die Tür nur angelehnt war. Vorsichtig öffnete er einen Spalt. Was er dadurch erkannte, lies sein Herz höher schlagen.

Seine Mary lag, nur mit einem Seidennachthemd bekleidet, auf dem Bett. Sie lächelte ihn an. Niels merkte wie seine Knie weich wurden. So schön sah sie noch nie aus. Langsam sank er in ihre Arme fallen. Er drückte sie zärtlich an sich. Ihre Zungen spielten miteinander. Vorsichtig wanderten seine Hände unter das Nachthemd. Sie roch wunderbar nach Vanille.......

 
©G.Wolf 02/09