Kurzgeschichte
Der Besuch

0
"Der Ausbruch aus dem Alltag"
Veröffentlicht am 06. März 2022, 14 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: Melinda Nagy - Fotolia.com
http://www.mystorys.de
Der Ausbruch aus dem Alltag

Der Besuch

Der Besuch

Es war ein kurzer Ausbruch aus dem Alltag. Es ist manchmal als brauchte man es unbedingt. Wenn die graue Welt langsam und beständig das Herz ergreift, braucht es ein wenig Farbe, ein wenig Licht, um auf andere Gedanken zu kommen. Nicht immer gelingt es, die Sorge sind immer gegenwärtig. Manchmal sind es auch keine Sorgen, sondern nur Aufgaben. Der Einkauf, die Wäsche, das Aufräumen – es gibt immer Etwas zu tun.

Es liegt in der Natur des Menschen, dass er immer was zu machen hat. Am Ende

des Tages kommt die Frage, was hast du heute gemacht. Manchmal schweift dabei mein Blick über die Häuserblöcke. Die Wände aus leeren Fenstern und Fenstern mit zarten Lichtscheinen. Eine Großstadt ist schön, aber es kommt die Zeit, da man das Gefühl hat, nur in einer Schlafstadt zu leben. Die Menschen haben manchmal das Gefühl ein schönes Leben zu leben. Es ist aber immer wieder der gleiche Ablauf – der Alltag, die Gewohnheit. Ein Ausbruch fällt schwer, aber es gibt sie. Ich möchte von meinem Ausbruch erzählen.

Es war eine kleine Ausstellung, einiger zeitgenössischer Maler. Ein paar bunte

Bilder, die schön aussehen. Es waren nicht meine Favoriten, aber manchmal muss man nehmen, was man kriegen kann. Ich habe meine Freundin eingeladen, wir trafen uns vor dem Museum, sie hatte noch etwas zu erledigen. Es war abgesprochen, auch wenn es nicht die beste Idee war.

Es war ein schöner sonniger Tag. Der Winter neigte sich dem Ende, eigentlich war Sturm angesagt, aber als sie zum Museum kam, erstrahlte plötzlich die Sonne und für wenige Momente schien die Welt stehen zu bleiben, auch wenn sie nicht wirklich tat. Keine Ahnung woher das Gefühl kam, oder warum ich

daran dachte, eigentlich war ich sonst ein eher vernünftiger Mensch. Trotzdem beeindruckte mich dieser Zufall und als sie mir zulächelte sah ich ein Strahlen, was ich sonst nur selten bei ihr sehe. Als ich auch noch zu ihr meinte, dass sie in freier Wildbahn an so einem sonnigen Tag viel hübscher aussieht als im alltäglichen Trott, sagte sie mir, dass ich langsam einen Knall habe. Sie lächelte und ging voran.

Hatte ich einen Knall? Wurde ich wahnsinnig. Gibt es Menschen, die einfach zum Leben nicht geschaffen sind. Es waren Fragen, die mich auf einmal bewegten. Ich hatte schon lange das

Gefühl, dass ich zur Arbeit nicht geboren war. Ich habe immer nach neuen Wegen gesucht. Was dazu führte, dass ich nach sieben Jahren fünf verschiedene Arbeitgeber gehabt hatte. Alle waren traurig, wenn ich gegangen bin – zu bleiben, war aber nie eine Alternative. Vielleicht hatte ich einen Knall, aber selbst mit einem Knall musste man leben lernen.

Lerne Klagen ohne zu leiden. Kann man auch leiden ohne zu klagen? Das hört sich ein wenig depressiv an, so ist es aber nicht gemeint. Ich habe in meinen negativen Gedanken auch immer ein Fünkchen Humor gesehen und konnte

hervorragend über meine ganzen Probleme lachen. Ich dachte lange nach, das Leben zog so an mir vorüber.

Wir gingen in die Ausstellungen. Sie wies mich auf sehr lustige Beiträge und Texte hin, wir lachten zusammen, waren entsetzt und auch begeistert von den Farben der Bild. Wir standen lange vor einer Wasserszenerie mit einem Paddelboot. Der Künstler hatte das Wasser wie auch die Natur ins Abendlicht getaucht und dafür eine grüne Farbe genutzt. Es war ungewöhnlich und harmonisch zugleich. Sie stand lange davor. Dann meinte sie nur kurz, es erinnert mich an dich. Ich war leicht

geplättet und versuchte es zu verstehen. Es ist kein Geheimnis, dass ich sie des Öfteren nicht verstand, aber diesmal machte sie auch keine Anstalten sich erklären zu wollen. Ich musste es wohl nehmen, wie es ist.

Ich hatte es nicht mit Booten, auch Wasser war mir eigentlich zu wieder. Warum erinnert es sie an mich. Sie sah mich breit grinsend an, als sie ging, Sie wusste, dass sie mich verwirrt hat. Sie hatte geschafft, was sie wollte. Hinterlistig, aber charmant – das muss man ihr zugestehen. Ich möchte aber nicht über sie und ihre Motive spekulieren – ich möchte meine Person

eher verstehen.

Was habe ich schon mit Kunst zu tun und warum sollte ein Kunstwerk einen Menschen an mich erinnern. Es war absurd – ich mochte mir Kunst zwar anschauen und darüber reden, aber ich selbst konnte keine Kunstwerke erschaffen. Wenn ich ehrlich bin, sah ich auch nicht so aus, als würde ich Teil eines Kunstwerkes sein können.

Manchmal ist es komisch, wie das Leben so spielt, oder welche Gedanken einer Person kommen. Allerdings ist es nicht ungewöhnlich, dass mich Gespräche mit anderen Menschen aus der Bahn werfen –

ich muss immer lang über das Gesagte nachgrübeln und kann nur schwer entscheiden, was darauf zu entgegnen ist.

War es ein Wink mit dem Zaunpfahl? Oder mit einer ganzen Latte? Schau an, du bist so schön, aber gleichzeitig so mysteriös wie dies Bild. Lediglich die Atmosphäre kann sie an mich erinnert haben. Sowohl die dargestellte Szenerie als auch die Tätigkeiten auf dem Boot sind mir nicht in die Wiege gelegt. Allgemein bin ich auch nicht gerne in der Natur unterwegs. Ich bin eher ein Stadtmensch. Je mehr ich darüber nachdachte, desto offensichtlicher wurde, dass ich mit dem Bild eigentlich

nichts zu tun habe. Trotzdem strengte es mich an. Wir gingen natürlich durch die ganze Ausstellung, ich konnte auch nicht ewig vor dem Bild stehen bleiben – es hätte ihr zu sehr gezeigt, dass sie mich damit getroffen hatte. Das wollte ich ihr nicht so deutlich zeigen, auch wenn ihr lächeln bedeutete, dass sie es schon wusste. Sie war ja nicht dumm.

Draußen war ein Garten. Er war schön. Die Schneeglöckchen waren schon am Blühen. Ansonsten war er sehr übersichtlich. Nicht verwildert, alles stand in Reih und Glied – so mochte ich es. Alles muss seine Ordnung haben, einen Dschungel oder gar Urwald würde

ich nicht aushalten. Das mag zwar typisch Mann sein, aber so bin ich halt. Ich liebe meine Ordnung und tue auch alles dafür.

Was also habe ich mit diesem Bild zu tun? Ich weiß es nicht. Es hatte mich bewegt, in den Bann gezogen, aber mich selbst dort zu sehen, das war nicht meine Sache. Warum sollte man sich selbst auch in einem Bild sehen. Dafür gab es schließlich Spiegel. Ich kann mir nicht helfen. Das Denken viel mir irgendwann schwerer. Das Leben zog weiter an mir vorbei, sicher wir waren in einem Café. Wir tranken Tee und Kaffee, erzählten und hatten Spaß. Trotzdem ließ mich die

eine Bemerkung nicht los.

Ich hasse solche Situationen. Es ist wie beim Schach manchmal. Man erhält einen Tunnelblick, achtet nicht mehr auf den Gegner und spielt sein Spiel. Am Ende merkt man dann, dass fast Alles, was man sich ausgedacht hatte, zum Untergang geführt hat. Mit den Gedanken ist es manchmal sehr ähnlich. Man denkt und denkt und denkt und wird dabei wie verrückt. In diesem Fall war es ähnlich – da wollte ich dem Alltag entfliehen und eine Ausstellung besucht. Jetzt möchte ich eigentlich der Ausstellung entfliehen und sollte wohl wieder in den Alltag einkehren – irgendwie kann ich es mir

selbst nicht wirklich recht machen.


Am Abend fragte sie mich, wie mir die Ausstellung gefallen hat. Ich lächelte sie an und meinte gut – ich hatte keinerlei alltägliche Sorgen mehr. Ging es dir nicht so? Sie erwiderte nur, doch. Wir grinsten uns beide an und genossen das Schweigen am Ende eines Tages – irgendwo saßen Tauben und genossen wie wir die leichte Abendbrise und das Funkeln der Stadt, bevor alle Lichter erlöschen und am nächsten Tag der Alltag beginnt.

0

Hörbuch

Über den Autor

Wandersmann

Leser-Statistik
2

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
Zeige mehr Kommentare
10
0
0
Senden

168818
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung