Ich wünschte, ich könnte sagen, dass ich jemals an auch nur irgendeinen Gott geblaut habe. Das habe ich nie ganz verstanden. Ein allmächtiges Wesen, dass Alles erschafft, alles weiß und auch alles sieht. Ein solches Wesen war mir unheimlich. Warum sollte er seiner Schöpfung bei allen Dingen zuschauen. Sind Menschen somit nichts anderes als Ameisenfarmen für Götter.
Gemessen an den Vorstellungen der Römer und Griechen müssen Menschen Spielbälle für die Götter sein, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen. Ich
habe nie verstanden, was das alles soll. Die Mythen, sie verschrecken die meisten Menschen nur. Sie sind Gutenachtgeschichten für Kinder. Aber man stelle sich nur verschiedene Götter vor, die alle den Menschen jederzeit zuschauen können – wie unanständig ist das denn?
Das Konstrukt hinter dem Glauben an einen Gott ist ebenso beachtlich. Wie lange war ich in der Christenlehre, wo mir von Himmel und Hölle erzählt wurde. Es war nie sonderlich schön. Es sollte Angst machen. Wir armen Sünder würden sowieso alle in der Hölle enden, wofür sollte man sich demnach noch
anstrengen. Ich habe es nie verstanden.
Mein Problem mit der Hölle war nicht, dass Sünder nicht ihre Strafe verdient hätten. Mir war auch bewusst, dass ich als einer der größten Sünder nur einen vorgezeichneten Weg entlang schreiten konnte. Mich hat eigentlich nur interessiert, ob ein Sünder auch wirklich wüsste, dass er in der Hölle gelandet ist. Für mich war es das schlimmste, nicht zu wissen, ob ich lebe oder schon gestorben bin. Selbst dann könnte eine Hölle so konzipiert sein, dass man unwissend immer denselben Trott erlebt in den Glauben, dass man alles Echt ist.
Konnte man sich sicher sein, dass man an ein Höllentor kommt, bei dem man wirklich denkt, lass fahren alle Hoffnungen? Es wäre schön. Aber die schrecklichste Strafe wäre doch, dass man gar nicht weiß, dass es eine Strafe ist. Man lebt sein normales Leben und dann wird auf einmal am Ende gefragt, wie man die Strafe empfunden hat. Das Leben, mit allem was man erlebt, ist sodann nur Lug und Trug. Alle positiven wie auch die negativen Einflüsse waren nur Teil der Höllenqual, die wie auch immer einen insgeheim wahnsinnig gemacht hat.
Das Leben ist zu kurz, um es mit Jammern zu verbringen. Dennoch macht mich dieses Gefühl immer sehr nachdenklich. Was ist, wenn ich nicht lebe, sondern meine Zeit in der Hölle absitze. Macht es einen Unterschied, wenn ich erfahren würde, dass alles was ich sehe, empfinde und aufnehme eigentlich nur ausgedacht ist?
Gibt es dann noch Nächstenliebe, Liebe, Freiheit oder einen freien Willen? Alles wirkt vorprogrammiert. Alles scheint so vorherbestimmt. Das Leben nimmt immer komische oder absurde Wendungen, aber was ist, wenn sie kein Zufall sind? Was
ist, wenn hinter allem ein teuflischer Plan steckt, der nur dazu dient, um mich weiter zu quälen.
Die spielenden Kinder auf dem Hinterhof. Der Name Leon, der ständig über den Platz geschrien wird, nervt mich wirklich. Dummerweise schreien den Jungennamen auch noch piepsige Mädchenstimmen, welche durch Mark und Bein gehen. Warum müssen junge Frauen immer so ein lautes pipsiges Organ haben. Ich meine später ist es eher ein dröhnendes und durchdringendes Organ – es wird halt nicht besser. Ich weis nicht, warum ich so viele Gedanken an Himmel und Erde verschwende, aber
insgeheim nervt es mich schon. Was soll man nur dagegen tun?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass mein Leben auch nur irgendein anderes höheres Wesen wirklich interessiert. Ich meine ein Gott, der alle großen Männer nach dem Tod zu sich holen kann, wird doch nicht mehr auf neue Menschen schauen müssen, die auch einfach nur ihr Leben leben. Wenn der Gott alle lustigen Menschen um sich hat, wird er doch sicher feiern. Mit Musik, mit Comedians und mit Artisten. Würde er sich nicht die besten Jazz-, Rock- oder Klassik-Komponisten nehmen und täglich für sie spielen lassen?
Oder ist der Himmel so langweilig geworden, dass alle leidenschaftlichen Menschen in der Hölle gelandet sind und ein Gott im Himmel nichts besseres zu tun hat, als den Menschen zuzusehen. So als hätte er keine andere Alternative, zudem es besser ist als sich mit dem vernachlässigten und missverstandenen Sohn zu beschäftigen.
Es lässt sich vortrefflich über all diese Dinge spekulieren, aber am Ende kommt man zu dem Punkt, an dem es einfach nicht weitergeht. In diesem Fall muss man sich einfach geschlagen geben. Die Hölle mag zwar sehr blumig dargestellt
worden sein, aber viel verzweifelnder ist, dass man nie wissen wird, wie sie wirklich aussieht. Man weiß nie, ob man vielleicht nicht schon drin ist.
Es gibt viele Meinungen dazu und viele Fragen, aber letztlich bin ich kein Theologe. Ich bin Skeptiker, der alles infrage stellt, was er nicht versteht. Ich wünschte mir, ich könnte verstehen, was wirklich ist. Ich wünschte ich hätte einen kleinen Hinweis, was eigentlich gespielt wird. Am Ende muss ich aber eingestehen, dass ich nur an etwas glauben kann, ob es wirklich richtig ist, weiß man erst am Ende, wenn ein alter Gott sagt, was wirklich Phase ist.
Mit diesen Gedanken fahre ich Bahn, grinse über die Menschen und denke mir, was es eigentlich soll. Dante hatte es so einfach. Vergil hat ihn durch die Hölle geführt. Doch war es die wirkliche Hölle oder begnügte man sich damit, ihm eine Chance zu eröffnen. Haben sie ihm am Ende gesagt, tja Pech gehabt, deine Läuterung kam nun wirklich zu spät. Schön, dass du ein sittsames Leben auf die letzten drei Tage geführt hast, aber letztlich gibt es für dich kein Zurück mehr.
Ich konnte mir nicht helfen, bei all dem Positiven, das man dennoch erlebt, würde
diese eine alte Offenbarung alles verblassen lassen. Es gäbe dann kein Heute und Morgen mehr, alles würde in den Fluss der Täuschung überführt werden. Wahrscheinlich wird damit das Wasser des Styx angereichert, wo sodann auch die Seelen der verstorbenen Leben, welche den Charon nicht bezahlen konnten.
Welche Gedanken kommen mir da gerade. Das Leben, der Himmel und die Hölle. Begreifen werde ich meine Gedanken zu diesem Thema wohl nie, aber es gibt immer wieder Gründe darüber nachzudenken. Sie lassen mich
abends wach liegen und morgens schnell erwachen. Sie lähmen mich für eine lange Zeit, sind aber ebenfalls der Grund für meinen Antrieb. Es gibt immer einen Grund, um darüber nachzudenken. Doch am Ende wird man von einem Zellgewebe verspottet, wenn Himmel, Erde und das eigene Leben zu Aas geworden sind. Mit diesem Gedanken kann ich sodann selig grinsend einschlafen, bis ich zum nächsten Mal über die Gedanken ins Grübeln und Sinnieren komme. Die Hölle auf Erden ist mein Verstand – wer hätte das gedacht?