Kurzgeschichte
Minenfeld

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"Eine Geschichte über Beziehungen und Kommunikation."
Veröffentlicht am 20. Februar 2022, 16 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Eine Geschichte über Beziehungen und Kommunikation.

Minenfeld

Was bildest du dir eigentlich ein? Diese Frage traf mich wie ein Schlag. Ich wusste, dass eine geplante Provokation meinerseits vorausgegangen ist, aber woher sollte ich über die Heftigkeit der Gegenreaktion Bescheid wissen. Ich hatte lediglich angemerkt, dass alle Kinder ihre Eltern als besonders nervig empfinden. In der Folge wurde ich mit einem Blick konfrontiert, der mir bedeutete, dass jede cholera- und pestverseuchte Katze gerade liebenswerter sei, als ich es genau in diesem Moment war. Ich musste verfahren, wie immer, wenn ein solches Drama in meinem Leben Einzug hielt. Ich setzte meinen betreten und schuldig

wirkende Blick auf, der auch um eine Spur Verzeihung bat. Die Arme mussten hängen, der Körper schlaff wirken. Es würde die Situation zwar nicht negieren, aber immerhin würde es sie beruhigen. Dann könnte der Abend noch halbwegs friedlich beendet werden.

Die Gespräche mit ihr waren ein Kapitel für sich. Ich mochte sie zwar, aber anscheinend hatte ich kein Glück, wenn wir zusammen waren. Es war ein wenig wie verhext, so als würde ich mich teilweise selbst sabotieren. Solche Ausrutscher hatte ich immer wieder, auch wenn ich nicht genau wusste, wie es dazu kam, aber wer kann das schon immer zu

hundert Prozent erklären. Das eigene Verhalten ist ein Mysterium – genauso wie die Unterhaltung von Männern und Frauen. Gemessen an meinen Erfolgen, müsste es eigentlich auf der Welt unzählige Morde von Frauen geben, die ihre Gesprächspartner innerhalb von wenigen Augenblicken niederringen.


Was ich jedoch zu meiner Verteidigung beisteuern kann, ist meine Intention. Ich habe lediglich versucht, der wahren Person während der Unterhaltung auf die Spur zu kommen. Mein Leben lang habe ich bemerkt, wie Menschen verschiedene Maske auflegen. Die Maske der netten oder bösen Mutter, der Erzieherin, der

verständigen Fremdenführerin, der hilfsbereiten Nachbarin und viele weitere Masken. Die Masken mag es zwar nur metaphorisch geben, dennoch ändern wir laufend die Gesichtszüge, die Laune und auch die Sprache sowie den Ton, ja nachdem mit wem wir gerade zusammen sind. Das ist kein Geheimnis, da die Masken-Theorie spätestens seit dem Tod von Kaiser August bekannt ist. Auf seinem Sterbebett hat er schließlich gefragt, ob er seine Rolle gut gespielt hat.

Ich möchte in diesem konkreten Fall die Masken aber nicht als Masken bezeichnen. Das wäre zu harmlos und

erklärt auch nicht den Charakter dieser nun sehr speziellen Beziehung, deren schöner Abend wieder einmal viel zu schnell Enden musste, da ich nicht wusste, was ich eigentlich tat. Mein Gegenüber war eine Maskenkünstlerin – je nach Lust und Laune hat sie ihre Meinungen geändert – sie gab anderen Menschen immer sehr schnell recht, lenkte ein, aber mit mir konnte sie diskutieren. Sie liebte es förmlich, mit mir zu diskutieren und auch mir die Meinung ins Gesicht zu schreien – was sie in diesem Augenblick auch tat. Ich wünschte mir nur, dass sie dabei nicht immer fünf Zentimeter größer und so bedrohlich wirken würde.

Aufgrund der speziellen Situationen musste ich von der eher gewöhnlichen Theorie abweichen. Die Masken waren in dem Fall eher komplette Schutzbarrieren, die nicht überwunden werden sollten. Ich habe es oft versucht, bin aber selbst verwundert, dass ich überleben durfte. Auf jeden Fall musste ich feststellen, dass diese charmante kleine Dame keine Masken aufsetzte, sondern eher ein Minenfeld als Schutzbarriere gegen mich errichtete.

Mit gezielten Nachfragen konnte man das Minenfeld, welches sie rund um ihre Person errichtet hatte, durchlaufen. Es gibt insgesamt drei verschiedene

Minenketten. Die ersten liegen sehr vereinzelt umher und explodieren einfach, ohne dabei andere in Mitleidenschaft zu ziehen. Der zweite Ring ist schon enger, allerdings würden nur wenige andere Minen mit zerstört, falls es zur Explosion kommt. Der dritte Ring ist so eng, dass es nur zur Katastrophe kommen kann. Wenn man auf der Ebene eine Explosion riskiert, geht alles hoch und man kann sich auf das blaue Wunder gefasst machen. Ohne es zu wissen, war ich auf Stufe Drei geraten.


Nicht immer waren es riesige Explosionen. Manchmal hatte man Glück,

da löste ein falsches Wort nur einen schärferen Ton aus. Im Stadium zwei wurde es bereits aggressiver. Wenn jemals eine Frau mit erhobenem Zeigefinger vor einem steht und einen Satz mit „Jetzt, hör mal beginnt…“ hat man sicherlich keine guten Karten, dort wieder rauszukommen. Wobei es in diesem Stadium noch mit geflügelten Worten möglich ist, eine Sprengung zu verhindern. In diesem Moment war das alles nicht mehr möglich, eine unbedachte Äußerung hatte für ein Armageddon gesorgt. Eine Bombe explodiert und reißt alle anderen ebenfalls zu Explosionen hin. Die liebenswerte Person in der Mitte weiß

sich in Schutz, nur ich bin danach im metaphorischen Sinne blutverschmiert und muss meine Wunde den Abend lecken.


Ich muss jedoch gestehen, dass es besser geworden ist. Die Explosionen sind nicht mehr so heftig und es geschieht nicht mehr so häufig. Ich habe aber auch dazu gelernt. Anfangs hatte ich das Gefühl, dass ich mit verbundenen Augen auf dieses Minenfeld laufe. Jedes Wort hat zu einem Verdrehen der Augen, einem gereizten Unterton oder gar einem aggressiveren Verteidigungsverhalten geführt. Zumal ich immer wieder gefragt wurde, ob es sich um einen Witz handeln

solle. Es ist immer schlecht, wenn man eine lustige Anspielung macht, aber der Gesprächspartner sie nicht versteht. Heute haben wir dazugelernt, sie versteht mich und meine Witze besser. Ich habe auch meine Scheuklappen abgelegt und sehe jetzt halbwegs, was die Minen zur Explosion bringt.


Über diese ersten Stadien des Ausprobierens sind wir ganz klar hinaus. Ich kann mittlerweile am Gesicht ablesen, wann ich auf ganz dünnem Eis laufe, die Mine also vor mir ist, ich sie umschiffen muss und dafür die richtigen Worte brauche. Es ist dann zwar nicht einfach, aber wenn man ein paar

Möglichkeiten einpflegt, dass man sich auch irren könnte, geht das schon, sodass sie ihre Sicht einfach erläutert.


Ziel dieser Durchquerung ist lediglich die Person mitten in den Mnen kennenzulernen. So wie sie ist, nicht wie sie sich geben möchte. Manchmal braucht es Nachfragen, manchmal kleine Erklärungen, damit es weitervoran geht. Das hängt ganz von der Situation ab. In diesem speziellen Fall musste ich tiefer schürfen. Die Beziehung zu den Eltern war schon immer problematisch – sie wollte nie darüber sprechen. Doch welches Recht hatte ich danach zu fragen – kurze Antwort: Keine. Das hat sie mir

auch zu verstehen gegeben.


Leider ist mir eine ungeheure Neugier angeboren, für dich ich über fast alle Grenzen dieser Welt gehe. Die Grenze habe ich heute überschritten. Detonationen mögen mich selbst zwar schädigen und auch die Beziehung, aber manchmal sind sie der einzige Weg, um an die Wahrheit zu kommen. Eine Explosion ist auch für den Explodierenden nicht ungefährlich – es kommt zuweilen zu emotionalen Ausbrüchen. Sie kann nicht mehr komplett steuern, was sie eigentlich sagen möchte. So kommt es, dass mir Menschen Geheimnisse anvertrauen, die

sie mir nie hätten freiwillig sagen ollen.

In diesem Falle schloss sie auch mit einer klaren Ansage. Sie sagte mir, was wirklich los ist, was ich nicht weiß und mit irgendwelchen Plattitüden zur Unkenntlichkeit verkenne und verharmlose. Dann bat sie mich, dass nie einem Menschen zu erzählen, da sie es noch keinem anderen Menschen jemals anvertraut hatte. Das mache ich natürlich, ich bin ja kein Monster. Wir gingen auseinander – der Abend, der so schön hätte sein und auch lange andauern können, war beendet.


Ich mag zwar das Minenfeld zur Explosion gebracht haben, was die

Schlechteste aller Möglichkeiten ist, um sich einen Menschen zu nähern. Aber für einige Minuten konnte ich einen feinen Blick auf SIE werfen, auf die echte Person. Keine Masken, keine Minenfelder, einfach nur die wahre Person mit ihren natürlichen Emotionen. Für Lügen, Eitelkeiten oder einstudierte Verhaltensweisen war keine Zeit – die pure Energie musste einfach raus.

Ich bin nicht stolz auf meine Tat, denke aber, dass sie notwendig war. Ich habe mit der Heftigkeit der Explosion nicht gerechnet – dennoch hat sie mich weitergebracht – wenn auch mit hohen Verlusten. Ich weiß, dass sie mir das Verhalten verzeihen wird, wenn ich mich

richtig entschuldige. Dafür ist bereits jetzt unsere Beziehung eng genug. Die Beziehung wird enger werden, ich muss nicht mehr so viel provozieren und kann vielleicht ein wenig mehr Spaß mit der echten Person haben.



Aber selbst jetzt ist mir bewusst, dass die nächste Explosion kommen wird. Ich hoffe, dass sie nicht noch heftiger werden kann – jedoch wissen kann man es nie!

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Wandersmann

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Nereus Sehr oft, all zu oft legen wir Minen in und um uns aus , auch unbewusst .
Es trägt uns die Hoffnung, einen Schutz dann genießen zu können.
Wo und wie sie versteckt sind...vergessen- nun ist es an uns nicht selbstzerstörerisch zu wirken
Dein Text, Deine Gedanken sind mir ein Zeitchen Begleiter gewesen
dankend lieben Gruß
markus
Vor langer Zeit - Antworten
Wandersmann Vielen Dank für die netten Worte.
Vor langer Zeit - Antworten
Kornblume Ich wünsche Dir Glück, lieber Wandersmann. Auf die Dauer solchen Streß aushalten muß sich eigentlich niemand antun und verbiegen sollte man sich auch nicht. Bringt sowieso nichts, wenn man einen gemeinsamen Weg beschreiten will. Es kann nicht einer immer nur die Richtung angeben und der andere hinterhertrotten.Niemals sollte man sich selbst aufgeben.Dann ist die Wandereung zu Ende und die Depression vorprogammiert.
Aufmunternde Grüße mit auf Deinen Weg schick,t die Kornblume
Vor langer Zeit - Antworten
Wandersmann Vielen Dank für die aufbauenden Worte.
Vor langer Zeit - Antworten
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