1. Kapitel: Ein elektronischer Schaltplan und ein Salami-Fettfleck
„Mach hinne! Wir sind spät dran!“ Hastig wickelte Schweinchen Dick sein Salami-Brot in ein Papier, das auf dem Schreibtisch lag und rannte hinter uns her.
Als wir am See ankamen, war die restliche Klasse schon da. Herr Jacobs meinte nur spöttisch: „Na, da sind sie ja endlich, unsere `drei kleinen Schweinchen`!“
Ähm, nur damit das klar ist: Wir heißen
natürlich nicht wirklich so. So ruft uns nur jeder: Die drei kleinen Schweinchen; die 3kS. Wir haben ganz normale Namen: Jan, Kalle und Lukas Berger. Jan ist das `Schweinchen Schön`, Kalle ist das `Schweinchen Dick` und ich, Lukas, bin natürlich das `Schweinchen Schlau`.
Wir nickten Herrn Jacobs zu und packten unser Angelzeug aus. Nur Schweinchen Dick nicht: Der packte sein angebissenes Salami-Brot aus und ließ sich mit den Worten: „Ein Genie braucht Nahrung!“ ins Gras nieder. Das Stullenpapier warf er achtlos neben sich.
Normalerweise interessiere ich mich
nicht für Stullenpapiere. Doch bei diesem Stullenpapier machte ich eine Ausnahme. Die Kritzeleien auf dem Papier sahen aus wie ein elektronischer Schaltplan. Ich hob das Blatt auf. Tatsächlich! Und so, wie dieser Schaltplan aussah, war er von einer richtig komplizierten Maschine.
Dank meiner immensen Erfahrung und meines genialen Elektroniker-Verstandes erkannte ich sofort den AC-Generator, verschiedene Massekabel, Spulen, den Elektrolytkondensator, Z-Dioden, Kollektorschaltungen und den Differenzverstärker.
Nur das Ding in der Mitte, direkt neben dem Fettfleck von Schweinchen Dick`s Salami-Brot, das kapierte ich nicht. Es sah aus wie, wie `ne Art…..Kilometer-Zähler. Acht Kästchen nebeneinander.
Mein Kopf begann wie wild zu jucken. Das tut er immer, wenn etwas Aufregendes passiert. Aber was, überlegte ich, ist an einem Schaltplan so aufregend?
Dann fiel der Groschen.
War es möglich, dass das der Schaltplan für eine, …. eine Zeitmaschineist? Und mit dem komischen
Kilometer-Zähler-Dingsbums stellt man die Zeit ein, in die man reisen will. Zwei Kästchen für den Tag, zwei für den Monat und vier für das Jahr! Acht Kästchen. Wie auf dem Plan.
Aufgeregt winkte ich meine Brüder ran. Schweinchen Schön kam mit seinem iPhone im Anschlag und Schweinchen Dick mit seinem Salamibrot. „Was is`n los?“
„Seht Euch das mal an!“ rief ich und fuchtelte mit dem Stullenpapier. „Wisst ihr, was das ist?“
„Jaaa, mein Stullenpapier!“ antwortete Schweinchen Dick.
„Haha, sehr witzig! Das ist ein Schaltplan, du Blödmann! Und zwar für ´ne Zeitmaschine; eine echte Zeitmaschine!!! Eye Leute, damit können wir zu den Pyramiden reisen und in die Römerzeit!“, rief ich.
Die Beiden guckten mich mit leerem Blick an. Es war ihnen deutlich anzusehen: Sie hatten nichts verstanden; überhaupt nichts. Um diesen Eindruck zu bestätigen, fragte Schweinchen Dick auch noch: „Du meinst, mit dem Stullenpapier da kann man in die Römerzeit reisen?“
„Nee, nicht doch mit dem Stullenpapier! Mit der Zeitmaschine! Und der
Schaltplan für die Zeitmaschine ist auf dem ….Stullenpapier! Kapiert?“
„Blödsinn!“ sagte Schweinchen Schön und guckte wieder auf sein iPhone.
„Doch! Wirklich!“ sagte ich und fuchtelte mit dem Schaltplan.
Schweinchen Schön deutete auf das Stullenpapier: „Du meinst also, man kann damit zu Michael Jackson reisen?“
„Klar doch!“ gab ich lässig zur Antwort.
„Und auch zu Herta Heuwer, als sie die Currywurst erfand?“, fragte Schweinchen Dick plötzlich ganz aufgeregt.
„Manno, interessiert Du Dich echt nur für Würste?“
Endlich glaubten mir die beiden.
Wir überlegten, was wir mit der Zeitmaschine alles machen könnten. Das Wichtigste war natürlich: Nicht mehr zur Schule gehen! Das war fest vereinbart. Stattdessen würden wir `zeit-reisen`. ´Schweinchen Dick´ wollte in die Vergangenheit zu Herta Heuwer und ihrer Currywurst reisen; ich und ´Schweinchen Schön´ in die Zukunft zu den Rebellen von StarWars.
´Schweinchen Schön´ wurde ernst: „Sag mal, kannst Du das wirklich? Ich meine, diese Zeitmaschine bauen? Mit diesem Schaltplan da?“
Mit seiner Frage hatte mich mein Brüderchen an meiner Ehre als Express-Checker und Alleswisser gepackt.
Vor meinem inneren Auge sah ich mich bereits als Zeit-Reisender zu Ruhm und Anerkennung kommen und in die höchsten Wissenschaftler-Kreise aufzusteigen. Alle Zeitungen berichteten von mir, dem Genie und seiner Zeitmaschine! Der Wissenschafts-Club würde seinem jüngsten Mitglied die Ehren-Doktorwürde verleihen.
„Klar, ist das möglich!“, verkündete ich, „eine meiner leichtesten Übungen!“ Das klang so überzeugt, dass selbst ich von
mir beeindruckt war.
„Allerdings brauch ich ´nen Ort, wo ich basteln kann!“, überlegte ich. „Ich glaub, ich hab ´ne Idee, wo das sein kann: ImGeräteschuppen der Schule.“
Herr und Meister über alle Gebäude, den Garten und den See unseres Internats war Herr Windhagen, der Hausmeister. Herr Windhagen war Bastler; genau wie ich. Zusammen mit ihm habe ich schon die irrsten Sachen gebaut: Ausgefallene Schrott-Kunst, Roboter, die Tischtennis spielten und alle möglichen Fahrzeuge. Von Herrn Windhagen habe ich auch das Schweißen gelernt.
Nur diesmal konnte ich ihn nicht gebrauchen. Diesmal musste alles geheim bleiben. Denn wenn raus käme, woran ich arbeitete, war hier im Internat die Hölle los.
Zum Glück hatte Herr Windhagen wegen des Umbaus der Turnhalle gerade wenig Zeit. Großzügig überließ er mir den Geräteschuppen. Ich durfte mich sogar in seiner Schrott-Kiste bedienen. In den folgenden Wochen arbeitete ich wie wild an der Zeitmaschine.
Zuerst begann ich mit dem äußeren Bau der Zeitmaschine. In der Schrottkiste war alles, was ich brauchte: Eine Luftpumpe,
ein Staubsauger, ein kaputter Toaster, eine Leiter und das Führerhaus eines ausrangierten Traktors. Sorgfältig schweißte ich alles zusammen.
Schweinchen Dick spottete, die Zeitmaschine sähe aus, als hätten `Sandmännchen`s Mondfähre` und der ` Mähdrescher von Bauer Kunze` ein hässliches Kind gekriegt. Ich ignorierte ihn; das war nur der Spott eines Unwissenden.
Während ich schweißte, hämmerte und schraubte, wälzten meine Brüder die Geschichtsbücher und suchten im Internet nach Ereignissen, die für uns
interessant sein könnten.
Sicherheitshalber wollten wir beim unserem ersten Zeitsprung nicht mehr als hundert Jahre reisen. Wikingerzeit und Pyramidenbau waren damit passé. Und auch so spannende Dinge wie die Erfindung der Glühbirne, des Telefons, des Plattenspielers und des Röntgen-Apparats. Auch ins Jahr 1873, als Levi Strauss die Jeans erfand, konnten wir nicht reisen, was `Schweinchen Schön` sehr schade fand.
Trotzdem kam eine ganze Menge zusammen.
Nach ein paar Streichungen sah unser Reiseführer schließlich so aus:
1854: Heinrich Göbel tüftelt die Glühbirne aus.
1859: Philipp Reis erfindet das Telefon
1873: Levi Strauss erfindet die Jeans.
1887: Emil Berliner konstruiert den Plattenspieler
1895: Der Physiker Wilhelm Conrad Röntgen entdeckt die Röntgenstrahlung.
1922: Hans Riegel produziert das `Goldbärchen` und gründet die Firma HARIBO.
1930: Manfred von Ardenne entwickelt das Fernsehen.
1949: Herta Heuwer erfindet die Currywurst.
1982: Michael Jackson schreibt seinen berühmten Song `Thriller`.
1999: Lego Star Wars wird gegründet. Im August gibt es eine `totale Sonnenfinsternis`
2007: Ich beantworte in einer Mathe-Arbeit eine Frage falsch und bekomme deshalb nur eine 1- . Dieser Fehler nagt noch immer an meinem Selbstbewusstsein.
Unser Reiseführer war im Groben fertig; und der mechanische Teil der Zeitmaschine auch. Was jetzt noch fehlte, war der elektronische Teil; sozusagen „die Innereien“. Damit die
Zeitmaschine das tat, was sie tun sollte: Zeitreisen nämlich.
Doch der elektronische Teil hatte es in sich. Wegen des Salami-Fettflecks ließ sich der Schaltplan nicht entziffern. Die Verschaltung der Zeituhr war unter einem grau-glänzendem Fettfleck in Form einer Badewanne versteckt.
Was sollte ich jetzt tun? Die Antreiber-Stimme in meinem Kopf meinte lautstark:„Wird schon klappen, Schweinchen Schlau. Du bist und bleibst einfach der Beste! Und die anderen,….die müssen ja nichts von dem Fettfleck wissen.“
Recht hatte die Stimme. Also erzählte ich nichts vom Fettfleck und verlegte die restlichen Leitungen. Und da, wo ich durch den Fettfleck nichts sehen konnte, schätzte ich. Schätzen war zwar immer schlecht in der Elektronik. Und manchmal sogar gefährlich. Doch was hätte ich anderes machen sollen?
Doch dann wurde es nicht schlecht.
Und es wurde auch nicht gefährlich.
Es wurde...genial.
….Fortsetzung folgt!