Und den Weihnachtsmann gibt es doch!
Ich weiß es genau, denn ich hab ihn gesehen!
Ich wohnte damals mit meiner Schwester und meinen Eltern noch in Hermsdorf. Also war das noch, bevor wir umzogen und ich eingeschult wurde. Wir hatten eine Dreiraumwohnung in einem Neubau, damals war er jedenfalls noch neu. Man hatte die Wohnblocks eigens für die Berliner gebaut, die, wie mein Papa auch, im Auftrag der Humboldt Universität dort im Zuge eines betrieblichen Freundschaftsaustausches zum Arbeiten nach Thüringen beordert wurden.
(Am Rande sei noch vermerkt, dass,
kaum sind die Familien dort unten mit Sack und Pack angekommen, der Austausch rückgängig gemacht wurde. Das heißt, die Väter und/oder Mütter mussten wieder in Berlin arbeiten. Die Familien blieben jedoch meist noch mehrere Jahre dort wohnen, da ein erneuter Umzug nicht realisierbar war. Wohnungen waren auch damals in der DDR nicht überall sofort erhältlich, auch wenn es in der Öffentlichkeit anders dargestellt wurde. So pendelte auch mein Papa noch 4 Jahre lang jeden Sonntag Abend nach Berlin zur Arbeit in ein gemietetes Studentenzimmer und Freitag Nacht zurück zu
uns.)
Wir wohnten also noch in dem Neubau, ich glaube im 3. Stock. Jedenfalls irgendwo in einer der mittleren Etage, nicht ganz oben und auch nicht ganz unten. Eben mittendrin irgendwo. Es war Heiligabend und wir warteten auf den Weihnachtsmann. Meine Mutter saß mit uns im Kinderzimmer und las uns etwas vor, mein Papa war irgendwo im Wohnzimmer oder so. Jedenfalls für uns nicht sichtbar. Plötzlich klingelte es an der Wohnungstür. Wir stürmten nach vorne, um zu schauen, ob jetzt endlich der Weihnachtsmann komme. Schließlich gibt es ja keinen Kamin in einem
Hochhaus und durchs Fenster kommen ist auch schwierig. Daher war für uns klar, dass der Weihnachtsmann die Geschenke natürlich durch das Treppenhaus bringen würde. Und so war es auch.
Vor der Tür, auf unseren ordentlich aufgereihten Straßenschuhen, standen zwei identische Geschenke. Ziemlich groß sogar. Wir waren begeistert. Mein Papa, der ganz verwundert aus dem Badezimmer kam, welches sich praktischerweise direkt neben der Haustür befand, fragte uns, wer denn da geklingelt hat. Ich rief erfreut: „Der Weihnachtsmann war da!“
Meine Schwester, die zwar nur ein Jahr und vier Monate älter war als ich, aber natürlich schon total aufgeklärt, fiel aber auf den Trick nicht hinein und sagte, dass das bestimmt der Papa gewesen war und er sich nur schnell im Bad versteckt hat. Meine ganze heile Welt brach in sich zusammen. Sollte das wirklich stimmen? Und warum sollte das mein Papa überhaupt machen? Hat der Weihnachtsmann nicht genug Zeit oder waren wir nicht artig genug gewesen? Oder arbeitete der Papa vielleicht für den Weihnachtsmann und hilft ihm nur, die Geschenke zu
verteilen?
Aber meine Schwester Tina meinte nur neunmalklug, dass ich ein kleines Baby und ein Dummerchen bin und dass es gar keinen Weihnachtsmann gibt.
Meine Eltern bestritten das natürlich vehement und einen Moment lang wusste ich nicht, wem ich glauben sollte. Schließlich wollte ich nicht wie ein Baby dastehen und für dumm gehalten werden. Also plapperte ich meiner Schwester nach, dass es den Weihnachtsmann ja gar nicht gebe. Auch wenn mir der Gedanke nicht sonderlich gefiel. Was wird dann aus den Geschenken? Gibt es die dann auch nicht mehr?
Um die Existenz des Weihnachtsmannes zu unterstreichen und mich fröhlicher zu stimmen, sagte meine Mutter, ich soll doch aus dem Fenster schauen. Da die Geschenke ja gerade erst vor die Tür gelegt worden waren, musste er ja noch in der Nähe sein. Wir rannten also ans Fenster und schauten nach unten zum Hauseingang. Just in diesem Moment trat unten doch tatsächlich der Weihnachtsmann aus dem Haus, richtete seinen Gürtel zurecht, schulterte den großen Kartoffelsack und schritt zum Nebeneingang, bevor er dort wieder im Haus verschwand.
Ich glaube, meine Eltern waren noch erstaunter als wir Kinder. Eigentlich wollten sie uns erklären, dass er wohl schon weg wäre. Dass sich der aber wirklich blicken ließ und dass auch noch wie aufs Stichwort, war für alle von uns eine echte Überraschung. Von diesem Tag aus glaubte ich wieder an den Weihnachtsmann. Und das für viele Jahre.
So viel zu meiner kleinen Weihnachtsgeschichte von heute.
Ich wünsche euch allen einen
wunderschönen und besinnlichen heiligen Abend
… mit oder ohne Weihnachtsmann
… aber immerhin mit vielen Geschenken
... und ganz ganz viel Besinnlichkeit
Euer vagabundinchen