Vom Schmücken des Baumes und eigenartigen Weihbachtsbräuchen
oder:
... Nicht jede Tradition ist per se schlecht
Wie bereitet ihr euch eigentlich auf den heiligen Abend vor? Wenn ihr wissen wollt, wie bei uns der 24. Dezember in der Vergangenheit immer ablief, dann lest gerne weiter..
Tja, da ist er wieder, der Tag, den alle Kinder jedes Jahr sehnlichst herbei wünschen. Und nicht nur die Kleinen. Ich glaube, auch so mancher Erwachsene ist froh, dass es endlich soweit ist. Wenn auch aus anderen und durchaus verständlichen Gründen. Kann man sich doch nach den Festtagen wieder seinem gewohnten Alltag widmen. Wenn dann endlich der heilige Abend geschafft war.
Als ich Kind war, wurden wir immer auf unsere Zimmer geschickt und mussten da ewig lange warten, bis wir endlich herunter gerufen wurden. Vor der
verschlossenen Wohnzimmertür standen wir dann und mussten erst ein Weihnachtslied singen, ehe sich für uns die Tür öffnete und den Blick freigab auf den festlich geschmückten Weihnachtsbaum in der Ecke und die Geschenke, die darunter platziert worden waren. Die Warterei im Vorfeld war aber jedes Mal eine Qual. Das wollte ich meinen Kindern später ersparen. Klar, die Kinder sollen es ja immer einmal besser haben. Das ist der Wunsch aller Eltern. Oder sollte es zumindest sein.
Jedenfalls verstand ich und verstehe es auch immer noch nicht, warum das Baumschmücken nur den Erwachsenen
vorbehalten sein sollte. Das macht doch zusammen weitaus mehr Freude. Aber auch mein Mann zelebrierte das Schmücken jedes Jahr auf die gleiche Weise . Und das ganz allein. Nach dem großen Weihnachts-Festtags-Einkaufen in dem von total frustrierten, weil gestressten Kunden überfüllten Kaufland. Und als wenn das nicht schon schlimm genug war, wollte mein Mann an diesem Tag natürlich immer noch mitkommen. Das hieß, dass ich mich mit ihm im Schlepptau durch die vollen Gänge zwängen musste. Also, für die, die meinen Mann Dieter nicht kannten: Das Einkaufen mit ihm war schon zu normalen Zeiten kein Vergnügen. Denn
alle paar Meter blieb er stehen und schaute ausgiebig. Bevor er mir dann hinterher und durch den ganzen Laden brüllte und zwar so laut, dass alle Menschen im Umkreis von mehreren Hundert Metern vor Schreck zusammenzuckten:
„Mutter, guck mal,! Das ist gar nicht teuer!“
oder
„Mutter! Wollen wir das auch mal mitnehmen?“
oder
„Mutter! Was meinst Du, ob das schmeckt? Wollen wir das auch mal probieren?“
Ich hätte jedes Mal vor Scham im Boden versinken können. Und nun stellt euch das mal im total überfüllten Geschäft vor! Und das jedes Jahr wieder. Ich glaube, jetzt könnt ihr verstehen, warum ich Weihnachten nichts Schönes abgewinnen kann.
Denn nach dem stressigen Einkauf, der den ganzen Kofferraum füllte und nicht selten überquellen ließ, kam für mich das
Ausräumen und Verstauen sowie die Vorbereitungen für das Essen. Zwischenzeitlich musste ich mich natürlich auch noch um die drei ungeduldigen Kinder kümmern. Was auch viel Geduld erforderte. Dieter verzog sich inzwischen ins Wohnzimmer, unsere gute Stube, die wir eigentlich nur zu Feiertagen nutzen, da wir ja eine große Wohnküche hatten, in der sich das Familienleben abspielte.
Während Dieter den Baum aufstellte und schmückte, etwas, wobei er nicht gestört werden wollte, trank er dann schon das eine oder andere Weihnachtsschnäpschen. Einmal passierte es sogar, dass er leicht
betüttelt mitsamt der prunkvoll geschmückten Tanne auf dem Boden landete. Das war damals eine mittelschwere Katastrophe, denn Weihnachtskugeln bestanden in der damaligen Zeit noch aus Glas und gingen zu Bruch. Und ratet mal, wer die Schweinerei dann wegmachen durfte. Nicht so einfach, die klitzekleinen Splitter aus der verhältnismäßig langflorigen Auslegware zu popeln. Für das Baumschmücken war ich nicht qualifiziert, aber die Scherben aufräumen ging dann doch.
Meiner Meinung nach wäre
weihnachten im Allgemeinen viel
stressfreier und friedlicher abgelaufen, wenn ich den Einkauf für die Feiertage schon ein paar Tage eher hätte machen können. Selbstverständlich ALLEINE! Und wo steht eigentlich geschrieben, dass der Weihnachtsbaum erst an Heiligabend aufgestellt und vom Hausherren allein geschmückt werden muss?
Aber mit solchen Argumenten durfte ich damals nicht kommen. Das war halt die Tradition und so musste das gemacht werden!
Damit meine Kinder die ganze Hektik nicht mitbekamen und um ihnen die Wartezeit auf das Christkind zu
verkürzten, kam ich dann auf den Gedanken, die drei einfach für ein paar Stunden zu beschäftigen und ins Kino zu schicken. Ich fand das damals eine gute Idee.
Das Kino befand sich in einem der Nachbardörfer, ungefähr 10 km entfernt. Stündlich fuhr ein Bus und wie ich ja in der Vergangenheit schon erzählte, durften die Kinder auch alleine und ohne ständige Aufsicht raus. Die beiden Mädels waren schon alt genug, um unseren Kleinsten zu beaufsichtigen, der mit seinen vier oder fünf Jahren und dem Status als kleiner Stammhalter doch manchmal etwas nervig sein konnte.
Jedenfalls seinen großen Schwestern gegenüber. Ich meine, er konnte ja nichts dafür, Papa hatte ihn immer als kleinen Prinzen behandelt und hatte ihm, wenn ich nicht da war, ganz schön viel durchgehen lassen. Und mit seinen paar Lenzen wusste das der kleine Kerl durchaus auszunutzen. Wie gesagt, wenn ich nicht in der Nähe war, denn bei mir wurde er behandelt wie die beiden älteren Mädels auch.
Aber zurück zum sogenannten Fest der „Besinnlichkeit“. Blöder Name, wer hat den bloß erfunden? Ich fand es also eine gute Idee, die drei für eine Weile aus dem Haus zu schaffen, um in Ruhe alles
vorbereiten zu können. Zusammen mit einer Freundin aus unserem Dorf machten sie sich also auf den Weg und fuhren ins Kino.
Die Zeit verging und ich schaffte wirklich viel und vor allem auch relaxt und alles war gut
...bis es später wurde
... und später
... und später
Es wurde dunkel und Zeit für die Bescherung. Und immer war noch nichts
von den Kindern weit und breit zu sehen. Das beunruhigte mich dann schon etwas, auch wenn es damals wegen fehlender Kommunikationsmöglichkeiten nicht möglich war, sie telefonisch zu erreichen. Oder sie uns.
Als ich mich dann auf den Weg machen wollte, voller Schuldgefühle, denn draußen war es kalt und verschneit, da tauchten sie dann doch noch auf. Ganz verfroren. Und fragten, ob sie denn jetzt wieder reinkommen dürften und ob es bald Zeit für die Geschenke wäre.
Doch was war passiert? Sie hatten den Bus verpasst oder der war ausgefallen,
ich weiß nicht mehr genau. Jedenfalls wollten sie nicht länger da herumstehen und hatten sich auf den Heimweg gemacht. Und sind die ganzen 10 Kilometer gelaufen. In der Kälte und inzwischen Dunkelheit. Über die Felder, weil das ja kürzer war, aber natürlich auch viel anstrengender zu laufen. Die müssen sich gefühlt haben, wie das arme Streichholzmädchen aus dem gestrigen Bericht. Denn sie liefen draußen herum und sahen in den hell erleuchteten Fenstern die geschmückten Weihnachtsbäume und glückliche Kinder beim Auspacken ihrer Geschenke...
Ich glaube, ich muss nicht extra
erwähnen, dass am nächsten heiligen Abend keiner mehr aus dem Haus geschickt wurde. Meine Kinder verzogen sich freiwillig ins Kinderzimmer und beschäftigten sich und den kleinen Bruder dort selbstständig.
Tja, es ist eben doch nicht jede Tradition von Natur aus doof.
Heute ist es zwar noch gar nicht spät, eher recht früh, denn ich bin im Verzug mit dem Schreiben. Anstelle von gestern Abend, wie ihr es gewohnt seid, kommt mein Tagebuch Eintrag erst am folgenden Morgen. Ich werde ihn jedoch zurück datieren, der Ordnung halber. Da ich im Urlaub bin und somit keine
Familienfotos dabei habe, werden die restlichen Einträge in diesem Jahr erstens vereinzelt später und zweitens ohne viel Bildmaterial erscheinen. Ich hoffe, ihr verzeiht mir das.
Also, dann bis nachher. Ich wünsche euch allen da draußen einen guten Start am Heiligabend,
… ein frohes Weihnachtsfest
… und passt auf euch auf
Euer vagabundinchen