Die Freuden und Leiden einer unbekümmerten Kindheit
... und warum es dennoch häufig Stress gab
Ich bin schon immer gerne draußen gewesen. Und das Fahrrad war eine gute Möglichkeit, auch weitere Strecken zu bewältigen. Was als kleiner Steppke mit dem Tretroller begann, wurde später mit dem Fahrrad perfektioniert. Genau wie alle Kinder meiner Generation konnte ich mich ja noch sorgenfrei den ganzen Tag unbeobachtet draußen herumtreiben – und tat dies auch zur Genüge. Noch bevor für mich die Schule losging und mich in meinem Bewegungsdrang stark einschränkte, war ich die meiste Zeit des Tages draußen. Das Wetter war dabei nebensächlich und musste nicht schön
und warm sein. Im Gegenteil. Je nasser es draußen war, desto mehr Pfützen gab es. Und die zogen mich magisch an. Ich wollte immer nach draußen. Und wenn ich nicht gerade etwas ausgefressen und Stubenarrest hatte, war ich das auch.
Nicht selten handelte ich mir dann später Ärger mit meiner Mutter ein. Denn immer wieder vergaß ich Zeit und Raum und kreuzte viel zu spät zum Essen auf. Verdreckt, mit zerrissenen Hosen oder kaputten Schuhen. Ich bekam dann immer eine Standpauke und wurde verglichen mit meiner Schwester, die ja nur eineinhalb Jahre älter war, aber dafür viel braver. Eben wie ein Mädchen zu
sein hatte.
Das folgende Foto zeigt mich an einem Tag, an dem meine Eltern mit uns beiden Kindern irgendwo hin wollten. Ich war als erstes fertig herausgeputzt und ging schon einmal raus. Bis meine Eltern und meine Schwester soweit waren, hatte ich mich schon total eingesaut und musste zur Strafe den alten ausgeleierten Trainingsanzug anziehen. Das war jetzt nicht wirklich eine Strafe, denn erstens wollte ich nie die gleiche Kleidung wie meine Schwester anziehen (was häufig genug der Fall war) und zweitens ist eine Jogginghose echt bequem. Und bei der Farbe schwarz musste man nicht so dolle
aufpassen, wenn man auf einen Baum kletterte oder sich durch ein Gebüsch quetschte.
Wenn ich heute so die jungen Mütter betrachte, die niemals Zeit haben und voll im Stress ihre Kinder an der Hand hinter sich her zur Kita schleppen oder ausgelaugt am Nachmittag auf dem Weg nach Hause sind, da bin ich froh, dass ich noch zu einer Zeit geboren wurde, wo ein Kind noch Kind sein durfte. Ich hatte das Privileg, ohne ständige Kontrolle von Erwachsenen durch die Felder zu stromern. Meine Grenzen lernte ich kennen, in dem ich eben vom Baum fiel und mir ein Loch im Kopf zuzog, wenn ich mir einmal zu viel zugetraut hatte. Als Kind hatte ich ständig irgendwelche
Blessuren, aufgeschürfte Knie, ausgerenkte Schulter und auch einmal ein gebrochenes Schlüsselbein.
Einmal jedoch erwischte es nicht mich, sondern meinen Papa, der in seiner wenigen Freizeit häufig mit mir zusammen draußen war und Blödsinn machte. Einmal marschierten wir an der Bordsteinkante entlang, ein Bein oben und eines auf der Straße. Plötzlich rutschte mein Papa ab, knickte mit dem Fuß um und verletzte sich die Achillessehne. Ich glaube, die war gerissen. Meine Mutter hält das mir heute noch vor, dass es meine Schuld sei, weil er mir jeden Blödsinn nachmachen musste. Ich war damals 5 und verstehe
bis heute nicht, wie man mir das vorhalten kann.
Jedenfalls musste mein Papa einige Wochen mit einem Gips herum humpeln (was nicht schön war) und hatte aber dementsprechend viel Zeit für mich (was dann doch schön war).
Ja, so waren wir zwei. Ich vermisse ihn sehr, seit er nicht mehr da ist. Aber wenn ich mich heute alleine fühle, dann ziehe ich mir seine Strickjacke an und mache es mir auf dem Sofa bequem. Mein Papa wird immer bei mir sein. In meinem Herzen.
Und morgen werde ich euch erzählen, warum ich weiß, dass es meinem Papa heute wieder gut geht.
Mit diesen Worten möchte ich für heute schließen.
Ich wünsche euch allen da draußen einen schönen Abend
… und passt auf euch
auf.
Euer Vagabundinchen