Von kleinen Schneeflöckchen und riesigen Schneemassen
Gestern Nacht hat es in Berlin geschneit. Und ich habe nachts um zwei mal schnell ein Foto gemacht, weil erfahrungsgemäß der Schnee hier fast nie lange liegenbleibt. Und ich hatte Recht. In der Morgendämmerung war alles schon wieder weg. Da bin ich aus Bayern ganz anderes gewöhnt...
Nach der Trennung von meinem Mann bin ich mit meinem Sohn nach Bayern gezogen. Warum und wie, erzähle ich euch ein anderes Mal. Heute möchte ich euch lieber von meinem ersten und zweiten Winter hier erzählen.
Im Herbst kamen wir dort an und wohnten erst einmal eine Weile in einer Pension. Wie gesagt, näheres dazu demnächst einmal. Im Januar dann hatten wir ein eigenes kleines Zuhause. Zweieinhalb Zimmer mit Badewanne und dem Klo draußen auf dem Hausflur. Aber es war unsere Wohnung.
Blöd nur, dass draußen kniehoch der Schnee lag, minus 15 Grad Celsius war und wir nicht heizen konnten. Die Wohnküche besaß zwar eine uralte Ölheizung, die die ungefähre Größe eines Herdes hatte und rundum mit weißem Blech (Emaille? Keine Ahnung) umkleidet war.
Oben konnte man, wie bei einer Feuerstelle, die man so von Spielfilmen aus dem Mittelalter her kennt, mit einem Haken einen verrosteten runden Deckel öffnen und eine Flamme entzünden. Dann Deckel wieder rauf und zusammen mit der Wärme für den Raum hatte man dann
auch gleich eine Möglichkeit zum Kochen. Eigentlich. Theoretisch. Denn irgendwie funktionierte das nicht. Also froren wir eine Nacht und bestellten den Fachmann zur Reparatur. Der kam, sah und... meinte, er bräuchte ein Ersatzteil, aber das kann ne Woche dauern. Ist halt in alter Ölofen.
Die nächsten zwei, drei Tage (es war Wochenende und daher weder Schule noch Arbeit, leider) verbrachten wir damit, vor uns hin zu zittern. Aber schnell bemerkten wir, dass es eine Möglichkeit gab, uns in unserer eiskalten Wohnung aufzuwärmen. Ohne Hilfsmittel. Man musste nur im T-Shirt
mal für 5 min vor die Tür gehen. Dann war einem so kalt, dass es einem in der Wohnung richtig warm vorkam. So... für die nächste viertel Stunde. Dann ging es halt wider raus. Und nachts hatten wir ja genügend Decken und Schlafsäcke. Und dicke Anziehsachen. Das ging schon irgendwie.
Am Montag bin ich dann aber doch als erstes zum Sozialkaufhaus und ließ mir einen kleinen gebrauchten Dauerbrandofen liefern und anschließen. Von da an war es immer schön bullig warm bei uns. Den Ölofen habe ich nie wieder angemacht. Ich sammelte Reisig, Holz und Kienzapfen in den weitläufigen
Bayrischen Wäldern und verfeuerte das. Das Flackern der Flammen, das Knacken der Zapfen und der aromatische Duft nach Nadelhölzern war echt toll. Ich würde auch heute noch jederzeit und sofort meine Fernheizung gegen einen kleinen Dauerbrandofen tauschen. Auch wenn es dann morgens immer so lange eisig war, bin man angeheizt hat. Dauerbrandofen ist cool.
Und dann kam der Winter des Jahres 2007. Könnt ihr euch noch erinnern, was ihr da gemacht habt? Ich ja. Schnee geschippt. Innerhalb von nur wenigen Tagen fiel so viel Schnee, dass es selbst die Alteingesessenen die Sprache
verschlug.
Anfangs hieß es, alle Hausbesitzer müssen aufs Dach und den Schnee runterschieben, da durch die Massen schon einige Dächer zusammengekracht waren Als dann jedoch die ersten Schneeräumer vom Dach gerutscht oder mitsamt dem Dach eingebrochen sind, übernahm diese Arbeit das THW. Denn inzwischen war der Katastrophen-Notstand ausgerufen worden und es galt auf allen Straßen absolutes Fahrverbot für Privatpersonen. Es durften nur noch die Rettungsdienste, die Polizei und der Katastrophenschutz fahren. Schulen und
Arbeitsplätze schlossen und wer nicht unbedingt raus musste, wurde gebeten, zu Hause zu bleiben. In größeren Abständen fuhren Busse und LKW´s, wenn man doch mal irgendwo hin musste. Lebensmittel wurden aber auch geliefert.
Die Schneemassen waren so hoch, dass sie alles unterhalb des zweiten Stocks unter sich begruben. Ich wohnte paterre und brauchte in dieser Zeit keine Gardinen am Abend zuziehen. Die Schneedecke draußen war höher als meine Wohnung. Und diese dementsprechend Tag und Nacht stockdunkel. Ein schmaler Tunnel führte zu unserer Haustür. Doch der Mieter über
mir stieg meist gleich aus seinem Fenster und ersparte sich so den Umweg durch den Hausflur.
Und da die Schneemassen ja nicht nur vor unserem Haus oder in unserer Stadt lagen, sondern überall im Bayrischen Wald, befürchtete man erst recht eine Katastrophe, sobald die weiße Pracht im Frühjahr zu schnell schmolz und das entstehende Wasser in die Flüsse lief. Damit dies nicht geschah, fing man an, den Schnee einzusammeln und einzulagern. Zum Beispiel in Tiefgaragen von Einkaufscentren und überall dort, wo es von Natur aus schon verhältnismäßig kalt war. Mit dem Auto durfte ja sowieso
niemand fahren, daher waren die Stellplätze unter den Geschäften leer.
Im Frühjahr sahen wir dann wochenlang die Lastkraftwagen des THW vollbeladen mit Schnee in Richtung Berge fahren, um die Massen an Schnee wieder loszuwerden.
So, nun aber genug von der guten alten Zeit.
Ich wünsche euch allen da draußen noch einen schönen Abend
… und passt auf euch auf.
Euer vagabundinchen