Keinen Tanz liebte Charlotte Reno mehr, als den Tango. Dieser Tanz war so voller Emotionen und zugleich auch sehr persönlich, weil man dabei den jeweiligen Tanzpartner weit intensiver spürte und man ihm bedeutend näher kam, als bei jedem anderen Tanz. Außerdem musste man sich bei aller Unverbindlichkeit rein tänzerisch gesehen, in die Hand des jeweiligen Partners begeben und bedingungslos darauf vertrauen können, dass er seine Partnerin nicht fallen ließ, oder sie ihm gar entglitt. Charlotte empfand es immer als einen gewissen Test, wie elegant sich der entsprechende Tänzer zum Rhythmus der Musik bewegte und sich ihr hingab,
sie letztlich auch leidenschaftlich durch die Melodie über das Parkett des gesamten Tanzsaales führte. Auch wenn sie bei dieser andauernden Leidenschaft für das Tangotanzen noch keinen wirklichen Lebenspartner gefunden hatte, der ihr ihre Zukunft in einem gemeinsamen Leben hätte versüßen können.
Bewerber hingegen gab es etliche, darunter auch solche, die nur ein kurzzeitiges nächtliches Vergnügen mit ihr erleben wollten, das aber war nicht dass, wonach Charlotte strebte. Sie suchte nach einem wirklich verlässlichen und charmanten Partner, der nicht nur eine kleine erotische Schwelgerei für
eine nur kurzlebig andauernde Liaison in den Mittelpunkt all seiner Intentionen stellte. Und in der Tat sollte der Held ihrer Träume selbstverständlich auch ein wahrlich begnadeter Tangotänzer sein, einer der dieses Tanzvergnügen mindestens ebenso sehr mochte, wie sie selbst. Dabei war sie auch einer hinreißenden Liebesnacht überhaupt nicht abgeneigt, allerdings nur, wenn auch grundsätzlich die Chemie dazu stimmte. Auf Dauer jedoch sollte es etwas Festes und für die Zukunft sein, aber das war es bislang nie, jedenfalls bis jetzt noch nicht.
Aus diesem Grund beschloss Charlotte in einem regionalen Pariser Kiez-Blättchen
eine kleine, unscheinbare Annonce aufzugeben. Darin würde sie einmal wöchentlich einen adäquaten, seriösen Tänzer für einen gemeinsamen Tangotanzabend in einem bekannten Pariser Tanzlokal suchen. Möglicherweise weitergehende Beziehungen von vorn herein nicht ganz ausgeschlossen. Zunächst wollte sie aber ihren künftigen Tanzpartner jedoch nur erst einmal schriftlich kennenlernen und verriet in der ihr erteilten Chiffre-Nummer jener winzigen Gazette für einen Erstkontakt ausschließlich ihren Vornamen. Erst wenn sie dann aus allen Einsendungen eine Auswahl getroffen und sich für einen der designierten
Tangotänzer entschieden hätte, würde sie mit ihm ein erstes Kennenlernentreffen in jenem verruchten Tango-Tanzlokal am Boulevard de Clichy im 9. Arrondissement vereinbaren. Dabei wollte sie sich, natürlich inkognito, den infrage kommenden Tanzpartner nur erst einmal ganz unverbindlich aus allernächster Nähe anschauen.
Als ein signifikantes Erkennungszeichen würde ihr dann ein Stift und ein kleiner weißer Papierzettel auf dem Tisch des Bewerbers genügen und ihre einzige Bedingung für diesen allerersten Abend lautete daher, keine Konversation, keinen small talk, definitiv nur Tango miteinander tanzen. So vermied sie es
von vorn herein, eine Telefonnummer, eine Adresse und auch eine Photographie von sich selbst mitschicken zu müssen. Sollte aber der Auserwählte ihr jedoch schon von sich heraus ein entsprechendes Bild zusenden, um so besser. Charlotte würde es aber sicher nicht verlangen, denn sie mochte Überraschungen.
Nicht dass Charlotte Reno irgendwie hässlich gewesen wäre, das ganz gewiss nicht, eher sogar ganz im Gegenteil. Jetzt mit fast Mitte dreißig war sie definitiv noch rank und schlank, ihre Gesichtszüge ebenmäßig, wenngleich ihre Brüste zwar nicht das waren, was man gerade als ausladend und üppig bezeichnen würde, so war aber ihr Popo
dafür erfreulicherweise immer noch fest und knackig. Und sie kam natürlich auch nicht aus Dünkirchen, wie man hierzulande in Paris zu sagen pflegte, wenn man einen bestimmten Typ Frau meinte, den Mutter Natur nicht gerade mit überwältigend opulenter Schönheit ausgestattet hatte.
Aber gewisse unliebsame Erfahrungen machen nun mal vorsichtig, also war sie vor dubiosen Schürzenjägern und diversen Herzensbrechern geflissentlich auf der Hut. So lautete von nun ab ihre Strategie, denn leider ist sie nur allzu oft schon herb enttäuscht worden, weil es sich mitunter schon beim ersten Tanz-Date herausstellte, dass viele der
männlichen Bewerber das Tangotanzen nur als ein Mittel zum Zweck ansahen, um sie schneller ins Bett zu bekommen. Das sollte sich von nun an allerdings deutlich ändern, schwor sich Charlotte, nachdem sie dieses hochkomplizierte Sicherheitsprozedere für sich selbst ersonnen und noch einmal verfeinert hatte. Auch wenn sie den grundlegenden Tipp für diese verschlüsselte Art einer privaten Kontaktanzeige von ihrer langjährigen Kollegin Poulette Armandine erhalten hatte, die sich auf ähnliche Weise vor geraumer Zeit damit sogar einmal einen recht passablen Ehemann geangelt hatte. Ungeachtet der Tatsache, dass diese Ehe später dann in
der Praxis nur ein paar Jahre hielt, so würde die inzwischen jedoch glücklich geschiedene und leider auch nur mäßig hübsche Poulette für den Rest ihres Lebens wenigstens keine finanziellen Zukunftsängste mehr zu befürchten haben.
Schon am darauffolgenden Tag erschien jene Annonce in dem Pariser Lokalblatt. Bereits drei Tage danach lagen schon ein knappes Dutzend Briefe in Charlottes Postfach, welches ihr die Redaktion des Verlages für die auf einen Monat befristet laufende Aktion zur Verfügung gestellt hatte. Es ist erstaunlich wie viele veritable Anhänger des Tangotanzens es doch allein in Paris gab, die nur nach
einer günstigen Gelegenheit suchten, ihrem Hobby mit geradezu hinreißender Leidenschaft zu frönen, stellte sie in Gedanken grinsend, unverhohlen fest. Dennoch hocherfreut über das vehemente Interesse an ihrer Anzeige verstaute Charlotte den Packen Briefe eilig in ihrer braunledernen Umhängetasche. Vor lauter Neugier nahm sie sich umgehend vor, alle Briefe gleich noch am heutigen Abend lesen zu wollen. Aber schon auf dem Heimweg in der Métro hielt sie es einfach nicht länger aus und zog den allerersten Brief, der gleich oben auflag, aus ihrer Tasche heraus. Sie schlitzte mit ihrer Nagelfeile das sachlich gehaltene weiße Kuvert auf und fingerte hastig
einen mit einer sauberen Handschrift beschriebenen Briefbogen daraus hervor, den sie auch ziemlich aufgeregt sogleich zu lesen begann. Mit fliegenden Augen huschten ihre Blicke über die an eine Unbekannte gerichteten Zeilen, währenddessen sich ein winziges Lächeln zunehmend in ihre hübschen Gesichtszüge stahl. So marginal dieses Lächeln auch war, der Mann, der ihr vis-à-vis gegenüber saß, bemerkte es trotzdem. Der soignierte Vierziger beugte sich daraufhin ein wenig vor und sprach die junge Frau mit einem freundlichen Lächeln an,
»Es ist doch echt schön mit anzusehen, dass es auch heute immer noch Leute
gibt, die handgeschriebene Briefe von anderen bekommen und sich darüber sogar noch richtig freuen können.«
Charlotte hob den Kopf und schaute den Mann von gegenüber nur fragend mit großen Augen an. Doch der lächelte jedoch nur und zeigte stattdessen mit dem Finger auf den Briefbogen in ihrer Hand,
»Der Brief, ich meine diesen Brief, den Sie da gerade lesen, Mademoiselle.«
Nun lächelte Charlotte verstehend und nickte ihrem Gegenüber zu, um gleich darauf wieder in die an sie gerichteten Zeilen zu versinken, welche ein ehemaliger Pilot der Air France im Ruhestand, unbekannterweise für sie
verfasst hatte.
An der Métrostation Trocadéro im 16. Arrondissement stand sie plötzlich auf und verließ dabei weiterhin brieflesend den Zug. Etwas zu spät entdeckte der Mann von gegenüber, dass jenes Kuvert, aus welchem seine hübsche Mitreisende kurz zuvor noch ziemlich aufgeregt den Brief herausgeangelt hatte, nun auf ihrem Sitzplatz liegen geblieben war. Schnell griff er nach dem vergessenen Briefumschlag und winkte ihr damit hinterher,
»Hallo, Mademoiselle, Ihr Kuvert, Sie haben es…« Doch da schlossen sich auch schon die Türen des Zuges und schnitten ihm das Wort ab. Und während der Zug
der Linie 6 in Richtung Montparnasse-Bienvenüe schon wieder beschleunigte, hatte die junge Frau den Verlust ihres Briefumschlages offensichtlich noch nicht einmal bemerkt. Der Mann warf einen kurzen Blick auf das Kuvert und erkannte anhand der Chiffre, dass es sich sehr wahrscheinlich um die Antwort auf eine Annonce in einem lokalen Pariser Zeitungsblatt handeln musste. Da ihm aber die nette junge Frau von gegenüber aus irgendeinem Grund jedoch sehr sympathisch war, auch wenn sie überhaupt kein einziges Wort miteinander gewechselt hatten, so beschloss er ihr das leere Briefkuvert mit einer darauf handschriftlich vermerkten
Absenderadresse an jene Chiffre-Nummer zurückzusenden. Vielleicht würde sie ja die Adresse des Briefabsenders dann letztlich doch noch erreichen, denn das Glück, es nimmt manchmal sogar recht seltsame Umwege, ehe es mitunter dann doch noch zum Erfolg gelangt.
*
Knapp zwei Wochen nachdem Charlotte die ersten Briefe von der Poststelle des Verlages in Empfang genommen hatte nahm die Zahl der Antworten auf ihre Annonce, einen seriösen Tangotanzpartner zu finden, rapide ab. In dem von ihr zuletzt abgeholten Packen
Briefe war von den vielen männlichen Bewerbern lediglich nur noch ein einziger wirklich ernsthaft daran interessiert, mit ihr Tango zu tanzen. Leider war dessen Handschrift ein einziges Gekrakele und das Niveau seiner sprachlichen Ausdrucksweise derart primitiv, sodass sie diesen Bewerber bereits nach dem ersten Durchlesen sofort aussortierte, denn im Geiste hatte sie ohnehin schon nach dem achtzehnten Rechtschreibfehler aufgehört, die Fehlerquote mitzuzählen. Die meisten der Mitbewerber raspelten jedoch nur kräftig Süßholz und legten es darauf an, ihr durch die Blume verstehen zu geben, dass sie eh‘ nur an
aufregendem Sex mit ihr interessiert wären und priesen in den schönsten Farben lockend, all ihre männlichen Tugenden, allein was dieses Thema anging. Und was das Tangotanzen anbetraf, ein geradezu ernüchterndes Ergebnis, wie sie enttäuschend feststellen musste. Wäre denn da nicht doch noch ein Brief darunter gewesen, der sich von den meisten anderen grundlegend unterschied. Denn der Betreffende, ein Einundvierzigjähriger Pariser Feuerwehrmann, namens Etienne Durand, schickte ihr auf ihre Annonce hin einen Brief, der sowohl einen leeren Umschlag, als auch einen handgeschriebenen Briefbogen enthielt…
Bonjour, liebe unbekannte Mademoiselle, Sie werden sich jetzt sicherlich über eine postalische Nachricht von mir wundern, aber ich sah sonst keine andere Möglichkeit, Ihnen behilflich zu sein. So übersandte ich Ihnen Ihr in der Métro vergessenes Kuvert an Ihre Chiffreadresse, welche darauf vermerkt war. Ich gehe davon aus, dass Sie vermutlich eine Heiratsannonce aufgegeben haben, denn als Absender war auf jenem Kuvert ein gewisser George B., wohnhaft im 13. Arrondissement, vermerkt und Sie selber lasen in seinem Brief so interessiert, dass Sie die Welt um sich herum kaum mehr wahrnahmen. Das hat mich auf der
einen Seite fasziniert und auf der anderen Seite genoss ich Ihr bezauberndes Lächeln, welches Sie mir schenkten, als ich Sie daraufhin angesprochen hatte. Damit, dass ich Ihnen Ihr vergessenes Kuvert nachsandte, habe ich mich höchst wahrscheinlich leider selber ins AUS manövriert.
Wenn ich zuvor jedoch geahnt hätte, dass Sie gerade in einer Antwort auf eine Heiratsannonce lesen, dann hätte ich mir ganz sicher ein Herz gefasst und Sie bestimmt daraufhin angesprochen. Nur um Sie kennenzulernen, denn Sie sind mir gleich von Anfang an sympathisch gewesen. Aber so habe ich meine Chance wohl leider vertan und bedauere nun
zutiefst, sie nicht genutzt zu haben. Es bleibt mir also nichts weiter übrig, als Ihnen mit Ihrer Annonce viel Glück zu wünschen und mögen Sie den passenden Mann für sich finden, wer immer es auch sein wird. Und wenn es Ihnen einmal zu brenzlig werden sollte, dann rufen Sie mich doch einfach an, denn ich bin bei der Pariser Feuerwehr als Lieutenant angestellt und somit definitiv auch zu einer sofortigen Hilfeleistung verpflichtet. Sollten Sie aber dennoch Lust auf etwas richtig Heißes, wie zum Beispiel auf einen Tangotanz verspüren, dann rufen Sie mich ebenfalls an, denn das Tangotanzen ist eine meiner großen Leidenschaften.
Herzlichst
Ihr Etienne Durand
Als Charlotte diesen Brief gelesen hatte, glitt wieder ein kleines Lächeln über ihr Gesicht und sie versuchte sich an den Mann von gegenüber in der Métro zu erinnern. Aber es wollte ihr partout nicht so recht gelingen, sich auf seine Gesichtszüge zu besinnen. Wie man kaum jemanden in der Erinnerung behält, zu dem man ansonsten keinen weiteren Bezug entwickelt, wie etwa zu dem nachfolgenden Kunden an der Kasse im Supermarkt um die Ecke oder eben zu einem anonymen Fahrgast in der Métro. Charlotte hatte ihr Gegenüber kaum
registriert, denn sie war viel zu sehr damit beschäftigt, sich mit dem Inhalt ihres ersten Briefes, den sie auf ihre Annonce hin erhalten hatte, vertraut zu machen, als dass ihr dieser Mann aus der Métro großartig im Gedächtnis geblieben wäre. Freundlich war er auf jeden Fall und er besaß wohl eine schmale rote Narbe über seiner linken Augenbraue. Das einzige, woran sie sich jedoch wirklich erinnerte, das war seine wohlklingende, sonore Stimme, als er sie genau dieses Briefes wegen angesprochen hatte. Sie nahm sich daher vor, ihm per Mobilfunk eine SMS zu schicken, aber mit einer unterdrückten Rufnummer ihres Anschlusses, auch
wenn sich der Pilot inzwischen als ein ausgewachsener Flop erwiesen hatte. Denn der Mann der Lüfte, er konnte vielleicht einen Jumbo fliegen, aber leider überhaupt nicht tanzen, geschweige denn mit ihr einen Tango Flamenco aufs Parkett legen. Was Charlotte im Übrigen als einen weiteren Beleg ansah, in einer solchen Situation umsichtig gehandelt zu haben, indem sie ihre vollständige Identität nicht sofort gegenüber Jedermann sogleich preisgegeben hatte. So wollte sie es auch mit diesem Feuerwehrmann halten und sandte ihm daher eine anonyme SMS…
Bonjour, Monsieur Durand
Nein, das war keine Heiratsannonce, das war eine Anzeige auf der Suche nach einem Tanzpartner. Wenn Sie aber dennoch mein Angebot zum Tanzen annehmen wollen, habe ich eine Bedingung:
Definitiv kein Wort der Unterhaltung, kein Tête-à-Tête, sondern einfach nur völlig unverbindlich Tango miteinander tanzen. Am besten im Nachtschwärmer Café, Boulevard de Clichy 24, am kommenden Samstagabend um 22.00 Uhr. Allerdings nur, wenn Sie gedenken diese, meine einzige Bedingung voll umfänglich zu akzeptieren und mir
versprechen, diesbezüglich keine weitere Fragen zu stellen.
Charlotte
*
Dieser Samstag begann mit einem grauen Himmel und die Meteorologen sagten für diesen Tag sogar noch permanenten Dauerregen über Paris voraus, was aber Charlotte nicht daran hinderte, sich auf den Tango-Tanzabend mit Etienne Durand, jenem briefeschreibenden Pariser Feuerwehrmann vorzubereiten. Ob er vielleicht derjenige sein würde? Das wird sich alles zeigen, dachte sie, Hauptsache, er redet nicht. Pünktlich
betrat sie das Café und erblickte ihn schon von weitem. Auch der Feuerwehrmann hatte Charlotte natürlich sogleich wiedererkannt. Er erhob sich von seinem Tisch und kam lächelnd auf sie zu. Dann reichte er ihr seine Hand,
»Bonsoir, Mademoiselle Charlotte, Sie sehen einfach bezaubernd aus und ich freue mich, dass Sie Ihr Wort gehalten haben und sich hier so ganz altmodisch mit mir zum Tangotanzen verabredet haben.«
Charlotte lächelte still und Etienne Durand, ganz Kavalier, küsste ihr daraufhin die Hand,
»Ich werde Sie selbstverständlich nichts fragen und Sie müssen mir nichts
beantworten, denn es macht mich allein schon mehr als glücklich, wenn Sie an diesem heutigen Abend nur mit mir tanzten. Ist es das, was von mir erwartet haben, Mademoiselle?«
Charlotte nickte.
Dann bat er sie hinüber an seinen Tisch und winkte dem Kellner.
»Mögen Sie ein Glas Champagner mit mir auf unser Wiedersehen trinken?«, fragte er nur und schaute Charlotte dabei lächelnd an. Wieder nickte die junge Frau, ohne auch nur ein einziges Wort zu verlieren. Nachdem sie die Gläser hatten klingen lassen, begann der Klavierspieler aus dem Orquesta Típica leise die eingängige Melodie von Hernando's
Hideaway zu spielen, bei der sich anschließend auch die anderen Orchesterstimmen sukzessive einbrachten und leiteten damit den Auftakt zu diesem Tangoabend ein. Etienne Durand erhob sich und bot Charlotte charmant seinen Arm an. Gemeinsam schwebten sie beide im Tangorhythmus über das Parkett und ließen dabei kaum einen Tanz aus. Außenstehende mochten vielleicht sogar glauben, hier hätte sich ein Turnierpaar für lateinamerikanische Tänze eingefunden, um ausschließlich den Tango zu zelebrieren. Und Charlotte war nahezu überglücklich, einen solchen Tanzpartner, wie Etienne Durand an ihrer Seite zu wissen, der diesen Tanz mit
einem geradezu magischen Können zu beherrschen schien, wie kein zweiter. Das anschließende Standing Ovations der übrigen Tanzgäste genossen die beiden perfekten Tangotänzer mit einem glücklichen Lächeln und einer hinreißenden Verbeugung. Diesen erfolgreichen Abend ließen sie noch bei einer guten Flasche roten Weines ausklingen und Etienne Durand rang sich dann letzten Endes doch dazu durch, Charlotte trotzdem eine einzige Frage zu stellen, indem er ihr auf eine Serviette schrieb,
...Liebste Mademoiselle Charlotte, gibt es für Sie einen triftigen Grund, warum Sie nicht mit mir reden wollten?...
Charlotte lächelte erneut und schrieb darunter,
...Beherrschen Sie die Gebärdensprache, Monsieur Durand? Wenn nicht, dann wäre das schade, weil wir dann kaum miteinander kommunizieren können. Ich kann Sie zwar sehr gut hören, aber ich vermag Ihnen leider nicht phonetisch zu antworten, weil mein Stimmapparat als Kind bei einem schweren Autounfall in der Nähe von Avignon, bei dem auch meine Eltern ums Leben kamen, irreparabel verletzt worden ist. Sie haben jetzt die einmalige Chance mir Lebewohl und adieu zu sagen, wenn Sie mein stillschweigendes Handicap nicht akzeptieren können...
Etienne Durand nahm lächelnd Charlottes Hand, küsste sie und erwiderte,
»Ich werde sie erlernen, ich verspreche es, Mademoiselle, ganz sicher…«
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Impressum
Cover: selfARTwork
Text: Bleistift
© by Louis 2020/1 Update: 2021/11