Kurzgeschichte
Paris

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"Eine Nacht in Paris aus seiner Sicht geschrieben"
Veröffentlicht am 26. September 2021, 10 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Eine Nacht in Paris aus seiner Sicht geschrieben

Paris

Titel

Wir waren zuerst Kollegen und wurden dann Freunde. Schon bald merkte ich, das ich mehr für sie empfand. Je mehr ich über sie erfuhr, desto mehr liebte ich sie. Wir erzählten uns alles. Sogar unsere tiefsten und dunkelsten Geheimnisse. Manche kamen einfach durch einen dummen Zufall zum Vorschein, andere wollten schon lange raus, hatten nur nicht den richtigen Zuhörer dazu. Ich konnte ihr alles sagen, was mich bewegt, ohne vor Scham im Boden versinken zu wollen. Es war so befreiend. Sie hörte still zu und verstand mich. Wenn ihr was in den falschen Hals kam, war sie nicht

gleich beleidigt, sondern hakte nach. All das machte sie zu etwas Besonderem. Als ich ihr gestand, das ich für sie mehr empfinde, sogar viel mehr, hatte ich gemerkt, das sie für mich auch ein wenig mehr, als Freundschaft empfindet. Aber mehr durfte nicht werden, da sie in einer Beziehung war. Einmal durfte ich ihr einen Kuss auf die Lippen geben. Hinterher steckte mein Kopf in den Wolken. Ich fühlte mich plötzlich euphorisiert und voller Energie. Auch sie hatte was gespürt. Wie ich, konnte sie den Kuss nicht vergessen und hatte die ganze Zeit ein Dauergrinsen im Gesicht. Bei mir war es egal. Sie hatte einen eifersüchtigen

Freund. Einmal fing ich von meinem Französischkurs an, den ich nebenbei, eher weil ich mit meiner Freizeit nichts Besseres anzufangen wusste, besuchte. Ich sagte ihr, das ich mit ihr in französisch reden werde und sie kein Wort dabei verstehen brauchte. Französisch sei die Sprache der Liebe und Paris die Stadt der Liebe. Sie gestand, das sie gern mal nach Paris wolle. Aus Spaß schauten wir nach, wie viel das in etwa kosten würde. So viel war es gar nicht. Euphorisch, wie ich zu dem Zeitpunkt gerade war, haute ich raus, das wir demnächst dahin fahren würden. Sie wies mich darauf hin, das

sie nicht könne, weil sie einen Freund hätte und er es nicht wolle. So hatte sie mich auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. In den nächsten Stunden und Tagen ließ mich das Thema nicht los. Stellte mir immer wieder vor, wie es wäre. Ich hatte mich hoffnungslos in sie verliebt und ich war ihr auch nicht völlig egal. Wir hatten auch schon darüber gesprochen, wie es denn wäre, wenn sie ihn für mich verlassen würde. Wie lange würde es dauern, bis bei uns der Alltag Einzug hielt, fragte sie, weil es in ihrer Beziehung so war. Trotz allem hatte ich mir vorgenommen, sie einmal nach Paris zu entführen. Mir

war alles egal. Sie bedeutete mir alles und ich wollte wissen, wie es ist, mit ihr übers Wochenende allein zu sein. Würden wir uns hinterher immer noch verstehen oder hätten wir uns über? Ich wollte es unbedingt wissen und besorgte zwei Tickets, nach dem ich spontan Urlaub beantragt hatte. Es war ein Freitagabend. Samstag hatte sie zufällig frei. Ich holte sie von Arbeit ab und hoffte, das sie, wie üblich, noch keine Lust hatte, nach Hause zu fahren. - Ich hatte Glück. Da sie noch nicht so lange in meiner Stadt lebte und kaum was davon gesehen hatte, machte ich ihr den Vorschlag, das ich ihr ein wenig die Stadt zeige. Begeisterung sieht anders

aus, aber sie willigte ein. Wir fuhren zum Hauptbahnhof, gingen hinein und ich führte sie zum Gleis. Sie schien zu ahnen, was ich vor hatte; das es keine Stadtrundfahrt werden würde. Dennoch ließ sie alles bereitwillig geschehen. Die Neugierde war größer. Vor der Tür machte sie Stopp und drehte sich zu mir um. „Was hast du mit mir vor?“, fragte sie. „Ich will dir ein wenig die Stadt zeigen.“, antwortete ich. „Welche?“ Wir sahen uns an und mein Herz rast wieder, wie wild. Was hatte diese Frau nur an sich, das ich bei ihrem Anblick völlig den Verstand

verliere? Anstatt ihr zu antworten, gab ich ihr einen zärtlichen Kuss auf ihr einladenden Lippen. Mir drehte es sich dabei und in meinem Bauch kribbelte es, wie von tausend Ameisen. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, stieg sie ein. Während der Fahrt sprachen wir so gut wir nicht miteinander. Sie telefonierte einmal mit ihrem Freund und meinte zu ihm, das sie mit einer Freundin unterwegs sei. Sie hätte sie spontan zum Weiberabend eingeladen. Wir sahen gemeinsam aus dem Fenster und hingen unseren Gedanken nach. Etwa acht Stunden später stiegen wir in Paris aus. Es war Nacht und es nieselte. Doch das

war uns beiden egal. Wir stürzten uns ins Pariser Nachtleben. An der Seine spazierten wir Hand in Hand. Besuchten anschließend den Eiffelturm und frühstückten in ihm. Danach traten wir die Rückreise an. Der Abschied fiel schwer. Sehr schwer. Die paar Stunden Paris waren, wie im Flug, vergangen. Wir hatten keine Photos gemacht, um keine Beweise zu haben. Es sollte und durfte ja niemand wissen, das wir gemeinsam in Paris gewesen sind. Noch im Zug verabschiedeten wir uns voneinander. Kurz und schmerzlos. Wir verließen den Zug durch verschiedene Türen.

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FLEURdelaCOEUR Das ist ja so wie in dem alten französischen Film "Meine Tage mit Pierre - meine Nächte mit Jaqueline", Nur dass dies hier kein Streit ist, sondern Übereinstimmung. Hat mir auch gut gefallen, aber der weiblich Part irgendwie noch besser.

LG fleur
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