Kurzgeschichte
Pinke Periode

0
"Ich habe einen Herzfehler und musste deswegen ins Krankenhaus. Zweibettzimmer."
Veröffentlicht am 09. September 2021, 10 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: Patrizia Tilly - Fotolia.com
http://www.mystorys.de
Ich habe einen Herzfehler und musste deswegen ins Krankenhaus. Zweibettzimmer.

Pinke Periode

Titel

Ihre Kasse hatte sie vergessen herauszunehmen und uns ging sie an, das wir einfach so dastanden und nichts taten. Als ob irgendwer damit rechnete, das jemand seine Kasse stecken ließ. Wegen ihr hatte ich dadurch meine Bahn verpasst und musste eine halbe Stunde auf die nächste warten. Wenigstens war ich nicht allein. Mein Kollege vertrieb mir ein wenig die Zeit. In erster Linie hörte er mir zu, wie ich von meinem kranken Herz sprach und davon, das ich demnächst wieder ins Krankenhaus musste. Er hörte mir zu, ohne mich einmal zu unterbrechen. Es tat gut,

jemanden alles erzählen zu können. Zwar hatte ich einen Freund zu Hause, aber… Viel wusste ich nicht von ihm. Außer, das er ganz froh war, in seiner Abteilung arbeiten zu dürfen. Denn dort war er mit sich allein und brauchte keine Maske tragen. Zu Kunden hatte er auch kaum Kontakt und darüber war er sehr froh. Ich kann es manchmal nachvollziehen. Manche Kunden sind echt belastend und eigentlich gar nicht gut für mein Herz. Ich darf mich nicht anstrengen und nicht aufregen. Koffein und Alkohol sind auch verboten. Eigentlich hätte ich schon viel früher ins Krankenhaus gehen sollen. Aber es hätte beschissen ausgesehen und keinen guten

Eindruck auf meinen neuen Arbeitgeber gemacht, da ich gerade erst meinen Arbeitsvertrag unterschrieben hatte. Ich hoffte, das er mich nicht entließ, wenn ich dann ins Krankenhaus ging. Mein Kollege meinte, das unser Chef viel zu verzweifelt sei, um mich zu entlassen. Zu viele Kollegen kündigten fristlos. Selbst Neuankömmlinge. Das machte mir Hoffnung. Von allen Kollegen, war er mir mit am Liebsten. Er war mir sympathisch. Ruhig. Ausgeglichen. Kam mir nicht blöd. Wenn ich ihn rief, meldete er sich prompt. Auf ihn konnte ich mich verlassen. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich

zu beugen und ins Krankenhaus zu gehen. Mindestens zwei Wochen, hieß es, sollte ich im Krankenhaus bleiben. Doch so sehr mich dieser Gedanke nach unten zog, wusste ich gleichzeitig, das es nur zu meinem Besten ist und ich hinterher nicht mehr ganz so streng auf mein Herz achten musste. Ich hoffte, das der Aufenthalt mir nicht so lang vorkommen würde. Wenn ich etwas nicht leiden konnte, dann Langeweile und Kontraproduktivität. Mein Zimmer war weiß und steril. Die Luft roch abgestanden. Ich teilte das Zimmer mit einer älteren, ruhigen Frau. Wenn sie nicht las, strickte sie oder schaute fern. Mir kam es recht, das sie

sich nicht mit mir unterhalten wollte. Deswegen mochte ich ihn vielleicht so sehr. Wir unterhielten uns zwar, redeten aber nicht permanent. Zwischen den Bemerkungen legten wir längere Denkpausen ein. Eine Schwester kam ins Zimmer und fragte mich, ob ich Besuch haben möchte. Ich schaute sie dumm und fragend an. „Ein junger Mann steht vor der Tür und bat mich zu fragen, ob sein Besuch erwünscht ist.“ Immer noch schaute ich blöd. Fragte mich, ob ich irgendwas nicht mitbekommen hatte. „Warum kommt er nicht einfach rein und fragt mich selber?“ „Er möchte jede Aufregung

vermeiden.“ Mir dämmerte, wer vor der Tür stand und lächelte. „Er soll reinkommen.“ Vorsichtig betrat er das Zimmer und blieb an der Tür stehen. „Du kannst reinkommen. Ich freue mich, das du mich besuchen kommst. Es ist ziemlich langweilig.“ „Ich hab dir was mitgebracht. Ein Bild. Selbst gemalt. Ich nenne es „Pinke Periode“. Wenn ich nicht irre, war es Picasso, der mal eine Leinwand blau ausgemalt hat und es „Blaue Periode“ nannte. Der Schinken kostet mehr Geld, als ich in meinen beiden Händen halten kann. Die Idee, eine Leinwand einfarbig

zu gestalten, hab ich von ihm geklaut - Vor längerer Zeit habe ich mal gehört, das pink beruhigend wirken soll. Deswegen… Außerdem dachte ich mir, das Blumen zu Klischeehaft sind und dein Freund vielleicht, wenn er sie sieht, auf falsche Gedanken kommt… Und hier hab ich noch ein Buch. Weder spannend, noch aufregend. Dennoch sehr interessant.“ Ich musste eine Träne weg blinzeln. Wir waren im Prinzip nur Kollegen. Weitläufige Bekannte. Als Freunde würde ich uns nicht bezeichnen. Dennoch war er äußerst lieb und rücksichtsvoll zu mir. Vielleicht etwas zu übertrieben. Aber wenigstens dachte er an mich.

Zwischen mir und meinem Freund sah es, zu jenem Zeitpunkt, nicht so rosig aus. „Du bist voll lieb. Ich danke dir von ganzen Herzen.“, und das meinte ich voll ernst. „Da du das Thema grad ansprichst…“ „Es ist alles okay. In ein paar Tagen komme ich hier raus, dann kannst du mich wieder zur Bahn begleiten.“, zwinkerte ich ihm zu. Im ersten Anflug wollte ich ihn persönlich Dinge fragen, um mehr über ihn zu erfahren. Dann aber dachte ich daran, das wir nicht allein im Zimmer waren. Also unterhielten wir uns über die Arbeit und zogen über Kollegen her. Als er dann ging, wurde mir ganz anders.

Eine seltsame Leere legte sich über mich. Ich nahm sein Bild in die Hand und starrte es an. Er hatte recht. Es wirkte wirklich beruhigend. „Er sorgt sich sehr um deine Gesundheit. Und dir scheint er auch nicht ganz egal zu sein.“ „Wir sind nur Kollegen.“, sagte ich und starrte auf das Bild. Pink wirkt wirklich beruhigend.

0

Hörbuch

Über den Autor

Superlehrling

Leser-Statistik
4

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
Zeige mehr Kommentare
10
0
0
Senden

167736
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung