Humor & Satire
Kinderklagen

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"Kinderklagen "
Veröffentlicht am 15. Juli 2021, 12 Seiten
Kategorie Humor & Satire
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Über den Autor:

"Friedemann" ist nur mein Vorname, für meinen Nachnamen "Kriegsfuß" reichte (aufgrund der von myStorys vorgegebenen Obergrenze von 14 Zeichen) leider der Platz nicht mehr. Mein Name besagt, dass ich im Grunde ein sehr friedliebender Mensch bin, der aber verbalen Auseinandersetzungen nicht grundsätzlich aus dem Weg geht. Diese sind gelegentlich die Folge von satirischen Texten, für die ich schon seit meiner Schulzeit (als noch Lehrer und ...
Kinderklagen

Kinderklagen


Millionen Kinder klagten an, sie mussten lange leiden. Was hat man ihnen angetan zu jenen finstren Zeiten? Die Prügelstrafe war es nicht, worunter wir oft litten. Auch nicht die strenge Stillsitzpflicht und andre Tafelsitten. Es war vielmehr ein grüner Brei, der wahrhaft schrecklich schmeckte und neben dem Verdrussgeschrei auch Brechreiz in uns weckte. Das Stimmung war rasch desolat, wir litten oft unsäglich. „Jetzt iss doch endlich den Spinat!“ ertönte es fast täglich.

. Wir wollten ja, und würgten drum an jedem kleinen Bissen minutenlang umsonst herum. Es schmeckte so besch…eiden. Wenn Vatis Mienenspiel gefror begann’s zu eskalieren. Dann gab’s oft welche hinters Ohr um uns zu motivieren. Begleitmusik war sein Geschrei, doch kriegten wir mitunter von diesem widerlichen Brei kein Gramm die Gurgel runter. Die Backen blieben voll Spinat. Falls Backpfeifen dort schallten, da tröstete am Resultat dass Brei zu Boden knallte

. So hatten wir die Qual der Wahl: Vertilgen oder Prügel! Hinzu kam notfalls noch 'ne Qual: Das Aus der Schoko-Riegel! Warum die ganze Quälerei? Es hatte stets geheißen, dass dieser Brei ganz wichtig sei, er hätt’ ja sooo viel Eisen! Die Wahrheit kam zwar bald ans Licht, es war ein Riesenschwindel! Ein hingeschluderter Bericht vom schreibenden Gesindel. Man hatte sich saublöd vertan um eine Zehnerstelle. Die Mär trat gleich die Runde an und hat in Blitzesschnelle

. Spinat zum Wunder stilisiert. Ein Mythos war geboren! Die Forschung hat zwar dementiert, doch stieß auf taube Ohren. Den Schreiberlingen war’s egal, sie hielten ihre Fresse. Denn Sensationen sind nun mal von größerem Int'resse. So mussten wir jahrzehntelang umsonst so furchtbar leiden. Umsonst die Drangsal und der Zwang, umsonst die Widrigkeiten. Und die Moral von der Geschicht? Journaille muss sich lohnen! Die Wahrheit int'ressiert sie nicht, sie mag nur Sensationen.

.

Nachlese: Entnommen aus FOCUS Nr. 45, 2004: Die böse Spinat-Falle: Wie immer meinten es Mütter und Omas nur gut. „Noch ein Löffelchen für den lieben Vati.“ Mit solch überzeugenden Argumenten wurden dem widerspenstigen Kleinkind des 20. Jahrhunderts Unmengen grünlich schleimigen Spinatbreis eingetrichtert. Das Bittergemüse enthielt ja so viel vom lebensnotwendigen Eisen, dass der grummelige Geschmack dagegen kaum ins Gewicht fiel. In den USA wurde 1929 sogar die Comicfigur Popeye dienstverpflichtet, um das Renommee des Grünzeugs bei Kindern zu heben. Doch es war ein wissenschaftlicher Irrtum, der vielen heute Erwachsenen als kulinarisches Golgatha in Erinnerung blieb. Um 1890 hatte ein US-Chemiker den Eisengehalt von Spinat errechnet, sich aber in der



Kommasetzung geirrt: Statt 2,9 mg konstatierte er 29 mg je 100 g Gemüse. Damit nicht genug, gab der Schweizer Physiologe Gustav von Bunge den Wert mit 35 mg/100 g an. Freilich hatte Bunge seine Messungen an konzentriertem Spinatpulver und nicht an wasserreicher Frischware vorgenommen, was geflissentlich übersehen wurde. Da Spinat jedoch zu 90 Prozent aus Wasser besteht, enthält eine 100-Gramm-Portion von frischem Spinat folglich nur 3,5 Milligramm Eisen. So nahm das grüne Unheil seinen Lauf. Dieser Kommafehler in der Ernährungs-Literatur wurde 40 Jahre später endlich aufgedeckt, aber der Spinat-Mythos lebte trotzdem hartnäckig weiter.



b.w.


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Hörbuch

Über den Autor

Friedemann
"Friedemann" ist nur mein Vorname, für meinen Nachnamen "Kriegsfuß" reichte (aufgrund der von myStorys vorgegebenen Obergrenze von 14 Zeichen) leider der Platz nicht mehr. Mein Name besagt, dass ich im Grunde ein sehr friedliebender Mensch bin, der aber verbalen Auseinandersetzungen nicht grundsätzlich aus dem Weg geht. Diese sind gelegentlich die Folge von satirischen Texten, für die ich schon seit meiner Schulzeit (als noch Lehrer und Mitschüler ihre Opfer waren) eine Vorliebe habe. Gemäß meinem Motto - Humor ist das Knopfloch, mit dem wir verhindern können, dass uns der Kragen platzt - kommt hierbei allerdings der Humor (meistens) nicht zu kurz.

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welpenweste Herr Friedmann spießte mit spitzer Gabel das auf, das auch mir in jungen Jahren widerfahren ist. "Mutti! Was hast du da für einen grünen Bazbrei zusammengekocht?", soll ich als Kind gemäkelt haben. Ich wurde zwar nicht drangsaliert, aber es galt damals: "Was auf den Tisch kommt, das wird gegessen!"
Komisch, heutzutage mag ich Spinat sehr! Wie sich doch Alles wandelt.
Zum Gedicht selber sage ich nur: Gelungen! Und es war wieder einmal ein schmunzelnder Genuss es zu lesen.
Herzlich
Günter
Vor langer Zeit - Antworten
Friedemann 
Ja, lieber Günter,
den Spruch „es wird (nur) gegessen, was auf den Tisch kommt“ hörten wir bereits in unserer Kindheit. Er ließ jedoch in Verbindung mit „nur“ das Hintertürchen offen, garnichts zu essen, worauf man dann oft „Iss oder stirb an Hunger!“ zu hören bekam. Nicht aber bei uns zuhause, wo dank unseres Vaters Hungersyndrom das Nicht-Essen nicht in Frage kam. Bei heutigen Entwicklungspsycholog/innen wird dieser Spruch in beiden Lesarten bereits als Qual angesehen.

Mit lieben Grüßen danke ich Dir von Herzen Deine Sesterzen und Deine lobenden Worte, auch Dein Schmunzeln freut mich,
Friedemann
Vor langer Zeit - Antworten
AngiePfeiffer Wieder mal mit spitzer Feder gekonnt aufgespießt!
Wenn es in der Zeitung steht, dann wird es schon wahr sein ...
Dem ist eben nicht immer so.
Auf jeden Fall habe ich mich köstlich über Dein tolles Gedicht amüsiert.
Liebe Grüße
Angie
Übrigens: Heutzutage ist es die Pastinake, welche Kinderherzen betrübt. Kleingehexelt stellt der Pastinakenbrei den Spinat damaliger Zeiten noch in den Schatten ...
Vor langer Zeit - Antworten
Friedemann 
Liebe Angie,
es freut mich, wie sehr Du Dich über diese Verse amüsiertest, und ich danke Dir herzlichst dafür, dass Du mich vor der Pastinake gewarnt hast, von der ich ja noch nichts gehört oder gelesen hatte. Offenbar bin ich dank der Gnade der frühen Geburt hiervon verschont geblieben und werde es garantiert auch bleiben.

Liebe Grüße und ein herzliches Dankeschön für Dein dickes Lob und Dein dickes Geschenkpaket, Friedemann
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Ach das war ja wieder erquicklich zu lesen, besonders mit dem kleinen Seitenhieb am Ende. Aber Spinat hab ich eigentlich als Kind gern gegessen und ess ihn auch heute noch gerne. Mich ärgerten immer in der Suppe diese fetten Fleisstücke, aber da stand die Erzieherin meist hinter mir und passte auf. Allerdings hab ich sie ausgetrickst und immer so getan, als müsse ich husten und mir die Hand vor den Mund gehalten. Da waren dann die Fettstückchen drin und die hab ich mir heimlich in den Baumwollstrumpf gesteckt und in der Toilette "entsorgt". Meine Mutter wunderte sich allerdings immer über die Fettflecken in den Strümpfen. Allerdings hab ich bei Greißbrei auch die Zähne gehoben, wenn da nur ein kleines Bätzchen drin war.
Hab trotzdem laut gekichert bei Deinem herrlichen Gedicht, lieber Friedemann.

Sei lieb gegrüßt
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
Friedemann 
Liebe Bärbel,
solch einen Trick, unerwünschte Happen loszuwerden, hätte ich mir damals vielmals gewünscht, leider vergebens. In Anwesenheit meines Vaters durfte auch kein Löffelchen übrigbleiben, sonst wäre mein Vater, den im Krieg der Hunger tief geprägt hatte, außer sich geraten. Dafür musste ihm, wenn er mal 2 oder 3 Wochen allein zu Hause war, wegen verdorbener Speisen im Krankenhaus dreimal der Magen ausgepumpt werden.

Liebe Grüße und herzlichen Dank für Deine lobenden Worte und Deinen reichhaltigen Geschenkkorb,
Friedemann
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Meine Mutte hat mir nie was reingezwungen. Es waren immer nur die tollen Erzieherinnen im Kindergarten und im Kurheim.

LG Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
Friedemann 
Liebe Bärbel,
auch unsere Mutter brachte dies nicht fertig. Der „Zwangsverteiler“ war unser Vater aufgrund seines dem Krieg geschuldeten Hungersyndroms, dem ich auch eine Backpfeife auf die spinatgefüllte Wange verdankte. Die Leidtragende war die Mutter, die den Spinat auf Tisch und Boden aufwischen musste, während ich mich insgeheim sogar auch noch freute, dass ich ihn los war.

Liebe Grüße und gute Nacht,
Friedemann
Vor langer Zeit - Antworten
Darkjuls Lieber Friedemann, ich schließe mich deinen Klagen aus Kindertagen an. Früher mochte ich die grüne Pampe auch nicht. Heute dagegen schon, aber nur den Guten aus dem Markt meines Vertrauens, den ohne Blubb. Das ist keine große Sensation, aber wahr.

Klasse dargeboten. Lieben Gruß Marina
Vor langer Zeit - Antworten
Gast 
Wie schön, liebe Marina,
sich mit – wenn auch nur zeitweiligen – Leidensgenossinnen und -genossen auszutauschen. Bezüglich meinen löchrigen Erinnerungen verliefen unsere Spinatmahlzeiten damals mehr oder weniger dramatisch, mit einer Ausnahme: Als ich einmal nachfragte, warum wir so oft Spinat essen müssen und meine Mutter dies mit dem dessen reichhaltigen und gesunden Eisengehalts erklärte, erwiderte ich, dass ich stattdessen lieber in kleinen Portionen mein (Kinder-) Fahrrad aufessen würde, weil dieses demnach viel gesünder wäre und sicherlich auch noch besser schmecken würde.

Mit lieben Grüßen danke ich Dir herzlich Für Deine Anteilnahme und Dein klassisches Lob,
Friedemann
Vor langer Zeit - Antworten
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