Ich hatte einen Schwächeanfall. Mitten auf der Straße. Es lag bestimmt am Wetter. In den letzten Tagen war es sehr unbeständig gewesen. Warme und kalte Tage wechselten sich unstetig ab. Und dazwischen heftige Gewitter. Und an einem schwülen Nachmittag war es dann passiert. Plötzlich hatte ich einen Schwächeanfall. Ich hielt mich an einer Mauer fest und glitt langsam hinab. Als ich da am Boden lag, verfluchte ich den Tag, weil er so extrem schwül war und ich verfluchte meinen Körper, weil er mitten auf der Straße den Geist aufgab. Wie lange ich am Boden gelegen hatte,
kann ich nicht mit Gewissheit sagen. Mir kam es ewig lang vor. Plötzlich stand er vor mir. Hockte sich vor mich hin und fragte mich, ob er mir irgendwie helfen kann. Ich gab irgendwelche Laute von mir, da ich nicht in der Lage war, mich zu artikulieren. Dann hielt er mir eine Flasche an die Lippen und versuchte mir Wasser einzuflößen. Ich wendete meinen Kopf zur Seite, weil ich Panik hatte, das da irgendwas in der Flasche war. Man hört ja so viel. Doch er sprach sanft auf mich ein. Fragte mich, ob er ein Krankenwagen holen oder mich nach Hause bringen soll. Ich trank in kleinen Schlucken. Es schmeckte nach ganz normalen Wasser, das längere Zeit in der
Wärme gestanden hatte. „Ich will nicht ins Krankenhaus.“, flüsterte ich. Dann sah ich ihn zum ersten Mal richtig an. In seinem Gesicht standen Sorgenfalten und ich musste lächeln. Aus irgendeinem Grund musste ich plötzlich lächeln. „Dann bringe ich dich nach Hause. Sag mir, wo du wohnst.“ Ich war nicht in der Lage klar zu denken und gab meine Adresse preis. Innerlich betete, das er kein Arschloch ist, das mich vergewaltigen will. So schwach, wie ich mich fühlte, hätte er leichtes Spiel gehabt. Dann stand das Taxi da. Der Fahrer und
er hievten mich auf den Rücksitz. Es war angenehm kühl, in dem Auto und ich fühlte mich augenblicklich ein wenig besser. Dennoch blieb ich liegen und döste vor mich hin. Ein paar Minuten später trugen sie mich in meine Wohnung. Ich fühlte mich ihnen hilflos ausgeliefert. In meinem Kopf spielte sich ein Horrorfilm ab. Die Tür schloss sich hinter uns und sie brachten mich in mein Schlafzimmer. Dort fielen sie gemeinsam über mich her. Doch es war nur ein Film. In Wahrheit waren sie beide sehr nett. Selbst der Taxifahrer meinte, das es besser wäre, wenn ich vorsichtshalber in ein Krankenhaus ginge. Aber ich wollte nicht. Ich sagte,
das es mir schon viel besser ginge und ich nur ein paar Stunden Schlaf benötige. „Sie müssen es ja wissen.“, meinte der Taxifahrer und ließ sich von meinem Helfer bezahlen. Mir ging es wirklich schon besser. Auch wenn ich noch unsicher auf den Beinen war. Er legte mich sanft auf mein Sofa. Kurz darauf sprang mein Kater auf mich. Wie ich mich freute, ihn zu sehen und zu spüren. Sein Knurren wirkte beruhigend auf mich und für einen Augenblick lang vergaß ich, das da noch jemand war. Erst als ich spürte, das mir jemand die Hosenbeine hochkrempelte, fiel mir wieder ein, das ich nicht allein
war. „Was machst du da?“, fragte ich ihn. „Wadenwickel. Vielleicht hilft es. Schaden tuts zumindest nicht...Ich kann nicht gehen, bevor ich weiß, das es dir wieder gut geht.“ Stöhnend ließ ich es über mich ergehen. Dabei fiel mir auf, das mein Kater kein Theater machte. Stattdessen sah er ihm nur zu, was er tat. „Mit der schwarzen Haube und dem Fleck über deiner Nase, siehst du aus wie Onkel Adi.“ Er legte mir einen kalten Lappen auf meine Stirn und ich musste innerlich schmunzeln. Genau das Gleiche hatte ich damals auch gedacht, als ich ihn zum
ersten Mal gesehen hatte. Und dazu noch dieser Blick. Manchmal glaubte ich, das mein Kater die Reinkarnation von Hitler sei. Natürlich ist das Unsinn, aber er sieht ihm verblüffend ähnlich. Deshalb habe ich ihn auch Hitler getauft. Es gab einen Aufschrei deswegen. Aber das war mir egal. Ein anderer Name hätte nicht zu ihm gepasst. Zu ähnlich sah er seinem Vorbild. Am frühen Abend konnte ich mich wieder normal ausdrücken und auch alleine sitzen. Mein „Freund“ hatte eine Kleinigkeit zum Abendessen gemacht, damit ich wieder zu Kräften komme. „Kann ich dich alleine lassen?“, fragte
er. „Mir gehts wieder gut.“, versicherte ich ihm. „Würdest du mir einen Gefallen tun und dich bei mir melden?“, fragte er zurückhaltend und reichte mir eine selbstgemachte Visitenkarte. „Ich will nur sicher sein…“ „Ich melde mich.“ versprach ich ihm. Während wir am Tisch gesessen hatten, war Hitler die ganze Zeit auf seinem Schoß gewesen und hatte sich von ihm kraulen lassen. Das wunderte mich, weil er Fremde eigentlich nicht mag. Ebenso wenig, wie ich. Aber er hatte irgendwas an sich. Widerwillig sprang Hitler runter und
begleitete uns zur Tür. Dort zögerte mein Helfer. Er wusste nicht so recht, wie er sich verabschieden sollte. Sein Körper schwankte leicht nach vorn und wieder zurück. Ich dachte mir, was solls. Breitete meine Arme aus und ließ ihn mich drücken. Dann ging er in die Knie und kraulte noch einmal Hitler.
„Pass mir gut auf sie auf.“, sagte er noch und ging die Treppen runter.
Ich stand noch eine ganze Weile in der Tür und schaute ihm nach.