Kurzgeschichte
Draußen unterm Sternenzelt

0
"Nach dem sie mehrfach bei mir übernachtet hatte, wurde es Zeit, das ich bei ihr schlafe. Draußen."
Veröffentlicht am 12. Juni 2021, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
http://www.mystorys.de
Nach dem sie mehrfach bei mir übernachtet hatte, wurde es Zeit, das ich bei ihr schlafe. Draußen.

Draußen unterm Sternenzelt

Titel

Versprochen ist versprochen. Auch wenn das Wetter plötzlich umschlägt. Im Laufe der Zeit ist sie mir sehr ans Herz gewachsen. Im Grunde ist sie eine ehrliche Person und unter der dreckigen Fassade eine wunderschöne, junge Frau. Sie steht nicht vor Dreck, sie ist aber auch nicht wirklich sauber. Stadtstaub bedeckt ihr Gesicht und ihren Körper. Ein paar Mal hatte sie bei mir übernachtet und war auch bei mir duschen. Daher weiß ich, das sie unter dem Stadtstaub ein hübsches Gesicht hat. Aber bei mir, und in einem Bett zu schlafen, das war nichts für sie gewesen,

da sie schon zu lange auf der Straße lebt. Ihr hatte die Luft gefehlt, von der sie sonst eingehüllt ist. Ihr hatte der Wind gefehlt, der ihr sonst die Nase kitzelt. Jetzt war ich dran, bei ihr zu übernachten. Vor einiger Zeit hatte ich es ihr versprochen, wenigstens einmal mit ihr draußen zu schlafen, wo sie seit Jahren übernachtet; unter den Sternen. Ich hatte es mir romantisch vorgestellt: ‚Eine lauer Sommernacht und sie in meinen Armen. Die Sterne sind unser Zelt.‘ Doch jetzt braut sich ein Gewitter zusammen. Aus Sicherheitsgründen hatte ich alles Wichtige zu Hause gelassen, wie meine Geldkarte. Auch wenn wir zwei nicht

ganz allein sein werden, weiß man nie, was passieren wird. Ihre Freunde, die zwischenzeitlich auch zu meinen Freunden geworden sind, können uns nur beschränkt beschützen. Ich kann mich glücklich schätzen, das sie mich in ihrer Runde überhaupt akzeptieren. Anfangs wollten sie mich nicht dabei haben, da ich nicht so bin, wie sie. Mit der Zeit haben wir uns aneinander gewöhnt. Ich falle zwischen ihnen gar nicht mehr auf. Vielleicht hatte es geholfen, das ich eine große Runde Bier spendiert hatte. Meine Kollegen reden oft auf mich ein, das ich mich von ihnen fernhalten soll. Sie sind weder Freunde noch Umgang für mich, meinen sie; es sei ein gutgemeinter

Rat. - Ein Rat, auf den ich verzichten kann. - Wenn ich daran denke, wie sich meine Kollegen gegenseitig in die Pfanne hauen und am Abend, nach der Arbeit Bier zusammen trinken, kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Die sogenannten Penner sagen mir ihre Meinung ins Gesicht und ziehen nicht hinter anderer Leute Rücken her. Die ersten Tropfen fallen. Wir gehen in den Park und machen es uns unter einem großen Baum gemütlich. Die Wärme des Tages ist gewichen. Ein kühler Wind weht und lässt mich frieren. Hätte ich eher gewusst, das das Wetter plötzlich so umschlägt, hätte ich mir was anderes angezogen.

Als ich ihr das erste Mal begegnet war, hatte sie mich freundlich lächelnd um einen Euro gefragt. Ich gab ihr zwei, weil ich es nicht kleiner hatte und weil mir ihr Lächeln so sehr gefallen hatte, so wie die Art und Weise, wie sie mich gefragt hatte. Von da an schenkte sie mir jedes Mal ein herzliches Lächeln, wenn sie mich sah. Eines Tages sprach ich sie an und wir kamen stockend in ein Gespräch. Daraus wurde mehr. Wenn die Zeit es zuließ, unterhielt ich mich mit ihr und so lernten wir uns allmählich kennen. Später dann noch ihren Freundeskreis. Unsere Gespräche waren meist nur oberflächlich; hatten keinen Tiefgang.

Dennoch gefielen mir diese Augenblicke und möchte sie nicht missen. Das Gewitter ist da. Es gießt in Strömen und mir ist richtig kalt geworden. Das einzige, was mich wärmt, ist sie. Leise atmend schlummert sie in meinem Armen, während ich hellwach daliege. Glücklicherweise hat der Baum eine riesige Krone und ich bekomme dadurch nur wenige Tropfen Regen ab. Auch die anderen schlafen seelenruhig. Ich bin der Einzige, der nicht schlafen kann und darauf wartet, das es endlich Morgen wird. Diese Nacht hatte ich mir wirklich anders vorgestellt. Ob ich mit ihr noch einmal unter den Sternen übernachten werde, bezweifle ich stark.

Andererseits, es ist mein erstes Mal. Mit der Zeit würde ich Routine rein bekommen. Wenn ich daran denke, wie der Mietspiegel hier steigt...Wer weiß, wie lange ich mir die Miete noch leisten kann. Vielleicht ist es eine gute Idee, sich schon mal daran zu gewöhnen, ohne Dach über dem Kopf zu leben. Der Regen hat aufgehört. Ich kann ein paar Insekten hören. Dazu das Rascheln der Blätter im Wind und ihren leisen Atem. Irgendwo ist es doch romantisch.

0

Hörbuch

Über den Autor

Superlehrling

Leser-Statistik
3

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
Zeige mehr Kommentare
10
0
0
Senden

167398
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung