Die Besetzung des Jugendzentrums Monheim am Rhein, Friedenauer Straße
Von einem, der dabei gewesen war.
Vorgeschichte
Wir schrieben das Jahr 1968. Mit 11 oder
12 Jahren zog ich zusammen mit meinen Eltern von Düsseldorf-Holthausen nach Monheim-Süd (Monheim am Rhein) in das Neubaugebiet der Neuen Heimat (NH). Die Neue Heimat sollte nun meine neue Heimat werden. In Düsseldorf lebte ich zusammen mit meiner Schwester und meinen Eltern in einer kleinen
Zwei-Zimmer-Wohnung. In Monheim bekam ich ein eigenes Zimmer und die Freude war enorm. Die Neue Heimat war ein gemeinnütziges Wohnungsbauunternehmen des Deutschen
Gewerkschaftsbundes (DGB). Das gewerkschaftseigene Wohnungsbauunternehmen
wurde später am 18. September 1986 zum
symbolischen Preis von 1 DM an die Firma DNG Vermögensbildung GmbH des Berliner Bäckerei-Unternehmers Horst Schiesser verkauft. Heute heißt dieses Neubaugebiet in Monheim Berliner Viertel. Die ganze Geschichte über die Neue-Heimat-Affäre kann man auf Wikipedia nachlesen.
Mein Vater war aktives Mitglied im DGB, Schriftsetzer, sowie gelegentlich Journalist, und Betriebsrat (IG Druck und Papier) beim Benrather Tageblatt und bei der Rheinischen Post. Seine Beziehungen in der Gewerkschaft erleichterten uns die Möglichkeit eine Wohnung in diesem besagten Viertel zu bekommen. Schließlich benötigte man
einen Wohnberechtigungsschein und den bekam man nur, wenn die Voraussetzungen dazu vorhanden waren.
Jedoch entpuppte sich diese Wohngegend als ein regelrechtes Ghetto. Es war äußerst berüchtigt, da Kriminalität und Gewalt zum Alltag der Jugendlichen gehörten. Ich hatte es mir in meinem Leben nie leicht gemacht, aber wer in Monheim-Süd gelebt hatte, den konnte so leicht nichts mehr erschüttern.
Die Neue Heimat muss man sich vorstellen, als wenn ein Betonklotz neben dem anderen steht. Diese Betonklötze bestehen jeweils aus vielen kleinen Kästchen, in denen
Menschen leben, fern von Sonne und
Wärme. Es wundert nicht, dass dort viel Wut und Aggressionen aufkamen, die dann irgendwohin mussten. Aber wohin damit? Zwischen all dieser Gewalt und Brutalität war man gezwungen sich durchzusetzen, wenn man nicht
untergehen wollte...
Ein Jugendzentrum, das 1971 gebaut
wurde, war einer der wenigen Lichtpunkte für meine Generation, ein Treffpunkt, wo sich gleichaltrige trafen, gemeinsam Musik hörten, tanzten, Tee oder Bier tranken oder einfach nur quatschten und chillten.
In diesem Jugendzentrum fand tagsüber
Kinderarbeit statt, um die Kleinen sinnvoll zu beschäftigen. Da half ich gerne mit, um mit den Kiddies zu spielen und auf sie aufzupassen, ehrenamtlich sozusagen.
Wir machten Spiele mit ihnen, Ausflüge,
Kinderfeste, Abenteuerspielplatz. In den
Ferien machten wir Tagesausflüge in die
Ohligser Heide, dem Wuppertaler Zoo usw.
So lernte ich auch noch ein bisschen die
Umgebung kennen. Ich half wann immer ich konnte und es machte mir einen riesen Spaß. Abends dann kamen die
Jugendlichen. Da war laute Musik angesagt, Tischtennis, Kicker. Es war die Zeit, in der Jimi Hendrix, Deep Purple und Iron Butterfly unsere Ohren mit harten Beats verwöhnten. Die Zeit der langen Haare und des Headbangings.
Wie alles anfing
Die Besetzung des Zentrums begann eigentlich damit, dass ich eines Nachmittags beim Jugendzentrum vorbei ging und sah, wie dort Material, wie Bretter für Wandverkleidung und anderes hinein transportiert wurde. Ich war damals 16 oder 17 und es war im Jahr
1972. Gerne hätte ich gleich mit geholfen, traute mich aber nicht. Ein Mann fiel mir auf, ein neuer
Jugendpfleger, Sozialarbeiter, Pädagoge oder wie sich diese Leute nennen, mit langen Haaren und Rauschebart. "Wieder so ein linker Spießer, der meint, weil er lange Haare hat, wäre er schon einer von uns", schoss es mir durch den Kopf. Wie ich später erfuhr, handelte es sich um
den "Neuen", der vermutlich gerade frisch von der Uni auf uns Jugendliche
losgelassen wurde. Der sprach mich dann an: "Du darfst gerne helfen." Das war mein Stichwort, darauf hatte ich gewartet...
Das Jugendzentrum wurde renoviert, bzw. etwas verbessert oder verschönert, einen Leseraum und eine Teestube sollten wir nun auch bekommen und vieles mehr... Und die Jugendlichen halfen mit. Zu dieser Zeit ging ich noch zur Schule und jede freie Minute verbrachte ich nun im Jugendzentrum, auch mit den Älteren. Es kristallisierte sich eine Gruppe von Jugendlichen heraus, die im Jugendzentrum ständig halfen, beim
Getränkeverkauf, Musik auflegen, Eintritt kassieren, saubermachen, aufräumen... Wir unternahmen auch vieles als gemeinsame Gruppe außerhalb des Jugendzentrums. Mal fuhren wir gemeinsam im Reisebus nach Amsterdam, mal zu einem Konzert von Floh de
Cologne in Essen, zu Konzerten von Ton Steine Scherben in Düsseldorf und in
Braunschweig. Bei einem Konzert von den Scherben, es war in Düsseldorf, sagte plötzlich einer der Scherben durchs Mikrofon, ich glaube, es war Nikel Palat: "Draußen stehen ca. 50 Leute, die haben kein Geld für Eintritt, möchten aber gerne hier rein. Ich schlage vor, wir gehen jetzt alle gemeinsam zum Eingang
und holen die Leute rein." So machten wir es dann auch. Wahrscheinlich wurde das Geld dann den Scherben von der Gage abgezogen... Aber diese Aktion hatte mich schon sehr beeindruckt. Endlich mal eine Gruppe, die nicht nur hinter dem Geld her war.
Eines Tages hieß es dann: Am Wochenende fahren wir nach Berlin! Und das machten wir dann auch. Als kleines Grüppchen fuhren wir im PKW nach West-Berlin und besuchten dort am Tempelhofer Ufer 32, U-Bahnhof Gleisdreieck, die Gruppe "Ton Steine Scherben". Heute erinnert dort eine Gedenktafel daran, dass dort von 1971 bis 1975 die Band Ton Steine Scherben
mit ihrem Sänger Rio Reiser lebte.
Diese Gruppe kannte ich ja nun schon von mehreren Konzerten und ich war begeistert. Ich hatte in dieser Zeit ohnehin ein Faible für sozialkritische deutsche Texte. Ihre Kinder, Floh de Cologne, Dietrich Kittner, Hannes Wader und Degenhardt gehörten zu meinen
Lieblingsgruppen und -sängern. Die Texte der Scherben waren simpel. Sie sangen - oder tun es heute noch - das was wir eigentlich alle mal denken, aber nicht trauen es auszusprechen. Probleme aus dem alltäglichen Leben. "Warum geht es mir so dreckig?", "Ich will nicht werden was mein Alter ist", usw... Und sie sprachen unsere Sprache, nicht
die Sprache der intellektuellen Linken.
In Berlin blieben wir über das Wochenende. Die Scherben wohnten dort in zwei großen Wohnungen, die stark nach Katze rochen. Fußball lief im Fernseher... Das war nichts für mich. Ich zog mich zurück und spielte Gitarre. In einem Gemeinschaftsraum standen
einige Musikinstrumente und Verstärker mit Boxen. Einer der Scherben kam ins Zimmer, schnappte sich eine Gitarre und klimperte los, wobei er den Verstärker voll aufdrehte. Ich dachte noch, dass man es sicherlich kilometerweit hören müsste, als plötzlich jemand in den Raum stürmte, der eine Etage höher wohnte. Er schrie laut los: "Bist Du verrückt
geworden?" Ich deutete seine Empörung, dass es ihm zu laut wäre. Doch dann meinte er: "Du spielst doch völlig falsch!". Na ja, vielleicht war das nur als Gag gedacht, aber ich fand es schon ganz lustig. Einer der Scherben hatte mir dann noch einige Gitarrengriffe der Scherben-Songs gezeigt.
Abends gaben die Scherben ein Konzert. Dazu mussten wir mit dem Bus weit rausfahren. Ich weiß nicht mehr, wo es war, Spandau, Gatow, Kladow? Jedenfalls fuhr ich zum ersten Mal mit einem Doppeldecker und dort oben wurde sogar geraucht, nicht nur Zigaretten,
auch Joints machten dort die Runde. Wir halfen beim Aufbauen der Anlage und
kamen dafür umsonst ins Konzert. Rio Reiser saß am Keyboard und sprach durchs Mikrofon: "Macht doch mal bitte ein bisschen Licht im Zuschauerraum an. Ich habe zwar die meiste Zeit die Augen zu beim Singen, aber wenn ich sie mal aufmache, dann möchte ich auch mal etwas von den Leuten hier sehen."
Am nächsten Tag machten wir einen Abstecher zum Georg-von-Rauch-Haus am Mariannenplatz. Damals gab es noch das selbst verwaltete Jugendzentrum, das war in einem Fabrikgebäude. Später ist es wohl irgendwann abgebrannt.
In den Sommerferien fuhr ich nochmal mit zwei Schulfreunden nach Berlin, wir wohnten dann zwei Wochen im
Rauch-Haus, machten dort Urlaub.
Die Scherben begleiteten mich mein ganzes Leben. Nicht nur, dass ich auf unzähligen Konzerten von ihnen und natürlich auch von Rio Reiser war, - allein in Berlin war ich mindestens zehnmal im Tempodrom und etliche Male in der ufaFabrik - auch besitze ich
alle Songs, Konzertmitschnitte, Bücher, Noten usw. von ihnen. Und im Rio-Reiser-Verein war ich natürlich auch.
Die Scherben waren immer eine Quelle von der ich trank, wenn es mir mal nicht so gut ging. Ihre Songs gaben mir die nötige positive Energie, die ich dringend benötigte um mit all der Ungerechtigkeit
in der Welt klarzukommen. Und das ist eigentlich heute immer noch so.
Aber zurück zu Monheim am Rhein:
Das Jugendzentrum war eine willkommene Abwechselung für die heranwachsenden Jugendlichen, das jedoch nur an bestimmten Tagen und zu bestimmten Zeiten geöffnet war. Ansonsten gab es ja nichts. Es gab zwar genug Kneipen in Monheim, aber als
Jugendlicher fühlt man sich dafür zu jung und außerdem fehlte auch das nötige Kleingeld, als Lehrling oder Schüler. Es gab dann noch die Teestube in der Poetengasse und später machte dann der Spielmann auf und die Blaue
Donau. Ansonsten trafen wir uns in einem mit Matratzen ausgelegten Keller. Dort hatten wir auch Musik und dort brauchten wir kein Geld.
Die Besetzung
Ton Steine Scherben sollten zu uns ins Jugendzentrum kommen, um dort zu spielen. Alle waren gespannt, wie das
Publikum auf diese Musik reagieren würde. Viele Leute dort hörten ja lieber diese Disco-Mucke wie Bonnie M.,
Abba und wie die alle hießen.
Wir druckten Flyer und ich verteilte sie morgens vor der Berufsschule in Opladen. Geplant war auch, dass wir das
Jugendhaus nach dem Konzert von den Scherben für besetzt erklären wollten. Das war mittlerweile schon Tradition.
Überall wo die Scherben auftraten, wurden anschließend Häuser besetzt. Zu
diesem Zweck hatten wir vorher schon mal etwas vorbereitet. Wir setzten gemeinsam unser ganzes kreatives Können ein, um "unser Haus" mit Spruchbändern und Plakaten zu verschönern. Es war "in", Jugendzentren zu besetzen und selbst zu verwalten. Und es war quasi schon ein "Muss", nach einem Auftritt der legendären Gruppe Ton Steine Scherben ein Haus zu
besetzen. Und so taten wir es auch. Es war eigentlich eine absolute Schnapsidee und von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen, aber wir hatten ja nichts zu verlieren. Doch erst einmal genossen wir das Konzert der Scherben, die zuerst ihre deutschen Songs und
dann im Anschluss alte Rock and Roll Songs spielten, quasi als Zugabe.
Überraschender Weise verlief die Besetzung friedlich, es gab vorerst keinerlei Gegenwehr von seitens der Stadtverwaltung. Und wir Jugendlichen organisierten von nun an alleine das Zentrum. Oft schliefen wir auch dort, hielten Nachtwache. In den warmen Nächten schliefen wir auch manchmal auf dem Dach. Wir mussten ja jeder Zeit damit rechnen, dass uns die Polizei räumt. Unser Jugendpfleger, der das Ganze geduldet hatte, blieb sehr schnell auf der Strecke und wurde irgendwann gefeuert.
Es ging teilweise sehr chaotisch zu.
Ständig gab es kaputte Fensterscheiben. Ich weiß noch, dass ich abends zum Notarzt ins Krankenhaus ging, um meinen Finger nähen zu lassen. Den hatte ich mir an Glassplittern einer kaputten Fensterscheibe verletzt. Wir benutzten ja ganz selten die Eingangstüre, die war auch meistens abgeschlossen, wir
kletterten meistens durchs Fenster.
Unsere Gruppe sollte einen Namen bekommen und die Mehrzahl stimmte für
"Aktionskommitee", wohl weil das der einzige Vorschlag war. Was mir persönlich jedoch eher zu intellektuell klang. Heute würde ich sagen: "Klingt nach intellektuellem Spießbürgertum."
Wir waren schließlich Arbeiterkinder und lebten inmitten eines Arbeitergettos und keine Studenten auf einem Universitäts-Campus. Auch waren wir kein Verein oder so etwas ähnliches. Wer zu uns kam, war dabei. Wer nicht mehr kam, war halt nicht mehr dabei. Aber der harte Kern blieb und wir machten ja auch noch andere Aktionen. Z. B. bekämpften wir den Stacheldrahtzaun, der um jeden
Kinderspielplatz in der Neuen Heimat gespannt war, damit die Kinder nicht auf den Rasen laufen konnten. Wir protestierten dagegen, indem wir überall Flyer mit Mehlkleister anbrachten. Einmal wurde ich von der Polizei erwischt und musste Arbeitsstunden
leisten. Eines Morgens war das Büro der Neuen Heimat mit Stacheldraht verbarrikadiert. Wie der wohl dort hingekommen war? Und auf dem Rathaus wehte eines Morgens eine rote Fahne. Da hatten wohl die Russen ihre Hand im Spiel...
Hand im Spiel...
Zwischendurch kam es immer wieder
zu Reibereien in der Gruppe, sie
spaltete sich in zwei Fraktionen. Die
Älteren, die 2 bis 4 Jahr älter waren
als wir, sie wollten immer das Sagen
haben. Sie taten sich als Wortführer
hervor, wollten Verhandlungen und
Gespräche mit der Stadt und der
Presse führen. Und wir Jüngeren, wir
wurden eher geduldet, um ihnen den nötigen Rückhalt zu geben. Denn
ohne uns hätten sie gleich einpacken
können. Wir waren eine Gruppe, aber
in einer Gruppe sind normaler Weise
alle gleichberechtigt, doch das war
hier leider nicht der Fall. Im Grunde
wollten wir alle das Gleiche, aber die
Älteren hielten sich für wichtiger. Und
wir Jüngeren fühlten uns
benachteiligt. Sie bestimmten, wer
abends Platten auflegen durfte, wer
Getränke verkaufte und wer Eintritt
kassieren durfte. Und wir waren damit natürlich nicht einverstanden. Es war ein
regelrechter Machtkampf, und dies hatte der Gruppe erheblich geschadet und den
Zusammenhalt zerstört. Es kam so eine "Scheißegal-Stimmung" auf - jedenfalls bei mir war es so - und ich dachte mir: Sollen die doch machen, was sie wollen.
Eines abends, wir saßen in unserem Keller, da kamen zwei oder drei von den
Älteren mit Schallplatten unter dem Arm und berichteten, dass die Besetzung beendet sei. Ein Trupp Schlägertypen stürmte das Jugendzentrum und nahm es in Beschlag. Sie mussten der Gewalt weichen. Es machte das Gerücht die Runde, dass diese Rocker von der
Stadtverwaltung beauftragt wurden, um uns aus dem Zentrum zu vertreiben. Resignation und Enttäuschung machten sich breit. Enttäuscht von den ach so schlauen und mutigen, größeren Älteren, denen es anscheinend gar nicht so viel ausmachte. Sicherlich hätten wir unser Haus zurückerobern können, aber der Zusammenhalt der Gruppe war nicht mehr das, was es mal war. Insgeheim
wussten wir ja alle vorher schon, dass es irgendwann vorbei sein würde, nur wie und wann es passieren würde, das wussten wir nicht. Und nun hatte ich den Eindruck, dass da sogar eine Art Erleichterung war. Kurz und schmerzlos,
ohne Polizei, ohne viel Stress...
Es wurden noch ein paar Schallplatten und andere Gegenstände gerettet und die
Druckmaschine, auf der wir immer unsere Flugblätter druckten, steht heute noch bei mir als Andenken auf meinem Dachboden.
In das alte Jugendzentrum ging ich gar nicht mehr. Soviel ich weiß, wurde es auch irgendwann abgerissen. So war es wohl auch von vornherein geplant.
Später wurde dann das Kulturzentrum Monheim errichtet, das allerdings nichts mehr mit Selbstverwaltung zu tun hatte. Wir gingen dort noch ein paar Mal hin, um dort zu töpfern und um Makramee zu
machen, aber irgendwie war es uns dort zu sauber, zu ordentlich, zu gut organisiert. Wirfühlten uns dort nicht wohl.
Und das Leben ging weiter
Ein paar Freunden und mich zog es dann nach Leverkusen-Wiesdorf, in den "Club" von der Arbeiterwohlfahrt. Zu dieser Zeit machte dort der heutige Komiker
Wilfried Schmickler 18 Monate seinen Zivildienst und arbeitete dann mehrere Jahre als Nebenamtler. Der hatte dort die Schlüsselgewalt. Von ihm mussten wir immer den Schlüssel fürs Büro holen,
wenn wir mal die Freundin anrufen wollten. Wilfried ist ein cooler Typ. Er leitete dort auch eine Theatergruppe, die im Lindenhof aufgetreten ist. Und das Open-Air-Festival in Opladen an den Wupper-Wiesen hatte er mit organisiert. Die anderen Beschäftigten dort im Club waren ganz normale Typen, so wie wir auch und wir hatten dort absolute
Freiheiten und es war total friedlich, keine Schlägereien wie in Monheim. Oben war Teestube und unten Disko, dort
konnte man dann auch selber Platten auflegen und warmes Essen gab es auch.
Überhaupt war die Leverkusener Szene viel cooler. Wenn der Club zumachte, ging es ins "T.T.Embargo" in der Hauptstr. 137 in Leverkusen-Wiesdorf, oder in umliegende Kneipen, oder wir trafen uns privat bei dort wohnenden Leuten, die wir kannten. Oft schliefen wir dann auch dort. Überhaupt hatte ich immer ein kleines Zelt, einen Schlafsack und meine Gitarre im Auto. Mehr brauchten wir damals nicht. Im Sommer zelteten wir oft am Baggerloch oder zogen von Open Air Concert zu Open Air Concert. Es war eine wunderschöne Zeit. Ich finde, es gibt nichts schöneres als
abends am Lagerfeuer zu sitzen und Gitarre zu spielen. Wenn ein Fass Bier dabei ist, ist es umso besser. Ich für
mein Teil brauche da kein Smartphone oder Tablet. Aber wenn ich heute zu meinen Kids sage: "Geht doch mal zelten im Sommer.", dann bekomme ich als Antwort: "Ja, gibt es denn dort auch WLAN?"
Mit meiner Wehrdienstverweigerung klappte es leider gar nicht, so dass ich mich nach West-Berlin absetzte. Das müsste 1983 gewesen sein. Es war ja damals noch so, dass West-Berliner von der Bundeswehr befreit waren. Die erste Zeit lebte ich in einem Campingwagen
auf dem Campingplatz in Kladow und arbeitete als Beleuchter für Artur
„Atze“ Brauner in den CCC-Filmstudios. Später lernte ich die Jürgen-Rattay-Gruppe kennen, also die Gruppe, die nach dem Tod von Jürgen Rattay an der Potsdamer Straße Mahnwache gehalten hatte und zog zu ihnen in ein Haus in Wedding, das ihnen vom Senat zur Verfügung gestellt wurde. Da wohnte ich dann einige Jahre und machte so meine Erfahrungen mit der Berliner Hausbesetzerszene. Was ich da erlebte, war schon einige Nummern größer als die Besetzung in Monheim. Aber das ist eine andere Geschichte, die ich vielleicht einmal an einer anderen Stelle, zu einer
anderen Zeit, erzähle...
Alles in allem war die Hausbesetzung in Monheim eigentlich nur eine kleine,
unwesentliche Episode in meinem Leben. Eine Seifenblase, die von vornherein dazu verdammt war, irgendwann zu platzen, was sie ja dann auch tat. Und während ich meine Erinnerungen hier aufschreibe, denke ich, dass ich doch einiges in all den Jahren gelernt
habe. Die meisten Menschen, die ich in der Zeit kennengelernt und nach 40 Jahren wieder getroffen habe, haben sich weiter entwickelt, sind reifer und erwachsener geworden. Aber einige wenige sind dabei, die sind auf einer
Entwicklungsstufe stehengeblieben und sind heute immer noch die gleichen Arschlöcher, die sie vor 40 Jahren schon waren. Das stimmt mich sehr traurig.
Danke an alle, die damals dabei gewesen sind und speziell an die, die heute nicht mehr leben
Heute bin ich Rentner, Vater von 2
Kindern und statt Hausbesetzer bin ich
Hausbesitzer. Mein Schlafsack und mein
Zelt stehen auf dem Dachboden und
meine Gitarre hängt an der Wand und ist
verstaubt. Und eigentlich wäre mir die
ganze Geschichte vom Jugendzentrum
Monheim nicht wert gewesen, alles noch
einmal aufzuarbeiten, hätte mich nicht
Jemand vor einigen Jahren darum
gebeten, alles aus meiner Sicht einmal
aufzuschreiben. Ihm ist dieser Text
gewidmet.
Leider hat es etwas länger gedauert, als es geplant war. Aber im Leben läuft halt
nicht immer alles so, wie man es gerne möchte...
- Norbert Hergl -
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