Kurzgeschichte
Der Tod kommt auf Rädern

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"Der Tod kommt auf Rädern"
Veröffentlicht am 15. Februar 2009, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Langsam scheine ich in das Alter zu kommen, in dem man Unwichtiges mehr beiseite schiebt, sich auf die Dinge konzentriert, die einem lieb und wert sind und immer weniger darauf gibt, was die anderen darüber denken. Schreiben scheint ein integraler Bestandteil dieses Vorgangs zu werden.
Der Tod kommt auf Rädern

Der Tod kommt auf Rädern

Beschreibung

Versuch eines inneren Monologes. Ausgelöst durch eine einigermaßen denkwürdige Autobahnfahrt der jüngeren Vergangenheit.

Oh Mann, womit hab ich das verdient? Stau! Da fährt man extra den Schleichweg und dann das. Keine Chance zum Umkehren. Wie lang das wohl jetzt so weitergeht? Und dabei bin ich nicht einmal noch auf der Autobahn.



Da fällt mir ein, wo hab ich denn das Würstel hingepackt, das ich an der letzten Tankstelle gekauft habe? Eine Rast wird sich wohl nicht mehr ausgehen, wenn ich meine Zeit schon hier verplempere. Ah ja, da ist es. Hmm, gut. Der Hirsch ist jedenfalls nicht umsonst gestorben.



Fünf Minuten für eine Kurve. Wenn das so weitergeht, bin ich Morgen noch nicht daheim. Na endlich, es bewegt sich was. Feuerwehr mit Blaulicht, Rettung, na, da muß es ganz schön gekracht haben. Also auf geht’s, wieder ein paar Meter. Schaut aus, als ob sie einen Gegenverkehrsbereich eingerichtet haben. Na bitte, geht ja schneller als ich gedacht habe.



Mal sehen, was da los ist. Meine Güte, wie kann man blos auf einer schnurgeraden Straße frontal gegen einen Tankzug...? Airbag offen, Blut an der Scheibe, na toll. Ich wünsche gute Besserung. Wenigstens bin ich am Stau vorbei. Da ist ja schon die Autobahnauffahrt. Jetzt geht’s los. Wien, 365 Kilometer. Für mich 20 mehr. Mit etwas Glück bin ich in zweieinhalb Stunden daheim. Wird auch Zeit.



Irgendwie geht mir die Fahrerei auf den Nerv. Nebel, Niesel, null Grad, ideale Voraussetzungen. Und ein Verkehr ist das! So ein Schwachsinn, das ganze Gerede von der Krise. Jeder zweite hat den Skikoffer am Dach. Der Einzige, der hier bald die Krise kriegt bin ich, wegen dem Verkehr.



Himmel, Herrgott noch mal, ja, ja, ich mach ja schon Platz. Hundertfünfzig und der rückt mir ins Gesäß, als ob er nachschauen wollt, was ich im Kofferraum habe. BMW, was sonst? Ja, blend' nur auf, du Verrückter. Bis ich den LKW da überholt hab wirst auch du noch warten müssen. Ist ja auch nicht zum aushalten. Und so etwas nennt sich Hauptverbindungsstrecke und Europastraße. Zweispurig. Sogar im Hindukusch sind die Autobahnen besser. Manchmal glaub ich, ich leb' in der dritten Welt.



So, bitte sehr, jetzt kannst du vor. Damit du fünf Minuten schneller bei der Mama bist.Na Bravo, und ich kann mich jetzt hinter dem LKW wieder einbremsen. Rücksicht ist in dieser Welt nirgendwo so fehl am Platz wie im Straßenverkehr. Ehrlich, wenn die gute Fee kommt und ich mir was wünschen darf, dann sag ich: Eine Autobahn für mich alleine.



Finster wird’s auch noch. Und ein Verkehr ist das, als ob Schichtwechsel bei den Urlaubern wär. Moment, stimmt ja, ist ja auch Schichtwechsel. Na, wenigstens weiß ich jetzt warum. Wenn dieses verdammte Wetter nur etwas besser wäre. Die Fahrbahn spiegelt, der leichte Nebel dazu. Ach was solls, einfach am Vordermann anhängen und Gas geben ohne viel nachzudenken. Ich will nach Hause. Das mit den zweieinhalb Stunden wird ohnehin nichts mehr. Wenn ich Pech hab, werden es eher vier. Immer noch hundertachzig Kilometer.



Ist denn der komplett verrückt geworden?! Was bremst denn das Rindvieh wie ein Irrer, wenns keinen Grund dazu gibt. Gott sei Dank war keiner neben mir und ich konnte auf die andere Spur ausweichen. Da hätte es jetzt anständig gekracht. Nur einen Euro für jeden Idioten im Straßenverkehr und ich geh nie wieder arbeiten. Man kann wirklich nicht genug aufpassen.



Und wieder ein LKW. Nein, gleich paar hintereinander. Na, wenigstens ist Platz auf der Überholspur. Ganz schön flott, die Herren LKW-Fahrer. Volles Rohr, weit über ihrem Tempolimit, wie die unterwegs sind. Und Abstand lassen die so gut wie gar keinen.



Spinnt er?



Der kann doch nicht!



Brems, du Irrer! Oh Gott, was soll das werden? Ich will doch nur nach Hause



- - -



Das nachfolgende Fahrzeug hatte mangels Sicherheitsabstand keine Chance, die Notbremsung mitzumachen, touchierte und schob ihn gegen die Flanke des gerade zum Überholen ausscherenden LKW. Von dort wurde er in Richtung Mittelstreifen geschleudert, rammte eine Informationstafel mit Entfernungsangaben ( Wien, 168km ), und hob ab. Beim tödlichen Aufprall im Gegenverkehr war er bereits bewusstlos.

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Hörbuch

Über den Autor

Papiertiger
Langsam scheine ich in das Alter zu kommen, in dem man Unwichtiges mehr beiseite schiebt, sich auf die Dinge konzentriert, die einem lieb und wert sind und immer weniger darauf gibt, was die anderen darüber denken. Schreiben scheint ein integraler Bestandteil dieses Vorgangs zu werden.

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Gaenseblume Gerne gelesen. LG Marina Gaenseblume
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Papiertiger Re: Der ... -
Zitat: (Original von MarianneK am 15.02.2009 - 14:09 Uhr) Spannend locker leicht geschrieben und hat mir sehr gut gefallen.

Lieben Gruß Mariannr


Vielen lieben Dank für Kommentar ud Bewertung. Freut mich, daß es dir gefallen hat.
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Papiertiger Re: Der alltägliche Wahnsinn -
Zitat: (Original von MarionG am 15.02.2009 - 13:03 Uhr) Lieber Papiertiger,
mir gefällt Deine Art zu schreiben. Trockene Kommentare zum alltäglichen Wahnsinn auf der Straße.
Ich habe ein anderes Ende erwartet. Eher, dass das Lyrische Ich einen Unfall erleidet. Denn Du hast die Spannung gut aufgebaut. Das Ende ist mir persönlich zu harmlos.
Liebe Grüße
Marion


Ja, der Schluß. Ich hab lang überlegt, wie man den angeht und hab mich dann für die 'unpersönliche' Variante entschieden, um die Zufälligkeit dieser Ereignisse zu betonen. Aber du hast recht, er ist, sagen wir mal suboptimal. Vielleicht braucht es doch noch eine Version 2.0 mit persönlichem Ende.
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MarianneK Der ... - Spannend locker leicht geschrieben und hat mir sehr gut gefallen.

Lieben Gruß Mariannr
Vor langer Zeit - Antworten
MarionG Der alltägliche Wahnsinn - Lieber Papiertiger,
mir gefällt Deine Art zu schreiben. Trockene Kommentare zum alltäglichen Wahnsinn auf der Straße.
Ich habe ein anderes Ende erwartet. Eher, dass das Lyrische Ich einen Unfall erleidet. Denn Du hast die Spannung gut aufgebaut. Das Ende ist mir persönlich zu harmlos.
Liebe Grüße
Marion
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