Prolog:
Im März 2021 hatte sich im Suezkanal mit „Ever Given“ eines der längsten Frachtschiffe der Welt verkantet und kam erst mit Hilfe von Schleppern und Baggern frei. Hierbei wurde eine uralter Stein voll ägyptischer Hieroglyphen freigelegt, der eine Urfassung der „Odyssee“ von Homer enthielt - also ein idealer Stoff für die MS-Schreibparty Nr. 89 zum Thema „Fernreisen.“
Mit nachfolgendem Gedicht tritt eine deutsche Übersetzung zur Party an, die um folgende 10 Jury-Vorgabewörter erweitert wurde:
Picknickpaket, Zierteichschnecke,
Metzgermesser, Wipfelspitzen, Horizontbespanner, Raubvogelnacht, Zwitschern, Wachsmaske, Whiskymixer, Erdbahnkreuzer.
Oh Muse, nenn mir all die Taten,
die Odysseus mit Lug und Trug
(und Pferd mit Kriegern vollgeladen)
verübte, als er Troja schlug.
Weil er dies Heiligtum zerstörte,
war'n Hellas' Götter höchst erbost.
Poseidon ist - als er dies hörte -
wie ein Berserker rumgetost.
Er ließ sein Meer noch schlimmer tosen,
der Sturmwind war ihm Blasmusik.
Die Griechen hatten volle Hosen,
und viele kehrten nicht zurück.
Doch Odysseus hat durchgehalten,
war aber hungrig wie'n Asket.
Sein Bauch geriet bereits in Falten,
ganz ohne ein PICKNICKPAKET. ..
..
Er fräße - ehe er verrecke -
jetzt alles, was da kreucht und fleucht,
selbst eine faule ZIERTEICHSCHNECKE,
wenn ihr was flatulent entweicht.
Nun fand er endlich eine Insel
mit früchtereichem Biotop,
doch schreckte ihn dort das Geblinzel
von einem Ein-Auge-Zyklop.
Der wetzte schon sein METZGERMESSER,
und Speichel triefte aus dem Mund.
Dies Monstrum ist ein Menschenfresser,
ein Scheusal aus dem Höllenschlund.
Der Kleine kommt vor Angst ins Schwitzen,
der Große freut sich auf den Schmaus.
Da greift der Zwerg zu WIPFELSPITZEN ..
und sticht dem Biest das Auge aus. ..
..
Schnell wurde aus dem stillen Eiland
durch des Zyklopen Schmerz im Nu
ein sagenhaftes Brüllgeschreiland.
Und zwei Mann spielten Blindekuh.
Auf Nachbarinsels Ferienhafen,
da können wegen dem Geschrei
die Prunktouristen nicht mehr schlafen!
Sie rufen gleich die Crew herbei,
die sammelt alle Inselbanner
und macht mit Leuchtbojen daraus
'nen geilen HORIZONTBESPANNER
und zieht ihn weit ins Meer hinaus. ..
Und Odysseus? Er hat inzwischen
'ne Fischfangfahrt umsonst gemacht:
Er wollte abends Fische fischen,
doch kam die FischRAUBVOGELNACHT. ..
...
Verärgert segelt er nun wieder
an einem Inselchen entlang
und hört verführerische Lieder
mit Flöten, ZWITSCHERN und Gesang.
Nun macht er Halt bei den Sirenen
und fühlt sich wie im Paradies.
Weil jede dieser Wunderschönen
sich elfmal von ihm schwängern ließ!
Die Letzte aber wollt' 'nen Zwölfer,
da stellte er sich lieber tot
nach seinem strapaziösen Elfer.
Da schmissen sie ihn in sein Boot.
Drin schläft er nun schon fast zwei Wochen,
der Ostwind treibt ihn vor sich her.
Als sei kein Mark mehr in den Knochen,
fällt ihm das Aufsteh'n furchtbar schwer. ..
..
Da hört er plötzlich Töpfe scheppern
und spürt, er stößt recht derb auf Land.
Die Fallrichtung beim Töpfekläppern
lehrt ihn, das Boot liegt schief am Strand.
Dort pennt ein Mann mit FlachsWACHSMASKE,
sich sonnend bis zum Sonnenbrand.
Er weckt ihn fragend „bist du Baske?
Am Baskenhut hab ich's erkannt!“
Der nickt und Odysseus fragt weiter:
„Kann's sein, dass dies hier Spanien ist?“
Der nickt nochmals. „Kein Wortvergeuder“
denkt Odysseus und klagt verdrießt:
„Ich hab mich fast zu Tod gevögelt,
und bin im Liebesrausch danach
an Ithaka vorbei gesegelt,
welch schändliche verruchte Schmach! ..
…
Mein Zeus! Darf ich auf Segnung hoffen,
bei diesem herzlosen Benimm?
Ich wünsche mir, ich wär' besoffen,
dann wäre alles halb so schlimm.“
Gesagt, getan! Er fragt den Penner
ob Hochprozentiges er hätt'?
„Jawoll, ich bin ja Whiskybrenner“,
und zeigt aufs Flaschenetikett.
„Ich hätte auch noch Sodawasser“,
worauf der Grieche hämisch spricht:
„Das macht den Whisky doch bloß nasser!
Den WHISKYMIXER brauch ich nicht.“
Die beiden saufen um die Wette,
und Odysseus (säuft Whisky pur)
dreht absichtslos 'ne Pirouette,
wobei ihm ein „Verdammt!“ entfuhr. ..
...
Der Fluch hilft nicht, er fällt aufs Steißbein,
erduldet Schmerzen ebendort.
Stets schwankend kommt er auf kein Standbein,
drum setzt er's Saufen liegend fort.
Bewegungslos liegt er am Boden,
die letzte Flasche ist geleert.
Esprit und Grips sind nun geboten,
zur Frage, wie er heimwärts kehrt.
Im Traum bekommt er plötzlich Flügel,
wie Ikarus sie einst besaß.
Der endete ja deshalb übel,
weil er der Sonne Kraft vergaß.
Doch nachts erleuchten nur die Sterne,
im rabenschwarzen Himmelszelt.
Und Odysseus fliegt schon so ferne,
dass er aus dem Erdschatten fällt. ..
...
Da fängt Sonne an zu heizen,
er fürchtet, dass der Flügel bricht
und will den Flug nicht überreizen.
So wendet er voll Zuversicht
und lässt im Segelflug sich fallen,
mit Insel Ithaka als Ziel,
wo Freudenrufe widerhallen,
kommt er zu seinem Domizil.
Doch er fällt nicht zurück zur Erde,
er fällt – nanu? – an ihr vorbei
und kreuzt dazu noch ihre Fährte.
Denn Träumern sind Gedanken frei. ..
So find't die Odyssee ihr Ende,
denn träumen darf man jeden Mist;
zum Beispiel, wo nach einer Wende
der Held ein ERDBAHNKREUZER ist. ..
…
Originaltext (Übersetzung nach J.H. Voss)
Sage mir, Muse, die Taten des viel sich wendenden Mannes,
Welcher so viel geirrt, nach der heiligen Troia Zerstörung,
Vieler Menschen Städte gesehn, und Sitte gelernt hat,
Und auf dem Meere so viel' unnennbare Leiden erduldet,
Seine Seele zu retten, und seiner Freunde Zurückkunft.
Aber die Freunde rettet' er nicht, wie eifrig er strebte,
Denn sie bereiteten selbst durch Missetat ihr Verderben:
Toren! welche die Rinder des hohen Sonnenbeherrschers
Schlachteten; siehe, der Gott nahm ihnen den Tag der Zurückkunft, .......
Sage hiervon auch uns ein weniges, Tochter Kronions.
Alle die andern, so viel dem verderbenden Schicksal entflohen,
Waren jetzo daheim, dem Krieg' entflohn und dem Meere:
Ihn allein, der so herzlich zur Heimat und Gattin sich sehnte,
Hielt die unsterbliche Nymphe, die hehre Göttin Kalypso,
In der gewölbeten Grotte, und wünschte sich ihn zum Gemahle.
Selbst da das Jahr nun kam im kreisenden Laufe der Zeiten,
Da ihm die Götter bestimmt, gen Ithaka wiederzukehren;
Hatte der Held noch nicht vollendet die müdende Laufbahn,
Auch bei den Seinigen nicht. Es jammerte seiner die Götter; ......
Nur Poseidon zürnte dem göttergleichen Odysseus
Unablässig, bevor er sein Vaterland wieder erreichte.
Dieser war jetzo fern zu den Aithiopen gegangen;
Aithiopen, die zwiefach geteilt sind, die äußersten Menschen,
Gegen den Untergang der Sonnen, und gegen den Aufgang: ....
Welche die Hekatombe der Stier' und Widder ihm brachten.
Allda saß er, des Mahls sich freuend. Die übrigen Götter
Waren alle in Zeus' des Olympiers Hause versammelt.
Unter ihnen begann der Vater der Menschen und Götter;
Denn er gedachte bei sich des tadellosen Aigisthos, ...
Den Agamemnons Sohn, der berühmte Orestes, getötet;
Dessen gedacht' er jetzo, und sprach zu der Götter Versammlung:
Welche Klagen erheben die Sterblichen wider die Götter!
Nur von uns, wie sie schrein, kommt alles Übel; und dennoch
Schaffen die Toren sich selbst, dem Schicksal entgegen, ihr Elend.
So nahm jetzo Aigisthos, dem Schicksal entgegen, die Gattin
Agamemnons zum Weib', und erschlug den kehrenden Sieger,
Kundig des schweren Gerichts! Wir hatten ihn lange gewarnet,
Da wir ihm Hermes sandten, den wachsamen Argosbesieger,
Weder jenen zu töten, noch um die Gattin zu werben. ....
Denn von Orestes wird einst das Blut Agamemnons gerochen,
Wann er, ein Jüngling nun, des Vaters Erbe verlanget.
So weissagte Hermeias; doch folgte dem heilsamen Rate
Nicht Aigisthos, und jetzt hat er alles auf einmal gebüßet.
Drauf antwortete Zeus' blauäugige Tochter Athene:
Unser Vater Kronion, der herrschenden Könige Herrscher,
Seiner verschuldeten Strafe ist jener Verräter gefallen.
Möchte doch jeder so fallen, wer solche Taten beginnet!
Aber mich kränkt in der Seele des weisen Helden Odysseus
Elend, welcher so lang', entfernt von den Seinen, sich abhärmt, ...
Auf der umflossenen Insel, der Mitte des wogenden Meeres.
Eine Göttin bewohnt das waldumschattete Eiland,
Atlas' Tochter, des Allerforschenden, welcher des Meeres
Dunkle Tiefen kennt, und selbst die ragenden Säulen
Aufhebt, welche die Erde vom hohen Himmel sondern.
Dessen Tochter hält den ängstlich harrenden Dulder,
Immer schmeichelt sie ihm mit sanft liebkosenden Worten,
Dass er des Vaterlandes vergesse. Aber Odysseus
Sehnt sich, auch nur den Rauch von Ithakas heimischen Hügeln
Steigen zu sehn, und dann zu sterben! Ist denn bei dir auch ...
Kein Erbarmen für ihn, Olympier? Brachte Odysseus
Nicht bei den Schiffen der Griechen in Troias weitem Gefilde
Sühnender Opfer genug? Warum denn zürnest du so, Zeus?
Ihr antwortete drauf der Wolkenversammler Kronion:
Welche Rede, mein Kind, ist deinen Lippen entflohen?
O wie könnte doch ich des edlen Odysseus vergessen?
Sein, des weisesten Mannes, und der die reichlichsten Opfer
Uns Unsterblichen brachte, des weiten Himmels Bewohnern?
Poseidaon verfolgt ihn, der Erdumgürter, mit heißer
Unaufhörlicher Rache; weil er den Kyklopen geblendet, ...
Polyphemos, den Riesen, der unter allen Kyklopen,
Stark wie ein Gott, sich erhebt. Ihn gebar die Nymphe Thoosa,
Phorkyns Tochter, des Herrschers im wüsten Reiche der Wasser,
Welche Poseidon einst in dämmernder Grotte bezwungen.
Darum trachtet den Helden der Erderschüttrer Poseidon,
Nicht zu töten, allein von der Heimat irre zu treiben.
Aber wir wollen uns alle zum Rat vereinen, die Heimkehr
Dieses Verfolgten zu fördern; und Poseidaon entsage
Seinem Zorn: denn nichts vermag er doch wider uns alle,
Uns unsterblichen Göttern allein entgegen zu kämpfen! ..........
Drauf antwortete Zeus' blauäugige Tochter Athene:
Unser Vater Kronion, der herrschenden Könige Herrscher,
Ist denn dieses im Rate der seligen Götter beschlossen,
Dass in sein Vaterland heimkehre der weise Odysseus;
Auf! so lasst uns Hermeias, den rüstigen Argosbesieger,
Senden hinab zu der Insel Ogygia: dass er der Nymphe
Mit schönwallenden Locken verkünde den heiligen Ratschluss,
Von der Wiederkehr des leidengeübten Odysseus.
Aber ich will gen Ithaka gehn, den Sohn des Verfolgten
Mehr zu entflammen, und Mut in des Jünglings Seele zu gießen; ......
Dass er zu Rat berufe die hauptumlockten Achaier,
Und den Freiern verbiete, die stets mit üppiger Frechheit
Seine Schafe schlachten, und sein schwerwandelndes Hornvieh;
Will ihn dann senden gen Sparta, und zu der sandigen Pylos:
Dass er nach Kundschaft forsche von seines Vaters Zurückkunft,
Und ein edler Ruf ihn unter den Sterblichen preise.
Also sprach sie, und band sich unter die Füße die schönen
Goldnen ambrosischen Sohlen, womit sie über die Wasser
Und das unendliche Land im Hauche des Windes einherschwebt;
Fasste die mächtige Lanze mit scharfer eherner Spitze, ..
Schwer und groß und stark, womit sie die Scharen der Helden
Stürzt, wenn im Zorn sich erhebt die Tochter des schrecklichen Vaters.
Eilend fuhr sie hinab von den Gipfeln des hohen Olympos,
Stand nun in Ithakas Stadt, am Tore des Helden Odysseus,
Vor der Schwelle des Hofs, und hielt die eherne Lanze,
usw ...