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Mein Gartensessel

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"Mein Gartensessel"
Veröffentlicht am 19. Februar 2021, 6 Seiten
Kategorie Sonstiges
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Mein Gartensessel

Mein Gartensessel


Angenehm die ersten Sonnenstrahlen nach dem langen Winter. Ich sitze in meinem alten Gartensessel im hintersten Winkel des Gartens und beobachte meinen kleinen Enkel. Unermüdlich schmeißt er kleine Steinchen ins Biotop und freut sich, wenn das Wasser nach allen Richtungen spritzt. Obwohl ich nachher alles wieder mühevoll heraus fischen muss, lasse ich ihn gewähren. So sind Großmütter nun mal. Dabei fällt mir meine eigene Kindheit wieder ein. Auch meine Großmutter hatte viel Verständnis für mich und meine kleinen Streiche, ihre Geduld war grenzenlos. Halbe Nächte lang erzählte sie mir die

abenteuerlichsten Geschichten, obwohl sie oft vor Müdigkeit kaum mehr sprechen konnte. Märchenbücher waren im Gegensatz zu heute, damals in der Nachkriegszeit, kaum zu bekommen, zumindest nicht für mich. Meine Spielsachen bestanden aus Holzscheiten, die ich kunstvoll zu Häusern und Höhlen aufbaute. Meine Kukuruzpuppen durften dann darin wohnen. Ich lief den ganzen Sommer über barfuß und war glücklich, es entfiel das lästige Schuhe putzen. Dann kam die Schule und somit der Ernst des Lebens, doch es kam auch ein Lesebuch, mein erstes eigenes Buch. Ich war richtig stolz darauf und blätterte jeden Tag darin. Später als ich lesen konnte, lag ich oft stundenlang im Gras und las und las. Ob sich das heute noch jemand vorstellen

kann? Bescheidenheit wurde uns damals in den Nachkriegsjahren wohl schon in die Wiege gelegt. Sparen hieß es auch später immer und immer wieder. Wie heißt es so schön, mit Nichts angefangen, doch es war wirklich so. Ein halbes Jahr gespart für ein Paar Winterschuhe. Nach meiner Heirat wurde es nicht viel besser. Sparen, zwei Kinder , Haus bauen und dann über Nacht plötzlich allein mit den Kindern und einem halbfertigen Haus. Doch irgendwie habe ich es immer wieder geschafft. Eine starke Frau sagt man. Bin ich das wirklich? Sicherlich nicht, doch ich versuche immer mein Leben im Griff zu haben, wie diesen alten Sessel, auf dem ich sitze. Längst schon würde er zum Sperrmüll

gehören, doch er hat mich so viele Jahre begleitet, durch gute und auch schlechte Zeiten. Schönheit ist er wirklich keine mehr, ich ja auch nicht. . Wie oft bin ich hier im Lauf der Jahre schon gesessen, meist nur für kurze Augenblicke, doch er war und ist mir Stütze, gibt mir Halt.

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ulla

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derdilettant Ja, so ein bequem gesessenes Ding habe ich auch. Meine Holde hätte den Gartensessel schon lang' weggeworfen, aber ich verteidige ihn in stiller Beharrlichkeit. ;o))
Ich verstehe dich sehr gut!
LG
Alan
Vor langer Zeit - Antworten
ulla Danke Alan,
Ja, es sind oft kleine unscheinbare Dinge, die unserem Leben Struktur geben und Erinnerungen speichern.
Wünsche dir viele erholsame Stunden in deinem Garten.
lg
ulla
Vor langer Zeit - Antworten
Friedemann 
Liebe Ulla,
auch wenn Dein Gartensessel keine Schönheit mehr ist, schenkt er Dir – so lange er noch hält – von Deinem Lieblingsausblick die schönen und manchmal auch weniger schönen Erinnerungen an die lange Zeit, die Du hier sinnierend und träumend verbracht hast.
Fein und treffend in Worte gefasst.

Liebe Grüße,
Friedemann
Vor langer Zeit - Antworten
ulla Danke Friedemann,
die Vergangenheit in Worte gefasst und frohen Mutes in die Zukunft geblickt, so meistern wir unser Leben.
Wünsche dir noch einen schönen Wochenbeginn.
lg
ulla
Vor langer Zeit - Antworten
Asteria 
Das liest sich sehr harmonisch.
Auch ich habe so eine Oma, die mir ihre ganze Liebe schenkt.
Und so wie du deinen Sessel hast, hab ich immer noch meinen ersten Rucksack, in dem noch meine Träume sind :)

LG Asteria
Vor langer Zeit - Antworten
ulla Danke Asteria,
Bewahre dir deine Träume und die Erinnerung an deine Kindheit tief im Herzen, sie werden dich durch manch dunkle Stunden bringen.
lg
ulla
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Liebe Ulla, uns allen in den älteren Jahrgängen ging es wohl so ähnlich. Ich war auch froh, als ich in die Schule gehen konnte und vor allem lesen lernen konnte, denn mich interessierte immer schon, was in den Büchern stand, die meine Mutter hatte und später war ich Dauergast in der Bibliothek. Aber damit konnte man auch die deutsche Sprache richtig lernen. Heutzutage ist das leider bei Vielen nicht mehr so.
Liebe Grüße
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
ulla Du hast recht. Die deutsche Sprache spricht man nicht mehr gerne, denglisch ist gefragt. Ich hoffe man zählt uns nicht schon bald zu einer aussterbenden Spezies. Wozu lesen? Hörbücher sind gefragt. Lesen ist fad, selbst der Computer hat einen Lautsprecher.
Danke fürs Vorbeischauen und liebe Grüße von einer ewig gestrigen
ulla
Vor langer Zeit - Antworten
AngiePfeiffer Dies ist ein hübscher Rückblick, den ich gern gelesen habe.
LG
Angie
Vor langer Zeit - Antworten
ulla Danke Angie,
dein Lob ehrt mich.
lg
ulla
Vor langer Zeit - Antworten
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