Krimis & Thriller
Das Gift der Metamorphose Teil 3 - Krimi der anderen Art

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"Das Gift der Metamorphose Teil 3 - Krimi der anderen Art"
Veröffentlicht am 18. Februar 2021, 32 Seiten
Kategorie Krimis & Thriller
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Das Gift der Metamorphose Teil 3 - Krimi der anderen Art

Das Gift der Metamorphose Teil 3 - Krimi der anderen Art

Herbst

HERBST

Handelnde Personen:

Pedro

- Bäcker

Antonio

- Freund und Anwalt

Kurt Ploer - der Bäckerlehrling

Thomas

- ein DJ

Rad-Botenfahrer

Vorsitzender im Gerichtssaal

Eilig legt Antonio alle Blätter in seine Aktentasche. Wie die Herbstblätter im Wind, so liegen

die Dokumente im Zimmer auf Tisch und Boden verstreut. In 30 Minuten beginnt die

Verhandlung und diese Dokumente sollen seinen Klienten, der als Beschuldigter vorgeladen

wurde, entlasten. Im Sitzungssaal würde Antonio noch genug Zeit haben die Blätter zu

sortieren. Bus, Taxi, oder zu Fuß? Die Straßen sind verstopft, er würde zu spät kommen, solche

Gedanken fallen ihm ein, als er das Stiegenhaus fluchtartig verlässt. Auf der Straße

angekommen stößt er beinahe mit einem Rad-Botenfahrer zusammen. „Hey, pass doch auf,

ich habe es eilig“ ruft er dem Radfahrer zu. Der dreht sich um. „Eilig, dann bin ich gerade der

Richtige für dich. Wohin willst du?“ Antonio zögert. „Ins Gericht mit diesen Papieren! Und du

kannst mir helfen.“ Der Botenfahrer dreht um und kommt die kurze Distanz zurück. „Die

Tasche stecke ich in meinen großen Umhängesack und du läufst dann leicht und unbeschwert

neben mir her.“ So schnell ist Antonio noch nie im Sitzungssaal gewesen. Als er die Türe öffnet

und ganz leise zum Beschuldigten vorgehen will, hört er jedoch den Vorsitzenden: „Die

Schöffen haben einstimmig den Beschuldigten in allen Punkten schuldig gesprochen. Das

Strafausmaß ergeht schriftlich. Damit ist die Verhandlung geschlossen – abführen!“

Wie alles begann: als Bäcker hatte Pedro einen Beruf von dem er auch leben konnte. Die

Arbeitszeit war von drei Uhr früh bis elf Uhr Mittag. Danach ging Pedro seinem Hobby als

Bierbrauer nach. Klein aber fein, das war sein Motto. Um die bestmögliche Qualität zu brauen

pflanzte er den Hopfen selber an. Da genug Platz war, hatte er zusätzlich in der Mitte gut

versteckt einige Hanfpflanzen für den Eigenbedarf gepflanzt. Dass dieses Cannabis sativa Kraut

eine psychedelische Wirkung hatte, wusste er nicht.

Nur seine engsten Freunde bekamen bei den seltenen Verkostungen ein oder zwei Gläser

seines selbstgebrauten Bieres zu trinken. Von der eigenen Hopfenernte sagte Pedro

niemandem ein Wort. Zwei Jahre ging alles gut. An Cannabis dachte Pedro eigentlich nicht.

Aufgrund einer plötzlich eingetretenen Krisensituation die das ganze Land durcheinander

wirbelte, stieg der Bedarf nach den Produkten aus der Bäckerei um mehr als das Doppelte an.

Alle Mitarbeiter mussten eine Stunde früher in die Bäckerei kommen und konnten erst nach

der letzten Schicht, etwa um 14 Uhr nach Hause gehen. Nach zwölf Stunden am Backofen war

an Bierbrauen nicht mehr zu denken. Sein bester Freund, ein Anwalt, könnte aushelfen. Der

war aber so vertieft in seine Arbeit mit Klienten die er vor Gericht verteidigen musste und

hatte daher keine Zeit. „He Antonio“ rief Pedro seinem Freund am Abend in der Kneipe zu.

„He Antonio, magst dir nicht ein paar Flaschen

Bier verdienen? Gerade jetzt wo ich bis zu zwölf

Stunden in der Bäckerei schwitze, steht die Hopfenernte vor der Türe.“ „Lieber Pedro, du

weißt, dir würde ich Tag und Nacht helfen. In knapp zwei Wochen ist mein derzeitiger Prozess

abgeschlossen, ich bin guten Mutes, dass ich wieder einen Freispruch erwirke, dann helfe ich

dir gerne!“ Pedro zuckte mit der Schulter: „Dann ist der Hopfen verdorben, ich werde schon

eine andere Lösung finden“. Wie es der Zufall wollte, der kleine unscheinbare Bäckerlehrling

war auch in der Kneipe und hatte irgendwie mitbekommen, dass Pedro, sein Lehrmeister ein

Problem hatte. Am nächsten Morgen, als wieder alle total geschlaucht von der langen Arbeit

waren, stellte sich der Lehrling in der Dusche neben Pedro. „Brr brr heute ist das Duschwasser

aber kalt eingestellt.“ So wollte der Lehrling Aufmerksamkeit erreichen. „Ach du bist es Kurt,

warst heute wohl nicht so nahe am Backofenfeuer wie ich?“ Im Umkleideraum ergab sich dann

doch ein unbekümmertes Gespräch und beide gingen gemeinsam in Richtung Parkplatz. Der

eine zum Auto, der andere zum Fahrrad. „Herr Meister“ versuchte der Lehrling Pedro kurz

aufzuhalten. „Herr Meister, falls ich Ihnen beim Bierbrauen eine Hilfe sein kann, ich würde

mich sehr über eine so kostbare Flasche Bier freuen.“ Pedro wurde stutzig, fragte, wie er auf

die Idee dazu komme und meinte es geht um die Hopfenernte. Dass der Hopfen auf seinem

Grund wächst, sagte er nicht, war auch nicht notwendig. „Oh, gerne: Hopfen und Malz, Gott

erhalt‘s! Den Spruch kenne ich, da wird die Hopfenernte schon etwas sehr Wichtiges sein.“

„Du kannst ja gleich mitkommen, fahre mir einfach nach, den Weg bis zum Hopfen kann ich

langsamer fahren.“ Vom Auto aus rief Pedro

seinen Freund an und erzählte ihm freudig, dass

er einen Helfer engagiert hatte. Antonio war gerade am Weg vom Gericht nach Hause und

konnte ein Gespräch zur Ablenkung gut gebrauchen. „Dein Helfer soll sich halt an den

Brennnesseln nicht die Finger verbrennen“ scherzte Antonio.

Im Hopfengarten angekommen, zeigte Pedro wie der Hopfen geerntet werden sollte und

beide machten sich an die Arbeit. Der Lehrling kam irgendwie auch in die Mitte und wunderte

sich, dass der Hopfen verändert aussah. Zuerst klaubte er den vermeintlich mutierten Hopfen

in den Korb, dann steckte er die komischen Blätter in seine Hosentasche. „Fertig!“ rief Pedro

„wir haben genug ich danke dir. Von dieser Tranche bekommst du drei Flaschen. Du warst mir

ja doch eine große Hilfe.“

Zu Hause fuhr der Lehrling seinen PC hoch, er wollte doch wissen was dieses komische Kraut

im Hopfengarten verloren hat. Kurt suchte unter Hopfen und ähnliche Pflanzen, Mutationen,

Veränderungen, irgendwie kam Google auch auf Metamorphose. Unter allen gezeigten

Pflanzen konnte er seine Blätter nicht finden. Also ließ er sie einfach am Tisch liegen und wollte

an einem anderen Tag weiter forschen.

Pedro setzte sich an seinen Arbeitstisch, öffnete die untere linke Schublade, behutsam entnahm er das oberste Blatt. Seit Beginn vor zwei Jahren hatte er genau mit Datum Qualität und

Menge alle Ernten aufgezeichnet. Heute kam noch der Vermerk – mein Lehrling hat

ausgeholfen – dazu. Papier zurück, Schublade zu, Augen zu und schlafen, denn um ein Uhr

heißt es wieder Tagwache!

An späten Nachmittagen geht Pedro gerne den Park entlang. Heute war eine Party im Tanzlokal, er hörte „Satisfaction“ von den Rolling Stones und blieb stehen. Vor dem Eingang sah er

ein Plakat: Heute Musik der 60er mit DJ Thomas. Da konnte Pedro nicht widerstehen und ging

hinein. Viele seiner Freunde aus der

Berufsschule z.T. mit Freundinnen waren im Lokal,

sitzend, tanzend, trinkend, plaudernd. Er stellte sich an die Theke. „Ein Glas Whisky pur bitte.“

Eines der leicht bekleideten Mädchen stellte sich neben ihn und meinte: „Hey Pedro, das ist

ja toll, Whisky mit Eis nehme ich öfter aber Whisky pur, bitte Herr Ober für mich auch ein

Glas.“ Da wanderte eine Hand schon auch einmal über Hüfte und Po, Pedro bezahlte ja auch

die weiteren Gläser. Unvermittelt stellte sich ein Schulkamerad dazu. „Cola Rum bitte“ meinte

er zum Ober. „Hey Pedro wie geht es mit deiner Bierbraukunst, ich habe gehört du beschäftigst

dich auch mit Drogen, da könnten wir handelseinig werden.“ Pedro verschlug es die Rede:

„Was sagst du, ich und Drogen, wie soll denn das mit meiner Bierbrauerei zusammenpassen?“

Sein Schulfreund zeigt ihm die Cannabisblätter und erklärte ihm, dass er das Blatt bei seinem

jüngeren Bruder, der in der gleichen Bäckerei wie Pedro als Lehrling beschäftigt ist, gefunden

hat. Pedro war außer sich und verstand die Welt nicht mehr. Bald waren an die fünf, sechs

Burschen um Antonio und verlangten von ihm Drogen. Die Beteuerungen, dass er nur Bier

braue und dem Kraut in seinem Hopfengarten keine Bedeutung beigemessen hat, glaubte ihm

niemand. Die Stimmung wurde immer unangenehmer und als der DJ nach einer kleinen Pause

„Hey Jude“ von den Beatles auflegte, bedrängten sie Pedro derart, dass er verzweifelt um sich

schlug. Nun eskalierte die Situation, es wurde hin und her gestoßen, Pedro viel zu Boden, hielt

sich im Fallen bei seinem Schulkameraden am Hemd an und riss auch diesen mit. Am Boden

lag ein Aschenbecher aus Metall und ein

Sandwich noch in Papier eingehüllt. Pedro fiel mit

seinem Gesicht auf das Papier und verschmierte mit dem Sandwich sein Gesicht. Sein Kollege

schlug mit dem Kopf hart auf den Metallascher auf und erlitt eine schwere Kopfverletzung.

Beide blieben am Boden liegen bis ein anwesender Sanitäter Erste Hilfe leistete und die

Rettung verständigte. Im Krankenhaus attestierte man bei Pedro Prellungen und ein blaues

Auge. Nach einer Beobachtungsnacht konnte Pedro das Krankenhaus wieder verlassen. Sein

Schulkollege wurde in einen künstlichen Tiefschlaf versetzt. Nach drei Tagen versagten seine

Organe und alle Maschinen wurden abgeschaltet. Der Schock war den Bekannten und

Freunden noch lange anzumerken. Pedro war 10

Tage in Krankenstand und wurde danach von

der Polizei verhört. Er konnte nicht wissen, dass alle im Lokal anwesenden Personen bereits

befragt wurden und die direkt beteiligten Burschen sich abgesprochen hatten. Es wurde

ausgesagt, dass Pedro den Streit begonnen hatte und mit gezielten Fausthieben den Kollegen

zu Boden geschlagen und mit den Füßen gegen den Kopf getreten hatte. Pedro wurde wegen

Verdacht auf Körperverletzung mit Todesfolge in U-Haft genommen.

Der Lehrling, der alles ausgelöst hatte wurde nie befragt, er verhielt sich einfach still. Nach

vier Monaten kam es zum Prozess. Es wurde ein Pflichtverteidiger bestimmt, der jedoch an

den Aussagen von Pedro Zweifel hatte und ihn in 1. und 2. Instanz schlecht vertrat. Pedro

konnte seinen Freund Antonio nicht erreichen, da er längere Zeit im Ausland ein

Berufspraktikum absolvierte. Als Antonio

wieder zurück kam hörte er vom Prozess seines

Freundes und setzte sich sofort mit ihm in Verbindung. Antonio erkannte sofort das falsche

Spiel der Zeugen und übernahm die Verteidigung. Es war nur mehr eine Verhandlung

angesagt. Pedro sagte Antonio, dass er in seinem Arbeitszimmer in einer Schublade die

Aufzeichnungen der Hopfenernte abgelegt hatte und damit der Beweis geführt werden

könnte, dass er wirklich nur Bier gebraut hatte und das Cannabiskraut unbeachtet geblieben

war.

Jetzt sind wir wieder am Anfang des Romans. Antonio geht in Pedro‘s Wohnung aber niemand

ist zu Hause. Verzweifelt fragt er bei den Nachbarn, aber niemand kann sagen wo die Mutter

von Pedro ist. Er läuft in die Bäckerei und sucht dort in Antonios Spind vergeblich einen

Wohnungsschlüssel. Schließlich eilt er wieder

zurück, klettert über die Dachrinne und den

Balkon in den ersten Stock. Dort schlägt er eine Scheibe ein und gelangt schließlich in das

Arbeitszimmer. Er öffnet eine Schublade nach der anderen, nimmt die Blätter heraus und

sucht. In der ersten Lade sind Backrezepte, in der zweiten Lade Reiseunterlagen. Er legt sie

alle auf den Tisch. Die nächste Lade ist voll von Unterlagen der Berufsschule, dann noch

Aufzeichnungen von Bierbrauereien. Endlich findet er die gesuchten Blätter. Rasch auf den

Tisch gelegt, hält er nach einer geeigneten Tasche Ausschau. Dazu muss er in das

Nebenzimmer. Als er die Tür öffnet kommt es zu einem Luftzug und alle Blätter fliegen wie

Laub im Wind auf den Boden. Eine Tasche kann Antonio finden, aber Zeit zum neuerlichen

Sortieren, die hat er nicht mehr. Daher nimmt er einfach alle Blätter, stopft sie in die Tasche,

hetzt das Stiegenhaus hinunter, öffnet das Fenster in der Haustüre, klettert durch und läuft

auf die Straße.

„Die Schöffen haben einstimmig Pedro in allen Punkten für schuldig gesprochen. Das

Strafausmaß ergeht schriftlich. Damit ist die Verhandlung geschlossen – abführen!“ Antonio

kam zu spät, nach zwei Stunden wurde das Urteil verkündet, 10 Jahre Haft!

Jahresrückblick

Herbstzeit

10 Jahre Haft? Antonio konnte nur mehr sehen wie sein Freund kreidebleich abgeführt wurde.

Das Urteil war rechtskräftig. Zerknirscht ging Antonio nach Hause und sortierte die Blätter.

Dann entsann er sich an den Vortrag des Commissario der anderen Art, wie war doch sein

Name, ach ja, der italienische Commissario Brunetti! Schnell suchte Antonio unter den

Unterlagen diesen Vortrag. Er hatte sich den Schluss gemerkt, der war schon für so einen

Richter- und Verteidigerkongress eigenartig. Da steht es ja auch im Skript: „Und wenn du

meinst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her!“ Brunetti hatte Antonio

seine Visitenkarte mit den Worten gegeben: „Wenn Sie einen aussichtslosen für Sie emotional

wichtigen aber zu schweren Fall haben, rufen sie mich an. So etwas mache ich noch. Normale

Verteidigungen sind mir zu langweilig.“

Oha, Antonio kratzte sich seinen nicht vorhandenen Bart. Jetzt hatte er so einen Fall.

Schwierig: ja. Wichtig: ja. Mit Emotionen: ja. Aussichtslos: ja. Also nichts wie anrufen:

„Hallo

Herr Commissario, hier spricht Antonio, Sie haben mir vorige Woche beim Kongress Ihre

Visitenkarte gegeben. Mein Problem trifft genau auf die Beschreibung der von Ihnen noch zu

vertretenden Fälle zu.“ „Gut“ meinte Brunetti, „Senden sie mir Ihre Unterlagen, das

Gerichtsurteil und Ihre Meinung dazu an die angeführte E-Mail-Adresse. Wenn es so ist wie

sie es mir gesagt haben, dann melde ich mich.“ Antonio klaubte alles zusammen, sein Scanner

lief heiß vor lauter Gerichtsakten und Aufzeichnungen, aber dann konnte er alles per E-Mail

absenden. Es war Freitag der 13. um 21:13 als Antonio die Taste „SENDEN“ drückte. Jetzt

konnte er nichts mehr machen. Er holte sich ein Glas, öffnete den Getränkeschrank und

entnahm eine Flasche Rioja Jahrgang 1987.

Als er die blutrote Flüssigkeit sah, erschrak er. Sein Freund war kreidebleich und er sollte so

einen Wein trinken, nein, er stellte die Flasche zurück und nahm einen Schluck Bourbon

Whiskey einfach so aus der Flasche. Dann

schlief er sehr schnell ein.

Der Wecker Riss Antonio aus seinem Schlaf. Er hatte ja heute den Termin mit seinem neuen

Klienten im Café Langwirt am anderen Ende der Stadt. Schnell schlüpfte er in die Kleider, goss

sich einen abgestandenen Kaffee in ein Trinkglas, etwas Milch und ohne Zucker war das

Kaffeehäferl mit ein paar Schlückchen geleert. Ab und in das Auto zum Termin. Am größten

Kreisverkehr, mit den meisten Autos und blöden Situationen, - es kann ja nur dort sein –

klingelte das Handy. Eine unbekannte Nummer, die kann ja warten. Der Verkehr stockte und

Antonio musste stehen bleiben. Da nutzte er dann wohl die Situation und wischte über das

Display um die Verbindung herzustellen. „Hallo“ sagte Antonio. „Hier Brunetti“ tönte es aus

dem Lautsprecher. Ihr Fall ist sonderbar, er ist

für mich eine Herausforderung, ich brauche

aber noch eine wichtige Information. Wer ist der Beschuldigte, woher kennen sie diese

Person?“ Antonio blieb bei der nächsten Ausweiche stehen. „Es ist Pedro, ein alter

Jugendfreund, wir haben zusammen gefischt, haben uns die erste Liebe geteilt, und waren

öfters gemeinsam „Pferde stehlen“ (das ist so eine Redewendung). „Na, wenn das so ist, und

sie haben diese Emotion dann ist das mein Fall. Ich bin morgen um 9:24 bei Ihnen am Bahnhof,

wenn der Zug keine Verspätung hat. Sollte etwas dazwischen kommen melde ich mich, dann

komme ich mit dem nächsten Zug 2 Stunden später.“ Das Gespräch dauerte einige Minuten,

hinter Antonio hupte der Städtische Bus, aber den sah und hörte er nicht. Langsam betätigte

er den Blinker, drehte im Kreisverkehr um und fuhr nach Hause. Den Termin sagte er ab und

fügte hinzu, er könne diesen Fall nicht mehr übernehmen. Zuhause ging er ganz benommen

zum Getränkeschrank, öffnete den Rioja Jahrgang 1987 und genoss einen Schluck nach dem

anderen.

„So, dass ist ihr Arbeitsraum, jetzt ist es die Schaltzentrale des wichtigsten Falles seit meiner

Pension. Hier die Fakten: wir glauben Ihrem Freund, daher können wir sagen, die Zeugen

haben sich abgesprochen und gelogen. Des Weiteren wurde der Hauptbeteiligte Lehrling nie

befragt und die Ernteunterlagen hatten die Geschworenen ja auch nicht gesehen. Resümee:

Es handelt sich um einen Verfahrensmangel, der auch im Falle eines abgeschlossenen

Prozesses bei dem es keinen Einspruch mehr gibt, lt. Paragraph 1.234 staatliches Gesetzbuch

aus 1833, wieder aufgerollt werden muss. Der Hauptpunkt meines, nein unseres Einspruches

ist der Verfahrensmangel, da der Nachweis, woher die Cannabispflanzen waren nie im

Prozesses hinterfragt wurde.

Donnerstag der 19. des Monats.

Der Gerichtssaal war überfüllt, Journalisten aus der ganzen Welt waren versammelt, ein

Prozess in einer Provinzstadt mit dem Starverteidiger Brunetti, das bringt Einschaltquoten.

„Der Beschuldigte möge hereingeführt werden.“ Abgemagert, verzweifelt und müde kam

Pedro in den Saal und wurde in den Beschuldigtenbereich gebracht. „Wir rufen den Zeugen

Kurt Ploer in den Zeugenstand. Schwören Sie, dass Sie die Wahrheit sagen und nichts als die

Wahrheit.“ Ploer zögerlich: „Ich schwöre“. „Herr Ploer, Sie sind Lehrling in der Bäckerei des

Beschuldigten der auch Ihr Lehrherr ist!“ „Ja“

schon etwas kräftiger. Unser Lehrling schilderte

den Hergang von der gemeinsamen Dusche bis zur Suche in Google. Dann meinte er, am

nächsten Tag waren seine Pflanzen nicht mehr am Tisch und er konnte nicht weiter googeln

um zu wissen was für Gewächs dies wohl sei. Dabei hätte er gerne gewusst was dieses Kraut

mit der Metamorphose zu tun hat, ob das vielleicht eine Pflanze wie Morphium ist? Da er

seinen älteren Bruder in Verdacht hatte, kontrollierte er dessen Rocktasche und fand ein

geknicktes Blatt seiner Pflanze. Er getraute sich jedoch nicht, seinen älteren Bruder nach dem

Verbleib „dieses Krauts“ zu fragen. Abschließend kann er jedoch gerne bestätigen, die

Pflanzen waren nur auf einem ganz kleinen Platz, zu klein um damit Drogen her zu stellen er

hatte einige wenige Pflanzen ausgerissen, die

ihm dann sein Bruder entwendet hat.

Dann kam der Auftritt von Brunetti. Zuerst bedankte er sich bei den Geschworenen, dass sie

alle vollzählig erschienen sind und beim Vorsitzenden, dass er einen so schnellen Termin

ermöglicht hatte. Mit dem vorigen Verteidiger ging er hart ins Gericht. Er erklärte, dass er

bereits gestern beim Oberlandesgericht den Antrag eingebracht hatte, so einem Versager die

Zulassung als Verteidiger zu entziehen. Einen unschuldigen Mann mit derart offensichtlichen

Verfahrensmängeln an den Galgen zu bringen ist ungehörig. Daraufhin verließ der nur mehr

als Gast anwesende Altverteidiger den Sitzungssaal.

„Meine Damen und Herren Geschworenen, einen redlichen Staatsbürger mit einem sehr

interessanten Hobby der Bierbrauerei so zu beschuldigen, dass hätten die Geschworenen als

abgekartetes Spiel der vorigen Zeugen bemerken können. Wie sie ja wissen, wurden alle

Zeugen gestern wegen Absprache und falscher Zeugenaussage zu drei Jahren unbedingter

Haft und zur Bezahlung von € 1.000,- je Hafttag des Beschuldigten an diesen zur Wiedergutmachung, verurteilt. (bei sechs Zeugen und neun Tagen Haft bekommt Antonio € 54.000,--)

Dann erfolgte die Auflistung der Hopfenernten mit einer genauen Zeitberechnung für Ernte,

Vorbereitung zur Maische, und die Brautätigkeit, ebenfalls wurden die Aufzeichnungen der

Arbeitszeit aus der Bäckerei beglaubigt vorgelegt. Daraus ergab sich eindeutig und schlüssig,

Pedro konnte daneben beim besten Willen nicht zusätzlich Drogen aufbereitet haben. Nach

Abschluss seiner Ausführungen sagte Commissario Brunetti zu Pedro, er habe schon

viele

schwere Fälle gelöst, aber einen Fall wie diesen noch nie. „Als Vorsitzender der

Juristenvereinigung des Bundesstaates darf ich hiermit verkünden, dass ich zur

Wiedergutmachung dieses Unrechtes, Pedro und seinen Freund Antonio für einen Monat auf

meinen Landsitz einlade. Ich freue mich schon sehr, etwas mehr von dem Geheimnis der

Bierbraukunst zu erfahren und wenn Pedro will kann er gerne die eine oder andere

Backspezialität zubereiten.“ Daraufhin erhoben sich alle im Saal anwesenden Besucher. Was

noch nie der Fall war wurde zur Schlagzeile des Jahres. Anstatt sich zu beraten standen alle

Geschworenen auf, hielten ihre Hände nach oben zum Zeichen der Zustimmung und der

Sprecher rief mit lauter Stimme: „Einstimmiger Beschluss - der Beschuldigte wird für

unschuldig erklärt.“

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Gebhard

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