Kurzgeschichte
Zum Sarg

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"Zum Sarg"
Veröffentlicht am 13. Februar 2021, 14 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: Andyhank
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Der Alltagslyriker Andyhank (sprich: Ändihänk), mit bürgerlichen Namen "Andreas Hanke", zeichnet und schreibt, musiziert und komponiert, bastelt, kreiert, kocht und gärtnert. Humor ist sein liebstes Steckenpferd, was nicht immer bedeutet, dass alles, was hervorgebracht wird, auch lustig sein muss. Lassen wir Leser uns bezaubern von einer Denkweise der Dichtkunst, die nicht allzu oft anzutreffen ist, lassen wir Betrachter uns anstecken von ...
Zum Sarg

Zum Sarg


Meine Freundin Marie war ein zauberhaftes, aber schüchternes Mädchen. Ihr Haar war nur aufgemalt und ihr Körper prall. Er roch verlockend nach Gummi und …“ Der eben noch tippende Finger hielt mitten in der Bewegung inne. TOHTE GÄBER hatte den Faden verloren, seine nicht unwichtigen Gedanken waren einfach verflogen, weil sein Nachbar, der boshafte Penner, mal wieder an die angrenzende Wand pochte!





Fagott noch mal! Was soll das?“, wetterte TOHTE GÄBER aufgebracht, was den Nachbarn erschrocken veranlasste, wenigstens im Moment die Klopfgeräusche zu unterlassen. Aber wir greifen der Geschichte vor, ebenfalls der, welche TOHTE GÄBER gerade im Begriff war, tippend aufzuzeichnen.



*





Es war im Februar, im Jahre 2021. In ganz Deutschland beherrschte der Lockdown die Handelswelt. Alle systemunrelevanten Lokalitäten, die nicht zur Lebensmittelversorgung unmittelbar gehörten, durften nicht öffnen. TOHTE GÄBER’s Szenenlokal „Zum Sarg“ war davon ebenfalls betroffen. Zum Schutz vor Randale und gewissen Sprayern ließ er rechtzeitig vorher das Schaufenster recht und schlecht mit Brettern vernageln. So konnte niemand schauen, ob es etwas Wertvolles zu erbeuten gab. Und das gab es!




Als Theke seines Etablissements schmückte ein enormer Sarg aus wertvollem Mahagoni den Raum. Doch das war nicht alles. Der Sargdeckel wurde eigens aus Bleikristall gefertigt, um den Blick in das Innere des Sarges zu gestatten, in dem eine aufgeblasene Gummipuppe lag, die leider schon das Zeitliche gesegnet hatte, weil deren poröse Fetzen wie Zuckerstreusel herumlagen. Dummerweise ließ sich der schwere Deckel nicht öffnen, weil er derzeit mit klarem Epoxydharz versiegelt wurde. Wer hätte je gedacht, dass das Gummi im praktisch luftleeren Raum so reagieren würde?


Nun ja, zumindest ließ sich anhand der Form noch ein gewisser Reiz erahnen, wobei der Inhalt eher einer gestauchten Fangopackung ähnelte, als einer faltenlosen Gummipuppe. TOHTE GÄBER war ein Lappe durch und durch, aus dem hohen Norden Finnlands, weit hinter den Eckbergen stammend. Sein Hang zur extravaganten Sexualität und aufgrund seines gruftimäßigen Aussehens, sowie dem Umstand, dass sein Name eigentlich in Wirklichkeit unaussprechlich war, nannten ihn alle engeren Stammgäste und seine Angestellten der Einfachheit halber den


TOTENGRÄBER. Alleine schon wegen seiner Sammelleidenschaft von mit Erde behafteter Spaten und des im Raume als Theke fungierenden Sarges. Nennen wir ihn also in dieser Geschichte weiterhin den Totengräber, den Lappen, der ja eigentlich TOHTE GÄBER hieß und aus Finnland stammte. Aber das wissen wir ja nun schon. Der Grund, warum sich diese Geschichte mit ihm und seines Szenenlokals, inmitten des Berliner Bezirkes Kreuzberg, befasste, war – dass, obwohl das Lokal eigentlich gar nicht geöffnet war, neuerdings zur nächtlichen Sperrstunde


aus dem Thekenraum laute Diskomusik ertönte und die Außenscheibe mit frenetischen Lichteffekten versorgte, sodass nur ein Schluss die Gemüter zu bewegen schien: Coronaparty! Irgend sonne Priester schienen da laut und grässlich ihre Kutten zu schwingen, was eigentlich überhaupt nicht möglich schien, denn der Schlüssel des Lokals hing um des Totengräbers Hals und der würde ja eigentlich den Umstand kennen müssen, ob in seiner Lokalität etwas stattfand oder nicht! Leider schienen Nachbarn besser zu hören und zu sehen.



Doch nun zurück zum eigentlichen Geschehen: Des Totengräbers Gedanken waren verflogen, die neue Geschichte wurde vorerst keine. Der Nachbar, dieses vermaledeite Rabenaas, hatte aufgehört, die Wand mit Klopfgeräuschen zu deformieren. Stattdessen ließen sich gedämpfte Geräusche von nebenan hören. Der Totengräber presste ein Ohr an die Tapete und erhascht nur noch „Polizei“ und „Unmöglich“, sowie ein Klackgeräusch.



„Schade, dass es hier keine Durchreiche gibt.“, dachte er. „Dann könnte man auch sehen, was man hört.“ Doch verwarf er die Idee gleich wieder, weil sein Nachbar dann das Gleiche tun könnte und DAS lag nicht in seinem Sinne! Schlurfende Schritte entfernten sich, dann kam nichts mehr. Der Totengräber atmete erleichtert auf und wollte sich wieder seiner unterbrochenen Geschichte mit Marie zuwenden, als die Klingel laut und heftig schellte.




„Scheiß Klingelstreiche!“, fluchte er gellend, öffnete das Fenster und rief heftig hinaus: „Wenn ich euch erwische, gibt’s Arschvoll!“ Daraufhin ertönte unterdrücktes Gelächter, gefolgt von mehreren trampelnden Schritten im Hausflur. Es klingelte wieder heftig. Zudem ertönte vor der Haustür: „POLIZEI, MACHEN SIE AUF!“ Der Totengräber fluchte lautstark. Wer …, warum …, welcher Penner … - und öffnete widerstrebend die Tür.



„Wir haben einen Anruf wegen unerlaubten Partylärms erhalten!“, stellten sich die Beamten vor. „Bitte schließen Sie umgehend Ihr Lokal!“ „Aber ich hab nicht …!“, versuchte sich der Totengräber zu rechtfertigen. „Außerdem droht Ihnen eine Anzeige wegen ruhestörenden Lärms und unerlaubter Öffnung Ihres Klubs!“ „Ich habe nicht geöffnet!“, wiederholte der Totengräber eilends, „Hier ist der Schlüssel!“ Die Beamten waren ratlos. Was nun? Der Anzeige musste gefolgt werden!

Alleine schon wegen des Protokolls. „Öffnen sie umgehend Ihre Bar, damit wir uns von der Richtigkeit Ihrer Behauptung überzeugen können!“ Undeutlich nuschelnd, von wegen unmöglichen Behauptungen um diese nächtliche Zeit, zudem es arschkalt draußen war, zog sich der Totengräber eine warme Jacke an und ging die Treppe hinunter. Hinter ihm widerhallten die trampelnden Geräusche gestiefelter Polizistenstiefel. Der Totengräber stand kurz darauf vor seiner Ladentür und schüttelte erstaunt den Kopf.



Schallender Lärm, begleitet von stakkatoartigen Lichteffekten, die durch die Bretter drangen, überflutete die Straße und ließ die schlecht und recht zugenagelte Außenscheibe erzittern. „Welche Geister …?!“, murrte der Totengräber perplex und zog den Ladenschlüssel hervor. Als er ihn ins Schloss steckte, krachte es im Inneren gewaltig und es wurde totenstill! Keiner der Anwesenden sprach. Der Totengräber öffnete den Sarg – er war leer.

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Hörbuch

Über den Autor

Andyhank
Der Alltagslyriker Andyhank (sprich: Ändihänk), mit bürgerlichen Namen "Andreas Hanke", zeichnet und schreibt, musiziert und komponiert, bastelt, kreiert, kocht und gärtnert.

Humor ist sein liebstes Steckenpferd, was nicht immer bedeutet, dass alles, was hervorgebracht wird, auch lustig sein muss.
Lassen wir Leser uns bezaubern von einer Denkweise der Dichtkunst, die nicht allzu oft anzutreffen ist, lassen wir Betrachter uns anstecken von der Phantasie und Kreativität, von den unendlichen Weiten, aus den unerschöpflichen Vorräten der Andyhankologie.
Weitere Informationen gibt es auf: www.andyhank.de und auf Instagram @knahydna

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baesta Was Dir alles so einfällt. Da wollte also eine Gummipuppe auch mal ihren Spaß haben und schon wird sie von übellaunigen Nachbarn denunziert.

Schmunzelgrüße von Bärbel
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Andyhank Ich wollte einfach mal alles wörtlich nehmen. Freut mich, dass es dir gefällt! :)
Vor langer Zeit - Antworten
Feedre Lach...die Geister die er rief....:-))))
supi...!!
LgF.
Vor langer Zeit - Antworten
Andyhank Genau so! :)
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Frettschen Spektakulum grandiosum Mysterikum :))
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Andyhank Könnte man so sagen, ja. :)
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schnief Eine herrlicher Geschichte, die ich grinsend las.
LG Manuela
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Andyhank Dankeschön :)
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Friedemann 
Hallo Andy,
da hast Du ja recht geschickt und wirklichkeitsnah das Schreibparty-Thema mit der gegenwärtigen Corona-Lockdownhysterie verknüpft, in der die Stasispitzel- und Blockwart-Mentalität aus vergangenen Diktatorenzeiten wieder auflebt. Du hast dies dennoch locker (und mit einem passenden Titelblatt dazu) auf amüsante Weise umgesetzt.

Liebe Grüße,
Friedemann
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Andyhank Danke, danke, diese Version musste ich unbedingt noch loswerden! Ich hoffe, dass mir jetzt nichts Neues mehr zum Thema einfällt.
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