FRÜHLING
Handelnde Personen:
Lea
- die Frau des Hauses
Asima
- ihre Putze
Waldemar - der Nachbar
ein Arzt, Polizisten und Feuerwehrmänner
Ein herrlich schöner Wochentag im Frühling. Die Sonne schickt bereitwillig ihre Strahlen auf
die Terrasse. Der Tisch ist noch gedeckt, in der Kaffeekanne befindet sich gerade noch so viel
Kaffee, dass sein Duft sanft in der Luft liegt. Wer hat es verabsäumt diesen letzten Schluck zu
trinken? Dazu braucht es nicht Donna Leon‘s Commissario Brunetti, Peter Falk als Inspektor
Columbo oder gar Agatha Christie‘s Detektiv Hercule Poirot. Es geht einfach nur um die Zeit,
die sollte sich nicht nur der Nachbar, ein übereifriger Pensionist der immer über den Zaun
sieht, nehmen. Hinter dem cremefarbigen Vorhang bemerkt man einen dünnen Schatten.
Leicht in Bewegung wie ein Zweig im Winde dreht und wendet sich dieser Schatten. In der
Gedankenwelt der Fantasie mag der Nachbar schon einiges sehen. Wird gerade die Garderobe gewechselt, vom leichten Morgenmantel in einen Wollpullover? Der leichte Frühlingswind beim Morgenkaffee ist für einen Satinmantel etwas zu gewagt. Doch es ist nur ein
Luftzug der schattengleich den Vorhang bewegt. Die Frau des Hauses, hat den gedeckten Tisch
nur kurz verlassen. War das ihr Mobiltelefon, war es das Festnetztelefon oder nur die
Haustorklingel? Erstmals macht sie sich darüber Gedanken, ob es sinnvoll war, alle Klingeltöne gleich zu schalten. Intuitiv
schlendert sie zur Haustüre und ist so gar nicht überrascht, als
der Herr Nachbar vor der Türe steht. "Hey, hallo Waldemar, mein lieber Nachbar, was gibt
es?" "Liebe Lea, du machst ja deinem Namen "Die Ruhmreiche“ alle Ehre". "Tja, warum bin
ich eigentlich zu dir gekommen? Ich habe einen Schatten hinter deinem Schlafzimmervorhang gesehen. Da machte ich mir Sorgen, bin über meinen Zaun geklettert, durch deine
Hecke gekrochen und da bin ich". Lea schaut verdutzt. "Warum glaubst du, es ist der Schlafzimmervorhang? Ich stand gerade unter der Dusche und habe den Vorhang fest zugezogen.
Mein sorgsamer Waldemar, kümmere dich um deine Sachen, wenn ich am Balkon stehe und
in Richtung zu dir schaue, da gibt es schon einiges zu sehen. Wer war gestern die schwarz-
haarige, oben ohne unten nix Frau. Ist dein
Vorhang noch immer in der Putzerei?" Der Dialog
ging noch einige Zeit hin und her, einfach nur belangloses Gerede.
Der letzte Schluck Kaffee wurde dem Nachbarn angeboten und mit einem Butterkeks im Mund
verabschiedet er sich. Neugierig ist unser Herr Nachbar, aber er hat auch eine andere Seite.
Herr Waldemar ist kein Verwandlungskünstler,
kein Schauspieler der in verschiedenen Rollen
zu Hause ist. Herr Waldemar lebt in der Mythologie, dort ist die Verwandlung eines Menschen
in ein Tier, eine Pflanze oder in Stein eine Metamorphose. Wie Batman ändert Waldemar zu
jeder Tages- oder Nachtzeit sein Aussehen. Es bleibt sein Geheimnis, auch Lea ahnt nicht,
welche Macht ihr Nachbar nach einer Verwandlung hat.
Der Tag neigt sich dem Ende zu, der Abend klopft leise an die Türe. Lea
räumt das Kaffeegeschirr von der Terrasse ab. Der Schaukelstuhl lädt zu
einem tages-ausklingenden entspannten Ausruhen ein. Schon streckt
Lea ihre Beine aus und benützt den Tisch anstatt eines Fußschemels.
Zigarette, rauchen? Das hat sich Lea schon lange abgewöhnt, ihr Nachbar
würde sie dann ja auf der Terrasse wissen.
Unbeobachtet spitzt Lea ihre
Ohren! War dieses Geräusch in ihrem Garten? Leicht vorgebeugt starrt
sie in das Nachbarhaus. Im offenen Fenster erspäht sie ein graues
mannshohes Etwas. Langsam gleiten ihre Hände zur Schublade des
Tisches und katzengleich entnimmt sie das Fernrohr. Genauer betrachtet
erkennt sie nun, dieses sich im zugigen Fenster befindliche Etwas, ein Bademantel, oder
Saunamantel, ev. ein Morgenrock. Doch ein Mantel ohne Kopf und Beine? Ein schauriges
Gefühl überkommt Lea. Der Mantel fällt aus dem Fenster und ein aufkommender Wind treibt
das graue Etwas auf die Terrasse. Lea ist wie gelähmt, nimmt einen Stuhl und versucht den
Mantel zu vertreiben. Doch vergeblich, Lea wird vom Mantel eingefangen, darin verwickelt,
verliert das Bewusstsein und stürzt zu Boden.
Am nächsten Morgen, als die “Putze“ wie
gewöhnlich in der Küche saubermachen will,
bemerkt sie, dass die Terrassentüre offen steht. Neugierig ist sie allemal, also tut sie so, als ob
sie die Türe schließen will. Doch dann ein Wände durchbohrender Schrei! Lea liegt auf dem
Terrassenboden, ihr Satinmantel nach oben hin über ihr Gesicht gezogen. Asima zieht
instinktiv den Mantel über Brüste und Scham. Nach einigen Minuten der Verzweiflung, der
Ohnmacht, wählt sie die Nummer ihres Sohnes. „Hallo, rufe die Polizei an, Lea liegt tot auf der
Terrasse, ich schaffe es nicht.“ Die Minuten bis Polizei und Rettung vor dem Hause Stellung
nehmen, werden zu Stunden. Wie in Trance öffnet Asima die Eingangstüre und zeigt den
Ankommenden die Richtung zur Terrasse. Asima zieht sich in die Küche zurück, doch immer
wieder muss sie den Beamten erklären, wann und wie sie in das Haus gekommen ist und die
tote Lea vorgefunden hat. Den aufkommenden Luftzug verspürt der Arzt und wundert sich, da
es windstill ist. Jetzt sieht er beim Nachbarn im offenen Fenster ein sich graues bewegendes
Etwas. Als er seine Entdeckung einem Polizisten sagt, lacht dieser nur.
Im Bericht des Mediziners konnte man nachlesen: Tod durch Herzversagen, die Person nahm
Medikamente gegen Durchblutungsstörungen und hatte arbeitsbedingt ein hohes
Stresspotential.
Frühlingszeit
Bei dieser ersten Geschichte war weder Inspektor Columbo
noch Commissario Brunetti involviert.
Doch die Haushälterin
war eine Freundin von Frau Berghammer, der Mutter des TV
Kommissars Benno Berghammer. Und so war es
ein Zufall,
dass Benno sich den Mordfall anschaute. Als er am Tag
danach das Haus betrat, fand er zu seiner Überraschung die
vermeintlich ermordete Frau schwächelnd, aber lebend am Sofa liegen. Mit der ihm eigenen
Befragungstechnik erfuhr Benno vom Nachbarn, von seinen komischen Äußerungen beim
Besuch am Tage des angeblichen Mordes und so wurde der Nachbar sofort zum
Hauptverdächtigen. Auch die Haushälterin schimpfte über alle Maßen, was Benno stutzig
machte. Ob es da nicht noch einen dritten unbekannten Mann gibt? Als nächstes schaute sich
Herr Berghammer in der Wohnung des Nachbarn um. Die Erscheinungen am Fenster konnten
schnell geklärt werden. Herr Waldemar hatte
seinen Bademantel einfach nur auf einem
Wäschestrick aufgehängt und je nach Luftzug bewegte sich der Mantel. Zudem fand Benno
ein Kostüm, das Herr Waldemar gerne auch außerhalb der Faschingszeit anzog, er war dann
Spiderman. So verkleidet spielte er mit seinen zwei Kindern im Garten, in den er stilgerecht
direkt aus seinem Fenster über ein kaum sichtbares Seil gelangte. Herr Waldemar war sich
seiner Sache bereits sicher und meinte zu Benno, was solle er denn schon für ein Motiv haben?
Der Kommissar ging auch in das Schlafzimmer von Herrn Waldemar und wunderte sich sehr,
überall an den Wänden waren Fotos von Opernaufführungen.
Besonders die Oper „Romeo und Julia“ hatte es dem
Nachbarn angetan. Und da kombinierte Benno in der
ihm eigenen Technik. In der Küche fielen ihm
Reagenzgläser und kleine Fläschchen auf. Von der
Haushälterin hatte er erfahren, dass sie eine leere
Kaffeeschale und ein ebenfalls leeres Wasserglas von der
Terrasse in die Küche getragen hatte. Die Frau des Hauses gab bei der Befragung an, dass sie
dem Nachbarn den letzten Schluck Kaffee angeboten hatte. Jetzt war es nur mehr ein
forensischer Test und eine DNA Probe von Kaffeetasse und Wasserglas. Der Nachbar hatte
den Kaffee ausgetrunken und in das Wasserglas eine Flüssigkeit geleert. Bei einer Anklage
musste sich Herr Waldemar rechtfertigen. Ein Psychologe testierte eine krankhafte Beziehung
zur Oper „Romeo und Julia“, seine erste an Krebs verstorbene Frau hieß Julia. Im Internet holte
sich der Täter die Anleitung: in der Oper
bekommt Julia vom Priester einen Trank, der sie für
einige Stunden in einen todesähnlichen Zustand versetzte. Dies konnte der Mediziner bei
seiner Standarduntersuchung am Tatort nicht feststellen. Das Urteil beim Prozess war
erwartungsgemäß hart. Schadenersatz an die vergiftete Frau, Beschlagnahmung einer Reihe
von Gegenständen aus der Wohnung und viele Jahre Haft mit Einweisung in eine Psychiatrie.
Benno wurde zu einem Abendessen eingeladen, die Menüfolge blieb aber geheim.