Fantasy & Horror
~Marie, mon amour~ - Jurybeitrag SP 88

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" ~Marie, mon amour~ - Jurybeitrag SP 88"
Veröffentlicht am 02. Februar 2021, 16 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Über den Autor:

Hum... Ich habe Troja brennen sehen...soll ich noch mehr sagen? Aber nachdem der Rauch sich verzogen hatte, musste ich die langen Jahrhunderte standesgemäß hinter mich bringen und so gewöhnte ich mir an, viele gute und auch mal weniger gute Bücher zu lesen, Musik zu hören und zu machen, im Garten zu pütschern, zu schreiben...Jau, das wär's dann mal.
~Marie, mon amour~ - Jurybeitrag SP 88

~Marie, mon amour~ - Jurybeitrag SP 88

Meine Freundin Marie war ein zauberhaftes, aber schüchternes Mädchen. Wir kannten uns, seit wir denken konnten, denn unsere Mütter hatten sich im Geburtshaus ein Zimmer geteilt. So war mit den Jahren eine enge Freundschaft zwischen mir und Marie entstanden. Jeder von uns verstand den anderen blind, und wie oft mussten wir übereinander lachen, hatten wir doch stets dieselben Ideen und Streiche im Kopf. Die von uns arg geplagten Nachbarn waren immer wieder über unsere Klingelstreiche und die Zustellung der vielen Päckchen erbost, die sie nie bestellt

hatten. Dass ich in der Regel der Urheber all dieser Nickligkeiten war, muss ich gewiss zu meiner Schande gestehen. Ob wir ein Unrechtsbewusstsein hatten? Nö, wir hielten uns für großartig, originell und kreativ. Daran änderte auch der Religionsunterricht bei Pastor Nolte nichts; der gute Mann war bald am Ende seines Priesterlateins, denn vor allem Marie wusste Erwachsene mit ihrem schelmischen Lächeln und ihren bezaubernden Sommersprossen stets zu besänftigen. Marie pflegte oft über die Erwachsenen zu spotten und meinte einmal: „Bela, wenn wir

beide uns weiterhin so gut verstehen und stets Freunde bleiben, wird uns die Welt gehören!“ Allerdings gab es einen Nachbarn, der uns beide auf dem Kieker hatte – Willibald Wenig, ein alter Miesepeter und Musiklehrer, der in seiner Freizeit auf seinem ollen Fagott herumblies und dabei Beethoven massakrierte. Das sollte dann Kunst sein, jedenfalls behauptete WW das immer hochnäsig, und er verlachte stets unsere laute Metalmucke, die er für Urwaldgeschrei hielt. Marie machte sich über den alten Knacker, der

stets schwarz gekleidet war und eine Nase wie ein großer Vogel hatte, ihrerseits regelmäßig lustig und nannte ihn hinter vorgehaltener Hand „das alte Rabenaas“. Doch er sollte in unserer Geschichte noch eine Rolle spielen. Die Jahre gingen ins Land und wir wurden allmählich erwachsen. Marie, die ihre Eltern im Alter von 14 Jahren bei einem Autounfall verloren hatte, wurde von der begüterten Großmutter in ein teures Schweizer Internat geschickt, und ihre Besuche wurden immer seltener; allerdings blieben wir beide

per WhatsApp im Kontakt. Marie wurde mit der Zeit immer einsilbiger und auch ihre Nachrichten waren zunehmend nichtssagend. So wusste ich nicht, ob sie in Gstaad einen Freund, ja überhaupt Freunde hatte, sie schien nämlich nur über ihren Büchern zu hängen und wollte unbedingt mit 17 Jahren ihre Reifeprüfung ablegen. Ich dagegen tat für die Schule nur das Nötigste, sehr zum Verdruss meiner Eltern, sollte ich doch die Anwaltskanzlei meines Vaters übernehmen. Mich jedoch interessierte ein Jurastudium mitnichten, ich wollte lieber auf ein Konservatorium und dort Cello

studieren. Und es wird vermutlich niemanden verwundern, dass ich peu à peu immer mehr die Nähe Willibald Wenigs suchte, der mir mit zunehmender Vertrautheit gute Ratschläge gab, wie ich auf meinem Instrument Fortschritte machen könne, er ließ mich zudem mehrere Aufnahmen der großartigsten Virtuosen hören. Oftmals blieb ich bis weit nach Mitternacht bei Willibald, der ein Nachtmensch zu sein schien und Schlag zwölf lebhaft und nahezu sprühend vor Energie wurde. Zudem erwies er sich als begabter Magier, und er zeigte mir Zaubertricks, welche nahezu

unglaublich waren; er schien mir auch ein Illusionist zu sein, denn ich habe ihn dreimal als riesigen schwarzen Vogel gesehen. Unheimlich und unglaublich zugleich. Marie jedenfalls hatte ich inzwischen mehr und mehr aus meinen Erinnerungen gestrichen. Nach einiger Zeit allerdings kamen meine Eltern hinter meine nächtlichen Umtriebe und verboten mir bis aufs weitere den Umgang mit dem "seltsamen Nachbarn", wie sie ihn nannten. Das verdross mich sehr, und ich begann, meine Eltern auf jegliche Art und Weise zu

hintergehen - ich log sie an, ohne rot zu werden, stahl mich abends aus dem Haus und behauptete, wenn sie mich einmal beim nächtlichen ins Haus schleichen ertappt hatten, ich sei bei einem Schulkameraden gewesen, um für die anstehende Klausur zu lernen, was sie bereitwillig glaubten, denn sie behaupteten, dass nur ein Spitzenabitur ihren Sohn befähigen würde, erfolgreich ein Jurastudium zu bewältigen. Nachdem ich lange Zeit nichts mehr von Marie gehört hatte, verliebte ich mich in ein Mädchen aus meiner

Jahrgangsstufe; sie war die Tochter eines bekannten Chirurgen und meinen ambitionierten Eltern hochwillkommen. Chrissie war das, was man im Allgemeinen ein It-Girl zu nennen pflegt, und natürlich hatte sie einen Blog und tausende Follower. Für Schule und Studium schien sie sich wenig zu interessieren, sie strebte eine Modelkarriere an und sah sich bereits auf den berühmtesten Laufstegen der Welt paradieren. Mir gefiel ihre oberflächliche Art zunehmend weniger, und ich überlegte, wie ich Chrissie am elegantesten wieder loswerden

könnte. Dieses sollte ohne mein Zutun gelingen, doch davon später. Die Abiturklausuren erwiesen sich als wenig problematisch und so ging ich mit meinen Freunden am Abend der letzten Klausur in eine bekannte Szenekneipe. Freddie gab die erste Runde aus und wir wollen gerade mit lautem Hallo auf uns Wunderkinder anstoßen, als plötzlich die Tür aufging und ein wunderschönes, aber wenig gepflegtes Mädchen zur Tür hereinstürzte: Marie! Was war nur mit meiner Marie geschehen und warum, zum Teufel, erkannte sie

mich nicht wieder? Zudem schien sie keinerlei Kraft mehr zu besitzen, ein Mädchen von gerade einmal 18 Jahren! Sie war bleich wie der Tod, doch in ihren leeren Augen glomm ein eigenartiges Licht. Eines jedoch hatte sich nicht verändert - ihre Lippen waren prall wie früher, gar noch röter geworden. Ich konnte den Blick kaum von diesem süßen und alles verheißenden Mund lösen und sprach sie an. Im selben Augenblick schrie sie auf und fiel ohnmächtig zu Boden. Wir waren alle mehr als erschrocken, doch ein Kellner kam mit einer Cola und ein paar Keksen, auf denen sich Zuckerstreusel

befanden, und meinte, derartiges komme bei der Kleinen öfter vor. Das letzte Mal sei sie zusammengebrochen, als sie eine Minute in der prallen Mittagssonne verbracht habe. Zudem leide Marie an Fibromyalgie, die starke Müdigkeit, Erschöpfung und Schlafstörungen bewirke und regelmäßig durch heiße Fangopackungen behandelt würde. Diese Nachrichten bewegten mich sehr und ich sah voller Trauer auf die leidende Marie hinunter, die wir mittlerweile in einen Sessel gesetzt hatten. Sie schien ein wenig mehr bei Kräften zu sein und lächelte

mich unvermutet an. Voller Zärtlichkeit lächelte ich zurück, als wie aus heiterem Himmel Maries wunderschönes Gesicht sich zu einer grausigen Grimasse entstellte und sie wie wahnsinnig schrie: Astaroth! Wohl an die dreizehnmal schrie sie diesen Namen, ohne dass wir sie daran hindern konnten, und brach schließlich tot zusammen. Wir alle waren starr vor Entsetzen, unfähig, uns von der Stelle zu bewegen, und konnten unsere Augen nicht von dem toten Geschöpf lösen, dessen Züge sich mehr und mehr entspannten. Marie war gestorben, woran auch immer, aber im Tode sah sie aus wie

ein Engel. Eine Woche später wurde Marie beerdigt. Ihre Großeltern hatten darum gebeten, nur ausgewählte Freunde der Familie möchten der Beisetzung folgen. So standen wir zu siebt um das offene Grab, das in wenigen Minuten Maries sterbliche Hülle für immer aufnehmen sollte. Die Träger nahmen Maries Sarg auf, aus dem plötzlich lautes Toben zu hören war. Alle waren zu Tode erschrocken. Keiner der Anwesenden sprach. Der Totengräber öffnete den Sarg - er war leer.

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Hörbuch

Über den Autor

cassandra2010

Hum... Ich habe Troja brennen sehen...soll ich noch mehr sagen? Aber nachdem der Rauch sich verzogen hatte, musste ich die langen Jahrhunderte standesgemäß hinter mich bringen und so gewöhnte ich mir an, viele gute und auch mal weniger gute Bücher zu lesen, Musik zu hören und zu machen, im Garten zu pütschern, zu schreiben...Jau, das wär's dann mal.

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Poesiefluegel Lass mich raten WW hatte seine Finger im Spiel? Nur so kann ich mir das Tosen in dem leeren Sarg vorstellen.
LG Grit
Vor langer Zeit - Antworten
cassandra2010 
Liebe Grit, es ist ein Hinweis auf einer der vorangegangenen Seiten versteckt.
LG
Cassy
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Seltsame Geschichte. Seltsame Marie. Hinterlässt ne Menge Fragen. Braucht wirklich ne Fortsetzung.
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
cassandra2010 
Nö, Harry. Die "Leerstellen" sind vom Leser zu füllen. Google mal ein wenig herum.
LG und danke für die Dublönen
Cassy
Vor langer Zeit - Antworten
schnief Eine spanndende, gut verfasste Geschichte!!
Klasse .
Liebe Grüße Manuela
Zum Inhalt sag ich nichts, lest es selbst!
Vor langer Zeit - Antworten
KaraList Gstaad war vielleicht nicht der Ort, an dem Marie die letzten Jahre verbracht hat. :-) ... und sind ihre Eltern nicht bei einem Autounfall ums Leben gekommen ... jetzt wünschen sie eine Beisetzung im Familienkreis. Eine mysteriöse Familie!
Auf jeden Fall spannend zu lesen.
LG
Kara
Vor langer Zeit - Antworten
cassandra2010 Mööönsch... Danke für den Hinweis, es sind natürlich die Großeltern! So ein Lapsus

LG
Cassy
Vor langer Zeit - Antworten
Feedre eine tolle Story, hab sie mit Spannung gelesen.
Supi...:-)))
lieben Gruß
Feedre
Vor langer Zeit - Antworten
Friedemann 
Liebe Cassy,
ein sehr interessanter und wirklichkeitsnaher Beitrag aus dem prallen Leben, in dem sich – abgesehen vom Ende – die Vorgabewörter schlicht verstecken, so treffend wie sie in den Text eingebunden sind. Insbesondere die Klingelstreiche erinnerten mich sogar authentisch an meine eigene Kindheit. Schön zu lesen.

Liebe Grüße,
Friedemann
Vor langer Zeit - Antworten
cassandra2010 

Um es gleich vorweg zu sagen:

Die Durchreiche habe ich nicht untergebracht, die passte nicht in meine Geschichte. Aber wir sind ja auch nicht bei Porta oder Roller, gell?

LG
Cassy vonne Jury
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