Sie
Dieser Text stammt aus dem Jahr 2015 und gewann das 38. Forumbattle.
Sie
'WAS FÜR EIN TAG!', schrie ich innerlich und hieb auf das Lenkrad meines Volvo.
Freitagabend, kurz nach 6. Die Straßen von Stockholm verstopft wie Abwasserrohre. Den Abstecher zur 'HÖLLE' könnte ich Zuhause mit einem Stau auf der Ursäktgatan erklären. Das schien mir glaubwürdig und so verließ ich blinkend und wild hupend die Hauptverkehrsstraße.
In mir regte sich das unwillkommene
Gefühl moralischer Bedenken, doch mein kleiner Mann stand bereits kerzengerade. Ich konnte schon die Schlagzeilen sehen:
LEITENDER BEAMTER DER SÄKERHETSPOLISEN IST STAMMGAST IM DRECKIGSTEN PUFF DER STADT!
Was ich hier tat, war mehr als nur brisant. Noch einen Moment lang ließ ich diese Überlegungen zu und wischte sie dann mit nur einem Gedanken an sie weg.
Die 'HÖLLE' war entgegen der öffentlichen Meinung ein vornehmes
Etablissement und einige Frauen dort hatten durchaus Klasse; jedenfalls sagte ich mir das. Bevor ich ausstieg, klappte ich die Sonnenblende herunter und betrachtete mich im Spiegel. Zwei graue Augen in einem vorzeitig gealterten, aber immer noch ansehnlichen Gesicht erwiderten meinen Blick. Ich fuhr mir durch die Haare und nahm ein Pfefferminz aus dem Handschuhfach.
Draußen zerrte eine heftige Böe an meinem Mantel, als wolle sie mich davon abhalten weiter zu gehen. Doch ich hatte mich längst entschieden und trat ein.
Während die 'HÖLLE' von außen einen
schlichten Eindruck machte, war sie innen exklusiv eingerichtet. Gemäß ihres Namens in einem dunklen Rotton gehalten, vermittelte schon der Eingangsbereich ein Gefühl von Intimität. Schnell durchschritt ich ihn und setzte mich an den Tresen. Die Bardame schenkte mir ein; man kannte mich hier.
Ohne das ich sie hörte oder sah, wusste ich, dass sie da war. Sie roch nach Marc Jacobs Honey. Ich drehte mich um und musste lächeln. Ihre dunkle Haut schluckte das diffuse rote Licht und glomm. Sie sah mich an und lächelte dann auch.
„Du grinst wie ein dummer Junge.“, sagte sie und trat näher. Ich grinste nur noch breiter. „Und du ein wenig gequält.“, erwiderte ich. „Es ist nicht immer leicht ...“, setzte sie an, doch ich unterbrach sie: „Nicht heute Nacht.“ Ich fasste sie an den Händen. „Darf ich um diesen Tanz bitten?“, fragte ich ironisch. „Ja, du Idiot.“, lachte sie. Sie zog mich auf die Tanzfläche und ich drehte sie. Dann drückte ich sie eng an mich. Wollüstig küsste ich ihren Hals. Sie löste sich jedoch und vollführte eine eigene Drehung. Ihre Beine hypnotisierten mich. Sie tanzte weiter, sprang, drehte sich. Bald war ihre Haut ganz feucht und
glänzte vor Schweiß. Ich befreite mich aus meiner Trance und zog sie wieder an mich. Ich wollte sie, hier und jetzt. Sie jedoch, sah mich nur an. „Wen parodieren wir hier?“, fragte sie. Gerade noch zitterte ich vor Ekstase, jetzt erwachte ich wie aus der Matrix. Langsam nickte ich und drückte sie lange an mich. Dann erwiderte ich ihren Blick und verlor mich in ihren Tigeraugen.