Humor & Satire
Früher? War mehr Lametta!

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"Früher? War mehr Lametta!"
Veröffentlicht am 22. Dezember 2020, 12 Seiten
Kategorie Humor & Satire
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Über den Autor:

Hum... Ich habe Troja brennen sehen...soll ich noch mehr sagen? Aber nachdem der Rauch sich verzogen hatte, musste ich die langen Jahrhunderte standesgemäß hinter mich bringen und so gewöhnte ich mir an, viele gute und auch mal weniger gute Bücher zu lesen, Musik zu hören und zu machen, im Garten zu pütschern, zu schreiben...Jau, das wär's dann mal.
Früher? War mehr Lametta!

Früher? War mehr Lametta!

2020 ist ein kreuzblödes Jahr. Nicht nur wegen Covid19, aber auch. Die Principessa gehört ja nun beileibe nicht zu den Dauernörglern, die das Jetzt an der Nörgellatte des Früher messen, weiß Zeus nicht! Aber seien wir doch ehrlich – gibt es denn heute noch humoristische, gar satirische Genies wie den großartigen Vico von Bülow? Wer von uns kennt nicht mindestens ein Zitat aus seinem umfangreichen Schaffen, welches von Knollennasenträgern in die deutschen Fernsehhaushalte geschmettert, gesäuselt, genörgelt, gejammert wurden? Ja, ich bekenne vor ARD und ZDF: Früher

WAR mehr Lametta! Allein der Weihnachtsklassiker mit Familie Hoppenstedt … Dickie, Opa, Mama und Papa... Welche der Episoden mir die liebste ist, könnte ich auf Anhieb gar nicht sagen – das Atomkraftwerk zum Selberbauen? Opa Hoppenstedt, der weder über Alter noch Geschlecht des Enkelkindes Auskunft geben kann... auf die Frage der Verkäuferin, ob das Kind denn ein „Zipfelchen“ habe, antwortet er empört: „Mein Enkelkind hat alles, was es braucht!“ Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen - ein Zipfelchen in einer Weihnachtsgeschichte! Holleri du dödl di. Der vorgeschlagene Modellbaukasten "Wir bauen uns ein Atomkraftwerk", das Modell eines

Atomkraftwerks zum Selberbauen, das „puff“ macht, wenn einem beim Aufbau ein Fehler unterläuft. Was natürlich am Weihnachtsabend prompt passiert und Mama Hoppenstedt entzückt feststellen lässt:„Schau mal Dickie, wir bauen uns ein Atomkraftwerk. Da sind Bäume und Häuser und Kühe, die möchten gerne ein schönes Atomkraftwerk haben.“ Und Papa bemerkt: „Wenn wir was falsch gemacht haben, dann soll es jetzt Puff machen.“ Opa indes, der lieber Militärmärschen statt Weihnachtsliedern lauschen möchte, mosert:„Früher war mehr Lametta“. Und die durchgeknallten Vertreter, die Mutter Hoppenstedt heimsuchen und zudem zum Schmieren von Schnittchen („mit Lachs“)

drängen: Weinvertreter Blümel, der ihr verschiedene Weine von zweifelhafter Qualität („abgezapft und original verkorkt von Pahlgruber & Söhne“) zum Probieren anbietet und dabei selbst eine Probe nach der anderen verkostet. Der nächste, Staubsaugervertreter Jürgens, bewirbt den Saugblaser Heinzelmann („Es saugt und bläst der Heinzelmann, wo Mutti sonst nur saugen kann.“) - wir alle kennen den Versprecher, den sich Mama H., inzwischen angesäuselt, leisten wird, den ich mir aber bewusst verkneife, man ist ja schließlich gut erzogen, gell? Und das sa-gen-haf-te Ungedicht „Advent“, das ich in all seiner bösen Schönheit im

Volltext zu Gehör bringen möchte: Es blaut die Nacht. Die Sternlein blinken. Schneeflöcklein leise niedersinken. Auf Edeltännleins grünem Wipfel häuft sich ein kleiner weißer Zipfel. Und dort, vom Fenster her durchbricht den dunklen Tann' ein warmes Licht. Im Forsthaus kniet bei Kerzenschimmer die Försterin im Herrenzimmer. In dieser wunderschönen Nacht hat sie den Förster umgebracht. Er war ihr bei der Heimes Pflege des längeren schon sehr im Wege.

So kam sie mit sich überein: Am Niklausabend muss es sein. Und als das Rehlein ging zur Ruh', das Häslein tat die Augen zu, Erlegte sie - direkt von vorn- den Gatten über Kimm' und Korn. Vom Knall geweckt rümpft nur der Hase zwei-, drei-, viermal die Schnuppernase. Und ruhet weiter süß im Dunkeln, Derweil die Sternlein traulich funkeln. Und in der guten Stube drinnen, da läuft des Försters Blut von hinnen.

Es blaut die Nacht. Die Sternlein blinken. Schneeflöcklein leise niedersinken. Auf Edeltännleins grünem Wipfel häuft sich ein kleiner weißer Zipfel. Und dort, vom Fenster her durchbricht den dunklen Tann' ein warmes Licht. Im Forsthaus kniet bei Kerzenschimmer die Försterin im Herrenzimmer.


Nun muss die Försterin sich eilen, den Gatten sauber zu zerteilen. Schnell hat sie ihn bis auf die Knochen nach Waidmanns Sitte aufgebrochen.



Voll Sorgfalt legt sie Glied auf Glied - was der Gemahl bisher vermied - Behält ein Teil Filet zurück, als festtägliches Bratenstück. Und packt zum Schluss, es geht auf vier die Reste in Geschenkpapier. Da dröhnt's von fern wie Silberschellen. Im Dorfe hört man Hunde bellen. Wer ist's, der in so tiefer Nacht im Schnee noch seine Runde macht? Knecht Ruprecht kommt mit gold'nem Schlitten auf einem Hirsch herangeritten!

»He, gute Frau, habt ihr noch Sachen, die armen Menschen Freude machen?« Des Försters Haus ist tief verschneit, doch seine Frau steht schon bereit: »Die sechs Pakete, heil'ger Mann, 's ist alles, was ich geben kann!« Die Silberschellen klingen leise. Knecht Ruprecht macht sich auf die Reise. Im Försterhaus die Kerze brennt. Ein Sternlein blinkt: Es ist Advent.

*** Chapeau, Loriot! Einen Vers wie „Voll Sorgfalt legt sie Glied auf Glied - was der Gemahl bisher vermied“ in ein Weihnachtsgedicht zu packen, zeugt von allerhöchstem Witze! Und auch die Heiligabendkatastrophen wissen zu gefallen: das explodierende AKW reißt ein Loch in den Fußboden, was die darunter wohnenden Mieter nicht gerade erbaut, beim Öffnen der Wohnungstür kommt den Hoppenstedts eine Geschenkpapierlawine entgegen, sodass sie ihres nicht mehr vor der Tür entsorgen können – mit Witz und Augenzwinkern entlarvt Loriot die Marotten und kleinen Sünden von uns

Bundesbürgern. Aber auch die Frauenbewegung kommt beim Meister nicht zu kurz: Mama Hoppenstedt verweist, leicht angeschickert, auf die ihr wichtige Selbstständigkeit, die sie sich von ihrem „Jodeldiplom“ erhofft: „Auch ich als Frau habe Anspruch darauf, ein Glied zu sein … in der Gesellschaft“. Na dann: Fröhliche Weihnachten Euch allen!

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Hörbuch

Über den Autor

cassandra2010

Hum... Ich habe Troja brennen sehen...soll ich noch mehr sagen? Aber nachdem der Rauch sich verzogen hatte, musste ich die langen Jahrhunderte standesgemäß hinter mich bringen und so gewöhnte ich mir an, viele gute und auch mal weniger gute Bücher zu lesen, Musik zu hören und zu machen, im Garten zu pütschern, zu schreiben...Jau, das wär's dann mal.

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baesta Ich habe ein ganzes DVD-Album von Loriot. Das schaue ich mir immer mal wieder an, wenn mir die ganzen Coronahypen auf den Nerv gehen. Da kommrt wenigstens keine blöde Werbung. Mir scheint, die Menschen sind schön gänzlich humorlos geworden. Ist schon eine komische Zeit geworden. Jeh geringer der Glaube an die eigene natürliche Intelligenz, desto größer scheint das Vertrauen in die künstliche zu sein.
Jetzt mag ich aber auch den scharfzüngigen Urban Priol.
Rutsch gut ins Neue.

LG Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
cassandra2010 
Recht haste, liebe Bärbel! Und den Max Uthoff nicht zu vergessen. Hab mir seinen bissigen und entlarvenden Beitrag gestern Abend mit Vergnügen angeschaut:
https://www.3sat.de/kabarett/3satfestival/max-uthoff-moskauer-hunde-102.html

Komm gut nach 2021!
Cassy
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Ich mag fast alle Kabarettisten, auch Dieter Nuhr gehört dazu, der meist den Finger in die Wunde legt. Habe gestern alles auf 3Sat angeschaut.
LG Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
Newcomer Liebe Principessa,
Loriot war ein sehr intelligenter Mann. Daher war es für ihn einfach die Schwächen der Menschen schonungslos offenzulegen. Doch heute sind intelligente Menschen zu gefährlich, da sie schnell begreifen, was denn alles im Staate schiefläuft. Solchen Menschen gibt man lieber keine Plattform mehr, bis auf die wenigen, die schon da sind. Aber das muss auch reichen!! Nicht wahr?? Wo kommen wir denn dahin, wenn wir stündlich daran erinnert würden, welche Fehler gemacht wurden!!
In diesem Sinne wünsche ich dir feucht fröhliche Weihnachtstage *hicks* abgezapft und verkorkt von Pahlgruber & Söhne.

Liebe Grüße sendet dir * di dudel di dö*
Marko
Vor langer Zeit - Antworten
cassandra2010 

... und dazu einen Teller Schnittchen, mit Lachs! Es saugt und bläst der Heizelmann, wo Mutti sonst nur.... nun ja;))

LG
Cassy
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Offensichtlich hat irgendein Programmm - Bevolmächtigter deiner Worte angenommen. Hoppenstedts mal wieder geguck. Ard und NDR. Was ein lustiges Wunder. Ich brauch dann mal Bitte die Lottozahlen, Cassy!!!
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
cassandra2010 
LINDEMANN: (hat die Tätigkeit des Teams irritiert verfolgt) Ich heiße Erwin Lindemann, ich bin 500.000 Jahre ... halt ... falsch ... REGISSEUR: Ganz ruhig ... gleich nochmal ... ohne Klappe ... LINDEMANN: Ich heiße Erwin Lindemann ... ich bin Rentner und 66 Jahre ... (Das Licht geht aus.)
LINDEMANN:... mit meinem Lottogewinn von 500.000 D-Mark mache ich erst einmal eine Reise nach Island, dann fahre ich mit meiner Tochter nach Rom und besuche eine Papstaudienz, und im Herbst eröffne ich dann in Wuppertal eine Herren-Boutique ...
REGISSEUR: Aus! ... was ist denn das nun wieder?!
BELEUCHTER: Guck mal nach der Sicherung ...
TONMEISTER: Der Ton läuft!
KAMERAMANN: Kamera auch! ... und die Birnen?
BELEUCHTER: Weiß nicht ... sind noch zu heiß ... ah! ... Der Stecker is‘ raus! (Das Licht geht an.)
LINDEMANN:War es so richtig?

Dein Wunsch war mir, wie stets, Befehl, mon cher Harry! Und liebben Dank fürs Lametta~~~

Zickezacke Hühnerkacke!
Cassy
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Am genialsten find ich ja: "Oh, ein Klavier,... ein Klavier!" die sechunddreissigste, Vater filmt, Familie muss sich freuen.
Schöne Restfeiertage.
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
cassandra2010 
Ja, ohne Zweifel; aber auch:

„Ich hätte gerne für die Zauberflöte, erste oder zweite Reihe Mitte vier Plätze. Drei Erwachsene und ein Riesenschnauzer.“

„Ich sitze gern mal ohne Wasser in der Wanne.“
„Wenn Sie die Ente hereinlassen, lasse ich das Wasser hinaus.“

„Das Ei ist hart.“
„Eine Hausfrau hat das im Gefühl.“
„Vielleicht stimmt da mit deinem Gefühl was nicht.“

„Ich gehe nach den Spätnachrichten der Tagesschau ins Bett – "Aber der Fernseher ist doch kaputt" – "Ich lasse mir von einem kaputten Fernseher nicht vorschrieben, wann ich ins Bett zu gehen habe.“

UND natürlich: „Sagen Sie jetzt nichts, Hildegard!“


Schönen Feiertag noch, Harry
Cassy
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR Liebe Cassy, bei vielen deiner Beispiele gehobener weihnachtlicher Unterhaltung kann ich gar nicht mitreden, aber das Atomkraftwerk zum Selberbauen ist natürlich der ultimative Kracher zum Schlapplachen! Ansonsten war mein Internat im lieblichen Fläming kein humanistisches Gymnasium, sondern eine Oberschule mit erweitertem Russischunterricht.
Sicher war im Deutschunterricht auch mal von griechischer Mythologie die Rede, doch ohne jedweden Ansporn zum Erwerb profunderer Kenntnisse .
Und in meinem Studium standen auch keine schöngeistigen Fächer auf der Stundentafel ...
So muss ich dir also gestehen, dass du mit deinen feingeschliffenen und hintergründigen Texten bei mir die Perlen vor die Säue wirfst, wie man so schön sagt.
Ich wünsche dir und Charlie jedoch von Herzen wunderschöne und kuschelige, in jeglicher Hinsicht genussreiche Weihnachtstage!
Liebe Grüße
fleur
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