Romane & Erzählungen
Veilchen

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"Veilchen"
Veröffentlicht am 13. Februar 2009, 4 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Über den Autor:

Ich bin eher introvertiert, liebe die Menschen, die Natur - die Literatur seit ich lesen kann (bin eine echte Leseratte) und schreibe auch selbst sehr gerne.
Veilchen

Veilchen

VEILCHEN

 


Wenn ich nachdenke, welche Blumen die schönste und stärkste Erinnerung in mir wachrufen, so fällt mir spontan ein Sonntag im Frühjahr 1944 ein – und mit ihm Veilchen! Es war das letzte Kriegsjahr. Mutti und ich waren auf dem Weg in die Kirche, als Fliegeralarm einsetzte. Mit vielen anderen Leuten rannten wir in den nahe gelegenen Bunker am Stadtrand von Mürzzuschlag. In einen hohen Felsen, den Kaiserstein, waren zwei Stollen geschlagen, die damals als Luftschutzkeller dienten. Durch ein großes Loch drängten alle in die riesige Höhle. Da drinnen aber war´s schaurig. Dumpfe, modrige Luft schlug uns entgegen. Der Boden war glitschig und mit Unrat übersät. Eng aneinander gedrückt standen wir bang wartend in dieser Höhle, als die Sirene abermals die Stille des Sonntags zerriss. Entwarnung! Wieder großes Gedränge – dann standen wir im Freien. Rechterhand führte der Weg der Mürz entlang in die Stadt. Doch meine Mutter nahm mich bei der Hand und wandte sich nach links, in die Au. Der Himmel war rein und blau. Die Sonne lachte herab, als ob die Welt in Ordnung wäre und ein sanfter Frühlingswind streichelte mein Gesicht. Wir betraten den Buchenwald. Leise rauschte es in den zartgrünen Blättern und Zweigen. Unzählige Vogelstimmen sangen das Lob Gottes. Durch das Blätterdach der hohen, schnurgeraden Buchen fiel das Sonnenlicht in schrägen Streifen, tanzte über den Boden und verzauberte den Wald in ein kleines Paradies. Spinnennetze, die in den Zweigen hingen, funkelten wie feinstes Silberfiligran, sobald sie ein Sonnenstrahl traf. Ich meinte, den lieben Gott zu spüren – und hielt den Atem an. Weiter drinnen im Wald war der Boden übersät mit blühenden Veilchen. Sicher waren es die ersten tapferen, kleinen Frühlingsblumen, die ich in solcher Menge sah. Wie auf einem Teppich für mich gestreut! Ich hatte noch nie etwas Schöneres gesehen! Selig lief ich hin und her. Alle Blumen musste ich mir ansehen und daran riechen. Ein kleines Sträußchen durfte ich mit nach Hause nehmen. Und diese Veilchen in einem sonnendurchfluteten Buchenwald an einem Ostersonntag vor ein paar Jahrzehnten sind mir deutlicher in Erinnerung geblieben als alles andere, als die Angst und das Grauen während der Flieherangriffe. In unglaublicher Fülle sehe ich sie heute noch überall aus dem Boden sprießen. Sehe mich selbst, sechsjährig und beeindruckt von dieser Schönheit, von Blüte zu Blüte laufen. Diese Erinnerung und die Freude, die ich damals empfand, begleiteten mich all die Jahre meines Lebens und ließen mich immer wieder hoffen und an Wunder glauben ..... Mag sein, dass aus diesem Grunde die Usambara-Veilchen heute meine Lieblingsblumen sind.

 

Copyright  I. Höttinger

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mukk
Ich bin eher introvertiert, liebe die Menschen, die Natur - die Literatur seit ich lesen kann (bin eine echte Leseratte) und schreibe auch selbst sehr gerne.

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Markus ***************** - ich war heute schon auf der Suche nach den kleinen Frätzchen, still und sacht schieben sich ihre ersten Blätter durch das vorjährige Laub wie immer an gleicher Stelle wie all die Jahre zuvor

wer das Veilchen hat entdeckt,
den hat der Frühling aufgeweckt

lieben gruß
markus
Vor langer Zeit - Antworten
Gerbera eine schöne Geschichte - so wie in Deiner Geschichte mit Alarm und Bunker ist es mir auch ergangen.Die Angst,die wir damals hatten,blieb lange in mir.
und Veilchen mag ich auch sehr,wenn sie im Frühling aus dem Gras blinzeln,das ist so ein schönes Bild,ich muß es jedesmal fotografiern,und der wunderbare Duft--- ach wäre es doch schon soweit.Doch es muß auch Winter werden.
liebe Grüße
Helga
Vor langer Zeit - Antworten
Luap Veilchen - Als Kind ist man besonders offen für die bezaubernde Natur - schön, dass es dir gelungen ist, diese Offenheit beizubehalten, sie ist ein grosses Geschenk!

Herzliche Grüsse
Paulchen
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Re: Heidis ... -
Zitat: (Original von Gunda am 09.11.2009 - 14:19 Uhr) .. wunderschönem Kommentar ist eigentlich nichts hinzuzufügen, liebe Ingrid. Ähnliches dachte ich nämlich auch: Dass das Schöne in der Erinnerung überwiegt, ist in diesem Fall sicherlich auch deiner Mutter zu verdanken.

Lieben Gruß
Gunda



Liebe Gunda, auch Jürgens Kommentar mag seine Richtigkeit haben - dass diese überwältigend starken Glücksgefühle durch die überstandene Angst ausgelöst wurden und das Grauen ausgelöscht, zumindest verdrängt haben.
Meine Mutter hat liebevoll gehandelt und für Entspannung und emotionalen Ausgleich gesorgt, sie war eine wunderbare Frau. Glücklich, wenn man selbst in schwierigsten Zeiten so eine behütete Kindheit erleben darf.
Liebe Gunda, danke dir herzlich und sei allerliebst gegrüßt
Ingrid
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Re: Veilchen -
Zitat: (Original von Shari am 09.11.2009 - 13:57 Uhr) und Mutterliebe... Deine Mutter hat etwas ganz kostbares getan, wovon Du im Grunde Dein ganzes Leben lang zehren kannst. Nach der grossen Angst Dich hinaus in´s Grüne zu nehmen in eine liebliche, heile Welt - Balsam für eine Kinderseele... Jedes Blümchen war da ein Friedensbote und Hoffnungsträger... Einfach nur schön

Liebe Grüsse
Deine Heidi


Liebe Heidi, treffender und schöner kan man meine kleine Geschichte nicht kommentieren. Ich danke dir von ganzem Herzen. Meine Mutter war wirklich eine wunderbare Frau. Glücklich, wenn man selbst in schwierigsten Zeiten so eine behütete Kindheit erleben durfte.
Mit den allerliebsten Grüßen
deine Ingrid
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Re: Veilchen -
Zitat: (Original von Shari am 09.11.2009 - 13:57 Uhr) und Mutterliebe... Deine Mutter hat etwas ganz kostbares getan, wovon Du im Grunde Dein ganzes Leben lang zehren kannst. Nach der grossen Angst Dich hinaus in´s Grüne zu nehmen in eine liebliche, heile Welt - Balsam für eine Kinderseele... Jedes Blümchen war da ein Friedensbote und Hoffnungsträger... Einfach nur schön

Liebe Grüsse
Deine Heidi


Liebe Heidi, treffender und schöner kan man meine kleine Geschichte nicht kommentieren. Ich danke dir von ganzem Herzen. Meine Mutter war wirklich eine wunderbare Frau. Glücklich, wenn man selbst in schwierigsten Zeiten so eine behütete Kindheit erleben durfte.
Mit den allerliebsten Grüßen
deine Ingrid
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Re: einfach nur schön -
Zitat: (Original von timeless am 09.11.2009 - 16:12 Uhr) wie schön und unbedarft, darf man doch in der Kindheit sein. Die Sorge und die Angst der Mutter und dann dieses Geschenk für das Kind. Ich glaub dir gerne, daß du das niemals vergisst.
Liebe Grüße Ute


Liebe Ute, danke dir für deinen lieben Besuch und das Lesen! Vielleicht ist es so, wie Boris schreibt? Meine Mutter jedenfalls hat wunderbar reagiert und für Entspannung und einen emotionalen Ausgleich gesorgt. Sie war eine wunderbare Frau!!
Mit ganz lieben Grüßen
Ingrid
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Re: wunderbar beschrieben -
Zitat: (Original von Boris am 09.11.2009 - 16:09 Uhr) und vielleicht ist es die starke Angst,
die uns die Reinheit der Natur so überwältigend erscheinen lässt.

LG Boris


Lieber Jürgen, es wird wohl so sein, dass die überstandene Angst diese überwältigend starken Glücksgefühle ausgelöst und das Grauen damit ausgelöscht, zumindest etwas verdrängt hat. Es ist ja oft so, dass uns das Schöne weit intensiver in Erinnerung bleibt.
Mit ganz, ganz liebem Gruß
Ingrid
Vor langer Zeit - Antworten
UteSchuster einfach nur schön - wie schön und unbedarft, darf man doch in der Kindheit sein. Die Sorge und die Angst der Mutter und dann dieses Geschenk für das Kind. Ich glaub dir gerne, daß du das niemals vergisst.
Liebe Grüße Ute
Vor langer Zeit - Antworten
Boris wunderbar beschrieben - und vielleicht ist es die starke Angst,
die uns die Reinheit der Natur so überwältigend erscheinen lässt.

LG Boris
Vor langer Zeit - Antworten
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