Biografien & Erinnerungen
'ne Hexe unterm Weihnachtsbaum

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"'ne Hexe unterm Weihnachtsbaum"
Veröffentlicht am 14. Dezember 2020, 16 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
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Über den Autor:

1953 wurde ich in Husum geboren. Ich bin an der Nordsee und in Frankfurt aufgewachsen. Meine große Leidenschaft sind die Literatur und das Schreiben. Zahlreiche Gedichte und Geschichten von mir haben in Anthologien und Gemeinschaftsbüchern ihren Platz gefunden. Seit zehn Jahren schreibe ich Romane, von denen bislang sieben veröffentlicht wurden. In meinen Büchern zeichne ich menschliche Grenzsituationen, die immer von einem Funken Hoffnung ...
'ne Hexe unterm Weihnachtsbaum

'ne Hexe unterm Weihnachtsbaum

'ne Hexe unterm Weihnachtsbaum

Es war im Jahr 1969, zwei Tage vor Heiligabend. Im Sommer war meine Oma gestorben, und Opa verbrachte das erste Mal ein Weihnachten ohne sie. Nach gutem Zureden hatte er sich entschlossen, zu uns zu kommen. Er weilte schon eine Woche hier und brachte in unserem kleinen Haushalt so einiges durcheinander, denn Opa war – sagen wir mal – spontan und speziell. Seit er bei uns weilte, war er sehr unruhig, fragte dauernd, ob die Post dagewesen war. „Erwartest du was?“ Ich verstand seine

Unruhe nicht. „Kann sein, kann nicht sein.“ Nach dieser kryptischen Äußerung wuselte er weiter durch unsere kleine Wohnung. Es nervte. An diesem Montag ging er selbst hinunter zum Briefkasten, brachte aber keine Post mit hinauf. „Muss noch mal raus“, sagte er kurze Zeit später und verschwand, angeblich, um einen längeren Spaziergang zu unternehmen. Ich machte mir Sorgen, weil er bei Einbruch der Dunkelheit noch nicht zurück war. Irgendwann am Spätnachmittag klingelte es, aber als ich den Türöffner betätigt hatte, kam

niemand nach oben. Plötzlich hörte ich ein Rufen durchs Treppenhaus. „Komm mal runter! Bring Geld mit!“ Opa! Was hatte er wieder angestellt? Ich rannte die vier Stiegen hinunter, den Geldbeutel in der Hand und hoffte, dass ich nicht Unsummen bräuchte, um Opa irgendwo auszulösen. Meine Gedanken waren goldrichtig. Er stand an der Straße neben einem Taxi. Der Fahrer, leicht genervt, trat von einem Bein aufs andere, und seinen Unmut konnte man an der Stirn ablesen. „Hast du 20 DM?“ Opa war nervös. Etwas irritiert kramte ich nach den Scheinen. Es reichte zum Glück. Auf ein Trinkgeld musste der Taxifahrer

verzichten, was seine Laune nicht besserte. Ohne Gruß rauschte er davon. Nun gewahrte ich auch die Kiste am Straßenrand. „Opa, was hast du angestellt?“, fragte ich energisch. „Hilf mir erst einmal, das da nach oben zu bringen!“, meinte er bestimmt, und so schleppten wir die Kiste die vier Stiegen hoch. Opa war mit seinen achtzig Jahren zwar noch sehr mobil, aber als wir oben ankamen, keuchte er vor Anstrengung. Die Kiste stand im Wohnzimmer, und plötzlich hörte ich es. Ein leises, klägliches Fiepen, ein Winseln. Ich ahnte Schreckliches, das jedoch zugleich in mir eine freudige Erwartung auslöste.

„Mensch Opa, du hast doch nicht etwa ...“ Er hatte. Grinsend, die Hände reibend, stand er da und nickte. „Sie sollte früher kommen. Ich war schon bange, dass es zum Weihnachtsfest nicht mehr klappt. Komm, wir machen auf. Die Lütte muss da raus, die Fahrt war sicher sehr beängstigend für sie. Sind ja ein paar Stunden von Hamburg bis Frankfurt.“ Opa öffnete die Kiste, und drinnen saß ein winziges Häufchen von Dackelhund, besser Dackelhündin, die uns mit großen Augen anschaute. „Sie heißt Josha vom Geiersitz“, berichtete Opa stolz, „ist eine Adlige

und mein Weihnachtsgeschenk für euch.“ Er hatte das Häufchen schon aus der Kiste geholt und auf den Teppich gesetzt. Ich war platt. „Opa, das kannst du nicht machen. Was sollen wir mit einem Hund?“ Kurz dachte ich an meine Mutter, wischte aber diesen Gedanken rasch beiseite. Mein Herz flog dem winzigen Geschöpf zu, diese großen Dackelaugen, das feuchte Schnäuzchen, die tapsigen Bewegungen ... ich war hin und weg. „Du wolltest doch immer einen Hund“, meinte Opa zufrieden. „Jaaa“, stimmte ich zu, „aber da war ich neun ... und eigentlich schenkt man keine Tiere zu

Weihnachten.“ Die adlige Josha brauchte nicht lange, um sich zu akklimatisieren und zeigte sich mitnichten adelig. Als Mama nach einer halben Stunde heimkam, hatte sich das kleine Dackeltier die Decke gekrallt, die auf dem Sofa lag, einen See auf dem Teppich hinterlassen und Mamas Hausschuh durch die Gegend gezerrt. An diesem Abend zogen Opa und ich alle Register, um Josha meiner Mutter näher zu bringen. Sie kannte ihren Vater, der des Öfteren verrückte Dinge tat, mit großem Herzen, aber meist ohne zu überlegen. Nun saßen wir in einer Zweizimmer - Mietwohnung im vierten

Stock mit einem Dackelhund und das zwei Tage vor Weihnachten. Josha blieb, vorerst, wie Mama sagte. Nach Weihnachten würde man sehen. „Aber Josha, das passt nicht zu ihr“, meinte meine Mutter, „sie ist ja eine richtige kleine Hexe.“ Von da an hatte das Hundekind seinen Namen weg. Ich änderte das noch in Hexi, denn Hexe, das schien mir zu streng. An diesem Abend und auch die folgenden Tage rannte ich alle halbe Stunde mit Hexi unterm Arm nach draußen, damit sie ihr Bächlein und ihr großes Geschäft machen konnte. Meine Mutter kochte Hackfleisch, mischte Hundeflocken für Welpen darunter und

ich merkte, wie sie ganz ernsthaft bei der Sache war. Am Dienstag kauften wir noch Leine, Hundekörbchen, Fressnäpfe, was den Weihnachtsgeldbeutel meiner Mutter ziemlich schmälerte. Opa war für diesen Monat pleite, kein Wunder, wenn man als Rentner einen Dackel mit edlem Stammbaum aus einer Zucht kauft. Die ersten Nächte waren unruhig, denn Hexi vermisste wohl ihre Wurfgeschwister und ihre Mutter. Aber eine Wärmflasche im Körbchen und Mamas Hand, die nachts immer zur Beruhigung diente, schafften Abhilfe. Am Heiligabend saßen wir zu dritt um den Weihnachtsbaum. Hexi legte sich wie

selbstverständlich zwischen die bunten Päckchen und war zufrieden. Keine Rede mehr davon, dass Mama sie loswerden wollte. Hexi war uns siebzehn Jahre lang eine treue Begleiterin, besonders meiner Mutter, als ich auszog. Insgeheim schickten wir beide öfter einen Dank an Opa, der uns dieses wunderbare

Geschöpf ins Haus gebracht hatte.








Impressum

Text und Coverbild: Enya Kummer

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Hörbuch

Über den Autor

Enya2853
1953 wurde ich in Husum geboren. Ich bin an der Nordsee und in Frankfurt aufgewachsen. Meine große Leidenschaft sind die Literatur und das Schreiben. Zahlreiche Gedichte und Geschichten von mir haben in Anthologien und Gemeinschaftsbüchern ihren Platz gefunden. Seit zehn Jahren schreibe ich Romane, von denen bislang sieben veröffentlicht wurden. In meinen Büchern zeichne ich menschliche Grenzsituationen, die immer von einem Funken Hoffnung begleitet werden. Letztes Jahr wurde mein erstes autobiografisches Werk veröffentlicht: Wenn der Raps blüht.
Zurzeit arbeite ich an der Fortsetzung. Arbeitstitel: Storchenjahre.
Ich habe Mathematik, Psychologie und Pädagogik studiert und war im Bildungsbereich tätig.
Inzwischen genieße ich das Rentendasein und die Beschäftigung mit meinen Enkelkindern. Ich bin außerdem als Lektorin und Korrektorin tätig.

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Annabel du schreibst so bezaubernd. Ganz besonders gern gelesen. Werde ich meinen Enkeln vorlesen. Lieben Dank dafür. Herzlichst, Annabel
Vor langer Zeit - Antworten
Enya2853 Liebe Annabel, ich habe zu danken - fürs Lesen, deine lieben Worte und das Geschenkepaket. Ich freue mich sehr, dass ich dich mit der Geschichte erreichen konnte.
Einen schönen Tag wünsche ich dir.
Enya
Vor langer Zeit - Antworten
KaraList Von der Elbe an den Main ... Residenzwechsel einer "Blaublütigen" ...
Opa hat alles richtig gemacht, auch wenn es riskant ist, ein Tier an Weihnachten zu verschenken. Die junge Adlige hat einen Palast gefunden, in dem sie liebevoll aufgenommen wurde ... und das hat sie offenbar auch zu schätzen gewusst, wie der aufmerksame Blick auf dem Bild zeigt. :-)
Eine bezaubernde Weihnachtsgeschichte, liebe Enya.
Lieben Gruß und noch eine schöne Vorweihnachtzeit
Kara
Vor langer Zeit - Antworten
Enya2853 Lach, was für ein toller Kommi, liebe Kara, der Adligen hätte das sicher gefallen.
Ich glaube, sie hat wunderbar zu uns gepasst, denn es waren 17 sehr intensive Jahre, in denen sie unser Leben immer wieder bereichert hat.
Hab herzlichen Dank für alles.
Dir einen schönen Tag und herzliche Grüße
Enya
Vor langer Zeit - Antworten
cassandra2010 
Ja, Hunde sind keine Weihnachtsgeschenke.
Ja, in diesem Fall ist alles so vonstattengegangen, wie man es sich nur wünschen kann. Das hohe Alter der adligen Hexe zeigt, dass Ihr schließlich alles richtig gemacht habt...

Mein Charlie schickt Dir für diese WG ein fröhliches Wuff
Cassy
Vor langer Zeit - Antworten
Enya2853 Danke dir, Cassy und Charlie natürlich auch.
Hexi war schließlich ein Segen für uns, besonders noch viele Jahre für meine Mama, die durch den Hund einfach ganz viel Energie behalten hat und nicht so allein war.

Dir einen schönen Tag und liebe Grüße
Enya
Vor langer Zeit - Antworten
cassandra2010 

Jau, werde mir Mühe geben... der digitale Versandhandel hält mich so etwas von auf Trab, ich kann dir sagen!

Abgezapft und original verkorkt von Pahlgruber & Söhne
Cassy
Vor langer Zeit - Antworten
Feedre Auch mich erinnert deine ganz wunderbare Geschichte
an mein Pünktchen....sehr sehr herzerwärmende
Geschichte von dir liebe Enya....
ganz lieben Gruß von mir
Feedre
Vor langer Zeit - Antworten
Enya2853 Pünktchen, was für ein süßer Name.
Herzlichen Dank an dich, liebe Feedre.
Ich schicke dir liebe, aber leicht feuchte Grüße.
Hab einen schönen Tag.
Enya
Vor langer Zeit - Antworten
Feedre ja so wie er aussah...weißes Fell
mir schwarzen Pünktchen...:-))))
LgF
Vor langer Zeit - Antworten
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