Titel
Wenn ich nicht so schnell gewesen wäre und alles in einem Ritt abgearbeitet hätte, wäre ich nicht so schnell fertig gewesen, wäre länger auf Arbeit gewesen, wäre nicht in den Park gegangen und wäre so der Begegnung aus dem Weg gegangen. So aber hatte ich meine Arbeit schnell erledigt, durfte dafür eher gehen, ging in den Park, um die Frühlingssonne zu genießen und sah ihn, wie er glücklich Hand in Hand mit ihr spazieren ging.
Eigentlich geht es mich ja nichts an. Schließlich sind wir seit Jahren getrennt. Er kann tun und lassen was er will. Aber
es tut weh, ihn mit einer anderen zu sehen. Und daran bin nur ich alleine Schuld.
Vor wenigen Jahren hatte ich eine psychische Krise. Ich empfand mein Leben als öde und festgefahren. Jeder Tag war irgendwie gleich. Der Alltag hatte in unserer Beziehung eingeschlichen. Kurzerhand hatte ich mich von ihm getrennt und aus unserer Wohnung geschmissen, ohne Angabe von Gründen. Gleichzeitig schmiss ich meinen Job, da der mich auch ankotzte. Die nächsten Tage verbrachte ich damit, das ich mein altes Leben rausschmiss. Angefangen hatte ich mit meinem Kleiderschrank. Selbst meine absoluten
Lieblingsklamotten mussten dran glauben. In meinem alten Job hatte ich so gut verdient, das ich es mir locker leisten konnte, meinen Kleiderschrank neu zu befüllen. Doch die Befriedigung blieb aus. Also suchte ich mir eine neue Wohnung, in einem anderen Viertel. Nebenbei entsorgte ich so ziemlich alles, was mich an mein bisheriges Leben erinnerte. Die Entsorgung kostete mich ein halbes Vermögen, aber zum damaligen Zeitpunkt hatte es mich nicht interessiert.
In die neue Wohnung zog ich mit fast leeren Händen. Alles kaufte ich neu und an meine neue Wohnung angepasst. Dafür plünderte ich unser gemeinsames
Sparbuch. Damals glaubte ich felsenfest, das ich das Recht dazu habe. Wenn ich jetzt zurückdenke, überfällt mich das schlechte Gewissen. Schließlich war es für unsere Beerdigung gedacht gewesen. Jetzt ist es fast leer. Nur noch ein paar wenige Euro habe ich drauf gelassen. Die reichen gerade mal für einen Kaffee an der Würstchenbude.
Dann suchte ich endlich einen neuen Job. Den bekam ich auf den letzten Drücker, bevor mein Konto ganz auf null stand. Die Bezahlung war nicht so hoch, wie bei meinem alten Job und die Arbeit selbst war eher eintönig. Am liebsten hätte ich sofort wieder gekündigt. Aber ich hegte auch die Hoffnung, das ich
mich hocharbeiten kann.
Privat verkaufte ich mich unter Niveau. Es gab kaum einen Abend, an dem ich nicht ausging und mit irgendeinem fremden Mann die Nacht verbrachte. Ich dachte, das ein erfülltes Sexleben mir innerliche Zufriedenheit geben würde. Stattdessen fühlte ich mich, wie eine billige Schlampe. Es dauerte dennoch eine ganze Zeit, bis ich mit den nächtlichen Abenteuern aufhörte und mir ein neues Hobby zulegte.
Wenn ich auf all das zurück blicke, frage ich mich, warum ich damals nicht einfach mal alleine weggefahren war, um über mein Leben nachzudenken, oder mich an eine meine Freundinnen
gewendet habe, um mit ihr darüber zu reden. Indem ich unüberlegt gehandelt habe, verlor ich nicht nur den Mann, den ich über alles liebte, sondern auch meine Freunde, die sich auf seine Seite gestellt und ihre Unterstützung gegeben haben.
Im Nachhinein könnte ich mich selber schelten. Er war mir stets ein guter Mann gewesen und hatte sich bemüht mich zufrieden zu stellen. Drängte mich nie zu irgendwas, was ich nicht wollte.
Es tat weh, ihn mit einer anderen zu sehen. Noch mehr tut es weh, zu wissen, das ich ihn in ihre Arme getrieben habe. Wenn ich nicht so eine Idiotin gewesen wäre, würde ich jetzt in seinen Armen liegen und mich geborgen fühlen.
Stattdessen liege ich hier einsam und allein, heule mir die Augen aus, stelle mir vor, wie sie es miteinander treiben, gräme mich in Schmerz und betrinke mich.
Und mit jedem Schluck fühle ich mich beschissener.