Jesus ist wieder da
War das eine Nacht! Nie wieder wollte Lea so etwas erleben. Eine Nacht voller Bangen und Ängsten lag hinter ihr. Ängsten, dass ihrem Liebling etwas passiert wäre.
Überglücklich drückte Lea ihren kleinen Rauhaardackel Josef immer wieder an ihr HERZ. Er KUSCHELTE sich an sie und seine PFÖTCHEN krallten sich in ihren Pullover, als wollte er sie nie wieder loslassen.
Was hatte er auch ausgestanden in dieser Nacht. Ein Nachbar hatte ihn in seinem Garten gefunden, wo er sich zitternd unter dem großen Rhododendron
versteckt hatte. Minni, die Katze des Nachbarn, hatte ihn dort aufgespürt.
Lea war gestern mit Josef Gassi gegangen und leicht genervt, weil er es nicht lassen konnte, immer an alten Hundehaufen zu SCHNÜFFELN.
Als sie ein Schwätzchen mit der Nachbarin hielt, hatte er sich losgerissen und war wie der Blitz um die nächste Ecke gefegt. Er mochte es gar nicht, wenn sie einem anderen als ihm ihre Aufmerksamkeit zeigte.
Sie hatte den ganzen Abend nach Josef gesucht, und wenn sie jetzt daran zurückdachte, musste sie schon wieder grinsen. Denn diese Geschichte hatte doch trotz allem einen lustigen
Charakter.
Kevin, der kleine siebenjährige Nachbarsjunge, liebte Josef über alles. Bei jeder Gelegenheit kam er zu ihr herüber und wollte in REICHWEITE von ihr mit dem Hund spielen, denn so ganz geheuer war ihm der kleine Dackel nicht. Wenn dem alles ein bisschen zu viel wurde, fing er an zu knurren und hatte ihn sogar mal spielerisch mit seinen kleinen Zähnchen in die Hand gezwickt. Kevin war beruhigter, wenn sie dabei war. Und ihr kam das doch sehr entgegen, denn dann konnte sie in Ruhe ihr GESCHIRR spülen und andere Hausaufgaben verrichten, solange der Junge mit dem Hund
spielte.
Aus irgendeinem Grund aber konnte sich Kevin nicht den Namen „Josef“ merken und rief den Hund immer „Jesus“. Man sollte es nicht glauben, Josef hörte auf einmal darauf, wenn man ihn so rief.
Ja, Lea hatte das Gefühl, dass dem Hund dieser Name viel besser gefiel. Immer, wenn er ihn hörte, wedelte er mit seinem kleinen Schwänzchen. Und so hatte sie sich mit der Zeit auch an den Namen gewöhnt und nannte ihn einfach Jesus.
Gestern nun, als sie verzweifelt nach ihm suchte und ihn immer wieder rief, traf sie natürlich auf einige Passanten, die sie sehr merkwürdig anguckten. Sie verstand in diesem Moment gar nicht
warum und dachte so bei sich, wie kaltherzig die Menschen doch geworden waren, dass sie so gar kein Mitgefühl mit ihrer Verzweiflung hatten.
Es wurde bereits dunkel und in einigen Häusern brannte schon LICHT. Lea wollte sich nicht ausmalen, was ihrem Dackel alles passieren konnte. Was würde sie darum geben, wenn jetzt jemand zum TRÖSTEN da wäre. Die Autofahrer fuhren manchmal so rücksichtslos und er war doch noch so klein. Sicher fand er den Weg nicht mehr zurück.
„Jesus!“, rief Lea verzweifelt. Ein junger Mann blieb stehen und grinste sie an. Sie bedachte ihn mit einem vernichtenden
Blick. Machte der sich nun auch noch über ihre Nöte lustig? Hatte er denn überhaupt kein GESPÜR für ihre Ängste? Am liebsten hätte sie ihn gleich zur Rede gestellt.
Als ihr ein Ehepaar entgegenkam, fasste sie sich ein Herz und fragte die beiden, ob sie vielleicht einen kleinen Dackel gesehen hätten. Sie verneinten und erkundigten sich, wie er denn hieße, falls sie einen Hund auf ihrem Spaziergang entdeckten.
„Jesus“, sagte sie und das Ehepaar brach in schallendes Gelächter aus. „Sie haben Ihren Hund wirklich Jesus genannt?“, fragte die Frau. Jetzt dämmerte es Lea und ihr wurde auf einmal bewusst, dass
sie immer wieder lockend „Jesus komm“ und wahrscheinlich sogar noch „Jesus komm zu Mama“ gerufen hatte. Die Leute hatten wohl gedacht, dass da eine Frau in irgendeinem religiösen Wahn herumirrte und nach dem Heiland schrie.
Nun konnte sie sich auch die Reaktionen der anderen Passanten erklären. Schnell stellte sie richtig, dass der Hund in Wirklichkeit Josef hieß.
Das Ehepaar versprach, beide Augen offen zu halten und sie sofort anzurufen, wenn sie etwas sehen würden. Lea nannte ihnen ihre Telefonnummer, die der Mann in sein Smartphone speicherte.
Ja, das war die Geschichte, die gestern Abend so abgelaufen
war.
Aber nun war „Jesus“ alias „Josef“ wieder da, und alles war gut. Vielleicht hatte der richtige Jesus sogar dabei seine Hand im Spiel gehabt. Dessen war sich Lea inzwischen sogar ganz sicher.