Kurzgeschichte
Er kam aus dem Nichts

0
"Ein dunkler, verregneter Herbstmorgen. Auf dem Weg zum Kundergarten ist es geschehen"
Veröffentlicht am 01. November 2020, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
http://www.mystorys.de
Ein dunkler, verregneter Herbstmorgen. Auf dem Weg zum Kundergarten ist es geschehen

Er kam aus dem Nichts

Titel

Und plötzlich war alles ganz anders. Es waren nur Sekunden, die mir wie Stunden vorkamen. Ich hatte alles in Zeitlupe gesehen. In Erinnerung blieben mir aber nur Fragmente. Ein Morgen, wie jeder. Zumindest beinahe. Ich ging mit meinem Kindern spazieren. Das Eine lief neben mir, das andere schob ich im Kinderwagen vor mir her. Schon von Kindesbeinen an sollten sie sich angewöhnen, lieber zehn Minuten zu früh loszugehen und dafür entspannt am Ziel anzukommen, anstatt auf die letzte Sekunde loszusprinten und abgehetzt

anzukommen. Wir standen an der Ampelkreuzung und warteten auf Grün. Der Verkehr war schrecklich, wie jeden Morgen. Dazu kam noch Sprühregen. Es war noch dunkel, deshalb hatten wir Reflektorstreifen an unseren Sachen. Selbst am Kinderwagen hatten wir welche anbringen lassen. Bisher hatten sie gute Dienste geleistet. Das hätten sie auch an jenem Morgen, wenn der Radler seine Augen aufgemacht hätte. Wir hatten grün und überquerten die Straße zügig. Mein Kind fragte mich, warum der alte Mann vorhin über rot gelaufen war. Plötzlich kam ein Radler angeschossen und riss mir meinen

Kinderwagen aus den Händen. Beide rutschten die Fahrbahn entlang, mitten in den fließenden Verkehr. Das Quietschen von zig Autos, die eine Vollbremsung hinlegten und doch zusammen stießen, hallt immer noch in meinen Ohr. Alles ging so schnell, das ich gar nichts begriff. Ich stand mitten auf der Straße und starrte auf meine leeren Hände. Wo eben noch ein Kinderwagen war, war jetzt nichts mehr. Kein Lichtkegel hatte ihn angekündigt. Auch kein klingeln. Ich hatte nur was schnelles, dunkles vorbeihuschen sehen. Dann beginnt ein Filmriss, der mehrere Minuten enthält. An was ich mich noch undeutlich erinnern kann, ist, das mich ein paar

Hände festhielten und mich dazu brachten, das ich mich auf dem gegenüberliegenden Bordstein setzte. Wieder Dunkelheit. Ich wachte im Krankenhaus auf. Meine Frau stand neben mir. Völlig übernächtigt und mit Tränen im Gesicht. „Unser Kind ist tot.“, flüsterte sie, „Sie konnten nichts mehr für ihn tot. Totales Verkehrschaos. Morgen wird es in der Presse stehen. Wie konnte das passieren?“ Sie schluchzte heftig und bekam einen Weinkrampf. Ich schloss die Augen und versuchte mir die ganze Szenerie noch einmal vor Augen zu führen. „Da kam so ein Radfahrer. Der fuhr mit

hohem Tempo. Wir hatten beinahe die andere Straßenseite erreicht, als…Ich habe ihn nicht kommen sehen. Plötzlich war er da gewesen und hat unseren Kinderwagen mit sich genommen. Was ist mit ihm?“ „Ich weiß es nicht. Sie haben mir nur gesagt, was mit dir ist und unseren Kindern. Ich hoffe nur, das er eine gerechte Strafe dafür bekommt.“ Am Tag darauf stand alles in der Zeitung. Fett auf Seite eins. Zeugen sagten aus, das er aus dem Nichts aufgetaucht war. Niemand hatte ihn kommen sehen. Denn weder hatte er Reflektoren an sich, noch Licht am Rad. Außerdem war seine Kleidung schwarz.

Auch er hatte es nicht überlebt. Er hatte eine schwere Kopfverletzung, weil er ohne Helm gefahren war und verstarb noch am Unfallort. Es wurde nie mehr, wie zuvor. Wir ließen uns scheiden und versuchten Freunde zu sein. Doch auch das scheiterte. Wir einigten uns darauf, das sie das alleinige Sorgerecht bekommt. Nun lebt jeder sein Leben.

0

Hörbuch

Über den Autor

Superlehrling

Leser-Statistik
3

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
Zeige mehr Kommentare
10
0
0
Senden

166039
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung