Humor & Satire
Unser erster VW-Käfer - Schreibparty 86

Vorwort: Das Thema der Schreibparty 86 nennt sich „Veränderungen“ und bietet daher eine große Auswahl an Beitrag-Themen. Der folgende Beitrag beruht auf einer Episode aus meiner Kindheit und enthält gleich zwei wesentliche Veränderungen: Die erste war die gewonnene Mobilität durch den Kauf eines VW-Käfers, den zu Beginn des Wirtschaftswunders (anfangs der 1950er-Jahre) unser Vater aus beruflichen Gründen benötigte, da er als Steuerberater aufgrund seiner weit verstreuten Kundschaft mobil sein musste. Die zweite Veränderung beruht darauf, dass sich meine damalige kindliche Naivität inzwischen verabschiedete.

Als Jury-Beitrag nimmt „Unser erster VW-Käfer“ nicht an der Schreibparty teil und verzichtet daher auf die Vorgabewörter.

Wie stolz war Vati auf den ersten Käfer, wir Kinder aber waren's noch viel mehr! Von da an zeigten wir uns brav und bräver, denn nur die Braven nahm er hinterher mit auf die heißersehnte Jungfernreise durchs schöne, kurvenreiche Nagoldtal. Er fuhr bedacht auf defensive Weise - für ungeübte Fahrer ja normal! Nach intensivem Kurvenfahren-Üben hat er an einer Wirtschaft Halt gemacht. Da sind wir länger als geplant geblieben und fuhren heim in rabenschwarzer Nacht. Es strahlten lediglich die hellen Sterne, die Straße hatten wir für uns allein. Dann nähert sich von hinten aus der Ferne ein Lichterpaar und reiht sich nach uns ein.

. Was will uns wohl der Fahrer damit sagen? Ich dachte damals: Mensch, ist der gewitzt! Wenn’s kurvig wird, folgt er sehr klug dem Wagen, in dem der beste Autofahrer sitzt. Dies dachte sich vermutlich auch ein Zweiter und schloss sich unserem Kommando an. So wuchs die Lichterschlange stetig weiter - mit uns als Spitzenreiter vornedran! Da sagte ich zu meiner kleinen Schwester: „Was Vati alles kann ist allerhand. Beim Autofahren ist er jetzt schon Bester, von jedermann als Führer anerkannt.“ Sie dreht sich um und sieht hellauf begeistert ein imposantes weißes Lichtermeer. „Genial, wie er die Führungsrolle meistert! Die andern fahr’n respektvoll hinterher.“

. Ich leg noch einen drauf: „Was wir erspähen, ist von der langen Schlange nur ein Teil, weil wir nur bis zur letzten Kurve sehen!“ Wir feiern Vati mit Triumphgeheul. So waren wir in jenen Kindertagen - in denen man noch vieles anders sah - voll Stolz nicht nur auf unsern neuen Wagen. Wir waren stolzer noch auf Herrn Papa!

Nach einer wahren Begebenheit. Wahr war allerdings auch, dass ich den Stolz auf unseren Vater etwas relativieren musste, nachdem mir allmählich

klar wurde, warum uns auf der Geraden

später fast alle Autos überholten.