Mystic – Liebe – Fantasy „Salwidizer – ein Volk so alt wie die Zeit. Ihre Heimat ist Adanwe, eine Anderwelt. Ihnen wurden unermessliche Gaben zuteil, doch zu welchem Preis … "
Plötzlich steht das Leben in Adanwe Kopf. Voland, ein tot geglaubter Verbrecher, erscheint als Kan Hayat in der Anderwelt. An seiner Seite – seine Seelengefährtin Arabienne, die Tochter einer der angesehensten Familien Adanwes. Begleitet werden beide unter anderem von Julius.
Julius ist nicht nur einer der wenigen Menschen, die vom Volk der Salwidizer wissen, sondern er ist mit einigen von ihnen befreundet. Es kommt zu einer Anhörung, in der Julius zum einem Kan Hayat verteidigt und zum anderen die Politik, die Traditionen und die Werte der Salwidizer hinterfragt. Dabei gelangen erschreckende Wahrheiten,
die hinter einem Schleier in der Zeit verborgen worden waren, ans Tageslicht. Wird Julius weiterhin ein Freund der Salwidizer sein?
Vorwort
Er war zu früh. Viel zu früh. Aber die Anspannung, die seit der Ankündigung des Treffens in der Vita von ihm Besitz ergriffen hatte, war unerträglich geworden. Ein Spaziergang, der seine Gedanken in eine andere Richtung lenken und damit seine Nerven beruhigen sollte, hatte ihn auf irrwitzige Weise direkt in den Omlamo, den Berg der Allwissenden Steine geführt. Genau zu jenem Ort, an dem seine Eltern mit ihm sprechen wollten. Nun, da er schon einmal hier war, blieb ihm nur zu hoffen, auch sie kämen früher.
Ein ums andere Mal umkreiste er, die Hände
hinter dem Rücken verschränkt, das Palam im Zentrum der Vita. Immer wieder blieb er stehen, um die beeindruckende Versammlungshalle der Salwidizer in Augenschein zu nehmen. Wie viele Male seit seiner Steinweihe … damals war er, gerade dreißigjährig, in die Reihen der Erwachsenen aufgenommen worden … hatte er sich zusammen mit den anderen seines Volkes zu den alljährlichen Treffen hier versammelt. Dennoch war es wie am ersten Tag ein unbeschreibliches Gefühl, die Eindrücke auf sich wirken zu lassen. Die Höhle war riesig, das Ausmaß in Höhe und Tiefe nicht einmal zu erahnen. Die Wände bestanden aus Bergkristallen, die aus sich selbst heraus leuchteten und Höhle und
Tunnel in ein gleißendes Licht tauchten. Zahlreiche Tunnel im Berg mündeten in einer Galerie, die sich rund um das Palam zog, einem über dem Abgrund schwebenden Hologramm. Es zeigte die bis ins kleinste Detail originalgetreu nachgebildete Erdkugel. Tausende kleine Obsidiane in verschiedenen Farben … schwarz für ungebundene Salwidizer, braun für die Beschützer des Lebens und regenbogenfarben für die Männer, die ihre Seelengefährtin gefunden hatten … und Feueropale für die auserwählten Mädchen und Frauen zeigten auf dieser Erdkugel, wo sich ein jeder aufhielt. Nachdenklich betrachtet er die winzigen Edelsteine, die in einem Rot-Orange funkelten. Feueropale. Es sind so wenige.
Vielleicht wird es nie genug weibliche Wesen geben, die unseren Anforderungen genügen. Nicht jedem von uns wird das Glück zuteil. Aber wie lange soll ein Salwidizer warten, um zu wissen, ob ihm eine Gefährtin je bestimmt ist? Viele haben schon, in der Hoffnung im nächsten Leben sein Gegenstück zu finden, den großen Abgrund überwunden. Es muss doch irgendeinen Weg geben, der Natur ein Schnippchen zu schlagen. Was taten denn unsere Forscher und Heiler? Sich demSchicksal beugen? Ich
kann es schon nicht mehr hören … Alles kommt, wie es kommen muss. Seinem Schicksal kann keiner entfliehen. „Hallo, Sohn. Hängst du irgendwelchen trüben Gedanken nach?“
Beim Klang der Stimme seines Vaters drehte er sich um und begrüßte den Mann mit dem traditionellen Schlag der Freundschaft, indem er seine rechte Hand auf die rechte Schulter seines Gegenübers legte. Vor seiner Mutter, die wenige Schritte entfernt stand, verbeugte er sich respektvoll. Ein Funken der Liebe ließ seine sonst so ernsten Gesichtszüge weicher erscheinen. „Nun, ich habe gerade darüber nachgedacht, ob unser Volk in absehbarer Zeit seinem Untergang geweiht ist. Es gibt nicht genug Seelengefährtinnen. Wir werden über kurz oder lang aussterben.“ Mit einem leisen Stöhnen und einem schiefen Lächeln, welches seine Augen nicht erreichte, warf er nochmals einen Blick auf das Palam.
Besorgt musterte er seine Eltern. Solange er sich zurückerinnern konnte, stand sein Vater dem Hohen Rat, dem Tribunal, vor. Tausende Jahre im Kampf, die Traditionen Adanwes mit dem Fortschritt der Welt jenseits der magischen Barriere in Einklang zu bringen. Tausende Jahre im Kampf, den Fortbestand ihrer Spezies zu sichern. Sie sahen beide müde aus. Müde des langen Lebens. Müde der Sorgen um ihr Volk. Und diese Müdigkeit war das, was ihm selbst zu schaffen machte, ihn in wilde Spekulationen über das heutige Treffen stürzte. „Ihr wolltet mich sprechen? Was ist so dringlich und vor allem so geheimnisvoll, dass wir uns hier in der Vita treffen?“ Einen inneren Impuls folgend, schielte er kurz
zurück zum großen Abgrund hinter der Brüstung der Galerie. Forschend blickte er seiner Mutter in die Augen, um seine Befürchtung nicht bestätigt zu sehen. Doch alles was er wahrnahm, war ihre unendliche Traurigkeit. Sein Vater legte ihm einen Arm um die Schulter und holte mit der anderen etwas aus seiner Hosentasche. „Hör zu, Sohn. Du weißt es. Und wir wollen nicht erst groß drumherum reden. Wir haben schon zu lange gelebt. Es wird Zeit für uns zu gehen. … Das hier ist ein Speicherkristall mit Aufzeichnungen aller Art. Angefangen von persönlichen Entscheidungen, die nicht immer richtig waren, bis hin zu wissenschaftlichen Erkenntnissen, Forschungsarbeiten und
dergleichen. Bewahre ihn gut auf. Schaue ihn dir nicht an. Lasse niemanden wissen, dass du ihn besitzt.“ „Aber warum …“ „Noch nicht, mein Sohn. Du würdest damit zu Menanim gehen, um Klarheit zu erlangen. Aber glaub mir, zur Zeit würden all diese Informationen jeden unseres Volkes überfordern.“ Fragend nahm er den Kristall entgegen. „Ich verstehe nicht. Was …“ Sein Vater umschloss mit seiner Hand die seine, in der der Kristall verschwand. „Glaub mir, Junge, es ist das Beste für alle. Es wird eine Zeit kommen, da wird euch der Speicherkristall und sein Inhalt von Nutzen sein.“ Während sein Vater sprach, hatte er
sich von ihm entfernt und war mit seiner Frau an den Abgrund getreten. „Wann? Wann wird er …“ „Du wirst es wissen. Leb' wohl … Wir sehen uns im nächsten Leben.“ Den letzten Satz vernahm er nur im Kopf … auf telepathischem Weg. Traurig und gleichzeitig so zuversichtlich. Verwirrt drehte er sich um. Doch da war keiner mehr. Seine Eltern hatten die Reise angetreten, ohne nochmals zurückzublicken. Er starrte auf die Stelle, an der sie eben noch gestanden hatten. Es war ein Abschied. Ein Abschied auf Zeit. Irgendwann würden sie sich wiedersehen. Alles was ihm geblieben war, hielt er in der Hand. Ein Speicherkristall … das Vermächtnis
seines Vaters. Er hob den Kristall zwischen Daumen und Zeigefinger hoch und beobachtete, wie sich das Licht im Facettenschliff des Steines in tausend Farben brach. Die Antworten auf all unsere Fragen? Sollte es so einfach sein? Ich brauchte nur den Speicher zu öffnen und dann … Ja, was dann? Hatte mein Vater recht mit dem, was er sagte? Wir würden es noch nicht verstehen? Aber wann? Wann wird es soweit sein? Was soll schon passieren, wenn ich mir alles anschaue? Wenn ich es nicht verstehe, schließe ich ihn wieder. Nur … Hm … Mein Vater war ein besonnener und verantwortungsbewusster Mann. Er war Entdecker, Forscher, Gelehrter. Doch in
erster Linie war er Mitglied des Hohen Rates. Ja sogar dessen Vorsitzender, und als solcher agierte er stets im Interesse und zum
Wohle unseres Volkes. War das der Schlüssel zu seinem Handeln? Seine Miene nahm einen entschlossenen Ausdruck an. Er ließ den Stein in seine Hand fallen und schloss ihn fest darin ein. Kurz darauf verließ er, ohne sich noch einmal umzuschauen die Vita, den Berg und Adanwe.
Bruch zwischen Geschwistern „Du hättest ihm gleich die Klinge ins Herz stoßen sollen. Hast du es vergessen?! Er hat mich entführt. Ich wäre damals bei dem Vulkanausbruch beinahe ums Leben gekommen. Ganz davon abgesehen, was er den anderen unseres Volkes … wie Corri, Amaranth, Richard, Gustavo … und den vielen Menschen angetan hat.“ Wütend drehte sich Judith ihrem Zwillingsbruder zu. Sie konnte einfach nicht verstehen, wie er sich auf die Seite dieses Mannes stellen und dann so seelenruhig an ihrer Tür klingeln konnte. Julius musste doch wissen, was in ihr vorging, seit sie vom Wiederauftauchen
dieses Verrückten erfahren hatte. Vor Jahren wurde Voland für seine zahlreichen Verbrechen an Menschen und Salwidizern durch sein eigenes „Portal ins Nirgendwo“ wortwörtlich genau dahin verbannt. Keiner hatte damit gerechnet, jemals wieder von ihm zu hören. Doch statt im Nirwana zu verrotten, wurde der einzige Verbrecher aus dem Volk der Salwidizer in die Vergangenheit katapultiert. Ausgerechnet er bekam vom Schicksal eine zweite Chance, ein neues Leben. Und als wäre das nicht Unglück genug, musste ihr eigener Bruder einer von denen sein, die das Monster zurück nach Adanwe brachten. Judith war außer sich. Mit den Armen fuchtelnd lief sie im Zimmer auf und ab. Auch
als sie plötzlich vor Julius stehen blieb, nahm ihre Stimme an Intensität nicht ab. Sie blickte ihn mit blitzenden Augen an und tippte ihm bei jedem Satz, der folgte, mit dem Zeigefinger auf die Brust, um ihre Aussage zu unterstreichen. „Na und? Dann war er eben vor viertausend Jahren aus der Zeit gefallen. Er wird schon gewusst haben, was es bringt, einen neuen Namen anzunehmen. Was interessiert mich, ob er seinen Meister an Bösartigkeit gefunden hat? Vielleicht war er sein Gefangener. Vielleicht auch nicht. … Er war und bleibt ein Verbrecher. Und genau das wird morgen die Anhörung vor dem Hohen Rat beweisen.“ Der junge Mann hatte damit gerechnet, dass seine Schwester ausflippen würde. Trotzdem
oder gerade deshalb sah er es als seine Pflicht an, sie auf die Verhandlung vorzubereiten und sich für sein Verhalten zu rechtfertigen. Also ließ er ihre Tirade über sich ergehen und blickte sie dabei, seinen Kopf nachdenklich zur Seite geneigt, aus sanften, braunen Augen an. „Auch schön dich wiederzusehen, Schwesterherz. Keine Umarmung zur Begrüßung? … Ach, komm schon! … Das glaubst du doch nicht im Ernst, was du hier jetzt von dir gibst. Sicher … Du bist wütend, weil du an damals erinnert wirst. Und ich bin es ebenso. Doch Voland wurde für seine Taten vor Jahren von Amaranth, Richard, Helena und all den anderen festgesetzt und der Hohe Rat hat das Urteil gesprochen. Du
weißt es. Sie haben ihn mit seiner Welt der Nacht ins Nirgendwo verbannt. Es spielt keine Rolle, wie hoch die Wahrscheinlichkeit für sein Wiederauftauchen gewesen wäre, rein theoretisch hättet ihr damit rechnen müssen. Es sei denn, ihr habt alle auf seinen Tod gehofft. … Aber könnt ihr das? Könnt ihr derart negative Gedanken hegen? … Egal. Das Schicksal hat es anders gewollt. … Daran sollten wir nicht rühren. Im Grunde büßt er in seinem neuen Leben noch immer für seine als Voland begangenen Taten.“ Judith wollte dazwischenfahren, doch Julius ließ sich nicht unterbrechen. Nicht dieses Mal. Er packte sie an den Oberarmen und zwang sie, ihm vis-à-vis stehen zu bleiben und
zuzuhören. „Dieser Mann ist durch die Zeit geflogen und ohne Gedächtnis zum Zeitpunkt von Volands Geburt … oder Roland, wie er damals genannt wurde … auf der Erde aufgeschlagen. Der, der ihn gefunden hat, gab ihm den Namen Kan Hayat. Gemeinsam sind sie durch die Welt gezogen, haben alles Mögliche entdeckt, studiert und erforscht. … Aber das wirst du ja morgen alles erfahren. Er hat sich gegen seinen Freund gewandt, als sie auf Voland stießen und er ihn unterstützen wollte. Und dafür hat Kan seine magischen Fähigkeiten eingebüßt. … Schau, Judith! … Er ist nicht mehr der, den du kanntest. Er hat seine Seelengefährtin gefunden. Arabienne McCullen. Du müsstest die beiden sehen. Nie
würdest du auf die Idee kommen, dies sei der Mann von damals. Enne ist über hundert Jahre alt. Was glaubst du, warum hat der Feueropal mit dem genetischen Code Volands nicht zu ihr gefunden? Es muss doch einen gegeben haben. Also warum? Meinst du nicht, dass bei seinem Sturz durch die Zeit irgendetwas geschehen ist, was sein ganzes Wesen verändert hat? Ich bin kein Salwidizer. Ich weiß es nicht. Aber mit Sicherheit kann ich sagen, Arabienne gehört eindeutig zu ihm.“ „Pah! … Schließlich ist sie in Papotene geboren. Und wer weiß, vielleicht konnte der Stein sie in dieser anderen Welt nicht finden. … Oder er war bei den gestohlenen Ketten dabei. Wie auch immer! … Das besagt ja wohl gar nichts. … Und jetzt lass mich endlich los.“
Julius hob die Hände und machte einen Schritt zurück, um ihr den nötigen Freiraum zu geben. So aufgebracht hatte er Judith noch nie gesehen. Selbst damals nicht, als die Salwidizer in das Leben der Geschwister getreten waren, ihre Freundin Corri entführt worden war und Judith sich auf eigene Faust auf die Suche nach ihr gemacht hatte. Dabei war sie in Volands Fänge geraten, was sie beinahe mit dem Leben bezahlt hätte. Ratlos beobachtete Julius, wie sie ihren Marsch durch die stilvoll eingerichtete Bibliothek mit deckenhohen Regalen und einer urigen Sitzlandschaft wieder aufnahm. Ich hab ja viel erwartet. Dass sie herumzickt, mir ihre Meinung um die Ohren haut, vielleicht auch körperlich auf mich losgeht, aber doch
nicht mit ihren unlogischen, aus der Luft
gegriffenen Argumenten. Selbst Voland war in den Zeiten, in denen von seiner Abartigkeit noch nichts bekannt war, als Beschützer des Lebens in Papotene. Die Mütter von Arabienne und Amaranth stammen von dort. Warum sollte dann ausgerechnet Arabiennes Stein sie dort nicht erreicht haben? Schwachsinn. Soll ich ihr das sagen? Dann bringe ich sie vielleicht noch mehr gegen mich auf. Hm … Lieber nicht. Ohne zu wissen, wie er seine Schwester überzeugen sollte und ob er damit überhaupt Erfolg haben würde, atmete Julius mehrmals tief durch. Er musste unbedingt ruhig bleiben, um den Stresslevel nicht nach oben zu peitschen. Die Hände in den Hosentaschen
vergraben setzte er sich auf die Armlehne eines Sessels und nickte Judith versöhnlich zu. „Darf ich dich was fragen? Was meinst du, soll aus Arabienne werden, wenn Kan verurteilt wird. Zu was auch immer. Ich weiß, sie hat schon gesagt, dass sie sein Los teilen wird. Aber dennoch … Zum anderen solltet ihr bedenken, sie kann als geborene Salwidizerin eurem Volk Töchter schenken. Wie viele potentielle Gefährtinnen wären wohl darunter?“ Obwohl Julius seine Fragen leise äußerte, fuhr Judith augenblicklich herum. „Julius! Du begreifst es nicht! Oder? Es geht hier nicht um Arabienne. Es geht um Voland. Wie solltest du auch?! Du sagst es ja selber … Du bist kein Salwidizer.“ Ungläubig riss Julius
seine Augen auf. War das noch seine Zwillingsschwester? Sichtbar zerfressen vom Hass auf Voland? Judith schnappte irritiert nach Luft. Das habe ich jetzt nicht wirklich gesagt. Nicht zu meinem Bruder. Oh mein Gott. Ich meinte das doch gar nicht so. Wie konnte es sein, dass ich mich habe hinreißen lassen in meinem Zorn. Bei Menanim! … Zorn! Den dürfte ich doch als Salwidizerin gar nicht verspüren. Oder doch? Ist es mein menschliches Erbe? …
Julius wischte sich über sein Gesicht. Frustriert schaute er Judith an. „Weißt du, früher hast du dafür gekämpft, dass alle gleich behandelt wurden, Gerechtigkeit wurde bei dir großgeschrieben. Jeder sollte eine
Chance haben oder auch mal zwei. Du warst hilfsbereit und immer darum bemüht, Lösungen für alle möglichen Probleme zu finden. Heute jedoch? … Du interessierst dich einen feuchten Scheiß für die Belange anderer. Nur du und deine kleine heile Welt. Ich erkenne dich überhaupt nicht mehr wieder. Liegt es an Omas Kette? An dem Fluch, der an ihr haftet? … So egal dir heute Arabiennes Schicksal ist, so schnuppe ist dir wahrscheinlich auch das Schicksal der Auserwählten, die Hannes' Feueropal einmal bekommen wird. Denn sollte man den Überlieferungen Glauben schenken, bist du es ja nicht. Du bist nicht seine ihm vorherbestimmte Seelengefährtin. Du verdankst dein jetziges Leben diesem
verdammten Stein, der angeblich jedem Salwidizer einen Phallus schenkt. Zu deinem Glück hat dich Hannes auch gleich gewandelt und geschwängert. Zufall? Schicksal? Aber wen interessiert das schon. Geht dich ja nichts an, solange keiner an deine Tür klopft und dein kleines Paradies ins Wanken bringt.“ War Judith nach ihren harschen Worten in sich gegangen, fachten diese Sätze der Anklage die Flammen der Wut in ihr wieder an. Sie riss sich die Kette mit dem Feueropal vom Hals und schleuderte sie Julius in den Schoß. „Da hast du sie. Ich brauche sie nicht. Hannes liebt mich auch ohne dieses blöde Ding. Und nur damit du es weißt, seine Kette war unter den gestohlenen. Also wer sagt, ich wäre nicht seine Auserwählte?“
Julius nahm die Kette und betrachtete sie gleichgültig. „So wird es wohl sein.“ Es gab nichts mehr zu sagen. Er hatte versagt. Langsam erhob er sich und wandte sich zum Gehen um. Doch dann blieb er stehen und blickte nachdenklich zu Judith zurück. „Und übrigens … Als du damals auf der Insel beinahe ums Leben gekommen bist … Menanim hat den Vulkan ausbrechen lassen und wissentlich deine Rettung damit riskiert. Er hat Volands Gefangenschaft über dein Leben gestellt.“ Entsetzt und ungläubig starrte sie ihren Zwillingsbruder, der ihr im Aussehen so gar nicht ähnlich war, an. Obwohl sie schlank und nicht klein war, überragte sein durchtrainierter Körper sie um fast zwanzig Zentimeter. Und im
Gegensatz zu ihrem roten Kurzhaarschnitt trug er sein blondes lockiges Haar mittlerweile schulterlang. Er war in den acht Jahren, in denen sie sich nur selten gesehen hatten, nicht nur ein äußerst attraktiver Mann geworden, sondern auch sehr selbstbewusst und überzeugend. „Das … hat … er … nicht!“ Nach allem, was sie ihrem Bruder aufbrausend an den Kopf geworfen hatte, klangen nun aus ihrer Stimme begründete Zweifel heraus. „Schau mich nicht so an. Ich frage mich, warum euch all das niemals in den Sinn gekommen ist. Menanim weiß doch alles, er, der Geist der Allwissenden Steine. Warum hinterfragt ihr nicht das eine oder andere? … Vielleicht solltet ihr nicht über Kan Hayat
nachdenken, sondern über euch selbst.“ Müde und erschöpft schüttelte Julius den Kopf und verließ augenblicklich die Bibliothek. Auf dem Weg nach draußen konnte er gerade noch im letzten Moment verhindern, dass er Hannes über den Haufen rannte. Doch ohne ein Wort des Grußes oder der Entschuldigung stürzte er an ihm vorbei und verließ das Haus. Das „Warte, Julius!“ seiner Schwester hörte er schon nicht mehr. Auch nicht ihr Schluchzen, als sie Hannes um den Hals fiel. *** Mit geschlossenen Augen stand er vor dem Blockhaus, eines von vielen und doch wie all
die anderen ein Unikat. Ursprünglich wollte er während seiner Zeit in Adanwe bei seiner Schwester und ihrer Familie wohnen. Mit Hannes, ihrem Mann, verband ihn früher eine tiefe Freundschaft. Sie alle gehörten zu einer eingeschworenen Clique. Aber nun? Atmen! Du musst atmen! Tief durchatmen! … Wie konnte es sein, dass Judith und ich zweiunddreißig Jahre lang ein Herz und eine Seele waren und innerhalb von nicht einmal einer halben Stunde so erbitterte Gegner? Verdammt noch mal! War es wirklich zu viel von ihr verlangt? So ruhig Julius gegenüber seiner Schwester geblieben war, so sehr wütete nun in ihm Frust und Resignation über sein
Unvermögen. Seine Unfähigkeit, Judith zu überzeugen und auf seine Seite zu ziehen. War es wirklich seine Seite? Die letzten Wochen hatten seine Welt total auf den Kopf gestellt. Und nicht nur seine Welt. *** Eigentlich war Julius mit seinen Freunden zu einer Hochzeit in Schottland unterwegs gewesen. Auf der Reise hatten sie Anna und Larissa kennengelernt, zwei total nette und aufgeweckte junge Frauen, die gerade eine Reisereportage entlang der Küsten Schottlands machten. Soweit alles ganz schön und gut. Ein Flirt hier
und ein Flirt da. Doch plötzlich war die Welt aus den Fugen geraten. Über Nacht war Anna spurlos verschwunden und die Polizei ging davon aus, dass sie mit ihrem Verlobten von der Steilküste bei Screbster in den Tod gestürzt war. Ihre Freundin Larissa hatte da eine ganz andere Meinung vertreten. Allerdings … Wer hatte ihr glauben sollen? Julius hatte ihr geglaubt. Er wusste, dass diese beiden Frauen etwas ganz Besonderes waren. Wenn eine besondere Gabe, wie Visionen empfangen oder den Wahrheitsgehalt einer Aussage erkennen, und dann eine filigran gearbeitete Kette mit einem walnussgroßen Feueropal als
Anhänger im Spiel waren, konnte es sich nur um eine Auserwählte der Salwidizer handeln. Er selbst hatte bereits vor acht Jahren seine erste extramundane Begegnung mit dieser Spezies gehabt. Eine Spezies unsterblicher Menschen mit einer eigenen Welt hinter einer magischen Barriere. Die Männer waren aufgrund einer Anomalie in ihren Genen darauf angewiesen, ihre Frauen unter den Sterblichen zu suchen. Fraglos verfügten jene über außergewöhnliche Gaben, wie eben die von Anna und Larissa. Dem nicht genug, sie besaßen seit ihrer Geburt auch einen solchen Feueropal. Einen Feueropal, der die DNA eines Salwidizers enthielt und seine Trägerin nicht nur zu ihrer Geburt fand, sondern auch ihre Zukunft
bestimmte. Die Chemie zwischen Seelengefährten stimmte immer, denn es gab nur die Eine für ihn. Was also war Julius anderes übrig geblieben, als seine Hilfe anzubieten? Außerdem … Zusammentreffen mit diesen Unsterblichen, und eines würde hundertprozentig bald stattfinden, versprachen jedes Mal Spannung, Nervenkitzel, Dramatik … einfach ein Abenteuer. Hätte er sich das wirklich entgehen lassen sollen?
*** Okay, er hätte, wenn ihm die Auswirkungen auf sein Leben und seine Beziehung zu Judith bewusst gewesen wären. Denn letztendlich
hatten sie nicht nur Anna, sondern auch Kan Hayat und Arabienne, die beide Gefangene in einem goldenen Käfig waren, gerettet und nach Adanwe gebracht. Julius und seine neuen Freunde, die an dieser Mission beteiligt waren, wussten um das Leben und Schicksal des Kan Hayat. Allen anderen in Adanwe war lediglich dessen ehemaliger Name Voland geläufig. Voland, der einzige salwidizische Verbrecher aller Zeiten. Das skrupelloseste Ungeheuer schlechthin. Bekannt durch unmenschliche Foltermethoden, Vergewaltigungen ohne Ende sowie Forschungen und Experimenten an lebenden Menschen. Damit ging ein Spalt nicht nur durch das gesamte Volk Adanwes, sondern auch durch
Familien- und Freundeskreise. All seine Freunde von damals standen auf der anderen Seite. Und wie es jetzt aussah, war auch die Beziehung zu seiner Schwester vorerst nicht zu kitten. Vielleicht sah es morgen nach der Anhörung, Verhandlung oder wie auch immer das Volk Adanwes die Farce nennen mochte, ganz anders aus. Nun galt es erst einmal, eine neue Unterkunft für seinen Aufenthalt in der Anderwelt zu finden. Seltsam, dass noch niemand aufgetaucht ist, der mich zu einer neuen Bleibe begleitet. Normalerweise laufen in Adanwe keine Menschen mal eben so durch die Gegend. Und wenn, war immer einer der Wächter zugegen. Nicht dass es alltäglich wäre,
solchen wie mir in dieser Welt zu begegnen, doch wenn an den Erzählungen was dran ist, hat sich wohl der eine oder andere schon hierher verirrt. Also … Wo bitte bleibt jetzt meine Eskorte? Vielleicht haben alle die Köpfe voller anderer Probleme, dass man für die Überwachung meiner Wenigkeit
einfach keinen Nerv hat. … Okay, gehe ich halt allein zu Fabrice. Sich nochmals nach allen Seiten umschauend, steckte er die Hände in die Hosentaschen und schlenderte langsam den schmalen Weg entlang, der die Anwesen der Salwidizer miteinander verband. Die Aussicht, die sich ihm bot, war wie immer beeindruckend. Hier schien sich nie etwas zu verändern, denn genauso hatte Julius die
Landschaft von seinem ersten und gleichzeitig letztem Besuch in Erinnerung. Satte, grüne Wiesen durchzogen von klaren, blauen Bächen und tiefen Bergseen, in denen sich zarte Wolken spiegelten, wurden am Horizont an drei Seiten vom Monsiug-Gebirge begrenzt. Seine Berge funkelten aufgrund des hohen Edelsteinvorkommens in der Sonne und der Schnee auf den Spitzen glitzerte wie Zucker. An der vierten Seite erstreckte sich ein undurchdringlich wirkender, dunkelgrüner Wald. Ein Urlaubsparadies ohnegleichen. Eine magisch verborgene „Insel der Ruhe und Natur“ auf einem Planeten, der seinem Namen „Blauer Planet“ kaum noch Ehre machte und langsam aber sicher dem Tod
geweiht war, wenn nicht bald ein Wunder geschah. Und doch lebten die meisten Salwidizer unerkannt unter den Menschen und hielten sich nur ein Mal im Jahr für mehrere Tage in ihrer Heimat Adanwe auf. Während Julius sowohl seinen Blick als auch seine Gedanken schweifen ließ, kamen ihm Lochlanns Worte über die Entwicklung der Welten in den Sinn. Von Anbeginn der Zeit galten für alles und jeden die gleichen rationalen Werte der Schöpfung als Grundlage des Seins, so die Lehren Adanwes. Irgendwann im Laufe der Jahrtausende verließen die Menschen den gemeinsamen Weg, leugneten einen Teil der von Vernunft bestimmten Werte und büßten damit ihre magischen Gaben und Fähigkeiten
ein. Das Leben der Salwidizer allerdings basierte weiter auf den Grundlagen der Schöpfung. Alles hatte ein Bewusstsein, egal welcher Form der Existenz. Gefühle und Emotionen wurden ausschließlich von Liebe, Harmonie, Freude und Frieden bestimmt. Die Existenz außerhalb von Zeit und Raum galt als Gabe, die jeder innehaben konnte. Eines jedoch gab noch heute den Wissenschaftlern in Adanwe Rätsel auf: War die Zeitverschiebung der beiden Welten … ein Tag in Adanwe entsprach sechs Tagen in der Welt der Menschen … die Ursache oder das Ergebnis der unterschiedlichen Entwicklung? Jedenfalls bildete sich eine magische Barriere zwischen den beiden
Welten, die nach Adanwe hinein nur alle 360 Tage zu einer ganz bestimmten Sternenkonstellation passierbar war.
Hm … Gefühle und Emotionen wurden ausschließlich von Liebe, Harmonie, Freude und Frieden bestimmt. Das war dann wohl einmal so. Wenn man sich die heutigen Reaktionen der Salwidizer anschaut … Mag ja sein, dass sie nicht vorsätzlich böse sein können, aber Widerwillen, Zorn, Verachtung, Ärger und Wut sind nahezu greifbar. Sollte diese Spezies zu solchen Emotionen überhaupt fähig sein? Vielleicht leben sie auch schon viel zu lange jenseits der Barriere, in meiner Welt. Oder ist es doch ein menschliches Erbe von
Anbeginn der Zeit? Sicher, in Adanwe, wo
echt nur Friede, Freude, Eierkuchen vorherrschen, kann man schon alles Negative von sich abstreifen. Und doch … „So in Gedanken, dass nicht mal mehr alte Freunde deiner Aufmerksamkeit wert sind?“ Dem folgte ein freundschaftlicher Schlag auf die Schulter. Julius zuckte erschrocken zusammen und wollte schon aus einem Reflex heraus in Abwehrhaltung gehen. Doch dann erkannte er Rudolfo und ein spitzbübisches Grinsen machte sich in seinem Gesicht breit. Rudolfo Renzini … einer der größten Magier seines Volkes, ein Mann mit einem Faible für Kriminalistik und Heilkunde, ein väterlicher Freund und Judiths Lebensretter. Judith. Damit schwand sein Grinsen und seine
Gesichtszüge wurden schmerzlich ernst. „Verzeih, alter Mann. Du hast mich erwischt. Ich war in Gedanken. Sind wir das zur Zeit nicht alle?“ Ein verräterisches Zucken in den Mundwinkeln und er bot dem Salwidizer den Arm zur traditionellen Begrüßung. „Alter Mann, ja?“ Rudolfo legte seine rechte Hand auf die rechte Schulter seines Gegenübers und erwiderte somit den Gruß. „Vielleicht kann der alte Mann dem Sterblichen helfen? Ich gehe nicht davon aus, dass du zu mir wolltest?“ „Ich wollte eigentlich zu Fabrice. Aber da bin ich wohl schon zu weit …“, stellte Julius zurückschauend fest. „Komm halt mit zu mir. Maritta wird sich freuen. … Und bei der Gelegenheit können wir uns gleich aus erster Quelle die neuesten
Informationen über … Wie heißt er jetzt? … holen.“ Vom Regen in die Traufe. Julius verdrehte die Augen und folgte Rudolfo die fünf Schritte zu dessen Haus.
Bei den Renzinis
Noch bevor Rudolfo nach der Klinke greifen konnte, wurde die Tür von innen aufgerissen und Maritta erschien mit einem freudigen Lächeln auf den Lippen.
„Oh, Mann! Weib, dein siebter Sinn für Besucher treibt mich noch in den Wahnsinn.“ Rudolfo drängelte an seiner Seelengefährtin vorbei, nicht ohne ihr hernach einen Klaps auf den Hintern gegeben zu haben, der sie sichtlich erröten ließ.
Gott, man könnte denken, die sind frisch verliebt. Dabei sind die schon an die hundert Jahre zusammen. Noch so eine
Eigenart der Salwidizer. Julius verdrehte kaum
merklich die Augen und schüttelte den Kopf. Davon ließ sich Maritta keinesfalls aufhalten, lachte ihn übers ganze Gesicht an und griff energisch nach seinem Arm. „Komm her und lass dich umarmen. Bei Menanim, wie lange haben wir uns nicht gesehen? Acht Jahre?“ Sie zog Julius, der sich gerade respektvoll vor ihr verbeugen wollte, wie es den salwidizischen Frauen gebührte, in ihre Arme und drückte ihn herzhaft. Dann schob sie ihn ein Stück von sich und musterte ihn eingehend. „So sieht also der schnellste Mann der Welt aus, der Held der Diamantklinge und der die verschollenen Töchter zurückgebracht … und so nebenbei ganz Adanwe in Aufruhr versetzt hat. … Rudolfo! Schau ihn dir an! Der Bengel von
damals hat sich zu einem stattlichen Kerl gemausert. … Dir müssen die Frauen doch reihenweise hinterherlaufen. … Komm rein! Komm rein! Ich hab schon einen Imbiss hergerichtet. … Hey, Filius! Du erinnerst dich noch an Julius, den Zwillingsbruder von Judith?“ Während Maritta vor lauter Aufregung und Freude redete und redete, schob sie Julius in die gute Stube, wirbelte herum und verschwand in der Küche. Die Gefühle, die sie dabei bei dem jungen Mann hervorgerufen hatte, schienen ihn fast zu erdrücken. Sie reichten von verblüfft über verwirrt bis ratlos. Seit wann wird man in Adanwe umarmt? Noch dazu von den Seelengefährtinnen? Und was war das? Der schnellste Mann der Welt, der Held … Was?
Und überhaupt … Ich bin davon ausgegangen, dass die Renzinis nicht gut auf mich zu sprechen wären, da sie zum einen Freunde von Richard, Jean und Georg sind und zum anderen Voland dem Filius ein paarmal übel mitgespielt hat. Ich verstehe es einfach nicht. Rudolfo trat grinsend mit einem Glas Selbstgebrannten an Julius heran und reichte es ihm. „Hier! … Trink! Und dann zieh deine mentale Mauer hoch. Du denkst zu laut. Wir brauchen gar nicht erst in deinen Kopf zu schauen. Deine Gedanken sind so allgegenwärtig, so offen … Aber lass mal. Du bist hier schon richtig aufgehoben. Sicherlich sind wir nicht ganz unvoreingenommen, was Voland betrifft, doch ich habe den Mann, den
ihr mitgebracht habt, in den Arrest begleitet. Also ich bin der festen Überzeugung, er hat mit dem, der sich Voland nannte, kaum mehr zu tun wie du und ich. Deshalb geben wir ihm bei der morgigen Anhörung eine Chance.“ Ein kameradschaftlicher Schlag zwischen die Schulterblätter sorgte dafür, dass der Selbstgebrannte, den Julius gerade auf Ex in sich hineinschüttete, die falsche Röhre nahm und einen fürchterlichen Hustenanfall verursachte. Statt einer passenden Antwort, schnappte er lediglich mühsam nach Luft. Auf den Versuch eines neuen Schlages seitens Rudolfo auf seinen Rücken hob er nur abwehrend die Hände. Der Salwidizer feixte daraufhin amüsiert, zuckte gleichmütig mit den Schultern und
goss die Gläser nochmals voll. „Auf einem Bein kann man doch nicht stehen. Hier … dann geht's dir gleich viel besser. … Wo waren wir? Ach ja. Wenn du dich über die Begrüßung von Maritta wundern solltest … Das hat Amaranth eingeführt. Diese Frau wirft jegliche Konventionen unseres Volkes über den Haufen. Umarmen und Küsschen hier und Küsschen da sind jetzt bei den Frauen an der Tagesordnung.“ „Hm … Das mit der Tagesordnung kann so nicht stimmen. Meiner Schwester war ich nicht einmal ein Hallo wert, geschweige denn eine Umarmung“, japste Julius zerknirscht noch immer nach Atem ringend. „Rudolfo, dein Selbstgebrannter ätzt einem aber auch alles weg. Hast du eventuell noch einen, da doch
der Erste den falschen Weg eingeschlagen hat. Vielleicht sollte ich gleich die ganze Flasche nehmen und mir den Aufenthalt in Adanwe schön trinken.“ Mit einem freudlosen Lachen sah er zu Rudolfo. Erst jetzt bemerkte er Marco, der in einem Sessel der Couchgarnitur aus hochwertigem, bordeauxfarbenem Leder vor dem offenen Kamin saß und ihn schweigend beobachtete. Oh, wow! Ist der Kamin aus schwarzem Marmor auf Hochglanz poliert? Und diese kunstvollen Verzierungen erst … Mein lieber Schwan. Nicht von schlechten Eltern. Gedanken, die noch vor der Begrüßung des Sohnes von Rudolfo und Maritta beim Betrachten der imposanten Einrichtung
schnell durch Julius' Kopf huschten. „Hallo, Filius. Schön dich wiederzusehen. Lange her, was?“ Irgendwie waren das nicht die richtigen Worte. Nicht die, die er sagen wollte oder hätte sagen sollen. Selbst in seinen Ohren hörte er sich flapsig, unsicher und eher befangen an. Lag das an der Situation, in der sie sich befanden? Er, der Kan nach Adanwe gebracht hatte, und Filius, der im früheren Leben dieses Mannes durch jenen leiden musste. Schon wünschte Julius sich, der Filius würde ihn so angehen, wie seine Schwester es getan hatte. Oder lag es an den Augen, dunkel wie Zartbitterschokolade, die ihn, ohne zu blinzeln, durchdringend fixierten?
Geschmeidig erhob sich Marco mit fast ausdrucksloser Miene und kam langsam auf Julius zu. Ausdruckslose Miene? War da nicht für einen kurzen Moment ein Funken der Überraschung in seinen Pupillen, eine Falte auf der Stirn, ein Zucken der Mundwinkel? Oder? Wohl eher nicht. Julius betrachtete den Mann, den er vor acht Jahren kennengelernt hatte und der ihm heute so fremd war. Beide waren sie gleich groß, von gleicher Statur … breite Schultern, schmale Hüften, flacher Bauch mit klar definierten Muskeln. In Gegensatz zu Julius' blondem Haar war das vom Filius schwarz, aber ebenso lang. Schon damals waren sie sich einander so ähnlich gewesen … jung, übermütig, abenteuerlustig.
Und obwohl Julius allenthalben bescheinigt wurde, zu welch einem gestandenen Kerl er sich doch entwickelt hatte, waren ihm diese Eigenschaften erhalten geblieben. Marco, der den Beinamen Filius kaum mehr verdiente, sah in seinen Gesichtszügen männlicher, gereifter, ernsthafter aus. Seinen Augen fehlte der jugendliche Schalk und seine sinnlichen Lippen waren fest zusammengekniffen. Der letzte Angriff Volands hatte dessen Leben nachhaltig verändert. Marco streckte seinen Arm zum üblichen Gruß unter Salwidizern aus, den Julius erwiderte. „Sei gegrüßt, Julius. … Ja, du sagst es, lange ist es her und viel ist in den Jahren geschehen.“ Seine Stimme, die viel tiefer als
früher war, und die wenigen unpersönlich klingenden Worte verursachten bei Julius eine Gänsehaut und ein eigenartiges Gefühl. Das Gefühl … nicht willkommen zu sein? Was? Seltsam. Die Hand vom Filius … Hatte er sie länger als nötig auf meiner Schulter liegen lassen, mit einem unerwarteten Druck? Warum? Doch ehe er sich weitere Gedanken darüber machen konnte, erschien Maritta mit einem Tablett belegter Brote und lud alle ein, um den großen, runden Tisch mit den zahlreichen Stühlen in der Mitte des Raumes Platz zu nehmen. Es war so natürlich, als wären Besucher bei den Renzinis etwas Alltägliches. „Na los, Jungs! Starrt euch nicht so an! Setzt euch! Rudolfo!… Los, los!“, mahnte die
temperamentvolle Mutter von Marco und wedelte mit den Händen. Rudolfo zwinkerte den Jungen zu. Ihm war die seltsame Spannung zwischen den beiden nicht entgangen, wollte vorerst jedoch nichts dazu sagen. „Dann woll'n wir mal, wenn die Chefin ruft. Setzt euch und greift zu! … Dabei kannst du vielleicht ein paar Fragen beantworten, Julius.“ „Okay.“ Auch wenn er sich gleichgültig gab, fühlte er, wie die Anspannung alle Innereien verknotete. An Essen war einfach nicht zu denken. Doch er wollte auch die Gastfreundschaft nicht mit Füßen treten und die Renzinis beleidigen. So fasste Julius beherzt zu. Wenn ich während des Mahles Rede und Antwort stehen soll, dann fällt es
nicht so auf, dass mir absolut nicht nach Essen zumute ist. „Und? Was wollt ihr wissen? Soll ich einfach erst mal anfangen zu erzählen? Oder …“ „Gute Idee. Fang einfach an. Die meisten Fragen werden sich dann bestimmt erledigt haben“, murmelte Rudolfo mit vollem Mund und wippte mit seinem belegten Brot. „Schieß los!“ „Hm … Eigentlich wollte ich mit meinen Freunden zu einer Hochzeit im Norden Schottlands. Und dann kam doch alles anders.“ Julius erzählte seine Geschichte.
„Ihr kennt mich. Bei allem, was ein Abenteuer verspricht, muss ich mitmischen. Ich wusste, dass irgendeiner von euch auf der Bildfläche erscheinen würde, wenn es um Anna und
Lara ging. Und so war es dann auch. Ich durfte Fabrice, Lanny, Manuel und Charlie kennenlernen. Und die hatten echt alles im Griff. Während sie einen Plan entwickelten und mit Anna …Später erfuhr ich, dass sie die vermisste Adanna, die Tochter von Luruna, war. Also … mit ihr, telepathischen Kontakt aufnahmen, habe ich meine Neugier befriedigt. … Nun, wie gesagt, ich schnüffelte überall ein wenig herum und geriet in das Höhlensystem der Insel, auf der wir Position bezogen hatten. Weil mir unglücklicherweise der Rückweg versperrt war, schaute ich mich halt ein wenig dort unten um … Vorratskammern; kleinere Höhlen, ausgestattet wie Separees; sanitäre Einrichtungen; eine Küche. Eigentlich alles,
was einen gut gehenden Club ausmacht. Zugegeben, ein … äußerst distinguierter Club. Der wahre Charakter zeigte sich jedoch in der Haupthöhle. Eine Orgie der sieben Todsünden: Hochmut, Neid, Zorn, Trägheit, Habgier, Völlerei und Wollust; alles schien da im Gang gewesen zu sein. Wohin man in dieser riesigen Höhle sah, dominierten neben all dem Verfall menschlicher Werte nackte und halb nackte Männer und Frauen das Bild. Sie kamen mir auf ihrer Flucht entgegengelaufen, ohne mich überhaupt wahrzunehmen. Also hab' ich mich zu genau jenem Sündenpfuhl aufgemacht und sah, wie Fabrice von einem Kerl mit einer Diamantklinge bedroht wurde. Was sollte ich da groß überlegen? Ich entwendete diesem
Typen die Waffe und … na ja … Stich ins Herz und Kopf ab. Sorry. … Hm … Als wir wieder an der Oberfläche der Insel waren, erzählten mir die anderen, was sich in meiner Abwesenheit zugetragen hatte. Unter anderem auch, dass Enne und ihr Seelengefährte Kan Gefangene des Besitzers dieses Etablissements waren. Ihr könnte euch vorstellen, was für ein Schock das für Fabrice, Lanny und Manuel war, als sie entdeckten, wer sich hinter Ennes Seelengefährte verbarg. Ich sage euch, sie waren nicht froh darüber. Doch Anna hat einfach Enne, die sie ja mehr oder weniger als ihre Mutter angesehen hatte, vertraut. Und um die anderen zu überzeugen, hat sie in Kans Erinnerungen geforscht.“
Voller Spannung hingen die Renzinis an Julius' Lippen. Genau an der Stelle mit den Erinnerungen kroch Rudolfo fast über den Tisch, um Julius näher zu sein. Das ist interessant. Adanna kann Erinnerungen lesen? Eine sehr außergewöhnliche Gabe, die bisher noch keinem Salwidizer untergekommen ist. Lurunas Töchter scheinen alle einzigartige Gaben zu besitzen. Arjana ist eine Amina Videntis, eine Seelenwanderin, und kann in jeder Seele das Unterste zuoberst kehren. Helena, eigentlich Aleen, kann sich an jede Begebenheit ihres Lebens erinnern, kann alle irgendwann gesehen, gehörten und gefühlten Informationen aus ihren Gedächtnis abrufen. Und nun Adanna. Rudolfo schüttelte
beeindruckt den Kopf und was auch immer er gerade denken mochte, plötzlich verfinsterte sich seine Miene. „Erinnerungen, sagst du. Was für Erinnerungen?“
Julius zuckte leichthin mit der Schulter, legte den Kopf schief und kniff die Augen zusammen. Was sollte er sagen? Was konnte er sagen? Es war jedenfalls nicht das, was Rudolfo erhoffte. „Tut mir ehrlich leid, aber die erste Erinnerung liegt viertausend Jahre zurück. Zu dem Zeitpunkt war Kan aus dem Nichts gefallen. Ihr müsst euch das so vorstellen: … Er schlug in dem Moment auf der Erde auf, in dem Voland als Roland geboren wurde. Sie haben wie zwei verschiedene Personen all die Jahrtausende durchlebt.“
„Aber er weiß doch, wer er früher einmal war und was er für verachtungswürdige Dinge getan hat?“
Julius spürte den anklagenden Blick von Marco. Und es gefiel ihm gar nicht. Ganz im Gegenteil, es verunsicherte ihn. Er hoffte nur, er bemerkte es nicht. „Sicher. Er wusste, welche Verbrechen Voland, also er in seinem früheren Leben, begangen hat. Und er war sich dessen auch bewusst, dass keiner gut auf ihn zu sprechen war und, sollte er nach Adanwe kommen, er vor Gericht gestellt werden würde. Dennoch …“ „Was? Warum hat er nicht eingegriffen? Warum hat er sein altes Ich nicht gestoppt?“ Ein Zittern lag in Marcos Stimme. Rudolfo legte seine Hand beruhigend auf den
Arm seines Sohnes und blickte ihm forschend in die Augen. Ist es wirklich nur die Aufregung und die Erinnerungen an Voland, der ihn bei seinem letzten Zusammentreffen an einen Eisblock gepfählt und ausbluten lassen hatte? Oder ist da noch etwas anderes, was der Filius zu unterdrücken sucht? Julius sah ebenfalls in die dunkelbraunen Augen, die im Augenblick fast schwarz wirkten. War da wieder dieses kurze Funkeln? Wohl nicht. Konzentriere dich auf die Fragen. „So leicht ist diese Frage nicht zu beantworten, die Frage nach dem Warum. Wir haben sie auch gestellt. … Bis auf wenige Flashbacks, einzelne Bilder einer Rückblende, hatte er keine Erinnerungen an sein früheres Leben. Auch er erfuhr genau
wie wir von den Untaten. Er sah sie nicht voraus, konnte sie nicht verhindern. Und was das Eingreifen angeht … Wann hätte er eingreifen sollen? … Ich meine, das frage ich euch jetzt. Vor tausend Jahren? Vor hundert Jahren? Wann? Welcher Zeitpunkt wäre der richtige gewesen? Hätte er überhaupt in die Geschichte eingreifen sollen? Was hätte sich verändert? Was wäre anders? … Natürlich haben wir ihn das Gleiche gefragt. … Seltsamerweise hat er mit der Antwort gezögert, als müsste er … hm … Na auf jeden Fall hat er immerhin seinen sogenannten Freund, der sich später als sein Feind entpuppte, daran gehindert, sich mit Voland zusammenzutun. … Ich denke, morgen bei der Anhörung werden noch ganz andere
Dinge ans Tageslicht kommen, die wir nicht im Entferntesten erahnen.“ „Ähm … Wie meinst du das?“, wollte Maritta wissen, die bisher nur schweigend zugehört hatte. Was soll denn noch ans Tageslicht kommen? Vor allem: … Woher? Von wem? Was wissen wir nicht? Was weiß Menanim, der Große Geist der Allwissenden Steine, nicht. Sicher, es gab eine Zeit, da bestanden Zweifel an seinem Wissen. Volands eigene Welt hatte die magische Barriere geschwächt und Menanim blieben immer mehr Informationen verborgen. Doch diese Zeiten sind vorbei. Also … Auf was spielt Julius an? Sie konnte sich das nicht vorstellen. Das sah man auch an den Falten auf ihrer Stirn. Sofort bereute Julius, den letzten Satz gesagt
zu haben. Seiner Schwester hatte er vorgeworfen, zu viel zu vertrauen und zu wenig zu hinterfragen. Bei den Renzinis war das Gegenteil der Fall. Sie wollten alles genau wissen. „Nun ja, es ist nur ein unbestimmtes Gefühl, ein flüchtiger Gedanke“, druckste er herum. „Vielleicht verstehe ich als Mensch ja auch nicht allzu viel von eurer Lebensweise. Ich möchte euch wirklich nicht … hm … zu nahe treten … beleidigen …“ Er suchte nach den richtigen Worten, konnte sie jedoch nicht finden. Er hätte sich gern lässig zurückgelehnt, doch seine Nervosität ließ sich nicht verbergen. Sein Blick huschte von einem zum anderen und richtete sich letztendlich auf seine Hände, die über seine
Oberschenkel rieben. Rudolfo musterte ihn aus zusammengekniffenen Augen und schüttelte dann wie so oft den Kopf mit dem schwarzen Haar … kurz geschnitten an den Seiten und länger gehaltenes Deckhaar, dessen Wellen ihm bei jeder Bewegung schwungvoll ins Gesicht fielen. Ein gepflegter Dreitagebart rahmte seine vollen Lippen ein, die im Moment, zwei regelmäßige Reihen weißer Zähne zeigten. Rudolfo lächelte. Wie kommt der Junge nur darauf, dass er uns beleidigen könnte? So ein Bullshit. „Also, jetzt raus mit Sprache. Was hast du auf dem Herzen. Was spuken dir für Gedanken im Kopf herum? … Und wage es ja nicht, uns anzuflunkern.“ Er nickte Julius aufmunternd zu
und lächelte noch breiter. „Komm schon. Wir reißen dir den Kopf nicht ab. Und wir beanspruchen nicht, alles zu wissen und über alles und jeden erhaben zu sein. Wenn du gewisse Zweifel an unserer Lebensweise hast … Her damit!“ Noch immer haderte Julius mit sich, ob er es wirklich wagen sollte. Bei Judith war es jedenfalls nach hinten losgegangen. Aber Rudolfo war ein echter Salwidizer und außerdem alt. Wer, wenn nicht er, sollte seine Zweifel ausräumen können. Er atmete tief durch und blickte reihum. Er sah keine Ablehnung in den Gesichtern. Okay, dann mal los, Julius! „Was ich euch jetzt sage, ist meine ganz persönliche Meinung, zu der ich im Laufe der Zeit meiner Freundschaft mit
einigen Salwidizern gekommen bin. … Hm … Gut. … Ähm … Wie oft nehmt ihr das Leben als gegeben hin? Es scheint alles irgendwie vorherbestimmt. Und damit meine ich nicht nur euer Lebensmotto: Alles kommt, wie es kommen muss. Seinem Schicksal kann keiner entfliehen. Es gibt so viele Traditionen und Überlieferungen, Regeln und Riten aus längst vergangenen Zeiten. … Total unzeitgemäß. Dabei ist gerade das Volk Adanwes in so vielerlei Hinsicht über alle Maßen fortschrittlich und der Zeit voraus. Ihr seid für mich eine Spezies voller Widersprüche. Und nun frag' ich mich halt … Warum ist das so? Warum hinterfragt ihr nicht das eine oder andere? Ich weiß, ihr vertraut und legt viel Wert auf die Meinung des Großen Menanim
und des Hohen Rates. Aber wo bleiben eure Meinungen, Ideen, Ansichten? War das schon immer so oder ist irgendwann etwas geschehen, das diese Lebensweise erforderlich macht? Und kann das in der heutigen Zeit nicht schon überholt sein? Ihr seid doch nicht zu bequem, um andere entscheiden zu lassen. In meiner Welt beweist ihr es Tag für Tag. Aber hier in Adanwe? … Ähm … Ich denke, Kan Hayat hat hierauf die Antwort. Wenn ich in sein Gesicht sehe, weiß ich es, fühle ich es. Er wird euer Volk in eine andere Richtung schubsen, eine … die Menschen würden sagen: eine demokratische Zukunft.“ Julius hatte zögerlich begonnen und war dann immer schneller geworden, bis die Worte nur so aus ihm heraussprudelten.
Nun war es mucksmäuschenstill. Maritta, Rudolfo und Marco schauten Julius sprachlos an. Wobei der nicht zu sagen wusste, was in den Köpfen der Renzinis vor sich ging. Ihre Mienen waren ohne jegliche Emotionen. Und Julius? Julius wusste nicht, wohin er sehen sollte. Er spürte die Blicke und schloss für einen Moment die Augen. Habe ich sie doch beleidigt? War es falsch gewesen, so offen meine Meinung kundzutun und über meine Eindrücke bezüglich Kan Hayat zu sprechen? Jäh wurde er aus seinen Gedanken gerissen. Die Tür zur guten Stube wurde mit Schwung aufgestoßen und Hannes stürmte ins Zimmer. „Hey, du Spinner! Was hast du mit Judith
gemacht? Seit du das Haus verlassen hast, sitzt sie da und heult sich die Augen aus dem Kopf. Du denkst wohl, weil du einen von uns gerettet hast, gibt es dir das Recht, alle die nicht deiner Meinung sind, in Grund und Boden zu knüppeln?!“ Vorwürfe, die jeglicher Grundlage entbehrten, und Beleidigungen prasselten auf Julius ein. Er war froh, dass Hannes Fäuste lediglich auf den Tisch niederstießen. So viel zu seiner einstigen Freundschaft mit diesem Mann. Wenn dieser könnte, würde er Kleinholz aus ihm machen. Aber er konnte nicht, denn Rudolfo ging als Hausherr und Gastgeber dazwischen. „Ich weiß ja nicht, wer von euch beiden der Spinner ist und alles in Grund und Boden
knüppelt! Aber Julius besitzt zumindest so viel Anstand, sich gesittet in meinem Haus zu bewegen. Was ich allerdings von dir nicht sagen kann, Hannes. Geh nach Hause und kläre das mit Judith! Und wenn sie dir nicht antworten kann oder will, dann schau nach. Es ist dein Recht, ihre Gedanken zu lesen, wenn du ihr damit helfen kannst, glücklich zu sein. … Ansonsten, Hannes … Wir sehen uns morgen in der Vita zur Anhörung.“ Rudolfo war bei seinen Worten aufgestanden und hatte sich, trotz seiner ruhigen Stimmlage bei der Zurechtweisung, in voller Größe vor Hannes aufgebaut. Er war zwar kleiner, aber dennoch wirkte es drohend. Mit blitzenden Augen starrte er Hannes an und warte, bis dieser das Haus verließ.