Vorgaben zu SP 85
- Adel
- Pest
- Vasall
- Glöckner
- Burg
- Tautropfen
- Habseligkeit
- Hoffnungsschimmer
- Narr
Der Kolibri – Eine Fabel
Ein Kolibri ging seiner Lieblingsbeschäftigung nach: Nektar trinken. Er flatterte hierhin und dorthin auf der Suche nach den leckersten Tautropfen. Nach einem letzten Schluck vom lieblichsten Nektar ließ er sich satt und zufrieden auf einer großen Dolde nieder. Da saß der König auf seinem Thron! In diesem Paradies wollte er es sich herrlich vorstellen. Er schnippte mit den Flügeln und seine adeligen Vasallen
erfüllten seine Wünsche. Aus dem Gemurmel der Untertanen hörte er Lob für den Herrscher.
Ein Sturm brach wie die Pest über das Paradies herein. Es goss wie aus Kübeln und die Burg, auf einem zierlichen Stängel gebaut, schwankte im scharfen Wind. Der Glöckner warnte mit all seiner Kraft vor dem drohenden Untergang. Doch es war kein Hoffnungsschimmer weit und breit.
Da wurde auch der König kleinmütig. Das durfte aber nicht nach draußen dringen! Er war der König! Mit Getöse kommandierte er seine Untertanen, sie sollten das Schloss und seine Habseligkeiten schützen, sie wären ohne
ihn dem Untergang geweiht! Doch niemand rührte das Geplärr. Sie flüchteten auf festeren Untergrund unter ein großes Blatt und beobachteten mehr amüsiert des Königs einsamen, verzweifelten Kampf gegen die Mächte der Naturgewalten.
In einer heftigen Bö stürzte der König unsanft auf das weiche Moos des Waldbodens. Triefnass und frierend begehrte er Schutz bei seinen Untertanen, doch es war kein Platz mehr. Es dauerte einen langen Augenblick, bis der König verstand, dass er ohne sein Volk verloren war. So suchte er das Weite, nicht ohne Schmähungen auszustoßen, die übers ganze Land und
alle Grenzen hinweg stoben. Der König verlor an diesem Tag seine letzte Krone – und dem Kolibri sah im Spiegel einer Pfütze ein Narr entgegen.