Prolog
Es war Winter und im Wald war es düster und kalt. Ruby sah besorgt zu den Baumkronen. Hoffentlich fängt es nicht wieder an zu schneien! Unruhig sah sie sich um. Sie hatte den Weg aus den Augen verloren. Ein Baum hatte den Weg versperrt, eigentlich wollte sie nur den Baum umgehen, aber gerade an der Spitze angekommen, erklang ein Knurren hinter ihr. Sie war losgerannt um dieses Tier abzuschütteln.
Jetzt war Ruby sich zwar sicher, dass das Tier nicht mehr hinter ihr her war, allerdings wusste sie nicht mehr in welcher Richtung der Weg lag. Verlasse
niemals den Weg, hatte Mutter gesagt! Dort bist du sicher, hat sie gesagt! Erschrocken drehte sie sich um und starrte in die Dunkelheit des Waldes. War da was? Ängstlich biss sie sich auf die Unterlippe. Ich muss den Weg wieder finden! Sie sah zurück in die Richtung aus der sie gerade erst kam! Gehe ich überhaupt in die richtige Richtung? Seufzend fing sie weiter. „Irgendwann muss ich ja auch aus dem Wald herauskommen!“ Ihre Stimme klang ängstlich, aber das kümmerte Ruby in diesem Moment nicht. „Du läufst in die falsche Richtung!“ Erschrocken drehte Ruby sich um. Dort stand ein junger Mann, er war vielleicht Mitte 20.
Entspannt lehnte sie an einer Eiche. Wo kommt der den so plötzlich her? Sie versuchte ihre Unsicherheit zu verbergen. „Und in welche Richtung muss ich gehen um den Weg zu finden?“ fragte sie so ruhig es ging. Er stieß sich von dem Baum ab und kam näher. Es wirkte beinahe so, als würde er sich anpirschen! „Warum sollte ich Dir das sagen?“ belustigt sah der Fremde sie an. Mit zusammengekniffenen Augen sah Ruby zurück. „Weil es höflich und hilfsbereit wäre, einer verirrten Person auf den rechten Weg zu helfen!“ erklärte sie verwirrt. Er lächelte, etwas an seinem Blick beunruhigte Ruby. „Wer sagt den, dass ich höflich und hilfsbereit bin?“
fragte er gedehnt. Langsam kam er Ruby immer näher. Bereit jederzeit loszurennen, wich sie zurück. Offen musterte er ihren Körper, Ruby kannte diesen Blick.
Einige Gäste hatten bloß ihre langen dunkelbraunen Haare bewundert, andere hatten von ihren grünen Augen geschwärmt. Die dreistesten von ihnen hatten versucht Hand an ihren Körper zu legen, aber Thomas, der Besitzer der Taverne, hatte immer ein wachsamen Blick, was sie anging. Seid dem Tod ihrer Mutter hatte er auf sie geachtet wie auf seine eigenen Töchter.
Ruby war den Weg früher oft mit ihrer Mutter gegangen. Im Dorf hinter dem
Wald lebte ihre Großmutter. Für sie war Ruby nur der Bastard. Trotzdem hatte sie jetzt, 2 Jahre nach dem Tod ihrer Mutter, einen Brief zukommen lassen. Sie fand, dass Ruby ab jetzt bei ihr leben sollte. Ruby wollte eigentlich nicht bei ihrer Großmutter leben, aber sie wollte Thomas und seiner Familie keine weiteren Umstände bereiten, also hatte sie ihre Kleider und das Ersparte zusammen gesucht und sich auf den Weg gemacht.
Womit habe ich das verdient?
Kurz überkam Ruby pure Verzweiflung, aber schnell verdrängte sie diese unerwünschte Empfindung.
Hätte Großmutter nur schon früher
nach uns rufen lassen, dann hätte sie Mutter helfen können! Sie hatte das Geld um die Medizin zu kaufen! Aber nein, sie wollte nichts mit uns zu tun haben! Statt zu helfen, ließ sie Mutter lieber leiden und sterben!
Die ganze Wut und Enttäuschung brach wieder hervor. Nun sah sie diesen düsteren Fremden wütend an, sein Blick wurde wachsam, aber er schien nicht besorgt zu sein. „Wenn Sie mir nicht helfen wollen, verschwinden Sie gefälligst!“ knurrte sie wütend.
Zufrieden grinsend trat er noch näher und Ruby wich unwillkürlich zurück. Als sie gegen den Stamm eines Baumes stieß, blieb sie gezwungenermaßen stehen.
Entspannt stütze er sich mit den Händen neben ihrem Kopf ab. „Warum sollte ich verschwinden?“ Langsam nahm er sie mit seinem Körper zwischen sich und er Baum gefangen.
Wütend starrte Ruby ihm in die braunen Augen, goldene Punkte schienen sich von der Iris aus zu verteilen.
Es ärgerte Ruby, dass dieser arrogante Kerl in ihrem Heimatdorf von den Frauen umschwärmt worden wäre. Gut sah er ja aus! Gutes Aussehen, bewahrt einen nicht vor Dummheit!
Er überragte Ruby um gut einen Kopf, hatte schwarze Haare und einen schlanken Körper. Trotzdem wirkte er nicht schwach.
„Weil ich Sie nicht leiden kann!“ antwortete Ruby schließlich auf seine Frage.
Er fing an zu lachen. „Das ist wirklich ein schwacher Grund!“ er schüttelte den Kopf. „Du kannst mich nicht einfach wegschicken! Der Wald gehört Dir nicht!“ erinnerte er sie, allerdings in einem Ton, als wäre es bei ihm anders. Begierig sah er sie grinsend an. Wütend versuchte Ruby ihn von sich zu stoßen. „Das heißt aber nicht, dass ich Ihre Gesellschaft akzeptieren muss!“ stieß sie hervor. Er lachte noch immer über ihren Versuch ihn auf Abstand zu bringen. „Kleine, dass bring eh nichts!“ Ruby
erstarrte kurz, dann sah sie ihm fuchsteufelswild in die Augen. „Nennen Sie mich nie wieder Kleine!“ stieß sie wütend hervor. Provozierend sah er sie jetzt an. „Was sonst... Kleine?“ fragte er und grinste noch schlimmer. Er stand so nah! Ohne zu zögern hob sie das Knie, aber er war schneller und wich zurück.
Eine Lücke entstand und Ruby konnte ihm entkommen!
Schnell rannte sie von dem seltsamen Fremden fort. Sein Lachen erklang hinter ihr. „Du entkommst mir nicht!“ rief er ihr lachend hinterher. Es klang wie ein Versprechen. Ruby rannte wieder so schnell sie nur konnte. Weg, ich muss weg von dem! Als das Geheul der Wölfe
anfing, stolperte sie, fing sich aber sofort wieder. Bin ich etwa in einem Wolfsrevier? Keuchend rannte Ruby weiter. Sie versuchte das Krachen hinter sich zu ignorieren. Die Pfoten die versteckt vom Wald neben ihr liefen. Das brechen der Äste als etwas oder jemand großes durch den Wald rannte. Er schien kein Interesse daran zu haben, sich vor ihr zu verbergen. Ich werde hier sterben! Angst schlich in ihr hinauf, aber sie lief weiter. Bis sie eine Wurzel übersah und stürzte. Als sie aufsah, stand nur wenige Schritte von ihr entfernt ein Wolf und fletschte die Zähne. Nein! Ich will nicht sterben! Als sie hinter sich Schritte im Schnee hörte, sah sie von
dem Wolf weg und dem Fremden entgegen. „Ich habe es doch gesagt!“ meinte er zufrieden und stand schließlich über ihr. Seine Augen waren jetzt nicht mehr braun, sie schienen fast golden zu leuchten. „Du entkommst mir nicht!“ murmelte er und kniete sich über sie in den Schnee. „Du bist ein Formwandler!“ keuchte sie entsetzt, unfähig sich zu wehren. „Und ich wittere deine Angst!“ flüsterte er ihr leise ins Ohr.