Blinddate
Ich sitze an der Bar, die roten Haare zu wilden Locken geformt und gesprayt. Nervös rauche ich eine Zigarette, obwohl ich eigentlich Nichtraucherin bin. Aber wo soll ich sonst mit meinen Händen hin? Der Softdrink ist auch schon halb leer und ich will schliesslich noch bei Sinnen sein, wenn mein Date eintrifft.
„Sofia? Wow, ich hätte dich fast nicht erkannt!“ höre ich eine Männerstimme neben mir sagen und verschlucke mich vor Schreck an meinem Drink. Ich huste und der Unbekannte klopft mir leicht auf den Rücken.
„Danke!“ Ich räuspere mich und blicke dem Mann keck ins Gesicht.
„Von wo kennen wir uns?“
Er starrt mich eine Weile verblüfft an, während dessen fliegt mir die Asche auf mein schwarzes Handtäschchen, super!
„Darf ich mich setzen?“ fragt er mich nun und lächelt charmant, dabei bildet sich ein Grübchen in seiner linken Wange, oh wie süss!
„Gern! Wer sagten sie wer sie sind?“ Ich drücke die blöde Zigarette im Aschenbecher aus und widme mich der auf einen Zahnstocher aufgespiessten Cocktailkirsche. Sanft schiebe ich sie in meinen Mund und knacke die Süsse mit meinen perlweissen Zähnen aus ihr heraus.
„Oh, tut mir leid! Ich dachte du würdest mich noch erkennen, nach diesen heissen Tagen und Nächten die wir zusammen erlebt haben!“ er grinst mich vielsagend an und mein Blick versinkt in dem hellen Blau seiner strahlenden Augen.
„Ich heisse Antonio Gomez!“
„Freut mich Antonio. Ich bin Tatjana!“ Erstaunt zieht er eine dunkle Augenbraue hoch und mustert mein Gesicht, als wollte er jeder Sommersprosse hallo sagen. Sein Blick gleitet intensiv weiter, meinen schlanken Hals hinunter, über mein schwarzes Top, bis zu meinen engen Jeans die in geschnürten Stiefeln enden. Antonio Gomez, was für ein Herzensbrecher! Heisse Tage und Nächte! Waren wir zusammen in der Sahara? Pah!
Ein Räuspern zu meiner linken reisst mich aus meinen Gedanken. Oh Gott! Bitte lass diesen Kerl nicht mein Date sein. Ich drehe abrupt meinen Kopf, so dass meine Locken mir ins Gesicht fliegen und schaue mitten in die Augen meines Verlobten. Perfekt!
„Tatjana, was machst du denn da?“
Das könnte ich dich wohl auch fragen, oder? Mir hast du gesagt du hättest noch ein Meeting in der Bank.
„Ich trinke.“ Entgegne ich mit einem zuckersüssen Lächeln und werfe einen heimlichen Blick auf meine Uhr. Noch fünf Minuten dann tanzt hier mein Blinddate an!
Tom, mein Verlobter setzt sich auf den freien Stuhl an meiner linken Seite.
„Seit wann rauchst du? Du solltest nicht rauchen wenn du schwanger bist!“
„Waaaas?“
„Das ist schädlich fürs Baby!“ sagt Tom und Antonio starrt mich wortlos an.
„Für welches Baby, du meine Güte!“ Ich verdrehe genervt die Augen und schnappe mir erneut eine Zigarette, zünde sie an und nehme einen genüsslich langen Zug.
„Deine Tage sind schon längst hinfällig!“ meint Tom mit seiner lauten Bassstimme. Ich huste und probiere die Röte zu unterdrücken, die in meinem Gesicht aufsteigen will.
„Ich nehme die Pille wenn du es noch nicht gemerkt hast!“ Ich schicke ihm einen Glutpfeilen sprühenden „halt-die-Klappe-Blick“ zu. Der Mann nervt mich gewaltig!
„…für die wunderschöne Dame!“ höre ich die warme Stimme von Antonio dem Barkeeper sagen und dieser schiebt mir einen „Sex on the Beach“ Cocktail über den Tresen.
„Wow, danke!“ bedanke ich mich mit einem vielsagenden Zwinkern bei dem Adonis zu meiner Rechten.
„Das Meeting hat wohl nicht so lange gedauert, ja?“ frage ich freundlich und sehe, wie Tom sich mit der linken Hand hinter dem Ohr kratzt. Das macht er immer wenn er nachdenkt und gerade keine Antwort parat hat.
„Von wo kennt ihr euch?“ fragt mich nun Tom und zeigt mit dem Zeigefinger auf Antonio und mich.
„Wir trafen uns in Malaga am Flughafen!“ erwidert Antonio wie aus der Kanone geschossen.
„Oh ja, vor drei Jahren war das!“ werfe ich lachend ein, den mit Tom bin ich seit zwei Jahren und vier Monaten zusammen.
„Und was wolltest du in Malaga?“ Tom blickt mich streng an.
„Wir machten Reitferien zusammen!“ antwortet Antonio und grinst mich von der Seite an.
„Oh ja, die Andalusier sind auch toll dort!“ lache ich und genehmige mir ein Schluck von meinem sexy Drink.
„Du hasst Pferde!“ stösst Tom hervor und ich höre ein leichtes Zischen zwischen seiner Zahnlücke.
„Ehmm, guten Abend! …Tatjana?“ sagt eine weitere Männerstimme hinter mir. Dass muss mein Blinddate sein, du meine Güte was mach ich jetzt?
Ich gluckse vor mich hin, dann schüttelt ein helles Lachen meine Schultern. Krieg dich ein Tatjana, was soll der arme Kerl den sonst denken! Ich drehe mich auf meinem Barhocker elegant um und sehe erst mal einfach eine dicke, braun umrahmte Hornbrille. Nach dem ersten Schock nehme ich ein blasses, kantiges Männergesicht wahr mit eingefallenen Wangen und einer leicht schiefen Nase. Seine Frisur ist Gel verklebt und blond gesträhnt. Der Mann blickt nervös und nestelt mit den Fingern an einem losen Faden an seiner Hosentasche herum
„Wen haben wir denn da?“ fragt Tom todernst. „Den Hochzeitsplaner?“
„Hey Louis!“ begrüsse ich mein Blinddate dessen Anblick mich fast erblinden lässt, aber nicht gerade vor Wohlgefallen und zu Tom gewannt antworte ich: „Er ist mein Gynäkologe!“ Ich pruste los und Antonio stimmt in mein Gelächter mit ein. Das war wohl schon ein Drink zu viel in den leeren Magen. Der arme Louis wird rot wie eine überreife Tomate kurz vor dem Platzen.
„Ich, ich bin Bäcker!“ stottert er.
„Du hast also tatsächlich in Spanien Reiterferien gemacht?“ Tom schaut mich an mit dem Blick eines Lehrers der sein Schüler verhören und bestrafen will.
„Ich backe Brote, ich reite nicht!“ höre ich Louis sagen und fange an zu kichern.
„Und wie sie reiten kann!“ grinst Antonio an meiner Seite. Sein Knie berührt mein Bein, was mir ein paar Schmetterlinge durch die Bauchgegend jagt.
„Ich habe eine eigene Ranch in Spanien!“ erzählt Antonio.
„Und ich eine eigene Bank!“ zischt ihn Tom mit leicht zusammen gekniffenen Augen wütend an.
„Und ich eine eigene Bäckerei!“ sagt Louis scheu.
Oh Männer! Ihr seid ja herrlich! Wer ist der Beste und wer hat den Grössten, oder was soll das?!
„Wir gehen jetzt nach Hause Tatjana!“ Tom nestelt sein Portemonnaie hervor und verlangt die Rechnung.
„Du vielleicht, ich amüsiere mich lieber noch ein wenig!“ antworte ich ihm mutig.
„Du kommst mit mir!“ donnert Tom nun los und einige Bar Gäste drehen erstaunt die Köpfe.
„Nein, ich bleibe!“ entgegne ich sanft aber bestimmt.
Da packt mich Tom mit eisernem Griff am rechten Arm und zerrt mich von dem Barhocker.
„Hey Mann, was soll dass?“ Antonio ist leichtfüssig aufgesprungen und stellt sich beschützend vor mich hin. Mit entschlossener Haltung und wildem Blick befiehlt er meinem Verlobten, mich loszulassen. Louis steht da zur Salzsäule erstarrt.
„Du Schlampe du!“ brüllt mich Tom an. Ich beisse die Zähne aufeinander um ihm nicht gleich eine zu hauen.
„Mit uns ist es aus Tom!“ sage ich ruhig und blicke Tom nach, der fluchend und mit Zornesröte im Gesicht die Bar verlässt.
Christian der die ganze Zeit die Szene im Hintergrund gefilmt hat, kommt nun auf mich zu.
„Das wird wohl nichts meine Süsse!“ Ein breites Lächeln verzieht sein pausbäckiges Gesicht. „Dein ehm „Ex“ hat uns dazwischen gefunkt!“
„Tja, so kann es gehen! Willst Du die Szene nochmal drehen?“ frage ich meinen Kollegen der den ersten Teil des Films „Blinddate“ heute abdrehen wollte. Da sich Tom nie für meine Hobbies interessiert hat, habe ich ihm auch nicht erzählt, dass ich mich in einem kleinen, privaten Filmteam als Schauspielerin beworben und die Rolle gleich bekommen habe.
„Nein, für heute lassen wir es. Ich lade euch ein zu einer leckeren Pizza im Al Ponte!“
„Cool!“ antworten wir wie aus einem Munde.
Antonio hilft mir in meine schwarze Lederjacke und Louis zahlt die Rechnung. Christian öffnet uns galant die Türe und so treten wir lachend in die Nacht hinaus.
Conny B.