2001-07-18, Mittwoch. So eine kurze Nacht wirkt sich doch aus. Ich war müde, wie ein Pferd. Was passiert an einem solchen Tag? Der Blick am Morgen zeigt mir stets den Hauptbahnhof, wo es wuselt und hupt. Es ist früh hell und eine Unmenge kleiner Chinesen eilt zur Arbeit oder kommt gerade an. Das Straßennadelöhr lässt nur in paar Taxen durch und man hupt eben, wenn es sich staut. Vollkommen unklar erscheinen die Regeln, nach denen man hier fährt, es gibt wenige Schilder, in chinesisch und englisch. Man schiebt sich eher durch die Kreuzungsbereiche und die wirre Kombination von PKW und Fahrräder wirbelt scheinbar durcheinander. Dazwischen ungeregelt Fußgänger und wir sind sehr stolz, unfallfrei von der einen auf die andere Straßenseite zu kommen.Der Tag beginnt mit dem Frühstück, das durch die Kombination des europäischen mit dem chinesischen etwas seltsam ist. Es fehlt an frischem Obst, scheinbar gibt es nur Melonen – die aber dafür in rauen Mengen. Jede Menge Eier und einen Tee, der für China schlichtweg eine Blamage darstellt. Dazu ist das Personal am Morgen echt unlustig, der Service schleift, das SB –System will so gar nicht zum sonst so beflissenen Gebaren passen. Mir schmeckt es trotzdem, man muss mach mal Toleranzbereitschaft zeigen. In der Klinik ist Qui Gong angesagt, es wird allmählich etwas schwierig. Der Lehrer ist der ehemalige Chefarzt und alle wundern sich, als er sein Alter mit knapp siebzig verrät. Fließende Bewegungen und ein ruhiger Atem - Rhythmus, es ist neu für uns stressige Zeitgenossen. Wir üben, trinken wechselweise Tee oder warmes Wasser und üben wieder. Das Mittag sieht uns im Hotel, die Speisen sind fast immer andere, der Tofu äußerst lobenswert, weil frisch bereitet. Eine kurze Ruhepause nach dem Essen und Teil 2 bringt einen Vortrag über Ginseng. Neu ist, dass nicht für jeden Menschen Ginseng richtig ist und das zuviel sogar „krank“ macht. Manfred hat ein Ginseng-Präparat gekauft und oh Wunder es kommt aus Kanada. Macher denkt, hier gibt es Allround inclusive. Eben falsch.Ach ja Fußmassage gab es nach dem Abendbrot, zum Einführungspreis. Das ist eine Supersache. Ich rief Christo an, der wie so manchmal nur ein halbes Ohr hatte. Ist ja auch kein Wunder, ich wollte ihm eigentlich nur sagen, wie erfreut ich von dem Erlebnis war und ich sehe da eine echte Geschäftsidee. Selbst die Behandlung in einem großen Raum von 12 Kunden zugleich scheint zu gehen. Das Klatschen im Takt ist wie ein Trommelwirbel und es wurden Probleme entdeckt, da glaubte man nicht dran.Mutige 6 Leute gehen noch auf einen Gang in die Stadt. Mit der Metro, superschnell und sauber. Wir landen zwar nicht punktgenau, wie gewollt, aber das Stück Laufen macht uns nicht schlapp. Die Luft ist immer noch so feucht und warm, wie am Tag.Das Teehaus „Tun Run Tea Fun“ finden wir, hier waren wir schon mal. Vor der Tür brüht eine hübsche, junge Frau auf einer kunstvoll geschnitzten Wurzel den Tee zur Kundenwerbung. Uns gefiel diese Art, besonders der grazile Schwung mit dem sie die Becher mit den Schalen drehte, aus denen man dann den Tee andächtig genießt. Wir finden Platz in angenehmer Umgebung und kämpfen uns wählerisch durch eine Teewelt. In kleinen Kännchen zelebriert man den Sud und dann kreist stets eine Kellnerin durch den Raum, die heißes Wasser bis zum Abwinken nachschenkt.Apropos Abwinken – gegen 00.36 bin ich und der Bericht so geschafft. Wie wichtig so ein Report ist, sieht man ohnehin erst später. 2001-07-19 schon ist Donnerstag. Vor dem Frühstück gehe ich zum Zigaretten holen. Hier kann ich das Thema Klima einfügen. Aus der Lobby tritt man am Morgen vor das Hotel und die Wärme umfängt dich, wie eine kompakte Masse. Es ist unerträglich schwül, aber die Menschen gehen zur Arbeit. Die Blicke gelten mir, denn hier bin ich Ausländer und jeder sieht das. Man schiebt sich durch diese Watteluft und die Schritte werden von allein langsam. Ich schaue in Gesichter, die fremd erscheinen. An der Ecke sind kleine Läden, wo es Obst und Getränke gibt. Viele haben eine Wasserflasche in der Hand, manche führen Teegläser mit Deckel mit sich. Wie man unter solchen Bedingungen arbeiten kann ist mir schleierhaft. Was müssen diese Menschen zu unseren Wetterbedingungen sagen. Ich registriere schon die Feuchtigkeit in Potsdam und hier scheint sie auf 90% und mehr zu steigen. Gewitterschwüle nennen wir das in Deutschland.Die Gruppenzusammensetzung ist ganz gut getroffen, aber auch hier trifft Wessi und Ossi zusammen. Wir kommen aus anderen Welten und treffen uns in einer anderen Welt. Dazu noch der Reiseleiter Dr. Liu, der alles organisieren soll. Alle Wünsche und Vorschläge prasseln auf ihn ein und Pläne sind Makulatur mit ständigen Veränderungen. Ein Optimum an Erlebnissen gepaart mit laufender Behandlung ist schon wie das „Ei des Columbus“ oder die „Quadratur des Kreises“.Mancher weiß es besser und mancher ist misstrauisch, ob denn alles noch klappt. Ich fühle mich hier nicht fremd, ich sehe den Stolz der Menschen und erkenne die Riesenkraft einer Nation im Um- und Aufbruch. Eben tröpfelt es aus der Klimaanlage, ein kleiner Defekt.Schwierig scheint das Anbahnen von Beziehungen und der Aufbau von Netzwerken. Beim Kontakt zum Management der Fußmassage muss außer der Boss noch ein Bigboss kontaktiert werden. Die Herarchie in vielen Schichten scheint über 1000 Jahre gewachsen zu sein. Ohne Mittler geht hier nichts, ohne Landessprache wenig. Das ist eine Herausforderung für mich, an der es zu arbeiten gilt.Der Rest des Tages folgt am folgende.Es ist 01.00 und wir kommen gerade vom Bummel. Der Nachmittag war gefüllt mit Akupunktur. Danach Abendbrot und 18.15 ab zum Schiff. Die Rundfahrt zeigte das reizvolle Panorama der Stadt. Alles staunt und es ist eigentlich wie eine Dampferfahrt überall.Fotos knipsen, Lachen der Fahrgäste und die Leute die „...still in ein Gespräch vertieft“ sind.Ein Ereignis sollte Erwähnung finden. Dr.Liu hat eine junge Frau, eher ein Mädchen mitgebracht, das aus Shanghai kommt, in der USA studiert und deutsch lernt. Sie kommt ganz einfach mit. Schön und selten – sogar ein wenig hilfreich, denn wie oft fällt die Frage: „ ... Was hat er jetzt gesagt????...“.Eine Bekannte von Herrn Liu ist die Deutschlehrerin von LISA und die hat 10 Jahre an der TU Berlin studiert. Auf dem Schiff frage ich sie, wer diese herrliche Skyline + Brücke geplant und gebaut hat.Die Antwort kam auf einen verblüffenden Punkt: „... Alles was hier so schön und neu ist kommt nicht aus China, es kommt aus dem Ausland. Investoren, Planer und Baufirmen kamen aus Japan, USA und Deutschland...“ Im weiteren Gespräch erwähnt sie ganz nebenbei, das man hier ein Problem mit den Kommunisten hat. Solch eine absolute Aussage erstaunt mich und ich frage nach, ob sie sich mit ihren Eltern über Politik unterhält. Nach der Schiffsfahrt bummeln wir noch in kleiner Truppe auf der „ Straße der Freiheit“ und erwichen noch das Erlebnis Metro zum Hbf. In einer kleinen Kneipe um die Hotelecke beschließen wir den Tag gegen 01.00. 2001-07-20, der Freitag. Aufgewacht mit dumpfen Schädel. Die Niederschrift der letzten Zeilen war etwas schwierig, weil ich haute zu oft daneben. Alle haben nun Problem mit Liu, weil das Programm stets Änderungen erfuhr und sich nach so ein paar Tagen Gruppen und Parteien formieren, gleichzeitig erwacht der Balztanz und Geschlechterkampf etc. Die Beobachtungen sind vielseitig und lustig, aber gehören nicht in diesen Bericht, wegen der Diskretion. Oft sprechen wir über Christo, die Gedanken sind auf unterschiedliche Weise bei ihm. Obligat begann auch dieser Tag mit dem „gemischten Frühstück“. Hinter uns essen andere Deutsche, die wir glatt ignorieren und die uns auch. Unbedeutend – nur sollten wir an die Türken bei uns denken oder Russen, eben die, die wir Ausländer nennen. Ich denke es hat kaum einer wahrgenommen. Der Qui – Gong Kurs verlangt heute etwas mehr von uns und ich fühle mich danach, trotz Müdigkeit mit Energie geladen. Sollte es wirken? Nach dem Mittag im Hotel (auch diese war anders) hatten wir einen Vortrag von Direktor Yan Qian Lin, dem Chef des TCM Hospitals. Er erläuterte in einem sehr gut gegliederten Vortrag, was man tun muss, um 120 Jahre zu werden. Sein Vater ist 82 und arbeitet noch. Er hat ein Mittel gegen Altersflecken entwickelt, das noch in der Erprobung ist. Schwer ist nur, mit Hilfe der Dolmetscherin präzise Gedanken und Fragen zu diskutieren, weil ihr einfach die sprachliche Gewandtheit fehlt. Da nach diesem Tagesordnungspunkt noch Zeit bleibt, schlendere ich mit meiner Gattin ums Karree. Bis zur Bank of China und zurück. Da kann man die Altstadt durchstreifen und sehen, wie sogar der Friseur auf der Straße arbeitet. Von einem kleinem Nackedei gelang mir eine Aufnahme, schon das war den Spazi wert. Monika pumpt wie ein Maikäfer, ich transpiriere und fühle mich eigentlich ganz fit. In 20 Minuten ist Abendessen und danach soll es in das „Paulaner“ gehen. Es ist zwar nicht die Sache, die für mich wichtig ist, aber der Gruppen- oder Herdentrieb... Man muss auch Dinge tun, die man nur so mittut. 2001-07-21 ein Freitag. Bleibt nachzutragen, dass das „ Paulaner Bräuhaus“ eine echte Schaffe war. Eine alte Villa, ganz versteckt und mit mehreren uniformierten Wachen davor. Ohne Bestellung kein Reinkommen. Und drinne? Deftige Speisen – deftige Preise. Man muss sich dran gewöhnen, dass ein halber Liter Bier über 20 DM kostet. Man braut selbst Bier und der Laden gehört einer Firma aus Taiwan. Wir hatten einen Platz an der Bühne und schon das erste Trio gefiel uns und wir machten einfach mit. Dann legte noch eine philipinische Band los und im nu kochte das Wirtshaus. Als dann noch 99 Luftballons flogen und MMW’s Sexy kam waren auch wir vier hin und weg. Das ging wieder zu lang. Der Morgen sah uns etwas zerknautscht aber was soll’s? Wie schwer die Kombination von Kur und Urlaub ist weiß nur, wer’s probiert. Mit einem kleinen Irrtum bei der Startzeit ging’s zur Akupunktur und da ich keine bekam, konnte ich mit in die chinesische Abteilung zur fachärztlichen Weiterbildung. Erstaunt war ich, wie wenig hier der Hang zur Sterilisation ist. Machmal schon ein wenig müllig. Hier staunte ich über die Schröpftechnik, bei der Haut extra perforiert wird und die echt das Blut saugt. Ein platz weiter lag ein Schlaganfallpatient und sein rechtes Bein zuckte rhythmisch. An den Nadeln hatte man Schwachstrom angeschlossen. Trotz seiner eigenen Probleme schaute auch dieser alte Chinese auf meine Blessuren und wollte mich fragen, was das sei. Fragen kann er ja.Dann gab’s den beliebten gallebitteren Kräutertee und die Ration fürs Weekend. Nach dem Mittag mussten wir hasten, dann schon 13.30 ging’s zum Buddhatempel. Welch tiefe Religiösität diese Menschen treibt? Geld liegt allerorts, man wirft es in und über die Buddhafiguren und wer Glück hat, dessen Geldstück klebt an der Figur. Unvermeidlich ist die Shoppingmeile und sie findet immer Konsumenten. Viel Kitsch dabei. In einem benachbarten Laden finde ich sogar Antiquitäten, leider ist die Gebetsmühle nicht so, wie ich mir sie vorstellte. Langsam erreicht die Hitze eine Rekord von 37 Grad im Schatten. Nicht jeder kann das vertragen. Eigentlich ist der Tempel ganz nah beim Hotel, nur Laufen bei der Schwüle? Gleich wollen wir noch kantonchinesisch Essen gehen und ich schaffe mein Pensum lieber gleich. Gegen 22.00 sieht uns das Hotel wieder. Wir waren per Taxi ca.35 km gefahren und haben im Bi Feng Tang gegessen. Es muss ein beleibtes Restaurant sein, denn beim Verlassen stand eine Menschtraube davor, die auf Einlass harrte. Vielleicht bekomme ich das Menue zusammen. Seltsamerweise bekamen die Ärztinnen eine Vorsuppe, die wie Milchkaffee aussah. Darin war eine traubenähnliche Einlage mit dem Geschmack von Gummibärchen. Auf dem Tisch erschien in loser Folge: Pu Err – Tee, Ente in Stücken, Gurke geschnitten, eine Art Schnittlauch, Nudeln mit rauchigem Geschmack, Garnelen, Budweiser Bier, kleine Törtchen mit einer süßen Eifüllung, frittierte braune Bälle mit Einlage Typ Vanillie, nach einer Pause noch Klebreis in Lotosblättern mit Fleisch- und Eieinlage.Dagmar hatte ein Magenproblem und konnte nicht mitessen, wahrscheinlich ist sie etwas erkältet. Sie bekam einen Ingweraufguss und es ist gut, dass Ärzte dabei sind. Herr Liu sprach unseren Samson – Wolfgang noch an, ob er in die Sauna wollte und schon waren ein paar dafür. So kamen wir noch nach einer Taxifahrt von abermals 35 km zu einer Massage. In einem Restaurantobergeschoss war das Massagestudio und ich denke, alle waren neugierig. Blinde Masseure, saubere Umgebung und lustige Preise, wenn man das Verhältnis zum Bier vom Vorabend denkt. 35 Yüan für 45 min Körpermassage. So intensiv habe ich noch keine Massage erlebt. Es gab Punkte, da dachte nicht nur ich, losbrüllen zu müssen. Mit dem Ellbogen wurden wir bearbeitet und die Gruppe war hochzufrieden. Wie das Leben noch am Abend brummt konnten wir auf der Rückfahrt studieren und der Begleiter( er hatte in Deutschland studiert) beantwortete bereitwillig auch die heikelsten Männerfragen. Als krönender Abschluss erfuhren wir im Hotel, dass die Sonntagstour um 8.30 beginnt. Wieder eine Zeitkorrektur, aber nichts ist so beständig wie die Änderung. Cut 2001-07-22 unser erster Sonntag. Wie soll man eine fremde Welt beschreiben und Menschen, mit denen man kein Wort wechseln kann? Beobachten und fühlen. Man muss hinein in diese Welt und schreiben, was man denkt. Und man muss den ewigen Abgleich mit dem Bekannten zum Teil wegdrücken, weil die fremde Welt eigene Gesetze hat. Ein Westeuropäer würde sich nie diesen extremen Bedingungen länger aussetzen wollen und so ergeht es uns, wenn wir immer in die Klimaoase der Hotelräume flüchten wollen. Der Morgen dieses Tages beginnt mit Wecken aus dem Telefon gegen 06.30. Als ich aus dem Hotel trete begegne ich dem Phänomen, das meine Brille beschlägt, weil ich vom Kalten ins Warme komme. Meine erste Beobachtung gegen 7.00 ist ein Papa mit seiner kleinen Tochter, der mit ihr auf den Stufen der Bank sitzt und ihr Reis in ein Kästchen gibt. Welch intimer Kontakt, welch Lebenskraft auf offener Straße. Man sieht diese innere Akzeptanz dieser Beiden, die so gar nicht von dem Rummel gestört sind, der schon um sie herumschwirrt. Genauso ist die Frau am Kiosk. Sie putzt sich mit Inbrunst und Intensität die Zähne und lässt sich kaum von den Kunden stören. Erst als sich einer bemerkbar macht, wendet sie sich mit Schaum vor dem Mund den Käufern zu und bedient. Wir haben mit dieser Verrichtung ein Problem, sie gehört ins Bad und ganz selten, kann man da fremde Augen zulassen. Aber alle meinen Chinesen sind nicht intim in der Öffentlichkeit. Am Kiosk ist das Bier billig, die Flasche zu 4 Yüan, etwa 1,30 DM – also der normale Durchschnittspreis. Das die Zigaretten so gnadenlos preiswert sind, hängt wahrscheinlich an der Tabaksteuer, die bei uns der Staat erhebt. Etwa ein Zehntel des deutschen Marktpreises – nun kann man nachvollziehen, warum die Asiaten „Raubkopien“ auf dem Heimatmarkt verkaufen. Dr. Liu muss nach Deutschland zurück, wir verabschieden ihn beim Frühstück. Auffällig ist, dass er sich mehr um uns sorgt, als wir um ihn. Er ist so etwas, wie ein dienstbarer Universalroboter und sofort zieht Protest auf, wenn einen Kleinigkeit schief geht oder der All-inclusive Reisende so einen Eindruck hat. Doch das muss so kommen, denn kaum einer weiß um die Hürden der Bürokratie und es handelt sich ja nicht um eine Pauschalreise. Ja – und eigentlich wollte ich schreiben, er fliegt nach Hause, nur seines ist ja hier. Wo ihn alle verstehen, wo er ein Teil eines Systems ist, in dem er Akzeptanz erfährt und ohne Probleme agieren kann. Wie schön und schwer es ist, wenn man ein Gefragter ist. Das er noch gern etwas geblieben wäre, nehmen ihm alle ab – sofort fällt mir die Volksliedzeile ein: ...“Ich wäre ja so gerne noch geblieben, aber der Wagen der rollt“... Tschau Liu, man sieht sich. Nur dann vielleicht mit anderen Augen. Unser Tagesplan sieht heute eine Tour nach Zhou Zhuang vor – der Wasserstadt. Eine Anlehnung an unseren Spreewald, eigentlich lange unbekannt, bis ein Maler aus dieser Stadt in Amerika ein Bild ausstellte, auf dm eine Doppelbrücke zu sehen war. Alle Welt fragte, wo denn diese sei und da war das Städtchen entdeckt. Seitdem Rollen Touristenwellen durch die Gassen und das Leben ist so anders als vorher. Nach einer Fahrt von 1,5 Stunden, von der die meiste gebraucht wurde um aus Shanghai herauszukommen. Die Stadt hat tatsächlich 17 Mio. Einwohner, soviel wie unsere ganze vergangene DDR. Statistische Daten sind exakter in Büchern nachzulesen, deshalb will ich hier nicht rekapitulieren, was ich von den Erklärungen der Reiseleiterin behalten habe. Die Wärme umfängt uns, wie ein Mantel und im Nu sind wir durch. Interessant, wie jeder mit dieser Temse umgehen kann, interessant wie sich das System „Körper“ darauf einstellt. Wir bekommen Eintrittskarten, die beim Besuch der Museen geknipst werden. So schieben wir uns durch die ehemaligen Wohn- und Lebensräume zweier reicher Familien und das im kommunistischen China. Doch das ist Kulturerbe live, wenn uns auch das TV eine Geschichte der VR China vorgaukelt, die von 1921 bis 2001 geht. Eben Propaganda. Welche hohe Schule des Handwerks und der Wohnkultur wir hier im Crashkurs durcheilen kann man nur erahnen. Die Möbel, die Bauweise und das einstige Leben von damals weht uns bruchstückhaft entgegen. Entstellt, verzerrt und überdeckt von den unzähligen, geschäftstüchtigen Chinesen, die sich hier niedergelassen haben. Es gibt viel Kitsch und Tant, aber auch Antiquitäten. Altes Porzellan (eine kleine Vase, die mit Wasser gefüllt Vogelstimmen nachmacht), Münzen aus allen Dynastien, und Teekanne, die von unten befüllt werden. Ich bin erstaunt, wie konkret die Wünsche der Einzelnen sind und es darf gehandelt werden. Hier ist jedes Geschäft ein keiner Kampf zwischen Verkäufer und Käufer. So gibt es viele Schnäppchen und wieder gehen Erinnerungen aus dieser Gegend auf die Reise, von denen der, der sie mitbringt stolz erzählt, wie er mit Chinesen gehandelt hat. Alte Frauen bedrängen uns mit Postkarten und Kleinzeug, es gibt kleine Restaurants, wo man sehen kann, was in den Kochtopf kommt. Das schwimmt und krabbelt und tut mir ein wenig Leid. Auf dem Gehsteig wird der Fisch geschlachtet, die Reste zeugen davon. Nach zwei Wohnhäusern gönnen wir uns noch eine Kahnpartie auf dem Kanalsystem. Die Boote werden meist von Frauen per Muskelkraft gerudert, die Kanäle sind flach. In diese fleißt auch das Spüllicht der Haushalte und an der einen Treppe wäscht sich ein junger Mann in dem Wasser, in das ein paar Meter weiter gerade Öl aus einem Boot abging. Ist eben so. Alle sind platt, keiner will essen, trotzdem ist schon ein Lokal geordert und es ist klimatisiert. Die sichtbaren Küchenbedingungen wären ein Schlachtfeld für eine deutsche Hygieneinspektion, das was auf den Tisch kommt ist so gut das am Ende jeder zulangt. Zu erwähnen ist die Spezialität des Ortes Schweinshaxe auf chinesisch – allerorts angeboten und auch heute auf dem Tisch. Nur eben – eine für alle und nicht wie in Deutschland für alle eine. Nach dem Essen bleibt noch individuelle Zeit zum Bummel, die meisten hält es im klimatisierten Raum. Ich bummele fast die ganze Strecke zurück und dokumentiere was ich sehe mit der Kamera. Die filigrane Malerei im Inneren kleiner Gefäße und Figuren, das Stempeln von Spruchbändern, die Seidestickerei, das Fertigen von Perlenketten und dazwischen süße kleine Kinder und eine Gruppe von Omas, die wie aufgezogen zu singen beginnen und auf Holzscheite klopfen. Als ich eine alten Mann mit einem Zupfinstrument fotografiere, habe ich eine Gruppe von Trinkgeldjägern am Bein. Ein alter Herr in seiner Werkstatt fertigt einen Rahmen um einen Holzteller, er ist in seine Arbeit versunken, dass Leben und die Touristen sind ihm fremd. Ich bin seltsam angezogen und kann nicht anders – ich muss das Bild machen. Der Kleinbus holt uns unmittelbar vor dem Restaurant ab und von diesem Ausflug kann man sagen, dass haut selbst den stärksten Neger um. Wolfgang hat sogar vergessen, dass er unbedingt Rikscha fahren wollte. 2001-07-23 Good Morning Shanghai. It is early and I have to get up ... . Mühsam ist jeder Morgen. Ich habe nachzutragen. Der gestrige Tag ist mit einem kleinen Sightseeing - und Marktbummel ausgeklungen. Der riesige Flohmarkt, wo ich meine ROLEX kaufte war der Startpunkt. Da gab es „Raubkopien“ aus allen Sparten. Dazwischen auch ein paar Shopper aus Deutschland. Wir erwarben ein paar Andenken für die Lieben zu Hause und das Feilschen macht schon fast etwas Spaß. Eine Brasserie mit noblen Preisen kam uns als Erfrischungsstation in die Quere und mit der Metro fuhren wir zum Hbf zurück. Ein junger Chinese war von Wolfgags Körperfülle so erstaunt, dass es er ihn spontan nach der Gesamtmasse fragte. Sofort bekam er von der Mutter die gelbe Karte und kurz vor dem Aussteigen entschuldigte er sich brav. Viola und Dagmar hatte mit der schrankenbedienung noch ein kleines Problem und der harte Kern ging noch in die „Rattenbar“ auf ein Bier (zu 8 für 640 ml).